Von der Alb, 11. Dez. (Den Finderlohn heimgegcken.) Ein Bauer hatte vergangenen Dienstag in Göppingen auf dem Wege zur Lahn eine größere Summe Geldes verloren. Er bemerkte den Verlust erst, als ihm ein Arbeiter, der das Geld gefunden hatte, die Geldsumme zurückgab. Der Bauersmann wollte den Finder mit wenigen Pfennigen Finderlohn abspeisen, dieser aber quittierte damit, daß er zum großen Gaudium der Mitreisenden dem Verlierer, der sich so undankbar zeigte, eine „Saftige" herunterhieb. Der Bauer aber -zog sich beschämt und bestraft in ein anderes Wagenabteil zurück.
Laupheim, 11. Dez. (Ein Schalk.) In einer Ortschaft hiesigen Oberamts wurde einem Hasenzüchter ein Prachtkerl von einem Niesenkaninchen gestohlen, dafür aber ein klapperdürrer Hase in den Stall gebracht. Dieser Hase hatte ein Zettelchen angehängt, aus dem folgender Vers stand:
„Einen Fetten Hab' ist genommen mir,
Einen Mageren erhältst Du dafür,
Mach den da fett, so wie den RiesO,
Damit auch den ich kann dann genießen!"
Saulgau. 11. Dez. (Die neue Todesart.) Der Korbmacher und Mausfänger Karl Fuchs von Jettkofen war im Wald beim Stumpengraben und wollte nach einer Sprengkapsel schauen, als der Schuß unerwartet losging. Dem Manne wurde der Kops abgerissen.
Mennisrveiler, O.-A. Waldsee, 11. Dez. (Glück im Stall.) Bei Gastwirt A. Koch hier brachten unlängst zwei Kühe vier gesunde, kräftige Kälber zur Welt. Gewiß eine Seltenheit und eln erfreulicher Zuwachs bei den heutigen teuren Fleischpreisen.
Baden.
Durlach, 11. Dez. Ein eigenartiges Ende nehmen jetzt die vielen Hunderte von militärischen Bagagewagen, die seit über einem Jahre zwischen Durlach und Karlsruhe auf freiem Felde stehen. Die Wagen, die von Wind und Wetter schon tüchtig mitgenommen sind, werden jetzt wieder zerlegt. Das Holz wird wohl zu Brennmaterial verwendet und das Eisen als Altmaterial abgestohen. Es entsteht die Frage, ob diese Wagen, die doch viele tausende von Mark gekostet haben, wirklich nicht in anderer Weise hatten verwendet werden können.
Eggenstein (Arm Karlsruhe), 10. Dez. Hier fand am Sonntag «ne von über 300 Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitern besuchte Versammlung des Badischen Bauernbundes statt, die folgende Entschließung annahm: „Wir fordern einstimmig die Aufhebung der Zwangswirstchaft und protestieren energisch gegen die zwangsweise Wegnahme der Lebensmittel, bssorrders dagegen, daß durch Militär willkürlich aus den Mieten Kartoffeln geholt werden.
Vermischtes.
Lübeck, 11. Dez. Auf dem Flugplätze Blankensee ist ein Flugzeug beim Landen in eine Gruppe von Militärpersonen hineinge- sohren, wobei zwei Personen getötet und eine erheblich verletzt wurde.
Düsseldorf, 11. Dez. Durch den Einsturz einer Betondecke wurden gestern in einem hiesigen Betriebe eine Anzahl Arbeiter verschüttet. Drei jugendliche Abreiter konnten nur als Leichen geborgen werden. Drei weitere erlitten schwere Verletzungen. Die Ursache -es Unglücks ist noch nicht aufgeklärt.
Wattenscheid, 10. Dez. Der deutsche Verlegerverband der Lokal- cesse nahm eine Entschließung an, die angesichts der fortwährenden iteigerung aller Moterialpreise, Löhne und Gehälter me dringende orderung erhebt, die Bezugs- und Anzeigenpreise neu sestzusetzen, daß ein Ausgleich geschaffen werde.
Ein tüchtiger Geschäftsmann. Wer heutzutage Handel treibt, macht die besten Geschäfte. So dachte zweifellos ein Herr St. in Berlin. Wenigstens geht dies aus feinen Inseraten in dortigen Zeitungen hervor. In einem derselben empfiehlt er hintereinander: Pferdedünger ab Berlin, sodann Wiener Würstchen aus Kaninchenfleisch, danach Kalkstickstoff für die Herren Landwirte, Nes- ßelmehl fürs Federvieh und zuletzt Zigarren und Seife. Wahrlich ein betriebsamer Herr, der sogar die modernen Warenhäuser ubertrifft, denn bis zum Pferdedünger haben es Wertheim, Tietz, Jcchn- dorf u. dergl. denn doch noch nicht gebracht.
