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sonen wurden verletzt, darunter 9 schwer. Einer Frau mußte der Arm abgenommen werden.
Hüll, 17. Nov. Im Verlauf der vom Handelsamt angestellten Untersuchung über die Doggerbankangelegenheit sagte heute der Bootsmann des Fischerboots „Gull" gleich den andern bisher vernommenen Zeugen aus, daß sich kein japanisches Fahrzeug zwischen den Fischerbooten befand. Die russischen Kriegsschiffe hätten nur 2—3 Schiffslängen von der „Gull" entfernt Halt gemacht und dann Feuer gegeben. Als er seitwärts über den Schiffsrand hinaussah, habe er ein Schiff, dessen Lichter sämtlich ausgelöscht waren, gesehen. Er habe dasselbe zuerst für ein Torpedoboot gehalten, später habe sich gezeigt, daß es das Missionsschiff „Alpha" war. Auf die Frage des Vertreters der russischen Regierung, ob er sicher sei, daß es ein Missionsschiff war, antwortete der Zeuge, dessen sei er nicht sicher, aber ein Torpedoboot sei es nicht gewesen.
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Petersburg, 18. Nov. Obgleich General Siössel eine Kofwunde erhalten hat, fährt er doch fort, das Kommando auszuüben. — Vizeadmiral Besobrazow ist aus Wladiwostok in Mulden eingetroffen. Er erklärt in einer Unterredung, Wladiwostok sei auf das stärkste befestigt, die nähere Umgebung unterminiert, die Forts beherrschten alle strategischen Punkte und die Festung könne eine Blokade wie diejenige von Port Arthur aushalten. Weiter erklärte der Admiral, die baltische Flotte müßte sich besonders im indischen Ozean in Acht nehmen, da es ziemlich sicher sei, daß die Japaner sie dort angreifen würden. Die russische Flotte sei der japanischen an Zahl überlegen.
Petersburg, 18. Nov. Aus dem Hauptquartier in Mulden wird berichtet, daß die Japaner bedeutende Truppen-Verschiebungen hinter der Front vornehmen. Man glaubt, daß in den allernächsten Tagen eine Entscheidungsschlacht bevorstcht.
London, 18. Nov. Aus Tokio wird telegraphiert: Die Beschaffenheit der von den Verteidigern Port Arthurs benutzten Granaten läßt den Mangel an einer gewissen Art Munition erkennen. Alle russischen Gefangenen berichten von zunehmendem Hunger in der Festung. Es wird auch behauptet, daß die russischen Kommandeure über die Fortsetzung der Verteidigung uneinig sind. Dies stimmt mit der Vermutung überein, daß der „Rastoropny" Depeschen überbracht habe, welche die Entscheidung dieser Frage an den Zaren verweisen.
London, 18. Nov. Aus Tientsin wird depeschiert: Die Japaner am Schaho seien plötzlich vorgegangen und befänden sich jetzt 19 Lw. von Mukden. Man hört das Rasseln ihrer Ma- schinen-Gcschütze und Gewehre in Mukden. Dies deutet darauf hin, daß Kuroki im Osten angreift.
London, 18. Nov. Nach einer Meldung aus Tschifu, wird dort von russischer Seite zugegeben, daß der „Rastoropnye" von General Stöffel ausgesandt wurde, um die Petersburger Regierung mit dem wahren Stande Port Arthurs bekannt zu machen. Trotz günstiger Berichte der Offiziere des „Rastoropnye" ist die Lage der Festung verzweifelt. Die wichtigsten Positionen um die Stadt sind von den Japanern genommen oder unhaltbar gemacht. Man glaubt, daß, falls der Entsatz nicht innerhalb 20 Tagen erfolgt ist, die Festung sich ergeben müsse.
Tokio, 18. Nov. (Reutermeldung). Ein Telegramm aus Moji meldet die Zerstörung eines wetteren russischen Arsenals und Magazins in Port Arthur. Die Japaner hatten die Lage des Arsenals entdeckt, konzentrierten ihr Feuer darauf und erreichten die Zerstörung des Arsenals, nachdem sie 200 Granaten dahin geschossen. Die Japaner erweitern ihre Sappen und benutzen sie zum Heranbringen ihrer Geschütze. Die Russen fahren fort, herzhaft Ausfälle gegen die Sappen zu machen, wobei sie Handgranaten zur Anwendung bringen.
Tokio, 18. Nov. Im japanischen Kriegsministerium herrscht seit einigen Tagen eine aufs äußerste gesteigerte Tätigkeit. Man scheint alles aufzubieten, um den gewaltigen russischen Verstärkungen, die man nun unterwegs weiß, ein Paroli zu bieten. Nogis Armee vor Port Arthur ist nun auch wieder durch erneute Reservetruppen auf ihre alte Höhe von 70000 Mann gebracht. Eine große nummerische aber qualitativ gering anzuschlagende Verstärkung erwächst dem japanischen Heere durch die Heranschaffung und gute Ausrüstung zahlreicher Chungusenbanden, die alle dem Kommando japa- nifcher Offiziere, die bislang in der Jnaktivität waren, unterstellt wurden.
