Ausland.
Men, 22. Nov. Am 22. November ist durch die Apostolische Nuntiatur dem Staatsamt für Aeußeres die Mitteilung geworden, daß der Heilige Stuhl am 12. November die Republik Oesterreich offiziell anerkannt hat.
Haag, 24. Nov. Aus Kowno liegen Nachrichten vor, daß Lettoro-Vorbeck an der Spitze von 30 000 Mann, darunter viele seiner Kameraden aus Oftafrika, die Grenze von Ostpreußen überschritten und einen Einfall nach Mitau unternommen habe. Angeblich verfügt Lettoro-Vorbeck über 400 Panzerautomobile. ^ (Die Sensationsmeldung, die wir lediglich registrieren, trägt den Stempel der Unwahrheit auf der Stirne. Schriftl.)
Rom» 24. Nov. Das Gesetz der Neuorganisation der Armee soll demnächst veröffentlicht werden. Die Vorlage baut sich auf eine einjährige Dienstzeit auf, die für alle Bestände auf 8 Monate herabgesetzt werden kann. Die obligatorische Militärdienstpflicht wird auf jedermann ausgedehnt.. Ihre Dauer kann aber für diejenigen, die sich in außerordentlichen Familienverhältnissen befinden, herabgesetzt werden.
Paris, 24. Nov. Der Oberste Rat hat nunmehr beschlossen, Polen die Vormundschaft über Ostgalizien auf die Dauer von 25 Jahren zu übertragen; ursprünglich sollte die Kontrolle Polens nur 5 Jahre dauern.
London, 22. Nov. In Beantwortung einer Anfrage im enggischen Unterhaus vom 19. November erwiderte Churchill betr. die Truppenverteilung der Alliierten, die nach den deutschen Abstimmungsgebieten gesandt werden sollen: Nach Danzig entsendet England zwei Bataillone, Amerika eins, Frankreich eins. Nach Memel: England eins, Frankreich eins; nach Allenstein: England drei, Amerika eins; nach Marienwerder: England eins, Italien eins; nach Oberschlesien: England drei, Amerika vier, Frankreich sechs, Italien fünf; nach Schleswig: England eins, Amerika eins, Frankreich eins.
Der Friede soll weiter verzögert werden.
Ehe der Frieden in Kraft tritt, soll Deutschland durch Unterzeichnung eines Protokolls erklären, daß es die Waffenstillstandsbedingungen nicht in allen Stücken erfüllt hat. Der Vertreter Deutschlands, Simon, hat diese Unterschrift nicht gegeben, sondern ist mit seinem ganzen Gefolge nach Berlin abgereist, nachdem er Besprechungen mit den Vertretern Frankreichs, aber auch Englands und Amerikas hatte. Er erklärte seine Abreise damit, daß eine Befragung des Reichskabinetts notwendig sei. Er. versprach hierbei aber nicht, daß er zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederkomme. Diese Abreise mache — sagt die Pariser Presse — den Austausch der Ratifikationsurkunden vor dem 1. Dezember beinahe unmöglich, das heißt, der Frieden werde nicht in dem vom obersten Rat grundsätzlich bestimmten Zeitraum in Kraft treten können.
Die furchtbare Not der Wiener.
Neue erschütternde Meldungen kommen aus Wien: Der sozialdemokratische Vize-Bürgermeister von Wien, Max Winter, teilt mit: Wien hat rund 500 000 Kinder und Jugendliche. Von diesen find nach amtlichen Untersuchungen gegen 300 000 unterernährt. Das durch Tuberkulose gefährdete Alter von 6—19 Jahren ist darunter mit etwa einem Drittel vertreten. Die Todesfälle stiegen von 33 268 im Jahre 1914 aus 51 497 in elf Monaten des letzten Jahres. Bei etwa 30 Prozent aller Toten haben die Aerzte Unterernährung festgestellt. Im großen Versorgungsbau blieb für die Säuglinge nichts anderes übrig, als Kraut. Dieses mußte fast ohne Mehl und Fett zubereitet werden. Der „Vorwärts" schreibt: Ein Weg zu rascher Hilfe, über den zurzeit an zuständiger Stelle beraten wird, wäre dieser: Man liefere zunächst aus den von der deutschen Auffänge-Organisation beschlagnahmten Nahrungsmitteln, die hintenherum eingeführt werden sollen, direkt -nach Wien. Dadurch geht der regelrechten reichsdeutschen Volksernährung nicht einmal etwas verloren.