Frankreichs Hindernot. Bekanntlich litt Frankreich schon vor dem Kriege an einer großen Kindernot. Der Krieg hat nach dieser Richtung hin noch in ungeheurem Maß verstärkend gewirkt. Eine Hauptursache der Entvölkerung ist die Abtreibung. Um über ihren Umfang unterrichtet zu werden, wurde in verschiedenen Frauen- spstälern in Paris eine Untersuchung angestellt, wie groß die Zahl
der Fehlgeburten sei. Ucker das Ergebnis dieser Untersuchung sagte einer der bekanntesten Aerzte: ,sVon drei bei uns behandelten Fällen sind mindestens zwei solche, bei denen die Fehlgeburt künstlich hervovgerusen wurde. Vor dem Kr'ege mußten wir die Zahl die'« Fälle für ganz Frankreich auf mehr als eine halbe Million eiittchätzen, eine A'ffer, die gleich groß war wie die der Todesfälle überhaupt. Heute ist es tmmit schon soweit gekommen, daß dis Zahl der jungen Franzosen, die zur Welt kommen, weil geringer ist als die derjenigen, die num überhaupt nicht zur Welt kommen läßt. Wir haben den Krieg gewonnen, aber jeder Tag des Friedens kostet uns eine große Schlacht. In Paris gibt es jetzt 'chon Anstalten, bei denen man sich für diese vorzunehmende Operation abonniert. In der Hauptstadt Frankreichs übersteigt die Zahl der gewollten Fehlgeburten die 200 Tag für Tag, damit allo die Zahl dei^ Geburten beträchtlich. Leider find die Verhältnisse in der Provinz kaumm besser und verschlechtern sich ebenfalls zusehends. Das schlimmste aber ist, daß die französische Frau sich daran gewöhnt, d e Operation selbst vorzunehmen, und dies meist mit der Einwilligung oder auf die Veranlassung des Gatten hin Die Ursache dieser Zustände ist die durch den Krieg verursachte Entsittlichung, ferner die zunehmende Teuerung, die sich nicht nur auf die Lebensmittel, sondern auch aus die Wohnung, kurz aus die ganze Lebenshaltung erstreckt. Es ist leicht begreiflich, wenn auch nicht zu verzeihen, daß man alles vermeidet, was weitere Kosten des Haushalts verursachen könnte, und hiergegen werden auch die Belohnungen, die für zahlreiche Familien ausgesetzt werden, nichts ausrichten können.
Neuere Nachrichten.
Stuttgart, 11. Dez. Die Kanalisierung des Neckars ist in einer Besprechung zwischen Vertretern der Reichsregierung und des Südwestdeutschen Kanalvereins unter Vorsitz des Reichsverkehrsministers Dr. Bell und in Anwesenheit van Unlerstaatssekretär Peters als eine der allernächsten Bauaufgaben auf dem Gebiete der Binnenwasserstraßen bezeichnet worden. Allgemeine Uederein- stimmung herrschte darüber, daß der Ausbau des Neckars nur als Großsch sfahrtsweg für 1200-Tonnenschisfe erfolgen dürfe, mit Rücksicht aus die kürrstige Verbindung des Neckarkanals mit der kanalisierten Donau.
Stuttgart, 11. Dez. Die Verwaltung der Daimlermotorengesellschaft hat beschlossen, zwecks Beschaffung weiterer Betriebsmittel einer auf 22. Januar 1920 einzuberufenden außerordentlichen Ge-z neralversammlung den Antrag aus Erhöhung des Grundkapitals von 32 Millionen auf 64 Millionen Mark durch Ausgabe neuer Aktien zum Kurse ron 110 vorzulegen. Diese Maßnahme wird damit begründet, daß die Umstellung der Betticke aus die Friedenswirtschaft enorme Aufwendungen erfordert hat und daß durch das unaufhörliche Steigen der Materialpreise, Löhne, Gehälter und allgemeinen Geschäftsunkosten außerordentliche Geldbedürsnisse entstanden seien.
Göppingen, 11. Dez. Aus einer Kommunistenversammlung in Göppingen behandelte der Stuttgarter Kommunistenführer Hörnle auch die Einigungssrage. Scheidemanns Ruf im vorwärts" nach Sammlung der sozialistischen Parteien sei von der Angst veranlaßt. Eine Einigung des Proletariats könne nur auf dem Boden der Kommunistischen Partei erfolgen.
