Der Schlußberichr
über die Lohmannschen Unternehmungen
Der Haushaltoansschuß des Reichstages hat sich mit dem Bericht seines Unterausschusses beschäftigt. Die ungeheure Verworrenheit der ganzen Lage geht daraus hervor, daß auch dieser abschließende Bericht noch keinen festen Ucber- llick über die gesamten Verluste des Reiches gestattet. Die Mittel, die dem Kapitän Lohmann zur Verfügung standen, beliefen sich auf insgesamt 19,7 Millionen Mk. Sie entstammen zum größeren Teil den vorhandenen Sonderfonds der Marinevermaltung und zum geringeren Teil l6,9ö Millionen Mk.» den Krediten, die Lohmann im Jahre 1928 ausgenommen hat. Diese Mittel sind verbraucht worden. Sie stellen aber nicht in ihrer gesamten Höhe einen Verlust des Reiches dar, da der Ruhrfonds in der Höhe von 10 Millionen Mk. etatmäßig für Marinezweckc angewiesen morden war und demgemäß auch verwendet worden ist. In der vom Unterausschuß vorgelegten Entschließung ist dies auch anerkannt. Es wird nur bemängelt, daß man die Verwendung dieser 10 Millionen Mk. der Kontrolle des Reichswehrministeriums entzogen hat. Es wir- im Ausschußbericht festgestellt, baß man aus der Verwertung der Aktiven und aus Rückzahlungen insgesamt 9,29 Millionen Mk. erwarten kann. Dieser Betrag würde also als Aktivposten dem Verlustkonto gegenüberstehe«. Zu den baren Ausgaben komme» dann noch Bürgschaften und Eventualverpflichtungen hinzu, die nach der Zusammenstellung des Ausschusses sich insgesamt auf 28,8« Millionen Mk. belaufen. Diese Summe kann aber nicht als glatter Verlust gebucht werden, da sich noch keineswegs übersehen läßt, wie weit das Reich durch die Bürgschaften und di« sonstigen Verpflichtungen auch wirklich in Anspruch genommen wird. Diese Feststellung wirb sich erst später treffen lassen. Im gegenwärtigen Stadium läßt sich aus der Gegenüberstellung der 19,9 Millionen Baraufwendungen, der 28,88 Millionen Eventualverpflichtungen und -er 9,29 Millionen Akttven-Betrag noch kein abschließendes Urteil über den tatsächlichen Retchsver- lust gewinnen. Schätzungsweise beläuft er sich vielleicht auf 20 Millionen Mark.
Der finanzielle Abschluß bleibt also vorläufig noch eine offene Frage. Nach der Entschließung des Unterausschusses sollen die Lohmannschen Unternehmungen sämtlich liquidiert werden. Der HauShaltausschuß des künftigen Reichstags soll darüber am 1. Juli Ls. Js. einen Bericht erhalten, aus dem sich der ganze Stand der Unternehmungen abschließend ergeben wird. _
Bildung einer deutschen Kommission für geistige Zusammenarbeit
TU. Berlin, 27. März. Gestern nachmittag trat im Festsaal des ehemaligen preußischen Herrenhauses die durch Verordnung des Reichspräsidenten am 22. März 1928 ins Leben gerufene Kommission für geistige Zusammenarbeit erstmalig zusammen. Die Kouünlssion hat die Aufgabe .-er Vertretung der deutschen geistigen kulturellen Interessen »gegenüber der Völkerbunöskommission für geistige Zusammenarbeit. Mit ihrer Bildung vollzieht Deutschland einen Schritt, den die meisten Völkerbundsstaaten mit der Bildung nationaler Komitees zu ihrem eigenen Nutzen in den verflossenen Jahren bereits vollzogen haben. Bei der Wahl des Präsidiums wurde Exzellenz v. Harnack und Geh. Professor Dr. Planck zu Vorsitzenden, Prof. Dr. Rodenwaldt und Prof. Dr. Konen zu stellvertretenden Vorsitzenden der neuen Kommission gewählt. Unter Vorbehalt weiterer Wahlen wurden Generaldirektor Prof. Dr. Krüß und Geh. Rat Prof. Dr. v. Miller-München zu Mitgliedern des Präsidiums bestimmt.
Wirtschaftskrise in Südürol
Die deutsche« Abgeordneten überreichen eine Denkschrift in Rom.
