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Frankfurt a. M., 11. Nov. Morgen Vormittag 7 Uhr werden im Gefängnishof zu Preungesheim die beiden Raubmörder Groß und und Stafforst, die im Februar den Klavier­händler Lichtenstein auf scheußliche Art ermordeten, durch den Scharfrichter Engelhardt aus Magdeburg hingertchtet. Groß ist vollständig gebrochen, Stafforst dagegen gefaßt, er hat in den letzten Wochen viel gelesen.

Berlin, 11. Nov. Die Nordd. Mg. Ztg. schreibt: Auf das Glückwunschtelegramm des Kaisers antwortete Roosevelt mit einem Telegramm, welches in der Uebersctzung lautet: Sr. K. M. Wilhelm, dem deutschen Kaiser, Berlin Schloß. Ich danke Ihnen herzlich. Ich weiß in vollem Maße Ihr so freundliches und wohlwollendes persönliches Telegramm zu schätzen. Theodor Roosevelt."

Berlin, 11. Nov. Gestern Vormittag fand hier im Beisein des Grafen Posadowsky eine Kon­ferenz in der Angelegenheit des deutschen Handels­vertrages statt, in der die Veterinär-Bestimmungen des Vertrages zur Erörterung gelangten.

Berlin, 11, Nov. Gouverneur Leutwein meldet: Ein Telegramm aus Rehoboth besagt, daß nach der Erzählung eines aus dem Witboilager zurückgekehrten Bastards der Aufstand auf Anreizung eines angeblich eingeborenen Propheten aus der Kapkolonie entstanden sei. Die Witbois glauben an seine höhere Sendung.

Berlin, 11. Nov. General v. Trotha meldet aus Windhuk v. 10. d. M.: Oberleutnant Böttlin hatte mit seiner Patrouille am 4. und 6. Nov. bei Girichas (nördlich von Gibeon) siegreiche Gefechte mit Hottentottenbanden von zusammen 80 Gewehren, die sich sodann in anscheinend ver­schanzte Stellungen zurückzogen. Die Streifkolonne des Oberleutnants Greifs der 2. Kompagnie mit 2 Maschinengewehren, der sich die Patrouille des Oberleutnants v. Bentivegnt angeschlossen hatte, hatte am 6. Nov. ein siegreiches Gefecht mit großen Hererobanden, 20 km nördlich von Otjosondu (am oberen Omuramba). Der Feind wurde verfolgt. Er verlor 12 Tote.

Berlin, 11. Nov. In einem Hotel der Dorotheenstraße hat gestern ein junger Mann, der sich Kaufmann Franz Schmidt aus Frankfurt am Main nannte, Selbstmord verübt. Es ist jedoch zweifelhaft, ob er seinen richtigen Namen ins Fremdenbuch eingetragen hat. Der Verstorbene hatte erzählt, daß er nach Berlin gekommen sei, um eine Stellung zu suchen. In seinem Portemonnaie fand man nur noch 22 Pfg.

Halle a. d. S., 11. Nov. Infolge der vorgestrigen gewaltigen Gewitterregen führen die Harzflüsse Hochwasser. Zahlreiche Brücken wurden weggerissen, Promenaden und Chausseen vielfach zerstört.

Hamburg, 11. Nov. Wie die hiesige Reederei Heyne und Hessenmüller uftttellt, ist ihr DampferEdith Heyne" am 3. November aus der Höhe von Rock Ceß an der liberianischen Küste Westafrikas total verloren gegangen. Es konnte nichts geborgen werden und die Post wurde geraubt, doch ist die gesamte Mannschaft gerettet. Der Dampfer war für die Wörmannlinie" mit Eisenbahnschienen, Lokomotiven und Brücken­pfeilern von Hamburg nach Swakopmund unterwegs.

Breslau, 11. Nov. Neue Reservisten-Aus- schreitungen ereigneten sich in Bogislaw. Zu den auf den Straßen plan- und ziellos umherirrenden hungernden Mannschaften gesellten sich Bauern und Arbeiter. Alle zusammen überfielen zunächst die Branntweinläden, aus denen sie sich Schnapsvor­räte Mitnahmen, dann begann eine Plünderung aller Geschäftsläden, wobei ein Polizeibeamter ge­tötet wurde. Das zur Aufrechterholtung der Ruhe aufgebotene Militär erschoß der Kattowttzer Zeitung zufolge 4 Exzedenten.

