914

bis zum Zavelsteiner Brückle. Von hier an wurde links der Straße ein scheints ganz vergessener Pfad benützt, der eigentlich viel Schöneres bietet als die vielbegangene Straße. Auf der Höhe genießt man nämlich eine viel bessere Albfernsicht und das Berg­städtchen Z. liegt in seiner ganzen Breitseite plötzlich viel hübscher vor dem Wanderer, als wenn man der Straße hinuntergeht und so allmählich die Ruine von der Fahne an abwärts und dann vom Städt­chen Dach hinter Dach wohrnimmt. Wir möchten künftige Besucher von Z. aufmuniern, einmal diesen unbenützten Weg, der auch an dem halbvergcssenen AltcriumSpinnerin Kreuz" vorbetführt, zu begehen. Derselbe ist nicht länger, eher noch etwas kürzer als die Straße. Für Markierung wird durch den Verein bald gesorgt werden. Diesmal wurde Z. nur von der Ferne begrüßt. Wir wendeten uns linksum und pilgerten über Sommenhardt hinab zur Station Teinach. Nur 2'/- Stunden dauerte bis da der anregende Marsch. Ein Teil der Wan­derer ging daher nach genügender Ruhepause voll­ends zu Fuß nach Calw, das trotz der Dunkelheit kurz nach 8 Uhr glücklich erreicht wurde.

H Deckenpfronn, 4. Dez. Beider gestern stattgehabten Bürgerausschußwahl haben von 254 Wahlberechtigten 87, also rund ein Dritteil, abgestimmt. Die seitherigen Mitglieder, Obmann Jakob Faißler, JohS. Stichele, Gottlob Süßer und Michael Schneider wurden nahezu einstimmig wiedergewählt. Neu gewählt wurden Fritz Don- gus mit 74 und Christian Dongus z.Krone" mit 38 Stimmen.

Tübingen, 4. Dez. Vorgestern Nacht kurz nach 11 Uhr brach in den Geschäftsräumen der Parkett- und Möbelfabrik Theodor Schmid am Schleifmühlewcg Feuer aus, das glücklicherweise auf seinen Herd beschränkt werden konnte, sodaß der Schaden nicht allzugroß ist. Es brannte ein Zimmer aus und gingen außerdem einige kleinere Gegen­stände zu Grunde. Die Ursache des Brandes ist noch nicht aufgeklärt.

Ludwtgsburg, 3. Dez. Die bürgerlichen Kollegien beschlossen in ihrer letzten Sitzung die Errichrung eines Kaufmannsgerichtes und genehmigten das vorher mit Angehörigen des hies. Handelsstandes durchberatene Ortsstatut. Danach besteht das Kaufmannsgericht aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und 20 Beifitzern; bei den Verhandlungen ist das Gericht jeweils aus 5 Mit­gliedern einschließlich des Vorsitzenden zusammen­gesetzt. Für die Beifitzerwahlen wurde der Ber- hältniswahlmodus eingeführt, wie dieser in Zukunft auch für das hies. Gewerbegericht maßgebend sein wird. Prinzipale und Handlungsgehilfen wählen je die Hälfte der Beisitzer, deren Amtsperiode drei Jahre dauert. Das Kaufmannsgericht ist auch als Einigungsamt tätig. Das Statut tritt sofort nach Genehmigung in Kraft.

Heilbronn, 3. Dez. Wie dieNeckar­zeitung" erfährt, hat das Ministerium des Innern das Gesuch der bürgerlichen Kollegien der Stadt Heilbronn um Zulassung der Feuerbestattung nunmehr genehmigt.

Heilbronn, 4. Dez. In einem Weinberg­häuschen wurde hier die Leiche eines Ulanen, der sich erhängt hatte, aufgefunden. Was den Mann, der in Ludwtgsburg diente, in den Tod getrieben, ist noch nicht aufgeklärt.

Brackenheim, 3. Dez. Im hiesigen Be­zirk wurden in der Zeit vom 1. Mai bis 1. Sep­tember ds. IS. von 189 Personen Ansprüche auf Wildschadenersatz erhoben und ein solcher in Gesamthöhe von rund 1200 vergütet.

Aalen, 3. Dez. Heute früh '/-3 Uhr brach in einem Magazin von Ostertag, Kassenfabrik, Feuer aus, welches durch die rasch herbeigeeilte Feuerwehr im Entstehen erstickt wurde.

Latchingen, 3. Dez. Der 60jähr. Wagner Mayer hier stürzte gestern Abend vom Heuboden seiner Tenne ab und fiel so unglücklich auf Steine, daß er sofort tot war.

Ulm, 3. Dez. Die hiesige Handwerkskammer hat sich an die Generaldirektion der württ. Staats­bahnen mit der Bitte gewandt, das Aufstellen von Schaukästen auf Bahnhöfen zu verbieten. Die Generaldirektion sagte in ihrer Antwort zu, daß die gegenwärtig aufgehängten Schaukästen in abseh­

barer Zeit zurückgezogen werden und künftig die Anbringung von Schaukästen nicht mehr zu gestatten.