Eine große französische Anleihe.
Dieselbe soll 4 Milliarden Franken betragen und in 8 Millionen Obligationen zu je 500 Franken geteilt werden. Jede Obligation wird einen Zins von 25 Franken abwerfen.
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg, 24. Nov. Am Sonntag, 23. November, trat zum ersten Mal Dekan Stadtpfarrer Dr. Megerlin im Gottesdienst vor seine neue Gemeinde. Der Altar im Schmuck der Herbstastern, der Gesang des Kirchenchors „Ich halte mich Herr, zu deinem Altar, Herr ich habe lieb die Stätte deines Hauses" Psalm 26,6 erhöhte gleich zum Beginn die festliche Stimmung der Versammelten, welche das Gotteshaus füllten.
In seiner Predigt über das Sonntagsevgl. Matth. 26,1 ff. führte Herr Dekan aus: Liebe Gemeinde!, wir dürfen's glauben, daß Gott euch und mich zusammengeführt hat. So wollen wir gemeinsam ein Stück unseres Lebenswegs gehen, dazu, daß eins das andere mit sich in k«n Himmel bringe. Mich wirds freuen, wenn ihr euer Inneres mir aufschließt. Macht es wie meinem Vorgänger gegenüber, dessen ihr heute treu gedenkt! Er hatte durch Lebenserfahrung und Kenntnis der Gemeinde vist vor mir voraus. Aber auch ich will nun mit euch Fühlung zu gewinnen versuchen. Mit Gottes Gnade wirds gelingen. Gemeinsam wollen wir hören, was Gott uns in dieser schweren Zeit zu sagen hat. Er redet zu uns auf mancherlei Weise, — auch durch die „Zeichen der Zeit". Es ist für uns garnicht so einfach, die Zeichen der Zeit zu deuten. Aber miteinander wollen wir's probieren. Laßt uns gleich heute den Anfang damit machen!
Wir leben in einer ganz besonderen Notzeit. Materielle, seelische, sittliche Not ist's, die uns drückt. Wir könnten manchmal meinen: es müsse diese Last der Zeit uns zerdrücken. Aber nicht dazu ist diese Notzeit von Gott gesandt, sondern wir sollen uns dadurch emporheben lassen auf die Höhe. Notzeiten sollen Stufen, Staffeln sein, die zur Höhe führen. Wirken Notzeiten auf die meisten Menschen ungünstig, so achte du darauf, daß dich die Not höher treibt! Dürfen wir nicht hoffen, daß unser ganzes Volk durch die besondere Not dieser Zeit höher kommt, so doch: daß jetzt ein Kern des Volkes sich bildet, der sich in die Höhe treiben -läßt. Laßt euch einige Winke geben, wie wir's angreisen müssen mit der Ueberwindung der sittlichen, seelischen und materiellen Not!
Wenn alle hassen — du hasse nicht mit! Denke: auch in dem ganz unsympathischen Nachbar ist gewiß, wenn auch verborgen, noch ein guter Kern; da knüpfe an! Auch den bösen Nachbar trägt Gott mit Geduld. Und doch tut er ihm, menschlich gesprochen, vielmehr Leid an als dir! So laß dich durch den Haß der Zeit antreiben zu umso größerer Liebe! So laßt uns die sittliche Not der Zeit überwinden! So überwinde auch die seelische Not! Habe Mut, Gott will's, und mache den anderen Mut! Und die materielle Not! Arbeite treu, indem du mit- der Seele bei deiner Arbeit bist.
Herr Dekan schloß mit den Worten: Um die Not zu überwinden, dazu brauchen wir Gottes Kraft. Wenn er mit uns geht, dann braucht es uns vor der Zukunft nicht bange zu sein. Wir
sind gespannt von Tag zu Tag auf die Wunder, die uns Gott erleben lassen wird. Mit Gott wollen wir in die Zukunft. Mit ihm will ich auch mein Amt beginnen und führen.
