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Weihnachten, sie werden gefeiert in Hütte und Palast in deutschen Landen und in der Ferne im Auslande, wo deutsche Herzen der Heimat entgegenschlagen. Nirgendwo ist das Weihnachtsfest so von Poesie umwoben, so gemütvoll und so sehr das Fest der Familie, wie in unserem lieben Vaterlande. Und jenen poetischen Hauch, der über diesem Feste ausgegossen liegt, haben nimmer die Stürme und Kämpfe des Jahres zu zerstören vermocht, für alle Zukunft wird uns die stille, die heilige Nacht die wonnigste Zeit des Jahres sein und bleiben.
Tkgesüemgk eiten.
Gerlingen, 23. Dez. Heute früh wurde der Wundarzt Böhm, welcher im Verdacht steht, den Tod der Kronenwirtsehefrau von hier verschuldet zu haben, verhaftet und ans Amtsgericht Leonberg eingeltefert.
Stuttgart, 22. Dez. (Strafkammer.) Im Rathaus zu Degerloch wurde am 11. Nov. nachts 1 Uhr aus einer verschlossenen Schublade ein Geldbetrag von 17 ^ gestohlen. Der Dieb, welcher auch mehrere Türen zu erbrechen versuchte, fühlte sich durch Klopfen an der Tür eines Nachbarhauses beängstigt und flüchtete sich durch einen fünf Meter hohen Sprung aus dem ersten Stockwerk. Anderen Morgens wurde er hier verhaftet und in der Person des vielbcstraften 38jährigen ledigen Schweizers Wilhelm Mack von Bernhausen, welcher drei Tage vorher aus dem Zuchthaus in Bruchsal nach Erstehung einer dreijährigen Strafe mit einer Barschaft von 60 ^>, bestehend in sechs Zehnmarkstücken, entlassen worden war. Von diesem Gelbe fand sich im Geldbeutel Macks nichts vor, wohl aber 48 in anderen Geldsorten, worunter solche, die den in Degerloch gestohlenen ganz ähnlich waren, insbesondere ein zerhacktes Zehnpfenntgstück. Der Angeklagte leugnet jedoch ganz entschieden in Degerloch gewesen zu sein und behauptet, sich hier aufgehalten zu haben, während ein Schutzmann von Degerloch behauptet, ihm in der fraglichen Nacht dort zweimal begegnet zu sein. Der Angeklagte wurde wegen schweren Diebstahls im Rückfall zu einer Zuchthausstrafe von 2 Jahren 6 Monaten nebst 5jährigem Ehrverlust, sowie wegen Widerstands bei der Verhaftung zu weiteren 2 Wochen verurteilt, welche durch Untersuchungshaft verbüßt sind.
Tübingen, 23. Dez. Heute standen zwei Weinpantscher vor der hies. Strafkammer, nämlich die Weinhändler Roth fuß von Neuenbürg und Christian Calmer aus Büchenbronn. Beide hatten billige Pfälzer Weine unter Zutat von Wasser, Zucker, Farbstoffen rc. zu allen möglichen besseren Weinen, z. B. Kaiserflühler, umgewandelt. Roth- fuß wurde zu 200 Calmer zu 50 Geldstrafe verurteilt, auch wurde auf Vernichtung des gefälschten Weines, mehrere tausend Liter, erkannt.
Reutlingen, 23. Dez. Die Gründungs- Versammlung der hiesigen jungen Volks Part ei
findet am 13. Januar 1905 statt. Abgeordneter Konrad Haußmann wird über „Württemberg im Reich" sprechen.
Göppingen, 20. Dez Der 34 Jahre alte Bremser Bäuerle von Ulmsprang von einem in der Richtung nach Eislingen fahrenden Güterzug ab, um den von der Laterne binuntergefallenen Tigel aufzuheben. Im selben Augenblick kam ein Peisonenzug von Eislingen her, die Lokomotive erfaßte Bäuerle und warf ihn zu Boden. Es wurde ihm ein Fuß abgefahren, auch erhielt er schwere Kopfwunden.
Heilbronn. Seit einigen Wochen sind hier jüngere Fabrikarbeiterinnen morgens und abends bei ihren Gängen von und zur Arbeit durch einen Fabrikarbeiter in schamloser Weise belästigt und besudelt worden. Jetzt hat man den Täter ermittelt und zur Anzeige gebracht.
Main har dt, 23. Dez. Ein schönes Weihnachtsgeschenk wurde der hiesigen Gemeinde zu teil. Frau Professor Huber in Stuttgart, ein ständiger Kurgast in u serem Höhenort, hat der Gemeinde eine Volksbibliothek von ca. 250 Bänden übersandt.