TU. Bozen, 27. März. Die deutschen Abgeordneten Südtirols, Baron Sternbach und Dr. Tinkl, haben im Ministerratspräsidium in Rom eine Denkschrift über die augenblickliche Wirtschaftslage in Südtirol überreicht. Die deutschen Abgeordneten betonen in dieser Denkschrift freimütig, daß die Ursache der Süütiroler Wirtschaftskrise vor allem in der gewaltsamen Zerreißung der natürlichen Wirtschaftsgebiete zu suchen sei. Italien habe auch durch offenkundige Verletzung der Bestimmungen des Frieöens- vertrages und durch Zwangsmaßnahmen die bodenständigen deutschen Wirtschaftseinrichtungen planmäßig zerschlagen. Die Verluste, die das Wirtschaftsleben Südtirols im ersten Jahrzehnt der italienischen Herrschaft zu verzeichnen habe, werden von den Abgeordneten auf rund 3 Milliarden Lire geschätzt.
Bauernnnruhen in Südtirol.
TU. Bozen, 27. März. In der Provinz Trient weigern sich die Bauern die Steuern zu zahlen. Die Steuereintreiber können nur mit Hilfe der Karabinieri die Pfändungen durchführen. In der Gemeinde Tuenno im Nonnstal revoltierten die Bauern gegen den faschistischen Bürgermeister, so daß ein Kommando Karabinieri zur Wiederherstellung der Ruhe herangezogen werden mußte. 42 Bauern wurden verhaftet. >
Auf dem Wege zum Wellfriedenspakt
TU. Paris, 27. März. Die Ueberreichung der französischen Antwort auf die letzte Kcllogg-Note in der Frage des Antilricgspaktes steht unmittelbar bevor.
In Pariser politischen Kreisen spricht man davon, daß Briand den Vertretern der anderen Großmächte in Genf Frankreichs Bereitwilligkeit zum Abschluß des Paktes mit- geteilt habe. Frankreich sei aber nur dann für diesen Pakt,
wenn durch ihn die Bölkerbnndsverpflichtungen in keiner Weise berührt werden. Wie es heißt, sollen auch die Vertreter der vier anderen Großmächte in Genf erklärt haben, unter diesen Umstünden dem Kclloggschcn Weltfriedcnspakt beitrcten zu wollen.
Kleine politische Nachrichten
Amtssuspendierung eines Berliner Polizcimajors. Bei einem Poltzcimajvr der Berliner Schutzpolizei ist ein Maschinengewehr gefunden nnd beschlagnahmt worden. Der Polizeipräsident hat daraufhin sofort dem Pvlizetoffizirr die Ausübung der Amtstätigkeit vorläusig untersagt und beim Minister des Innern die Amtssuspendierung beantragt, die dieser bereits ausgesprochen Hai. Außerdem hat der Polizeipräsident unverzüglich ein Strafverfahren g gen den Polizeioffizier wegen Verstoßes gegen Paragr. 7 Ziffer 6 des Nepublikschutzgesetzes eingeleitet.
Ebert jun. kandidiert für den Reichstag. Die sozialdemokratische Partei des Bezirks Brandenburg-Grenzmark beschäftigte sich mit der Kandidatenaufstellung für Reichs- und Landtag. Im Wahlkreis Potsdam I stehen an den drei ersten Stellen die bisherigen Abgeordneten Wissel, Dr. Breit- schetd nnd Paul Juchacz, an 6. Friedrich Ebert, der Sohn des verstorbenen Reichspräsidenten.
Die französischen Transozeanflugpläne. Von den zahlreichen französischen Plänen für eine Ueberquerung des Ozeans in der Richtung nach den Vereinigten Staaten werde« die Vorbereitungen des Korvettenkapitäns Guilöand und des Linienschiffleutnants Paris offiziell unterstützt. Grrilbaud hat bekanntlich einen Etappenflug Frankreich- Madagaskar hinter sich, während Paris kürzlich die Verbindung über die Kap-Verdischen Inseln nach Brasilien herstellte. Für den Wettbewerb rüsten sich ferner u. a. auch die Flugzeugfirmen Farman und Bleriot. Sämtliche Apparate werben für einen Aktionsradius von 9000 Kilometer» gebaut.
Italienisch-jugoslawische Verständigung über die Rettuno- Konveutio«. Die Agramer „Novosti" melden, daß zwischen Mussolini und dem jugoslawischen Gesandten in Rom Ra- kttsch eine Verständigung erzielt worden sei, nach der sich die jugoslawische Regierung verpflichte, bis zum 27. Juli 1928 die Konvention von Nettuno zu ratifizieren, worauf die italienische Regierung den Antrag stellen werde, den jugoslawisch-italienischen Frenndschaftsvertrag um 5 Jahre bis zum 27. Juli 1938 zu verlängern.
Dänemarks erster weiblicher Minister gestorben. Berliner Blätter melden aus Kopenhagen, daß Frau Nina Bang, Dänemarks erster weiblicher Minister, die im sozialdemokratischen Kabinett Stauning im Jahre 1924 den KultnS- minifterposten bekleidete, im Alter von 62 Jahren gestorben ist. Frau Bang entstammte einer konservativen Familie.