„In ihm sei's begonnen, der Monde und Sonnen An blauen Gezelten des Himmels bewegt!
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!,
. Herr dir in die Hände Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!"
Den zweiten Teil des Gottesdienstes, die feierliche Einsetzung des Geistlichen in sein Amt als Stadtpfarrer der Gemeinde und Dekan des Bezirks leitete der Kirchenchor ein mit dem Gesang von Ps. 36,6.
Herr PrälatDr. O. Schoell richtete sich in einer A n - prache an die Gemeinde und ihren neuen Seelsorger: Die Zeiten sind ernst. Zeiten der Unsicherheit und Haltlosigkejt im Glauben. Da sind von besonderer Bedeutung die, welche zu Führern im Glauben nicht bloß von Menschen eingesetzt, sondern durch Gottes Ruf berufen sind.. Dir, lieber Bruder, ist ein ernstes und großes Amt anvertraut. Mögest du, lieber Bruder, dastehen als Zeuge der Wahrheit vor den anderen, weil in dir selbst deines Glaubens gewiß!
Die Zeiten sind ernst. Zeiten der Verwirrung der Gewissen. Nicht das ist das Schlimmste, daß viele heute es so leicht nehmen, Gottes und der Menschen Gebote zu übertreten, sondern daß viele nicht mehr recht wissen, was gut und böse ist. Aber landauf, landab gibt es solche, und es sind die Besten, die An Ekel über die Unredlichkeit und Unwahrhaftigkeit und Leichtfertigkeit der- Zeit erfaßt hat, die sich sehnen von Herzen nach Reinheit und sittlicher Kraft. Da sind die von besonderer Bedeutung, die gegründet sind in sittliche Tüchtigkeit, die gewiß wissen, „was gut ist und was der Herr fordert". So mögest du sein denen, die dir anoertraut ind, ein rechter Gewissenswecker!
Die Zeiten sind ernst. Zeiten der Friedlosigkeit. Nicht von der äußeren reden wir. Vielmehr, daß Unruhe durch die Seelen geht. Wir sind die, die etwas vom Frieden Gottes in sich tragen? Wer unter uns aber sehnt sich nicht darnach, daß sein Herz ruhig und still wird. Drum mögest du ein Bote des Friedens werden! Von Albrecht Bengel sagten seine Zeitgenossen, daß der Friede und Glanz der Ewigkeit über ihm ausgebreitet war. Wir können Gott nicht genug danken für jeden Menschen, sei er hoch oder niedrig, über dessen Wesen etwas vom Frieden Gottes liegt, den dir Welt nicht geben kann. Möge Gytt diesen Frieden dir und uns erhalten und wahren! Gott schenke dir, daß du seiest ein Bote des Friedens! So hist du gesegnet und wirst ein Segen sein!
In seinem Lebenslauf erzählte Herr Dekan unter anderen: Ich bin in Kurland geboren. Mein Vater war dort deutscher Lehrer. Er kehrte später ins «chwabenland (Plieningen) zurück, wo ich die Laufbahn durch Seminar und Stift zum Berus des württembergischen Pfarrers durchlaufen habe. Nach mehreren Jahren des höheren Lehrdienstes zog ich 1903 als Stadtpfarrer in Blaubeuren aus, kurz nach dem Tod meiner Mutter. Mit zwei Schwestern und dem kranken Vater verlebte ich 10 Jahre in Vlau- beuren, die ich zu den schönsten meines Lebens rechne. Mein Vater war noch nicht lange gestorben, als ich 1913 das Amt eines Stadtpfarrers an der Johanneskirche in Stuttgart übernahm, das ich 6 Jahre lang, es waren fast nur Kriegsjahre, treu «nterstützt von meinen beiden Schwestern, versah. Jetzt habe ich die Stadt wieder verlassen und kehre mit Freude aufs Land zurück, und an meiner Seite meine Frau Klara, geb. Heigelin, die mir im Juni dieses Jahres an die Seite trat. Ich bekenne mit frohem Dank, daß ich im Rückblick aus mein seitheriges Leben viele Spuren der gütigen Führung Gottes erkennen darf.