Nürtingen, 23. Dez. Diebe versuchten in das Arbeitszimmer eines hies. Fabrikanten einzubrechen, vermochten aber entweder nicht das Eisengitter durchzusägen oder wurden von dem Fabriknachtwächter verscheucht. Die Stcherheitsorgane verdoppeln ihre Wachsamkeit um die in letzter Zeit vorgekowmenen frechen Einbrüche aufzuklären.
Vom Bodensee, 22. Dez. Ein eigentümliches Jagdunglück ereignete sich gestern im Rheintal. Mühlenbesitzer Schoop von Dübach bei Rorschach hatte sich mit Freunden auf die Hasenjagd ins Rheintal begeben. Ein von ihm gefehlter Hase wurde gleich darauf von einem anderen Jäger erlegt und kollerte sodann einen kleinen Abhang hinunter dem Schoop entgegen. Dieser ergriff ihn und flieg den Abhang hinan. Beinahe oben angelangt, wollte er sich mit der einen Hand an einem Gesträuch halten, während die andere den Hasen emporhielt. Der Jäger, welcher den Hasen erlegt hatte, wollte dem Emporklimmenden die Hand leiten. Dabei glitt ihm das Gewehr über die Schulter herab und stieß am Boden auf. Der Schuß ging los und Schoop stürzte tödlich getroffen zusammen.
Berlin. General Trotha meldet aus Windhuk vom 21. ds.: Eine Offizierspatrouille stellte bet Stawp-Riedfontein östlich von Kalkfontein 80 Witboi fest. Major Meister griff sofort überraschend mit der 4. Kompagnie und zwei Geschützen an. Der Feind ließ zwei Tote mit Gewehren liegen. Weitere Verluste find nicht festgestellt.
— Zur Lage in D euts ch - S üd w e st- afrika schreibt die Deutsche Kolonialztg: Aus dem hohen Norden des Schutzgebiets — dem Amboland — wird gemeldet, daß der deutschfeindliche Ovambo- häuptling Nechale zahlreiche Herero bei sich aus
genommen habe. Diese Nachricht ist insofern von hoher Wichtigkeit, als sie beweist, daß der genannte mächtige und einflußreiche „Kapitän" nicht aufgehört hat, die deutsche Macht zu mißachten und seiner feindlichen Haltung erneut Ausdruck zu geben. Wir versagen es uns, auf eine Beurteilung des in der Zukunft liegenden Ovambofeldzugs einzugehen, und zwar, weil die Haltung der übrigen Ovambostämme sich zurzeit ebensowenig übersehen läßt, wie der kriegerische Wert des Volks, seine Hilfsquellen und die Zahl seiner Krieger überhaupt. Jedenfalls weist die vernichtende Niederlage der portugiesischen Expedition am Kunene darauf hin, die Ovambo mit aller soldatischen Vorsicht anzufassen und keine Maßregel zu unterlassen, die einen schnellen und nachdrücklichen Sieg auch unter den schwierigsten Verhältnissen sichern kann. Vor allem wird auch zu beachten sein, daß das Amboland seit Jahrzehnten das Durchgangsgebiet für einen enormen Waffen- und Munitionshandel und -Schmuggel nach allen Himmelsrichtungen bildet.
— Ueber den abenteuerlichen Besuch der Gräfin Montignoso, die plötzlich in Dresden erschien und im Schloß Einlaß begehrte, um ihre Kinder zu sehen, meldet derLok.-Anz. aus Leipzig: Rechtsanwalt Dr. Zehme, der am Donnerstag knrz vor 6 Uhr abends von Dresden kommend wieder mit der Gräfin in Leipzig eintraf, erklärte, daß die Gräfin Montignoso aus eigenem Antrieb, ohne daß er eine Ahnung davon hatte, gekommen sei, nur um ihre Kinder zu scheu. Da die Gräfin durch die lauge Fahrt von Florenz nach Leipzig überreizt schien, habe er sie, um sie nicht schutzlos zu lassen, nach Dresden begleitet. Die Gräfin reiste nachts 12 Uhr 42 Min. von Leipzig nach Florenz ab. — Wie man der Straßb. Post aus Dresden berichtet, erwartete man dort seit Mittwoch abend die Ankunft der Gräfin Montignoso, da ihre plötzliche Abreise gemeldet war. Der Polizeipräsident v. Koettig und Kämmerer General v. Erlegern veranlaßten die Gräfin, um 2'/» Uhr nach Leipzig zurückzureisen, Sie hat den König nicht gesprochen und ihre Kinder nicht gesehen. Vor dem Hotel Bellevue, wo die Gräfin einige Stunden weilte, hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die in Sympathierufe ausbrach. Die Gräfin hat also ihr feierlich gegebenes Versprechen, Deutschland nicht zu betreten, gebrochen. Man