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gewerbe wieder auf, brach bis zum 30. Okt. fast allnächtlich ei« und zwar in den Rathäusern von Heubach, Eßlingen, Mögglingen, Dewangen, Göppingen, Unterrath, Untergröntngen, Seebach u. a. Ferner verübte er bei einem Einbruch in Schechingen einen Mordversuch und erbeutete bei einem Einbruch in Gschwend im „Engel* 1062 ^ Vom 1. bis 8. November Hausterte Bader. Am 7. Nov. fand eine Streife nach ihm im Bezirk Backnang statt, welche als Resultat die Verhaftung einer Bader fernstehenden Diebsbande hatte. Nach zwei Einbrüchen (am 8. und 11. Nov.) in der Aalener Gegend brach Bader am 13. Nov. in Satteldorf, am 17. in Blanfelden (Rathaus), am 18. in Schrozberg (Rathaus, Post), am 19. in WetkerShetm (Post, Eisenbahn), am 20. Nov. in Niederstetten (Rathaus, Schulhaus), am 21. in Ottenhausen (Rathaus) ein, worauf er am 22. Nov. im Wald bei Hollendorf verhaftet wurde. Aus den bei Bader Vorgefundenen Papieren geht hervor, daß er zu drei auswärtigen „Damen* Beziehungen unterhielt. Ueber die ganze Zeit seiner Einbrüche hat er sich stets im Wald aufgehalten. — Unter den von der Versammlung besprochenen und geplanten Maßnahmen zur Erhöhung der allgemeinen Sicherheit sind zu nennen: „Verstärkung der Wald- und Feld- polizci, Verbreitung des Telefons, Ausstattung der Landjäger und teilweise der Ortspolizeivtener mit Fahrrädern.
Mergentheim, 2. Dez. Bet der heutigen Landtagsersatzwahl im Bezirk Mergentheim haben in der Stichwahl von 6209 Wahlberechtigten insgesamt 5656 gültig abgestimmt. Dabei hat Oberforstrat Keller (ltb.) 2810 Stimmen und Weinhändler Mittnacht (Bund der Landwirte) 2846 Stimmen erhalten. Mtttnacht ist somit mit 36 Stimmen Mehrheit gewählt.
Ebingen, 2. Dez. Obwohl der Milchpreis von 16 H pro Liter für unsere Gegend ein ziemlich hoher ist, kommt es nicht selten vor, daß Milchhändler wegen Milchfälschung sich vor Gericht zu verantworten haben. Am letzten Mittwoch wurde die Bäckersehefrau Karoline Geiger wegen Verdünnung von Kuhmilch, die zum Verkauf gebracht wurde, zu 60 Geldstrafe ev. 12 Tagen Gefängnis verurteilt. Das Schöffengericht erkannte außerdem auf Veröffentlichung des Urteils in den Bezirks- blättern.
Heidenheim, 1. Dez. Um die gediegensten Lieder der hervorragendsten deutschen Tondichter der letzten anderthalb Jahrhunderte für Liebhaber des deutschen Liedes im Zusammenhänge vorzuführen und zugleich um einen Fonds für Erbauung eines Predigtlokals im Westen unserer ausgedehnten Stadt anzulegen, hat es Frau Dekan Eytel, die schon in engeren Kreisen mehrfach Proben ihrer edlen Gesangskunst abgelegt hat, unternommen, in dem akustisch sehr guten Saal des Bahnhofhotels diesen Winter eine Reihe von Liederabenden zu geben.
Der gestrige erste Liederabend war zahlreich besucht und bot eine reichhaltige Liederprobe von Schubert, Haydn, Mozart, Weber, Mendelssohn, Schumann, Brahms und Hugo Wolf. Der lebenswarme, selbstbegleitete Vortrag von 15 Liedern fand bei der Zuhörerschaft herzliche Anerkennung. Umrahmt waren die genußreichen Liederdarbietungen von drei Triosätzen von Beethoven, prächtig gespielt von Dekan Eytel und Frau (Violonccll und Klavier) und R. Beutler (Violine). Die künftigen Liederabende werden den besten Liedern je eines der bedeutendsten Tonmeister gewidmet sein.
Essen (Ruhr), 2. Dez. Gegen die Züge der westfälischen Kreisbahnflrecke Uchte-Enkhorst wurden wiederholt Anschläge verübt, indem die Weichenschlüsse losgelöst wurden. Zwei Maschinen entgleisten infolgedessen. Menschen sind nicht verletzt worden.