Im Mittelpunkt der Feier stand die Verpflichtung mit Handschlag auf den Vorsatz, gewissenhaft vor dem Angesicht des allwissenden Gottes das neue Amt zu führen, und die Einsegnung zum neuen Amt.
Als geistlicher Zeuge gab Pfarrer Renz von Ottenhausen dem Herrn Dekan mit auf den Weg das Wort Jesu an seine Jünger bei der ersten Aussendung: „Gehet aber hin, predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!"
Als weltliche Zeugen boten Stadtschultheiß Knödel von hier und Schultheiß Scheck von Waldrennach dem Herrn Dekan und seiner Gemahlin herzlichen Willkommgruß.
Das stille Geloben der Gemeinde, ihrem neuen Führer mit Vertrauen und Offenheit entgegenzukommen, wurde in dem schönen Schlußgesang des Schülerchors zur Bitte zum allmächtigen Gott. — Er segne sein Wohnen in unserer Mitte, er segne ihn und uns!
Auch der „M ädchenbund" wollte Herrn und Frau Dekan begrüßen; er versammelte sich Sonntag nachmittag unter Führung seiner rührigen Leiterin, Frau Schnepf, im Dekanatshause, um im stimmigen Chor zu singen „Gott grüße dich, kein anderer Gruß". Für diese sinnige Begrüßung brachte Dekan Megerlin in herzlichen Worten seinen ausrichtigen Dank dar.
Neuenbürg, 25. Nov. Zu den beiden gestrigen Erklärungen in Sachen der Wohnungsfrage erwidere ich:
. 1. Aus der Erklärung des Haus- und Grundbesitzervereins geht hervor, daß der Verein nicht wahllos die Anstände seiner Mitglieder zu den (einigen machen will und daß der Verein seine Mitglieder auffordert, in den Wohnungsfragen der Behörde Entgegenkommen zu zeigen. Ich nehme diese Erklärung gerne an.
2. Herr Müller bestreitet, den Stadtschultheiß in irgend einer Weise angegriffen zu haben, er habe vielmehr seinen Fall nur des (sachlichen) Interesses wegen gestreift. Dem steht zwar entgegen, daß mindestens ein Teil der Versammlungsteilnehmer einen andern Eindruck hatte; allein da auch meinerseits keine andere Absicht als diejenige der Klarstellung verfolgt wird, nehme ich nunmehr die Darstellung des Herrn Müller als richtig 'an uttd erkläre mich meinerseits als befriedigt.
Stadtschultheiß Knödel.
k. Wildbad, 23. Nov. Eines außerordentlich zahlreichen Besuches von hier und auswärts durfte sich der gestrige Familienabend erfreuen, zu dem die hiesige Ortsgruppe der Bürger- Partei ihre Mitglieder und Freunde geladen hatte. Lange vor Beginn schon war der Saal des „Kühlen Brunnens" dicht gefüllt. Galt es doch, einen der besten Redner und führenden Politiker unseres Landes, den Vorsitzenden der Bürgerpartei, Herrn Dr. Beißwänger, zu hören. Reallehrer Schweizer begrüßte Gäste und Redner und gab sodann dem Singchor zum 1. Stück die sichere Leitung. Ueber den fesselnden, mit gespanntester Aufmerksamkeit aufgenommenen Vortrag Dr. Beißwängers vergaß man die Zeit. Der Redner zog die I a h re s b i l a n z d e r R e v o l u- tiok und entrollte dabei ein erschütterndes Bild von unserer äußeren und inneren Lage, sprach über den Anteil der Parteien an dieser Bilanz und über das Urteil der verschiedenen Parteien über die Revolution, wobei mit köstlichem Humor und treffender Ironie grell die Kluft beleuchtet wurde, die zwischen Len Versprechungen der Revolutionsmacher liegt und dem, was ihre Tat uns jetzt gebracht an Friede und Brot und Freiheit — mit ein
Grund, warum jetzt der gewaltige Ruck nach rechts Lurchs Volk gehe, der auch der Bürgerpartei ständigen Zustrom aus allen Kreisen bringe. Lebhafter Beifall war der Dank der trefflichen Rede Ernste und heitere Gedichte, von Frau Steinhardt und Read lehrer Schweizer vorgetragen, treffliche Einzelgesänge von Frau Dr. Schwab, wohlgeübts Chorstücke und die humorgewürzten Schlußworte von Herrn Dipl.-Jng. Rösler beschlossen die reiche, wohlgelungene Feier.