bedauert in Dresden ihren unüberlegten Schritt. Es ist der Wille des Königs, daß an dem ablehnenden Verhalten des sächsischen Hofs zu ihr unbedingt fcstgehalten werde. Die Gräfin Montignoso war auf der Rückreise von Dresden nach Leipzig begleitet vom Dresdener Polizeipräsidenten v. Koettig und Rechtsanwalt Zehme. In Leipzig wurde sie vom Leipziger Polizeidirektor Brotschneider zum Wagen geleitet und fuhr nach Gautsch in Zchmes Privatwohnung. Auf und vor dem Bahnhof waren etwa 200 Personen versammelt. Als wiederholt „Hurra" gerufen wurde, dankte die Gräfin sichtlich erfreut. — Zum Besuch der früheren Kronprinzessin von Sachsen in Dresden meldet man dem Berl. Tage-
heit und später äußeren Glanz und Schimmer, verbunden mit Grauen und Ekel vor dem Manne, der ihn ihr verschaffte. Jetzt wollte sie glücklich sein. Ob sie Alfred wirklich liebte, wußte sie nicht; gleichviel, es war das stärkste Gefühl, dessen ihre kalte, selbstsüchtige Natur fähig war, und keine Macht der Erde sollte ihr den Mann entreißen, den sie besitzen wollte! Ja! wollte! gleichviel, welches Herzeleid andere darüber empfanden, was auch dabei in Trümmer ging. Sie hatte ja schon halb gewonnenes Spiel Der Vater, der nie einen anderen Willen im Hause geduldet, als den eigenen, war auf ihrer Seite, ja selbst die Schwester, die Fred zärtlich liebte, war empört über die Zumutung, eine Komödiantin als Schwägerin zu erhalten. Und diese selbst. Wie leicht sind solche Damen umzustimmen. Mit Geld ist alles zu erreichen und das hatte sie ja jetzt.
Unheilvolle Pläne durchzuckten ihr Gehirn, und ein teuflisches Lächeln umspielte ihren rosigen Mund. Aber sie verriet nichts davon. Sie umschlang Marie zärtlich, und, ihr traurig in die Augen sehend, sagte sie: „Ich leide mit dir, denn" — sie errötete wie ein Backfisch — durch das Anhalten des Atems; — sie seufzte tief auf und schwieg.
AIS Mary sie erstaunt ansah, erpreßte sie mühsam spärliche Tränen und setzte mit tiefbewegter Stimme, die vollkommen natürlich klang, hinzu: Denn — ich liebe deinen Bruder."
„Du, Olga? Das ist ja herrlich, weiß er dies erst, wird er nicht widerstehen können. Sie liebkoste die Freundin.
Olga küßte sie zärtlich für die Worte, die sie bei ihrer maßlosen Eitelkeit für gerechtfertigt fand.
„Ich will dich unterstützen, Olga, soweit ich kann."
Olga wies dies Anerbieten nicht zurück. Die Unterstützung dieses kleinen süßen Mädels war bei der großen Liebe, die der Bruder für sie empfand, nicht zu unterschätzen.
Sie küßte sie wiederholt; Olga versicherte aufs neue ihre große Liebe zu Fred, und Maiy fand die Freundin bezaubernder denn je.
Unterdessen war Herr von Schmolling mit seiner Gattin auf- und abgeschritten. Wer beobachtete, wie der kraftvolle Mann seine zarte Frau sorgsam führte, konnte nicht vermuten, daß harte Worte von des Gatten Lippen kamen: „Was sollen diese ewigen Tränen? Du weißt, ich kann sie nicht ausstehen. Was ist nun wieder?" Höchst gereizt klang der Ton.
„Vergieb', Hermann, unser Fred —"
„Dachte ich's doch," unterbrach er sie unwirsch; „was giebt es da zu weinen; die Sache ist abgetan."
„Erlaube," warf sie schüchtern ein, doch verstummte sie sofort vor seinem Blick. So gingen sie noch eine Weile auf und ab, während die besorgte Mutter ihren ganzen Mut sammelte. Und als Schmolling milder, als es sonst seine Art war, da er das Zittern seiner Frau bemerkt hatte, zu ihr sagte: „Ich will dich hinführen, die Luft ist für dich zu kühl, du zitterst," da raffte sie sich auf, machte sich los von ihm, sah ihm fest in die Angen und sagte so ruhig, als es ihr irgend nur möglich war: „Ich zittere jetzt nicht vor Kälte, sondern aus Herzensangst für meinen Sohn. Du sagst, die Sache ist abgetan; wie ich mein Kind kenne, ist dies nicht der Fall. Du kannst unmöglich deines einzigen Sohnes Glück vernichten aus engherzigen Vorurteilen; er wird es nicht so ruhig hinnehmen; er wird kämpfen um seine Liebe und ich — mit ihm." (Fortsetzung folgt.)