Berlin, 2. Dez. (Deutscher Reichstag.) Das Haus setzt die Beratung der Resolutionen betreffend Ausverkaufswesen u. s. w. fort. Wie der Präsident vorweg mitteilt, ist von dem Abgeordneten Patzig der Antrag, alle jene Resolutionen an eine Kommission zu verweisen, zurückgezogen worden. Von den Abgeordneten Gröber, Trimborn und Genossen liegt noch ein Antrag vor, die in der Resolution Patzig enthaltenen detaillierten Gesetzes-Voischläge den Regierungen als Material zur Regelung des Ausverkausswesens zu überweisen. Abg. Potthoff (frs. Vp.) verbreitet sich über die Notwendigkeit, dem Schmiergeldwesen ein Ende zu machen. Alles Schmieren von Angestellten durch die Lieferanten sei ein unlauterer Wettbewerb, gegen den etwas geschehen müsse. Abg. Nissler (kons.) hält den Sozialdemokraten vor, daß sie stets, sobald etwas für den Mittelstand getan werden solle, mit dem Einwande kämen, dem Mittelstände, dem Handwerk, den Kleinkaufleuten sei dauernd ja doch nicht mehr zu helfen. Im Gegensatz zu dieser Anschauung sei er selbst der Meinung, es könne sehr wohl geholfen werden namentlich durch Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, auch der Konsum-Vereine und Warenhäuser. Bei diesen herrsche ungesundes Reklamewesen. Dazu seien namentlich auch die Ausverkäufe schwindelhafter Natur zu zählen. Abg. Peus (Soz) weist die Angriffe auf die Sozialdemokraten zurück. Dieselben seien umsoweniger berechtigt, als es ja nicht Absicht sondern nur Ansicht der Sozialdemokraten sei, daß dem Mittelstand auf die Dauer nicht geholfen werden könne. Auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb habe an den Zuständen, die man so sehr beklage, nichts geändert. Weiterhin wendet sich Redner namentlich gegen die Bestrebungen, die sich auf die Unmöglichmachung der Konsum-Vereine richten. Abg. Erzberger (Zentrum) befürwortet die Zentrums-Resolution, weist hin auf die unlauteren Manipulationen im Kleinhandel mit Brennmaterialien und auf die Schmiergelderfrage eingehend stimmt
er dem Abgeordneten Potthoff darin bei, daß Abhilfe nötig sei aber ohne weiteres auf dem Wege der Gesetzgebung, so wünschenswert es auch wäre, daß die Angestellten im Handelsgewerbe selber auf dem Wege der Selbsthilfe, also dadurch, daß sie die Sache zu einer Standesfrage machen, vorzugehen. Abg. Raab (Antis.) ist gleichfalls überzeugt, daß es die Absicht der Sozialdemokraten sei, den Mittelstand zu vernichten. Auf jeden Fall müsse der Mittelstand erhalten werden. Abg. Frohme (Soz.) legt demgegenüber dar, wie der Mittelstand unter der ganzen kapitalistischen Entwickelung wohl oder übel ersticken müsse. Er und seine Freunde könnten den Kleingewerbetreibenden nichts vorspiegeln, ihnen keine gebesserte Zukunft verheißen, an die sie selber nicht glauben, solange die heutige kapitalistische Entwickelung andauere. Abg. Pach nicke (frs. Vg.) erwidert dem Abg. Raab, auch im Plenum haben die Redner beider freisinnigen Fraktionen ihre Bereitwilligkeit früher dazu ausgesprochen, daß einmal der unlautere Wettbewerb zivilrechtlich verfolgt werde, nötigenfalls auch durch Strafprozesse gestraft werde. Auch bei der Endabsttmmung hätten seine Freunde dem Gesetz zugestimmt. Abg. Raab (Antis.) bleibt dabei, daß die Freisinnigen seinerzeit meist nur mit halbem Herzen der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zugestimmt hätten. Was die Sozialdemokraten anlange, so wollten diese dem Mittelstand den Schwanz stückweise abhauen. Nach einer Entgegnung des Abg. Frohme schließt die Diskussion. Die Resolution Gröber wird in allen ihren Teilen angenommen, der sich gegen die Beamten - Warenhäuser und Konsumvereine richtende Passus der Resolution jedoch nur mit schwacher Mehrheit. Sodann wird die Resolution Rettich angenommen und die Vorschläge der Resolution Patzig den Regierungen als Material überwiesen. Es folgen die auf das Bergrecht bezüglichen Resolutionen. Eine Resolution Stütze! und Gen. (Zeiür.) betreffend Bergarbeiterschutz und insbesondere Schutz gegen Wurmkrankheit; eine Resolution Auer will kürzere Schichtenzeit von 8 bis 6 Smnden, Arbeitskonirolle für Jnnehaltung der Schutzvorschrtften, Verbot der Frauenarbeit, endlich Regelung des Knappschaftswescns. Ein Antrag Spahn geht dahin, die Forderungen der Resolution Auer dem Reichskanzler als Material zu überweisen. Abg. Spahn (Zentrum) empfiehlt den Antrag und tritt außerdem für die Resolution Stütze! ein. Abg. Sachse (Soz.) begründet die von seiner Partei beantragte Resolution, der von dem Minister Möller bekundeten Anschauung entschieden entgegen zu treten als ob Deutschland sozial-politisch auch auf bergbaulichem Gebiete den anderen Ländern voranschreite. Er geht näher ein auf unzulängliche Lohn- und mangelhafte Arbeiterschutzverhältnisse und die Unmöglichkeit, sich bei der Berginspektion zu beschweren, wolle man nicht Gefahr laufen, entlassen zu werden. Weiter übt Redner Kritik an der Zusammensetzung und Tätigkeit der Berggerichte und der Behandlung
„Verehrter Herr von Gasen! Ihr werter Brief ist in meine Hände gelangt und hat mich sehr gefreut. Sie haben ganz recht, Madame Kießling ist schlimmer als der CerberuS; trotzdem will ich Ihrem Wunsche nach einer persönlichen Aussprache die Erfüllung gewähren, schon, um zu sehen, was die Boxer noch von Ihnen übrig gelaffen haben. Ich gehe am Dienstag vormittag elf Uhr zum Zahnarzt Doktor Eilert, Osterstraße 96, in dessen Wartezimmer wir ungestört eine Viertelstunde plaudern können; denn vor halb zwölf Uhr komme ich doch nicht an die Reihe. Aber erwarten sie mich nicht etwa auf der Straße, da gegenüber Pastor Hollmann wohnt, der das unserem Höller.hund brühwarm hinterbringen würde. Hoffentlich erkennt Sie nach dem rauhen Kriegejahre im ferne» Osten müder
Ihre freundschaftlich ergebene usw.*
Gisa war an den Tisch getreten und sah sie ungewiß an.