Württemberg. ^
Stuttgart, 24. Nov. (Der neue Intendant.) Zum Leiter des Landestheaters ist der Direktor des Berner Stadttheaters Kehm, ein geborener Stuttgarter, ernannt worden.
Stuttgart. 22. Nov. (Die Beisetzung Gräbers.) Die Ueber- sührung der Leiche des Staatssekretärs a. D. Gröber nach Weingarten wird sich etwas verzögern. Die Ankunft in Weingarten wird im Lause des Mittwoch stattfinden. Die Beisetzung dort ist daher endgültig auf Donnerstag vormittags 9 Uhr festgesetzt.
Reutlingen, 22. Nov. (Handwerkerfragen.) Die Handwerkskammer hat sich für die Errichtung eines Landesverbands des württembergischen Handwerks nach dem Muster des Jndustrie- verbands ausgesprochen. — Weiter sprach sich die Kammer gegen die Festsetzung von Mindestlöhnen für Lehrlinge und gegen die Kommunalisierungsbestrebungen aus. Die Lehrzeit für weibliche Handwerksberuse soll von 2 aus 3 Jahre erhöht werden. In der Betriebsrätefrage hofft die Kammer, daß ein Mittelweg zu finden ist, der den berechtigten Ansprüchen auf beiden Seiten Rechnung trägt. Von besonderer Wichtigkeit für das Gewerbe wurde die bevorstehende Bildung der Bezirkswirtschaftsräte und des Reichs- wirtschastsrates angesehen. Mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende Neuregelung des Wahlrechts zur Handwerkskammer sprach man sich auch für die Verlängerung der Amtszeit der Kammermitglieder aus.
Schwenningen. 22. Nov. (Ueberfahren.) Der Unfug, sich während der Fahrt oder doch vor dem Halten des Zuges auf den Trittbrettern aufzuhalten, hat leider auf der Haltestelle Mühlhausen ein Opfer gefordert. Ein 15 Jahre alter Arbeiter, der jeden Abend von hier nach Hause fuhr, stürzte beim Halten des Zuges vom Trittbrett herunter, geriet unter die Räder und wurde so schwer verletzt, daß er schon nach kurzer Zeit im hiesigen Krankenhaus verschied.
Isny, 22. Nov. (Nochmals der Holzwucher.) Dem „Allg. Volksfreund" wird geschrieben: Der kürzlich in Jsny staügefundene Nadelstammholzverkauf wirft ein grelles Schlaglicht auf unsere Wirtschaftsverhältnisse. Es waren für die rund 100 000 Kubikmeter Holz Angebote von 350—805 Prozent der Taxe eingegangen bei Grundpreisen von 50, 44 und 36 Mark. Die gesamte Holzmasse fiel an eine Konstanzer Firma, die Verkäufer in Holland und Frankreich hat. Die gesamten einheimischen Holzmühlen gingen leer aus. Ob die fürstliche Standesherrschast aus volkswirtschaftlichen Gründen den Verkauf bestätigt, bleibt abzuwarten.
Baden.
Pforzheim, 22. Nov. Alle Fraktionen des Rathauses haben sich auf die Wahl des bisherigen Bürgermeisters von Mainz, Dr. Gündert, zum Oberbürgermeister geeinigt. Dr. Erwin (Zündest ist 41 Jahre alt und in Bad Dürrheim geboren, also Badener. Nach Ablegung der beiden juristischen Staatsprüfungen in Karlsruhe war er mehrere Jahre als Regierungsassessor im badischen Verwaltungsdienste tätig. Ueber zwei Jahre war er nach Berlin an das Reichsversicherungsamt und Reichsamt des Innern beurlaubt. Nach Rückkehr in den badischen Staatsdienst und kurzer Tätigkeit dort wurde er zum Magistratssyndikus in Stettin gewählt. Von 1912 ab stand er im Dienste der Stadt Mainz. Die Wahl ist aus 3. Dezember, nachmittags !45—ZL6 Uhr festgesetzt.