Entdeckung kommunistischer Waffenlager in London. Scottland Narb hat im Zusammenhang mit den Nachforschungen über geheime Waffenloser in einem Hause klein- kalibrtge Waffen und Munition entdeckt. Zahlreiche Droh- briefe laufen bei der Polizei ein, die alle Anschläge auf bas Leben der Polizetbeamten ankündigen. Insgesamt sind während der letzten Tage von der Polizei über IM Pistolen beschlagnahmt worden.
Eine neue Hochwasserkataslrophe in Amerika
TU Newyork, 27. März. Wie aus San Franzisko gemeldet wird, sind Mittelkalifornien und Newada infolge Regen- und Schneeschmelze von starken Ueberschwemmungen bedroht. Mehrere Flüsse find über die Ufer getreten. Der 22 Meilen von Reno entfernt liegende Boca-Damm droht zusammenzubrechen,' die Städte Reno nnd Newada stehen bereits teilweise unter Wasser. Auch die Hauptstraßen von Sacramento sind bereits überschwemmt. Der Verkehr der Southern Pacific-Bahn ist teilweise unterbrochen. Eine große Anzahl von Ortschaften wird geräumt. Man befürchtet, baß bereits Menschen durch das Hochwasser ihr Leben verloren haben. _
Aus aller Welt
Schweres Automobilnnglück in Kassel»
Der 26jährige Kaufmann Fresenius hatte mit sieben seiner Freunde eine nächtliche Fahrt zu einem Ausflugsort unternommen. Dort war dem Alkohol stark zugesprochen worden und in wüstem Tempo ging es in den Morgenstunden nach Kassel zurück. Als der Lenker in 9S-Kilometer- Tempo eine Kurve nehmen wollte, kam der Wagen ins Schleudern, schlug gegen einen Leitungsmast und rannte in voller Fahrt über einen Bürgersteig in ein Kolonialmarengeschäft, das fürchterlich verwüstet wurde. Von den Insassen des Wagens wurde einer sofort getötet und fünf weitere, darunter eine Dame, so schwer verletzt, daß ihr Aufkommen unmöglich erscheint. Der Wagen liegt vollkommen zertrümmert unter Mauerschutt nnd Glasscherben in dem Geschäft, in dem sich glücklicherweise zur Stunde niemand aufgehalten hatte. Die übrigen drei Insassen des weit überlasteten Wagens kamen mit leichteren Verwundungen davon.
Ei« Kaffenbote um 4000 ./l bestohlen.
In Chemnitz wurden in einer Bank dem Kassenboten einer Chemnitzer Firma 4000 entwendet. Als der Bote mit dem Zählen eines größeren Geldbetrages beschäftigt mar, wurde er unvermutet von einem Manne angefprochen. Während sich der Bote zur Seite wandte, weil er nicht verstanden hatte, was der Mann sagte, nahm ein zweiter Mann einige Banknotenbündel im Betrage von 4000 an sich. Der Vorgang spielte sich mit derartiger Schnelligkeit ab, daß
die beiden Täter durch die Tür verschwinden konnten, ehe der Bestohlene den Raub bemerkt hatte.
Eine Familie tot aufgcfunden.
In Düsseldorf wurde eine Familie, bestehend aus Mann, Frau und einem 14jährigcn Jungen tot aufgesandeu. Die Nachbarn waren dadurch aufmerksam geworden, daß das Gaslicht morgens noch brannte. Man alarmierte zunächst die Feuerwehr, die in die Wohnung eindrang. Die Vermutung, daß Selbstmord vvrlwgt, scheint sich nicht zu bestätigen, da die Familie in durchaus geordneten Verhältnissen lebte und für die Kvnfirmatiousfeier des Knaben, die am nächsten Tage stattfinden sollte, mehrere Verwandte eingeladen hatte. Die Untersuchung ist im Gange.
Verwegener Einbruch in die Dresdner Bank in Berlin.
In der Nacht zum Sonntag unternahmen in Berlin anscheinend gewerbsmäßige Einbrecher einen dreisten Einbruchsversuch in die Dresdner Bank in der Budapcster Straße. Sie drangen in den Tresorraum der Depo fiten lasse, durchstießen die Betonwände und waren eben daran, mit Sauerstoffgebläsen die Safes zu öffnen, als sic von Hausbewohnern entdeckt wurden. Das alarmierte Ucberfallkom- mando war mit einem großen Aufgebot zur Stelle und riegelte den ganzen Häuserblock zwischen Budapest», Tau- entzien- und Nürnberger Straße ab und nahm die Verfolgung der über die Dächer flüchtenden Verbrecher auf.
Großer Waldbrand bei Nenstetti».
