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Liitgegmriig.

Zu der öffentlichen Erklärung des l^errn Stadtschnttheitz Lenz erlaube ich mir zur Aufklärung der Bürgerschaft folgendes zu bemerken:

Unsere Schule wurde mit ca. 25 Schülern i. I. 1890 gegründet. Als die Schülerzahl sich fortwährend steigerte und die Stadt den neuen Schulbau erstellte, bat der erste katholische Stadtpfarrer Herr Schwaier um Unterbringung auch der katholischen Kinder in demselben, er wurde aber abschlägig beschieden. Bald reichte der Schulraum nicht mehr aus, so daß der Lehrer die Schüler teilweise in der anstoßenden dunklen Küche unterrichten mußte, abgesehen davon, daß es dem eigentlichen Schullokal sehr an Licht gebricht. Diesen schreienden Schulzuständen ein Ende zu bereiten war der Grund eines erneuten Bittgesuchs des jetzigen Stadt­pfarrers vom 28. Januar ds. Js. um Ueberlassung eines städtischen Lokals und zwar hatte ich im Auge den jeden Vormittag ganz und an einigen Nachmittagen zu halber Zeit unbenützten Parterreschulsaal im Mädchen­schulgebäude, mit Subsellien besetzt, ähnlich wie die unsrigen. Auf diese Gelegenheit war ich durch eigene Beobachtung sowohl als durch fremden Hinweis aufmerksam gemacht worden. Einige Wochen nachher bemerkte mir der Herr Stadtschultheiß persönlich auf der Straße, daß unsere Bitte vor­aussichtlich erfüllt werden könne, worauf wir uns keine weiteren Sorgen machten. Es vergingen 2^/s Monate, als ich zu privater Besprechung zum Herrn Stadtschultheiß gerufen wurde mit der für uns gänzlich verblüffenden Mitteilung, daß es unmöglich sei, uns ein Lokal zu geben. In ver an­schließenden Sitzung bat ich die Kollegien inständig wenigstens um einen Einbau in ein bestehendes Haus oder um einen Anbau. Aber dieser Bitte konnte nach ihrer Auffassung nicht entsprochen werden. Mein Bedauern habe ich damals ausgedrückt, daß man mich so lang hat mit diesem nega­tiven Resultat warten lassen, wodurch ich eine günstige Gelegenheit zum Sammeln verlor, was jetzt nach den 2 schweren Brandunglücksfällen im Lande doppelt schwer ist. Nun begann ich, da in der ganzen Stadt kein geeignetes Lokal aufzutreiben war, Unterhandlungen mit Herrn Zimmer­meister Kirchherr wegen eines 23stockigen Schulneubaus, die wegen Geld­mangel heute noch nicht beendigt sind. Eine Baracke zu errichten auf einem 6000 ^ kostenden Bauplatz, wäre aber zu unrentabel, abgesehen davon daß ein so leichtes Bauwerk in unserem kalten Schwarzwald nichts taugt. Unterdessen war ich unablässig tätig, reiste wegen der Schule wiederholt zu den kirchlichen und staatlichen Oberbehörden und zu privaten Wohltätern, da erfuhr ich bei Unterbrechung meines Urlaubs, daß wohlwollende evangelische Bürger auf die günstige Gelegenheit zur Unterbringung der kath. Schule im Parterre des Sch aal'schen Hauses uns hingewiesen haben und daß Eile hier Not tue, ehedenn das Lokal an andere vermietet würde. Jene kannten die Räume sehr gut, auch hatte ich einen nach Urteil des Herrn Bühner sehr genauen und in 3 Farben ausgeführten Situationsplan jener Gegend, auf dem das fragliche Haus scharf und richtig miteingezeichnet war, seit einigen Monaten gefertigt. Auf die am 28. Oktober namens der Pfarr- gemeinde eingegebene Bitte um Ueberlassung dieses Stockwerks zur Schule und Lehrerwohnung mit dem Beifügen, daß wir an den nötigen Umbau­kosten zahlen was die Stadt verlangt, erfolgte am 4. November wiederum abschlägige Antwort, was die kath. Gemeinde in ihrer bitteren Schulnot, die durch neuesten der Stadtvertretung bereits bekannten Aus­weisungsrezeß der Medizinalvisitation ihren Höhepunkt erreichte, bitter und schmerzlich empfunden hat. Als Grund wurde angegeben die Unzulänglich­keit des Raumes und die Einbuße an Mietzins für die übrigen Wohnungen. Es wäre aber das neue Schullokal um 45 cm höher und um 5'/r w länger als das bisherige, voll von Licht und Luft mit der fast doppelten Anzahl von Fenstern und es fehlte zum Höchstmaß von Luft mit 3 ebm pro Kind bei 60 Kindern nur 0,05 ebw, während in der alten Schule 0,9 obm bei 50 Kindern pro Kind fehlt. Frühere Schüler erklärten mir, daß die städtischen Knabenschulen nicht die Löhe und den Luftraum besitzen würden wie das von uns gewünschte Lokal; es wird aber deshalb sicherlich nie­manden einfallen, den evang. Herrn Ortsschulaufsehern wie mir den Vor­wurf zu machen, daß sie keine Sorge tragen für die ihnen anvertrauten Kinder; daß bei einem Einbau sodann in ein altes bestehendes Haus, das nicht als Schulbau erstellt war, nicht die für Neubauten geltenden Vor­schriften in allem beobachtet werden können, ist jedem vernünftig Denkenden sonnenklar und auch von der Oberschulbehörde anerkannt.