Breslau, 11. Nov. Von der russischen Grenze wird gemeldet: Obwohl vor Kurzem eifrig mobilisiert wurde, ist doch ein großer Teil der Mannschaften noch nicht nach dem Kriegsschauplatz' befördert worden. Der Leute bemächtigt sich von l Tag zu Tag eine immer mehr wachsende Panik und immer lauter und drohender klingen die Vor­würfe gegen die Militärbehörde. Bei Radomsk kampieren über 30000 Mann in Schmutz und Nässe auf freiem Felde ohne Schutz und Nahrungsmittel. Selbst zum Biwakfeuer fehlt das nötige Brennholz.

Innsbruck, 11. Noo. Die hiesigen Nach­richten veröffentlichen einen Aufruf, worin zum wirtschaftlichen Boykott der italienischen Kaufleute aufgefordert wird. Die Stadtvertrctung entließ alle italienischen Arbeiter, etwa 700 Maurer, Stein­metzen, Pflästerer. Bisher sind 16 Deutsche wegen Demolierung italienischen Eigentums verhaftet.

Bozen, 11. Nov. Gestern fand hier eine anti-italienische Demonstration statt. Etwa 800 Personen wollten das italienische Klub­lokal stürmen, aber die Polizei trieb die Demon­stranten auseinander.

Paris, 11. Nov. Aus Klubkceisen wird gemeldet, daß eine Gruppe Sportslkute eine Heraus­forderung an eine beliebige internationale aus fünf nicht professionellen Schwimmern bestehende Gruppe gerichtet hat, den Kanal zu durch­schwimmen. Dieser Versuch soll im Juli des nächsten Jahres ausgefochten werden. Es wird ein Preis gestiftet, welcher derjenigen Gruppe zufallen soll, dessen Mitglied als erster die Küste erreicht hat.

London, 11. Nov. Aus Washington traf die Nachricht ein, daß Staatssekretär Hay an sämtliche Großmächte eine Cirkularnote gerichtet hat, worin dieser im Namen der Union-Regierung zu einer neuen HaagerKonferenz einladet.

Petersburg, 11. Nov. Das Blatt Russj" meldet, Admiral Roschdjeswensky habe die Mitteilung erhalten, daß er abermals von japa­nischen Schiffen auf der Fahrt nach Ostasien an­gegriffen werden würde und zwar voraussichtlich in den egyptifchen Gewässern.

St. Louis. Die jetzt zum Abschluß ge­langte Arbeit des internationalen Preisgerichts auf der Weltausstellung zeitigte für Deutschland glänzende Ergebnisse. In der Kunstausstellung wurden an deutsche Aussteller vier große Preise, 26 goldene, 48 silberne und 49 broncene Medaillen, in den übrigen Abteilungen an 1700 Aussteller 1588 Preise verliehen, nämlich 424 große Preise, 616 goldene, 370 silberne und 178 broncene Medaillen. Es wurden also von den deutschen Ausstellern über 92 "/» prämiert, die den zahlreichen Mitarbeitern verliehenen Preise nicht eingerechnet. Im Vergleich zu andern Ländern ist dieses Ergebnis ungewöhnlich günstig. Wie in der amerikanischen öffentlichen Meinung, so haben auch bei der Prcisoerteilung die kunstgewerbliche und die Unterlichtsausstellung die größte Anerkennung gefunden.

Das Kriegsamt in Washington erließ Einladungen zur Enthüllung des Denkmals Fried­rich s des Großen. Präsident Roosevelt wird als-HäUptredner auftreten. Die Diplomaten werden a<-voller Uniform der Feier beiwohnen. Der Bot­schafter Freiherr Speck von Sternburg gibt am 19. d. M. ein Festmahl.

Mm jqimisch-niMm Krieg.