Breslau, 3. Dez. Wie die Schlesische Volkszeitung aus Warschau meldet, soll morgen über Warschau der Belagerungszustand ver­hängt werden, um weiteren Exzessen nach Möglich­keit vorzubeugen. Bei den letzten Ausschreitungen in Warschau sind 10 Personen getötet und 38 ver­letzt worden. Von den letzteren trugen die meisten schwere Schädigungen ihrer Gesundheit davon.

Berlin, 3. Dez. In gut unterrichteten parlamentarischen Kreisen ist die Hoffnung auf ein baldiges Zustandekommen des Handelsvertrags mit Oesterreich-Ungarn noch nicht aufge­geben. Die Entscheidung werde tatsächlich erst in den nächsten Tagen sollen. Günstigenfalls werde dieser Vertrag gleichzeitig mit den übrigen Handels­verträgen im Reichstage zur Debatte gestellt werden. Auch der Staatssekretär Graf Posadowsky äußerte sich über den Stand der Angelegenheit nicht im Mindesten pessimistisch.

Osnabrück, 3. Dez. Hier tötete ein Schüler einen anderen durch einen unvorfichtiger- weise mit einem Tennisschläger gegen die Schläfe geführten Schlag. Auf dem Viehmarkt in Schrit­ts rf spießte ein wild gewordener Stier eine Frau auf seine Hörner und verletzte sie lebensgefährlich.

Paris, 3. Dez. Während des Transports von Soldaten, welche wegen Disziplinarvergehen zwangsweise in die afrikanischen Bataillone ein­gestellt werden sollten, wurden auf dem Wege zwischen Paris und Marseille schwere Ausschreitungen be­gangen. Die Soldaten, 138 an der Zahl, verübten allerlei Unfug, zertrümmerten 37 Wagenfenster, zer­schnitten sämtliche Vorhänge, warfen die Bänke aus den Koupes und zerstörten die Heizungs- und sonstigen Einrichtungen der Wagen. Beim Passieren der Bahnhöfe bewarfen sie die Gendarmen mit allerlei Gegenständen. In Marseille eingctroffen, verletzte ein Soldat einen Kellner, der Erfrischungen anbot, durch einen Wurf mit einem Elsenstück. Die Sol­daten wurden sofort an Bord des Dampfers Ville d'Oran gebracht, um nach Algier transportiert zu werden.

Petersburg, 3. Dez. Gestern fand spät Abends eine grandiose Demonstration zur Einführung der Preßfreiheit statt. Im Saale Tenischew hielt die juristische Gesellschaft eine Sitzung ab, in der die hervorragendsten Autoritäten die Frage über die notwendige Abänderung des russischen Paß­gesetzes behandelten. Der Saal war schon zu Be­ginn der Verhandlung überfüllt. Infolgedessen standen Studenten und Studentinnen zu Tausenden auf der Straße, wo berittene Polizei die Ordnung aufrecht hielt. Die Menge wollte gewaltsam in den Saal dringen. Der Polizeihauptmann bat die Demonstranten, sich ruhig zu verhalten, da die Vor­lesung wiederholt werden würde. Dieses Versprechen genügte vielen nicht. Sie versuchten unter dem Ruf: Es lebe die Freiheit und das Recht, die Türen gewaltsam zu sprengen, um die juristische Gesellschaft zu zwingen, das Colliquim abzubrechen und in einem größeren Saale abzuhalten. Hierauf drängte die Polizei die Demonstranten zurück, wobei einige übel mitgenommen wurden. Etwa 3000 Menschen warteten bis nach Mitternacht ruhig auf der Straße, um das Resultat der Sitzung zu er­fahren, die überdies mehr akademischen Charakter trug.

London, 4. Dez. Hundert Arbeiter be­gaben sich gestern vor das Lokal der Armen­verwaltung im Bezirk Bethnal-Green und forderten sofortige Unterstützung. Es wurden mehrere heftige Reden gehalten, worauf eine Unterstützung bewilligt wurde.

New-Aork, 3. Dez. Der amerikanische Gesandte Bowen in Caracas und Venezuela erhielt den starken Auftrag, den Präsidenten Castro zu veranlassen, unverzüglich den venezolanischen Ver­pflichtungen gegen die amerikanische Asphalt-Kom­pagnie, sowie die Blokodemächte nachzukommen.

New-Jork, 3. Dez. Der japanische Ge­sandte begab sich gestern in das auswärtige Amt und benachrichtigte den Sekretär Lomes, daß die japanische Regierung die Einladung zu einer neuen Friedenskonferenz empfangen habe. Die Einladung werde alsbald dem japanischen Parlament unter­breitet werden. Man glaubt im Auswärtigen Amt, daß Japan dem Vorschläge günstig gegenübersteht.