Mit der Abweisung unseres Bittgesuchs hatten wir für unsere jetzt bestehende Not jegliche Hoffnung aufgegeben und wußten, daß wir einem Schulhausneubau nicht mehr aus dem Weg gehen können, wozu uns neben eigener Beisteuer die öffentliche Mildtätigkeit der Gemeinde­verbände und namentlich unserer Glaubensbrüder verhelfen sollte. In diesem Notaufruf an die Allgemeinheit aber mußte vor allem zuge­geben sein, daß wir uns pflichtgemäß zuerst 2mal vergebens an die doch in erster Linie in Betracht kommende Stadtgemeinde ge­wendet haben, nachdem die Schule schon 14 Jahre besteht und sich so lebenskräftig erweist und immer mehr zunimmt; und ich hätte mich nun an sämtliche katholische oder wenigstens von Katholiken vielfach gelesene Zeitungen des Landes ungefähr innerhalb 14 Tagen gewendet. Da wurde mir am Donnerstag den 10. Vormittags 10 Uhr der Medizinalrezeß vom Stadtschultheißenamt zugestellt mit der Bemerkung, daß an diesem Abend die Kollegien aufs neue über unsere Schulsache beraten. Von dieser Stunde an wurde kein weiterer Aufruf mehr erlassen, über­haupt keine Zeile mehr an die Öffentlichkeit geschickt, vielmehr das Resultat der neuen Verhandlung abgewartet. Aus derselben erkannten die anwesenden Vertreter der kath. Gemeinde, die aus Anstand in ihrem Bitt­gesuch der Noblesse der Stadtvertretung keine Grenzen ziehen wollten, daß der Ausfall der Miete dem Gesuch Schwierigkeiten mache und erklärte ich, gestützt auf einen Tags zuvor gefaßten Kirchenstistungsratsbeschluß, am Sams­

tag vormittag, daß wir die volle Miete von 400 ^ gern bezahlen, wenn uns nur ein Schulhausneubau erspart bleibe und las folgende für die Oeffentlichkeit bestimmte Erklärung vor:Nachdem neuestens auch die Me­dizinalbehörde durch Rezeß vom 31. Oktober, uns zugestellt am 10. No­vember ds. Js., den Auszug aus der alten Schule uns anbefohlen hat, ein anderweitiges Lokal sich nicht findet und damit die Not der Gemeinde aufs höchste gestiegen ist, wandten sich die Unterzeichneten nochmals an die Stadtvertretung und baten dieselbe um Ueberlassung des jüngst gewünschten Lokals, das letztere wegen nicht ganz vorschriftsmäßiger Höhe und zu großer Länge als unzureichend erachtete, nun aber dennoch unter Vorbehalt der Genehmigung der Kgl. Oberschulbehörde in anenennenswerter Weise zur Verfügung stellt, wodurch, da in demselben Stockwerk neben der Lehrer­wohnung auch noch ein weiteres Schulzimmer erstellt werden kann, unsere schwer drückende Schulnot für alle Zeiten gehoben ist. wovon wir der Oeffent­lichkeit hiedurch mit großer Freude und innigem Dank Kenntnis geben."