„No, ist das nicht ein Meisterstück, kleine Unschuld? Nicht zu warm und nicht zu kalt, in dem richtigen Diplomatentone gehalten, he?* erkundigte sich selbstbewußt die Schreiberin. „Dabei schneidig und lustig, umsichtig, zumal in Bezug auf den Pastor — und last not lsast: nicht zu lang! Bedanke dich bei mir und schreib' ihn gleich ab, damit ihn die Köchin morgen früh in den Kasten steckt; denn heute abend sehen wir sie doch kaum noch!*
„Ich überlege e» mir noch!* erklärte zögernd Gisa, deren gesunder Sinn sich gegen eine so grosse Bevormundung sträubte, umsomehr als ihr ein unbestimmtes Gefühl sagte, daß ein solcher Brief ihren lieben Kameraden aus den letzten Sommerferien seltsam anmuten würde, da er ihrem innersten Wesen nicht entsprach. „Ganz so, wie du ihn aufgesetzt hast, kann ich den Brief doch nicht schreiben! Aber ich danke Dir herzlich für die Mühe, dir Du — *
„Hör' auf, Gisa!* rief Theres« und hielt sich die Ohren zu. während ein Ausdruck verletzter Eitelkeit über ihr hübsches, eigensinniges Gesicht glitt und
sich um den etwas sinnlich entwickelten Mund festlegte. „Ich merke wohl, daß dir der Brief nicht paßt, schreib ihn dir selber. Was liegt mir daran?*
Damit griff sie nach ihrem Entwurf, zerknittert« ihn mit einem hastigen, derben Griff und schob ihn mit einem so heftigen Ruck in die Tasche ihres SonntagSkle d s, daß ein paar NSre ob dieser unmanierlichen Behandlung ziemlich unwillig knackten.
»Aber, Th rese — versuchte Gisa den Frieden wieder zu brfestigen und legte dm Arm um den Nacken der Freundin; doch diese befreite sich merklich kühl aus der Liebkosung und zog sich in die Fensternische zurück. Da gab sie den Versuch auf und begann, unter augenscheinlich großer Anstrengung, mit vielen Durchstreichungm und langen Pausen selbst eine Epistel zu verfassen, die allerdings bedeutend kürzer und reservierter aus fiel, als Therese BohlsndorfS burschikoser Entwurf. Auf einer ihrer bescheiden großen Visitenkarten hatte alles Platz, was sie zu schreiben für gut fand. Es waren nur die paar Sätze:
„Viel Glück zur glücklichen Heimkehr! Am Dienstag früh elf Uhr gehe ich zu Tante Gustedt in der Fundstro^e 6, wo sie mich treffen können. Vergessen Sie mein Bild nicht. Bestes Gruß.*
Danach aber bat sie in einem längeren Schreiben ihre „liebe, alte, gute Tante" Gustedt, ihr im Laufe des Montags eine Einladung für DienStag mittag zugehen zu lassen, und daS inliegende Briefchen an Herrn von Gksen sogleich der Post anzuvertrauen. Näheres würde sie Dienstag erfahren. Da Tante Gustedt als Familirnvorsehung für verliebtes Volk galt und einer kleinen Verschwörung gern Vorschub leistete, so war sie ihres Erfolges in der Regelung dieser Angelegenheit ziemlich sicher. Und daß Kurt von Güsen nicht erst bei der guten Tante, sondern spätestens an der zweiten Straßenecke, vom Pensionat aus gerechnet, auftauchen würde, darauf wäre fie eine Wette in jeder Höhe ein- gegangen. (Fortsetzung folgt.)