In den Waldungen östlich von Ratzeburg entstand ei« Waldbrand, der große Ausdehnung annahm. Zahlreiche Rettungsmannschaften aus den umliegenden Dörfern und SO Reichswehrsolbaten beteiligten sich an den Arbeiten zur Eindämmung des Brandes. Nach den bisherigen Schätzungen sind über 1000 Morgen Wald von den Flammen erfaßt worden.
Schifssexplosion durch eine Stnrzsee.
Wie aus Kopenhagen gemeldet wird, ist in der Nähe von Island auf dem großen färoernschen Fischerfahrzeug „Ab. corn" ein furchtbares Unglück geschehen. Durch eine große See, die über das Schiff plötzlich hinwegging, drang Wasser in das Mannschaftsogis, in dem sich gerade neun Mann befanden und brachte hier eine offenstehende Tonne Kalziumkarbid zur Explosion. Die Explosion hatte eine furchtbare Wirkung. Sechs der neun in dem Raum anwesenden Personen starben in kurzer Zeit an Gasvergiftung und Brandwunden, während die übrigen drei schwer verletzt wurden. Der restlichen Besatzung gelang es nach einstündtgem Kampf des ausgebrochene» Feuers Herr zu werden. ,
Schwere Brände in Galizien . '
In Ser Nähe von Lemberg brachen in drei Dörfern große Brände aus, die sich infolge der gegenwärtig im ganzen Lande herrschenden starken Frühjahrsstürme ungeheuer rasch ausbreiteten. In Czerczik brannten 36 Bauernwirtschaften mit insgesamt 106 Wirtschaftsgebäuden nieder, ohne baß wesentliches Material gerettet werden konnte. Da die Feuerwehren unzureichend und die Wasserzufnhren sehr mangelhaft wcven, war es fast unmöglich, bas Feuer einzudämmen. Zwei Personen verbrannten, 12 Personen trugen schwere Brandwunden davon. In dem Dorfe Brzo- zomie brannten vier Wirtschaften nieder, wobei ebenfalls zwei Personen ums Lebe» kamen. Ein dritter Brand entstand in Lemberg selbst, wo ein Fabrikgebäude eingeäscherl wurde.
Schwere Ernteschädcn in Siidfrankreich.
An der Südküste der Vendee haben schwere Stürme großen Schaden angerichtet. Das Meer durchbrach die Deiche und überschwemmte weite Gebiete. Die Ernte ist vollständig vernichtet worden. Die Anbauflächen dürften für mindestens 4 Jahre versumpft sein.
Eine Tanne zerschmettert ein Ausflugsauto.
Nach der Meldung eines Blattes ans Leas lUS.A.» wurde ein Auto, das mit Schulkindern einen Ausflug längs des Mississippi unternahm, von einer umstürzenüen Tanne getroffen und zertrümmert. Der Wagen fing sofort Feuer. Dabei fanden S Schüler und der Chauffeur den Flammentod. Zwei andere Kinder wurden schwer verletzt.
Petroleum-Bakterien
Von Professor Dr. Max W o l f f - Eberswalde.
Petroleum, Naphta und ähnliche Stoffe gelten nach landläufiger Erfahrung als für Nahrungszwecke ungeeignet. Der russische Forscher W. O. Tausson hat aber unlängst in den eröölgetränkten Böden von Baku Bakterien entdeckt, die sich als Petroleumspezialisten erwiesen. In anorganischen Nährlösungen, denen als einzige Kohlenstoff- und Energiequelle Naphtalin zugesetzt war, gediehen sie prächtig. Ja, es zeigte» sich eigentümliche Veränderungen der Naphtalinkristalle, die darauf hinöeuteten, baß diese Organismen die Ringgefüge der Naphtalinmoleküle sprengen können. Die Naphtalinkristalle in solchen Baktericnkulturen runden sich ab, werden kleiner, ändern ihr physikalisches Verhalten und werden schließlich vollkommen aufgezehrt. In wenigen Wochen verschwanden durch die Arbeit Ser bakteriellen „Sprcngkolonnen" ganz unverhältnismäßig große Mengen Naphtalin, zwischen einem halben und einem Gramm.
Das grundsätzlich Neue an diesen Beobachtungen ist also nicht die an sich auch schon merkwürdige Tatsache, -aß es Organismen gibt, die in einem für andere höchst verderblichen Milieu leben können. Das vermögen merkwürdigerweise sogar die Larven einer amerikanischen Fliegenart. Aber diese ernähren sich keineswegs von Petroleum, sondern von anderen in Pctroleumtttmpelu verendeten Insekten. Sie verzehren Petrolenmleichcn. Die Bakterien der russischen Erdölböden verzehren dagegen das Petroleum und das Naphtalin selbst. Das ist eine unvergleichliche Leistung.