München, IO Dez. In Zirndorf, das in seiner Spiegelglasindustrie, wie in seiner 'Hausindustrie für Fürther Fabriken unter der Not der Zeit schwer leidet, haben die Erwerbslosen den Stadtrat gesprengt. Tobend drangen sie in den Sitzungssaal und erklärten, nicht eher weichen zu wollen, bis ihre Führer Sitz und Stimme im Stadttat eingerämnt bekommen. Dieser räumte aber in Hast das Lokal und überließ den Demonstranten bis aus weiteres das Feld.
Berlin, 11. Dez. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß der Nationalversammlung beschloß heute mit allen gegen 2 Stimmen in Erledigung der Fragen, die das Verhalten des früheren Staatssekretärs Dr. Helfferich bei seiner Vernehmung aufgeworfen hatte, zu erklären, daß jedes Mitglied des Untersuchungsausschusses Fragerecht hat und infolgedessen auch jeder Auskunftspekson die Antwortpflicht jedem Ausfchußmitglied gegenüber obliegt. Im übrigen beschloß 8er Ausschuß, -aß er in seiner Vollversammlung nicht als Äeschwerdeinstanz für Einsprüche gegen Entscheidungen der Unterausschüsse angerusen werden kann, sondern daß jeder Unterausschuß selbständig über etwaige Einsprüche von Auskunstspersonen oder Sachverständigen zu entscheiden hat.
Berlin, 11. Dez. Die Nationalversammlung hatin ihrer heutigen Sitzung die Zweitlesung des Reichsnotopsers beendet. Der
Gesetzentwurf wurde tm wesentlichen nach den Ausschußbeschlüsst, angenommen. — Bei der Beratung des Reichs-Einkommensteuergesetzes im Steuerausfchuß der Nationalversammlung teilte Minister Erzberger mit, daß die Regierung beabsichtige, mit fremde» Staaten Verträge zur Abwendung von Doppelbesteuerung z, schließen. — In einer mehrheitssozialistischen Versammlung j, Potsdam sprach ein mehrheitssoz alistischer Funktionär über di« Annahme der Erzbergerschen Steuervorlagen in der Nationalversammlung, die mit einer Mehrheit von 120 Stimmen gesichert sei. — Im Betticksröteausschuß der Nationalversammlung wurde aufgrund eines sozialdemokratischen Antrags das Wahlalter aus 18 Jahre (!) festgesetzt. Wählbar zum Betticksrat sind Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts von 24 Jahren an. — Im Reichsrat wurde heute der Gesetzentwurf über die Beschäftigung von Kriegsbeschädigten angenommen, wonach jeder Arbeitgeber verpflichtet ist, einen Schwerbeschädigten, der für einen freigewordenen Arbeitsplatz geeignet ist, anderen Bewerbern vorzuzivhen.
Berlin, 11. Dez. Bei -er 2. Beratung des Umsatzsteuergesetzez im Steuerausschuß. der Nationalversammlung wurde die Jnsera- tensteuer auf 10 Prozent festgesetzt. Dieser Satz ermäßigt sich jedoch aus einen Antrag Waldstein hin aus 2 Prozent fiir die ersten 100 000 Mark der gesamten Jnserateneinnahme, auf drei Prozent für die nächsten 100 000 Mark und so weiter bis 9 Prozent. Nach einem Antrag Dr. Spahn (Z.) wurde die Plakatsteuer aus 5 Prozent festgesetzt. Die Hotel- und Depotsteuer beträgt 10 Prozent, doch kommen bei der elfteren bei einem Tagesentgelt bis zu 5 Mt, nur der allgemeine Steuersatz von 1 Prozent zur Anwendung.
Innsbruck, 11. Dez. In der heutigen Sitzung des Tiroler Landtages wurde ein Antrag eingckracht, der Tiroler Landtag wolle beschließen, Landtag und Regierung zu beauftragen zur Rettung des Landes vor gänzlichem Zusammenbruch sofort mit der Staatsregierung in Men Verhandlungen einzuleiten, damit dies« beim Obersten Rat in Paris erwirke, daß Tirol mit dem Deutschst! Reiche zu einem gemeinsamen Wirtschaftsverban-de zusammengeschlossen wird. Der Antrag wurde, nachdem jede Partei eine Erklärung abgegeben 'hatte, einstimmig angenommen.