Karlsruhe, 24. Nov. In einer Reihe badischer Gemeinden, zunächst einmal der Bezirke Rastatt und Wiesloch, sind in den letzten Tagen Abteilungen der Reichswehr eingezogen, um die dort tätigen Kommissionen zur Aufnahme der Kartosfelbestände gegen jeden Angriff zu'schützen und zugleich den Anordnungen der Regierung mehr Nachdruck zu verleihen. Für die mit Truppen belegten Orte hat die Sache cttier auch noch eine recht unangenehme finänzielle Seite, denn die Gemeinden müssen die Lasten der militärischen Belegung tragen, die bis zu 800 Mark im Tag betragen. Die Nachschau der Kommission hat in den einzelnen Orten recht bedeutende Ergebnisse gehabt. Es wurden erhebliche Kartoffelbestände beschlagnahmt. Von den Besuchen der unter militärischem Schutz stehenden Kommissionen wird vor allem Mittelbaden und das Hinterland betroffen werden, da dort die Kartosfelablieferung bis jetzt eine sehr schlechte ist.
Waldshuk, 24. Rov. Schweizerische Blätter melden, daß das eidgenössische Ernährungsamt die Ausfuhr von Stumpen bis auf weiteres vollständig untersagt hat.
Mannheim, 22. Nov. Ein Feudenheimer Landwirt tat vor einiger Zeit den Ausspruch, daß die Kartoffeln noch wie Orangen eingewickelt werden und das Stück zu 60 Pfennig verkauft werden müßten. Natürlich gehörte eb auch zu denen, die nicht pflichtgemäß abliefern. Bei der Nachforschung, die letzter Tage stattfand, wurden ihm 50 Zentner beschlagnahmt, und er hatte den Schmerz, daß statt seiner Kartoffeln er selbst „eingewickelt" wurde.
Mannheim, 23. Nov. Der Wasserstand des Rheins und Neckars ist infolge des Schnee- und Regenwetters dieser Woche ganz rapid in die Höhe gegangen und übertrifft die vorjährige Wasserstandshöhe um nahezu 2^ Meter. Der Geschäftsgang auf dem Rhein ist daher ein recht flotter, umsomehr, als auch genügend Aufträge vorhanden sind. Schleppkraft, d. h. Dampfboote - zur Beförderung der Schleppzüge und der in den Häfen liegenden beladenen Kähne ist trotz des gestiegenen Schlepplohnes nach wie vor sehr gesucht und lebhaft gefragt.
Vermischtes.
Günzburg, 24. Nov. Auf dem Bahnhof gab es dieser Tage ein unverhofftes Wiedersehen. Seit Mai 1915 befand sich der Lehrerseminarist Franz Keller, Uhrmachersohn in Günzburg, in englischer Gefangenschaft. Am 17. November wollte seine Schwester Hochzeit halten. Als sie am Vortage mit ihrem Bräutigam Hochzeitsgäste von der Bahn abholen wollte, traf unerwartet der so lange kriegsgefangene Bruder Franz ein, von der ganzen Familie als der liebste Hochzeitsgast begrüßt.
Wiesbaden, 22. Nov. Wie hart die Waffenstillstandsvorschrist der Ablieferung der Milchkühe die einzelnen Kreise trifft, beweist z. B., daß der Landkreis Wiesbaden, der unter beispielloser Milchknappheit leidet, 70 Kühe und die Stadt Wiesbaden selbst gar 8 Stück abliesern müssen. Die Bauern erhalten für jede abgelieferte Kuh nur 2400 Mark, während sie für das Ersatztter 4000 Mark und mehr zahlen müssen.
Veräußerung von Wertpapieren schützt nicht vor der Auskunsts- Pflicht der Danken. Bei den Erörterungen über die Verordnung über Maßnahmen gegen die Kapitalflucht (vom 24. Oktober 1919) ist wiederholt ausgesührt worden, die Verordnung werde viele Effektenbesitzer veranlassen, ihre inländischen Wertpapiere noch vor dem Inkrafttreten der Verordnung zu veräußern, um der Steuer-
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