Vermischtes.
— Berittene Infanterie-Leutnants. Im Verlaufe des letzten Kaisermanövers konnte man, wie der Reichsbote berichtet, des öfteren bemerken, daß der Kaiser dem ersten besten Leutnant einen Befehl erteilte, den dieser irgendwohin zu überbringen hatte. Da galt es denn für den Offizier, schleunigst das Pferd eines Kavalleristen, die sich im Gefolge des Monarchen immer befinden, oder sonstwie ein Pferd zu besteigen. Auf die Ausbildung der jüngeren Infanterie-Offiziere im Reiten wird in letzterer Zeit befonderes Gewicht gelegt.
Das «m Kapitlll-StkM-Keskh.
Da in jüngster Zeit landauf, landab von den Steuerbehörden bedeutende Strafen wegen Hinterziehung der Kapitalsteuer verhängt werden mußten, so dürfte es nicht unangebracht sein, wenn wir die Leser unseres Blattes mit dem Kapitalsteuergesetz bekannt machen. (Hiebei beschränken wir uns in der Hauptsache darauf, in entsprechender Vergleichung, die Acnderungen, welche gegenüber dem seitherigen Recht (Gesetz vom 19. September 1852) in materieller und formeller Beziehung eingetreten sind, den Lesern unseres Blattes vor Augen zu führen.
Bekanntlich bildet das neue Kapitalsteuergesetz vom 8. Aug. 1903 einen Teil der großen, demnächst in Kraft tretenden württembergischen Steuerreform, die uns ein einheitliches Steuersystem bringt, das fähig ist, sich an die allgemeinen geschäftlichen und an die speziellen Verhältnisse der einzelnen Steuerpflichtigen anzupassen, und das uns weiterhin die gerechte Verteilung der Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bringt. — Die Kopitalsteuer trägt den Charakter einer Ertragssteuer. Dieselbe kennt aber; — im Gegensatz zu der allgemeinen Einkommensteuer, — weder das sogenannte Existenzminimum — die Steuerfreiheitsgrenze, — noch den Schuldenabzug. In der Hauptsache und namentlich in materieller Beziehung lehnt sich das neue Kapttal- steuergesetz ganz an das seither bestandene Recht an. Die getroffenen Aenderungen wurden durch das neue Einkommensteuergesetz notwendig und es
schließen sich dieselben eng an das genannte Gesetz an, so daß neben der Herbeiführung einer sachgemäßen Regelung der Materie, auch die unzweifelhafte Uebereinstimmung des Landesrechts mit den Vorschriften des Reichsgesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung hergestellt ist. Die objektive Steuerpflicht umfaßt nach Artikel 1 des Gesetzes zunächst den Zinsenertrag sämtlicher Arten von Leihkapitalien, insbesondere auch die in unverzinslichen Zielerforderungen und in Lotterieanlehenslosen begriffenen Zinsen, sowie Renten jeder Art, sofern diese nicht der Gefällsteuer unterliegen, oder aus Grund- und Gebäudebesitz, oder aus dem Betrieb eines Gewerbes herrühren, oder Teile eines Dienst- oder Arbeitsvertrags darstellen. Während nun seither nur die Dividenden, Zinsen, oder sonstige Gewinnanteile von Aktiengesellschaften der Kapitalsteuer unterworfen waren, sind nach dem neuen Kapitalsteuergesetz auch derartige Bezüge, welche aus Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Berggewerkschasten, oder aus einer Beteiligung als stiller Gesellschafter einer Firma fließen, künftig der Kopitalsteuer unterworfen. Diese Erweiterung der Steuerpflicht ist begründet mit dem Hinweis auf die durch das Reichsgesetz vom 20. April 1892 geschaffene Einrichtung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, welche in den für die Besteuerung in Betracht kommenden Punkten mit derjenigen der Aktiengesellschaften übereinstimmend ist, und fernerhin durch die Aehnltchkeit der Bergwerks- kuxen mit den Aktien. Bet den Erträgnissen aus einer Vermögenseinlage als stiller Teilhaber ergiebt sich die Steuerpfltcht durch die im Handelsgesetzbuch (Art. 250, 252 und 258) festgestellte rechtliche Stellung des stillen Gesellschafters, der in der Hauptsache als Gläubiger und nicht als Teilhaber einer Firma behandelt und auch vom volkswirtschaftlichen und vom praktischen Standpunkte aus als Kapitalist angesehen wird. Aehnliche Bestimmungen existieren übrigens auch in den diesbezüglichen Gesetzen unseres Nachbarlandes Baden und in Preußen. Zinsen oder Renten, welche jedoch als Teil eines Diensteinkommens bezogen oder in Beziehung auf frühere Dienstleistung Arbeit oder Berufstätigkeit gereicht werden, unterliegen nicht der Kapital- sondern nur der Einkommensteuer. Die subjektive Steuerpfltcht regele die Artikel 2 bis 5 des Gesetzes. Hier ist die Besteuerung der württembergischen Staatsbürger und der An g eh ö rt g en der übrigen deutschen Bundesstaaten, in Anlehrung an das Einkommensteuergesetz, auf Grund der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsgesetzes vom 13. Mai 1870 ausgeführl. Für diejenigen Fälle, in welchen trotz der Anwendung des Doppcl- besteuerungsgesetzes eine Doppelbesteuerung möglich wäre, sind die Steuerbehörden zum Abschluß von Vereinbarungen mit den in Betracht kommenden Bundesstaaten ermächtigt worden. Die seitherige Bestimmung, wonach im Auslande wohnhafte Württemberger mit dem ihnen in Württemberg erwachsenden Einkommen kapitalsteuerpflichtig waren, fällt künftig ganz weg. Reichsausländer sind dann steuerpflichtig, wenn sie sich in Württemberg länger als ein Jahr ununterbrochen aufhalten. Als Unterbrechung des Aufenthalts wird eine zeitweilige Abwesenheit nicht angesehen, wenn aus den Umständen, unter welchen sie erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt beizubehalten. Ferner unterliegen Reichs-
Stephan war den Tag über still gewesen; jetzt schien er besonder« erregt; die Luft war schwül und es lag auch etwas Schwüles zwischen den beiden Menschen; sie gingen weiter und weiter ohne zu reden.