Rom. 11. Dez. Ein erster Sonderzug von Wien nach Mailand wird demnächst die bedürftigen Wiener Kinder zum Aufenthalt in Italien bringen. Die Jniative zu diesem Hilfswerk wurde von den Gemeinderäten von Mailand, Bologna, Reggio, Emilia und Alessandria ergriffen und fand bei der italienischen Regierung günstige Aufnahme.
Brüssel, 11. Dez- Der sozialdemokratische Justizminister van der Velde erklärte einem Vertreter des Matin, die belgischen Sozialisten seien ebenso national, wie die anderen Parteien. Sie hätten jedes Einvernehmen mit den deutschen Sozialisten abgelehnt. Er mit Anseele sei der Ansicht gewesen, daß unter gewissen Bedingungen die alten Beziehungen mit der Internationale also auch mit den deutschen Sozialisten hätten wieder angeknüpst werden müssen. Aber die Arbeitermasse hätte sich dem widersetzt und dir Führer hätten nachgeben müssen
Paris, 11. Dez. Im „Echo de Paris" beschäftigt sich Pertinax mit der Abreise der Amerikaner uick> mit der Reise Clemenceaus nach London und sagt, es genüge zu wissen, daß sich zwischen England und Frankreich ein lebhaftes Gefühl der engeren Solidarität denn je geltend mache. Mit Amerika allerdings fei die Ausgabe schwieriger. Saint Brice im „Journal" stellt fest, daß man di« verschiedensten Kombinattonen ins Ange gefaßt habe, um die Amerikaner festzuhalten. Jetzt fei jede Hoffnung nach dieser Richtung geschwunden und es fei kein Grund dafür vorhanden, die alte Methode zu ändern. '
London, 11. Dez. Balfour sagte heute in einer Rede: Wenn auch der Frieden mit unserem Hauptgegner noch nicht formell abgeschlossen ist, so kann er doch so gut wie gesichert angesehen werden.
würtlemberglscher Landtag.
Stuttgart, 11. Dez. Nach mehrwöchiger Unteckrechung nah» heute der Landtag feine Plenarsitzungen wieder aus. Für de» verstorbenen Abg. Gröber trat Gutsbesitzer Adorno-Kaltenberg i» das Haus ein. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ersucht, ein Verfahren gegen den Redakteur der „Schwäb. Tagwacht", Abg. Pflüger, wegen Beleidigung des Schulrats Frey-Heilbronn «niesten z« dürfen. Der Antrag wurde dem Geschäftsordnungsausschuh überwiesen. Auf der Tagesordnung standen verschiedene Anfragen, die zum Teil zurückgestellt, zum Teil schriftlich beantwortet werden. Eine Anfrage der Mehrheitssozialisten bett. Beitreibung verfallener Einkommensteuerbettäge kam zur Besprechung. Der Abg. Winter (Soz.) wünschte andere Termine für die Bezahlung der Steuern.
Der Habermeister.
Ein Dolksbild aus den bairischen Bergen.
Von Hermann Schmid.
7. Fortsetzung. (Nachdr. verb.)
„Leider nicht, Fische kommen bei uns da mitten im Wald gar zu hart an ... . aber ein Widel (Bündel) Moosschnepfen ist da, die hat der Iagdgehulf' gestern ganz, frisch gebracht. .
„Nun seh'n Sie, Herr Wirt, das trifft, sich ja prächtig . . . mit Speck belegt und langsam in Zitronen- ssaft gedämpft,'sind sie ein ganz annehmbares Gericht, sund Moosschnepfen sind ja eine Ausnahme vom Ee- 'flügel, die haben kein Fleisch, weil sie selber nur Fisch« fressen, die darf man am Karfreitag essen .... And wenn es dann, so zum Zuspitzen, noch eine kleine 'Mehlspeise gibt .. /
i „Vielleicht Dampfnudeln? Meine Wirtin backt sie saustzezeich-net...
„Meinetwegen... Sch'n Sie, Herr Wirt, so be- ^ halten wir unser Gewissen von einer so schweren Sünd' ffrei und können uns mit dem bissel' Fasttag begnügen. .. Darf ich den Herrn Metzgermeister dazu ein- iaden? Und Sie vielleicht auch, Herr Schulmeister?"
Ter Dicke lehnte nicht ab, aber der Lehrer dankte für die Freundlichkeit. „Ich habe meine Mahlzeit schon eingenommen," sagte er mit gutmütigem Lächeln, „auf mehr und gar so kostbare Dinge ist der Magen eines Landschullehrers nicht abgerichtet, ich will ihn nicht aus der Uebung bringen. . ."