Diese Erklärung wurde nicht angenommen, weil von den2 Gelegen­heiten" darin nicht die Rede sei, andererseits aber mußte der Herr Stadt­schultheiß zugeben, daß die kath. Gemeinde keine Eingaben ins Blaue hinein an die Stadtvertretung mache, sondern sich an gegebene Gelegenheiten halte, die allerdings nachträglich von letzterer nicht anerkannt worden wären. Ein Augenschein, der sich an die Verhandlung anschloß, ergab, daß die Um­änderung des ganzen Hauses zu kostspielig geworden wäre, daß aber die Aushebung der beiden 4,20 m breiten Zwischenwände ohne jede Gefahr und viele Kosten nach Ausspruch des Herrn Stadtbaumeisters sich bewerkstelligen läßt. Die genaue Abmessung auch der in der kath. Schule vorhandenen Schulbänke hat aber sofort ergeben, daß sonst keinerlei Aenderung notwendig ist und sich im künftigen Schulzimmer 2 Gänge breit genug erstellen lassen. Auf die nun folgende 2. Erklärung von uns kam abends 6 Uhr ein ge­harnischtes Schreiben des Herrn Stadtschultheiß mit teilweise denselben Sätzen wie in dem offenbar der Hauptsache nach längst verfaßten Artikel, worauf ich schnurstracks abends */-7 Uhr aufs Rathaus ging und dem Herrn erklärte, daß wir doch als Männer an den heute morgen gegebenen Ver­sicherungen festhalten und den Frieden in der Gemeinde aufrecht erhalten müssen und legte ihm nachstehende neue 3. Erklärung vor, die alsbald seine volle Zustimmug fand:Die Bitte um Gaben für die freiwillige katholische Schule in Calw wird aus Wunsch der Stadtgemeinde dahin berichtigt, daß nach Auffassung der letzteren die Stadt nicht zweimal die Gelegenheit hatte, unserer Bitte um Ueberlassung eines städt. Lokals zu Schulzwecken zu will­fahren. Doch hat sich nunmehr bei der heutigen Ausmessung ergeben, daß das jüngst erbetene Lokal, eine bisherige Wohnung von 3 durchgehenden Zimmern bei allerdings nicht ganz vorschriftsmäßiger Höhe und etwas großer Länge für 6070 Schüler ausreicht und ohne Schwierigkeit eingerichtet werden kann." Diese Erklärung wurde am Samstag Abend noch von mir an denStaatsanzeiger" abgesandt. Sonntag mittag kam nun Herr Stadtschultheiß auf der Straße auf mich zu mit der Bemerkung, daß er jetzt wohl noch eine bessere Erklärung gemacht habe, obwohl die meinige einigen Herren Gemeinderäten, die sie heute gelesen, gut gefallen habe. Nach wenigen redaktionellen mit ihm vereinbarten Aenderungen wurde die­selbe auch von mir angenommen und schleunigst an denStaatsanzeiger" abgesandt. Aus all dem mußte der mir so ziemlich gleichalterige Herr Stadtschultheiß die Ueberzeugung gewinnen, daß ich den Frieden will. Abends noch machte ich die umfangreiche Eingabe an die staatliche Ober­schulbehörde, legte ihr obenerwähnten 90 om langen und 36 om breiten Situationsplan bei, in welchem ich auf das Schaal'sche Haus die Parterre­einteilung mit Bleistift einzeichnete, dazu noch eine besondere Skizze des fraglichen Schulzimmers nach den mir bekannten genauen Maßen. Hiemit eilte ich am Montag persönlich nach Stuttgart zur Mittel- und Oberbehörde in Schulsachen, wo man sich über die jetzige Lösung sehr erfreut zeigte und man mir erklärte, ich solle jetzt die Pläne vom Stadtbauamt ausarbeiten und dann dieselben durchs gemeinschaftliche Oberamt wie üblich vorlegen lassen. Ersterem gab ich hiezu alsbald den Auftrag und dem Herrn Stadt­schultheiß Kunde von allem Geschehenen. Am Mittwoch konnte ich ihm bereits einen Erlaß des kgl. kath. Kirchenrats einhändigen, wornach die ge­plante Unterbringung als eine erhebliche Verbesserung gegenüber den bisherigen Verhältnissen von Schulaufsichtswegen voraussichtlich nicht bean­standet werden wird. In Stuttgart selbst händigte ich dem Redakteur des Deutschen Volksblatts", dem Hauptorgan der Katholiken Württembergs, die vereinbarte Erklärung zur sofortigen Drucklegung ein; imSonntags­blatt" war es nach dessen Aussage nicht mehr möglich, da der Druck schon fertiggestellt war; die Erklärung wird dann nächsten Sonntag erfolgen. Am Dienstag Morgen hatte ich dieErklärung" imStaatsanzeiger", am selben Abend dieselbe imDeutschen Volksblatt" in Händen. Am Dienstag und Mittwoch Vormittag schrieb ich noch dieselbeErklärung" an 5 Blätter, darunter auch an denOberschwäbischen Anzeiger", damit wenn je eines den Aufruf vom andern abgedruckt hätte, es auch die vereinbarte Er­klärung bringen soll. Daß aber derOberschwäbische Anzeiger" meinen ersten Aufruf eine ganze Woche auf seiner Redak­tion s st ube liegen ließ, ist absolut nicht meine Schuld; ich war im festen Glauben, daß der Aufruf auch dort wie in den andern 2 Zeitungen, zu deren Abonnenten ich nicht gehöre, schon längst erschienen sei, bevor die Kollegien aufs neue berieten. Diese Auskunft hätte sich aber der Herr Stadtschultheiß durch einen Boten an mich sofort von mir holen können und dieses für unsere Gemeindeso bedauerliche und folgenschwere Mißverständnis wäre aus der Welt geschafft gewesen, wenn er der Erforschung der Wahrheit und der Erhaltung des Friedens gedient und bedacht hätte, daß er für die 42 katholischen Schul­kinder und deren Eltern, die Auswärtigen nicht gerechnet, doch auch der Stadtvorstand ist.

Was die von ihm nicht ohne kräftigen Widerspruch erlangte öffent- I liche Erklärung betrifft, so ist Punkt 1, wie unser Herr Kirchen- und