„Ich möchte umkehren," sagte Dorothee, stehen bleibend. Ihr Begleiter fuhr wie aus tiefen Gedanken auf.
„Warum?"
„Wir sind schon sehr weit gegangen," entgegnete sie, verwirrt durch seinen seltsamen Blick ihre Augen senkend. „Auch fürchte ich ein Unwetter."
„Ein Unwetter?" Jetzt sah er sich um. Da strich ein heftiger Windstoß über dos Meer; die Wellen brausten, mit dichtem, weißen Gischt gekrönt, hoch auf. Die Beleuchtung veränderte sich, und der feine Dünensand wirbelte in kleinen Wölkchen empor. Sie waren allein in diesem beginnenden Aufruhr der Natur. Ein Schauder ging durch Dorothees Körper; sie zog den leichten Umhang enger um die Schultern zusammen.
„Geben Sie mir Ihren Arm, Frau Dorothee," sagte WaSmer, und er zog ihren Arm fest an sich und legte seine link- Haud auf die ihre, die auf seinem Arm ruhte. Eie wandten sich heimwärts; der Wind war ihnen entgegen, er wurde zum Sturm, und sie mußten um jeden Schritt vorwärts kämpfen. Der Himmel war blaugrau, das Meer brandet« ans Ufer, und der schrille, pfeifende Schrei der Möven, die sich in Scharen zwischen dem düsteren Gewölk und dem schäumenden brausenden Meer tummelten, erfüllte Dorothees Seele mit geheimem Schauer.
„Stützen Sie sich fest auf mich," sagte WaSmer, aber der Sturm ver
schlang seine Worte; er mußte sich ganz dicht zu ihr hinabbmzen, und dabei berührten seine heißen Lippen ihr Ohr. Da fühlte er, wie sie jäh zusammenzuckend den Kopf leicht zur Seite wandte, und plötzlich überkam ihn ein Groll, eine Bitterkeit, ein Schmerz, wie er ihn nie zuvor im Leben empfunden hatte. Aber der Schmerz war die stärkste Empfindung; er ahnte es, daß das Schicksal abermals gegen ihn und seines Herzens Wünsche entschieden hatte und er fühlte sich machtlos diesem Schicksal gegenüber. Und wilder Aufruhr ergriff auch sein Inneres.
Der Sturm zerrte an Dorothees Kleidern, er riß ihr den Hut vom Kopf und wühlte in dem weichen schwarzen Haar, geisterhaft bleich erschien WaSmer das feine Gesichtchen in der halben, düsteren Beleuchtung. Und ihn faßte ein heißes, leidenschaftliches, zärtliches Verlangen, die zarte Gestalt in seine Arme zu nehmen, sie an seiner Brust vor den tobenden Elementen zu schützen und das blaffe, stille Gesicht zu küssen. Aber als sein Blick den ihren suchte, da meinte er in den dunklen, wundersamen Augen nur eine stumme Angst, einen beinahe abweisenden Ernst zu lesen, daß er ihren Arm plötzlich freigab und zurücktrat.
„Binden Sie Ihr Taschentuch um den Kopf, gnädige Frau," sagte er kurz, „ich werde Ihren Hut tragen."
Sie gehorchte ihm schweigend, verschüchtert wie ein Kind.
„Vielleicht gehen Sie besser allein, wenn Sie mir folgen, und ich den ersten Anprall deS Sturmes auffange," fuhr er fort, und, ohne ihre Antwort abzuwarten schritt er frisch voran.
(Fortsetzung folgt.)