Indessen war Franzi an den Wagen getreten, wo, von dem Bruder vergessen und unbeachtet, das bleiche Madien aus ihrem Halbschlummer erwacht war und träumerisch umblickend sich aus dem Umschlagtuch loszumachen begann. Ihr Staunen, als sie Franzi's zum Gruße dargebotene Hand vor sich sah, als sie ihr in das offene blühende Angesicht, in die dunklen treu
herzigen Augen blickte, war nicht minder lebhaft, 'als das des Bruders, aber es war von reinerer, von hellerer Art. Die Totenfarbe ihrer Wangen ward augenblicklich von einer glühenden Röte, d'e Stirn und Nacken üderflammte, verdrängt, aber nur, um mit dem nächsten Pulsschkage desto fiegrei^er wiederzukehren; ihre Augen wuchsen fest in dem befreundeten Angesicht, auf den halbgeöffneten Lippen erstarb, von innerer Wallung zurückgehalten, das grüßende Wort. Franzi mußte Zuerst das Schweigen brechen.
„Ist es denn möglich ?" sagte sie herzlich. „Suff, bist Du's denn, oder ift's Dein Geist? Du bist wieder auf dem Land — nimmer in der Stadt?"
Susi konnte noch nicht reden, ihre stürzenden Tränen verhinderten sie daran — sie schüttelte nur heftig mit dem Kopfe zur Erwiderung.
„Aber jetzt seh' ich erst, wie blaß Du bist." begann Franzi teilnehmend wieder. „Dir ist heilig nicht recht gut — Du kannst das Fahren nit vertragen . .
»/Ja» ja . . . preßte Susi endlich heraus. ,es wird wohl so sein .... es war so kühl diesen Morgen, und diese Luft — ich kann die freie Luft nicht mehr vertragen, Franzi .... es tut mir so weh, da drinnen in der Brust, zu tiefst drinnen. ... O so unendlich weh. ..."
„So komm' herunter, Du Arme," sagte Franzi innig, indem sie die an sie gelehnte schlanke Gestalt mit kräftigem Arm umschlang und wie eine Feder zur Erde hob, „komm mit herein in's Haus .... ich führ' Dich in meine Kammer auf mein Bett — da ruh' Dich aus und schlaf ein bissel; im Schlaf da werden die roten Backen schon wieder kommen, die ich alleweil gewohnt gewesen bin an Dir. . .
Tie Kranke sah sie noch einmal mit einem Blicke an, der wie eine innige Klage und Frage der Sehnsucht in ihre Seele zu dringen zu wollen schien; sie atmete tief auf und ffchr mit d« magern seinen Hand über
die Stirne, als sinne sie auf etwas, das sie vergebens
gesucht.,Ia," flüsterte sie dann, indem s'e Franzi
innig die Hand drückte, „führ' mich wohin Tu willst. Franzi .... das ist ein gutes Zeichen, daß Du mir da begegnest .... Ja, Franzi, mit Dir geh' ich. . ."
Bald waren die beiden Mädchen im Hau e verschwunden; die Landleute wieder zu ihren Plätten, Krügen und Gesprächen zurückgekehrt; zwischen dem Metzger und dem Holzhändler, die sich rasch verstanden zu haben schienen, hatte sich eine anscheinend ebenso wichtiae wie vertrauliche Unterhaltung entsponnen — der Mittag machte seine erschlaffende Wirkung fühlbar, mancher nickte über dem Kruae ein; es gab wenig zu tun, als Franzi nach einer Weile wieder kam, den Mittaaslisch für die Herren Gäste zu decken und zu beschicken.
Fast zu gleicher Zeit kam auch der Nußbichler wieder zum Vorschein. :
Das Gespräch mochte ihm unerträglich geworden sein, er hatte bald seinen Krug fast auf einen Zur ausgestürzt und war dann hinter der Hecke des Obstgartens verschwunden; dort im Schatten der Schlehenstauden und Hagrosen, an denen schon die Beeren blau zu werden und die Fruchtfnospen sich zu röten begannen, " warf er sich rücklings ins Gras und schstn im Schlafe Grimm und Gram feines Lebens vergessen -zu' wollen. Hätte jemand sich um den Mann gekümmert, so wäre ihm nicht entgangen, daß derSchlafende manchmal sich regte und aus seinem Äumpenbündel eine ansehnliche Korbflasche hervormg, um daraus einen tiefen Schluck zu machen. Die Spuren davon waren unverkennbar, als er um die Hausecke bog; mit starren Augen und geröteten Angesicht, trunkene Worte vor sich hinlvllend, wankte er seinem früher innegehabten Sitze z».
* (Fortsetzung folgt.)
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