Am jqiMiH-nMm Krieg.

Moskau, 3. Dez. Vom Kriegsschauplatz find wieder 18 geisteskranke Soldaten hier etnge- troffen. Im hiesigen Militär-Lazaret befinden sich jetzt 112 Soldaten, die auf dem Kriegsschauplatz geisteskrank geworden sind.

Paris, 3. Dez. Der Matin meldet aus Petersburg: In amtlicher Stelle weigert man sich, die Besetzung deS 203 Meter-Hügels durch die Japaner zuzugeben, solange nicht eine Bestätigung von General Stöffel eingetroffen ist. Die Abfahrt eines neuen 4. Armee-Korps nach dem Kriegsschau­plätze wird beschleunigt. Eine hochgestellte Persön­lichkeit erklärte, daß am 5. ds. 200000 Reservisten einberufen würden, welche bestimmt sind, die nach dem Kriegsschauplätze abgchenden Truppen zu er­setzen Die Zahl der Rekruten werde ebenfalls er­höht und zwar werden 360000 statt wie bisher 250 000 ausgehoben. Alle diese Maßnahmen deuten darauf hin, daß Rußland entschlossen, den Krieg fortzusetzen. Die entscheidenden Operationen werden erst im März nächsten Jahres beginnen, wenn Kuropatkin über genügend Trappen verfügt. Man nimmt an, daß dann im Juli oder August der Krieg beendet sein wird. Der Verkehrsminister Chilkow erklärte, die Truppen-Transporte erfolgten mit großer Präzision. Täglich überschritten zwölf Züge die mandschurische Grenze.

London, 3. Dez. Daily Telegraph läßt sich aus Shanghai drahten: Da die russischen Schiffe vor Port Arthur jetzt auf japanische Gnade angewiesen sind, ist man der Meinung, daß die schließliche Einnahme der Festung ihre Wichtigkeit verloren habe. Liautischan ist nunmehr Stöffels einzige verteidigungsfähige Stellung und Togo be­findet sich in der Lage, sich für den Zusammenstoß mit dem erwarteten russischen Geschwader vorzu- bereiten. Die Blätter veröffentlichen ein Telegramm aus Tschifu, demzufolge am Freitag sämtliche Forts vor Port Arthur ein heißes Artilleriefeuer gegen den 203 Meter-Hügel richteten. Es war aber er­folglos. Die Einnahme der Forts kostete den Japanern 4000 Tote und Verwundete.

Mukden, 4. Dez. Die Kosacken des Gene­rals Don hatten, wie verlautet, eine japanische Batterie bei Lindiantut erobert.

Vermischtes.

Der kluge Bürgermeister. Beim Ab­stecken einer Kleinbahn im Odenwald ermahnte, wie derFranks. Generalanz." berichtet, der Kreisrat einen der dortigen Bürgermeister mit den Worten: Herr Bürgermeister, geben Sie mir den Winter über ein wenig acht, daß keiner von den Pfählen wegkommt." Beim nächsten Besuch fragte zunächst der Kreisrat nach den Pfählen, die, wie er mit Erstaunen feststellte, bis auf den letzten verschwunden waren.Ja, wisse Se," erwiderte das diensteifrige Ortsoberhaupt:Ich hob se durch de Ortsdiener uffs Rothaus bringe lasse!"

Man muß sich zu helfen wissen. Aus Marseille schreibt man demN. Tgbl.": Auf dem Straßenbahugeleis steht ein mit einem Pferd und 4 Mauleseln bespannter, schwerbcladener Fracht­wagen, der infolge einer Steigung, die von den Tieren nicht überwunden werden kann, trotz aller Bemühungen des Fuhrmanns und hilfsbereiter Leute durchaus nicht mehr Wester zu bringen ist. Da unmittelbar dahinter eine Elektrische erscheint, der noch acht in kurzen Abständen folgen, ist an­zunehmen, daß nuu eine Betriebsstockung eintreten wird. Aber was geschieht? Der Schaffner steigt ab, entnimmt dem Lastwagen einen kurzen Holz- stamm und stellt mit diesem zwischen dem Fuhr­werk und dem Motorwagen eine Verbindung her, durch die es letzterem möglich ist, bei bedachtsamem Fohren das Lastfuhrwerk vor sich herzuschieben. Staunend wer Wohl der Wohltäter sein möge, schlug nun das befriedigte Mischgespann einen ur­komischen Trab an. Man muß sich zu helfen wissen!

Freitag, den 9. Dezember, abends 8 Uhr,

öffentlicher Mortrag

im Saale des GeorgenäumS

über

Lndrvig Uhtaird

von Hrn. Professor Wetzet in Eßlingen. Zu zahlreichem Besuche ladet ein

der Ansfichtsrat des GeorgenäumS.