Petersburg, 11. Nov. DerRuff. Tel.- Agtr." wird aus Charbin vom heutigen Tage ge­meldet: Es verlautet, die Japaner schützten ihren Rücken durch Milizen der Tschungusen. Die chine­sische Bevölkerung von Liaoyang und Umgebung erleidet hiedurch viele Verluste; infolgedessen herrscht große Unzufriedenheit unter den Chinesen dieses Gebietes. Es verlautet, die Erkrankung Kurokts, sowie die große Zahl von Verwundeten und Kranken störe die Offensive der Japaner.

Petersburgs 1-1. Nov. Wie verlautet, ist eins der beiden englischen Schiffe, welche mit dem Transport von Granaten für Port Arthur be­auftragt waren, tatsächlich mit 83,000 Granaten nach Port Arthur gelangt, während das andere von den Japanern beschlagnahmt wurde. Der Eigentümer des elfteren Schiffes erhält eine Million Rubel als Belohnung.

Paris, 11. Nov. Echo de Paris meldet aus Mukden: Gerüchtweise verlautet, daß ein heftiges Gefecht 10 Meilen südlich von Mulden begonnen habe. Der linke russische Flügel sei engagiert.

London, 11. Nov. Aus Tschifu wird gemeldet: Die Japaner setzten den Angriff auf die > nördlichen Forts fort. Ein Fort an der Straße

und für immer verloren hatte, wie reich sie gewesen war an Liebe an Lebens­und Glückshoffnungen, und wie arm nurt' sie geworden.

Der Fiaker rollte über den Marktplatz, in dieVillenstraße" hinaus, vorbei an den zierlichen Häusern im Vtllenstil. Als sie bet einer dieser Villen vorüberfuhren, pochte ihr Herz laut auf. Sie beugte sich zum Fiaker hinaus. Die Fenster im Giebel und zwei in der Front waren erleuchtet, das spitze Dach und ein paar Ecktürmchen hoben sich scharf ab in der grauen Abend­beleuchtung das war das eineNachbarhaus," dort hatte er gewohnt, er. Dorothee schluchzte leise auf, und Wasmer legte den Arm um ihre Schulter. Das Herz tat ihm zum Zerspringen weh.

Der Fiaker hielt.

Aus dem Hausflur.mit derzeit geöffneten Tür fiel ein Heller Schein auf die feuchten Stufen der steinemen Treppe, ein Mädchen in weißer Schürze kam die Stufen herab und öffnete den Wagenschlag.

Fräulein Stoltenberg darf noch nicht hinausgehen," erklärte das Mäd­chen.Sie läßt die gnädige Frau und den Herrn Doktor bitten, hier herein.

Sie öffnete eine Tür zur linken Hand, und Dorothee trat in den alt­bekannten trauten Raum, das ehemalige Wohnzimmer, ein; vom Sopha her kam Tante Lotte ihr entgegen und breitete die Arme aus.

Dorchen, mein Dorchen." Die junge Frau lag an dem treuen Herzen, und über ihr gebeugtes Köpfchen hinweg trafen sich Wasmers Augen und die des alten Fräuleins mit einem schmerzlichen Ausdruck des gegenseitigen Ver­stehens und unendlichen Mitleids.

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Dorothee bewohnte dasselbe Stübchen, das sie als heranwachsendes Mädchen inne gehabt hatte. Tante Lotte hatte den Raum mit rührender Pietät gehütet und in seiner ursprünglichen Gestaltung erhalten, die mit buntem

Cretone bezogenen, zierlichen Möbel, das Bett mit den durch Schleifen gerafften Vorhängen, der Schrank -mit all den kleinen Sächelchen und Sachen aus der Kinderzeit, der Bücherschrank, ja<selbst die Vasen und Nippes auf dem Schreib­tisch am epheuumrankten Fensterplatz. Dorothee hatte sich gleich nach dem Abendessen zurückgezogen. Sie wollte allein, nur allein sein, und nun stand sie inmitten des kleinen, wohnlichen, durchwärmten Raumes, die Hände in einander geschlungen, den Kopf nach vorn geneigt.Heimgekehrt," sagte sie leise; sie hatte sich so danach gesehnt, besonders in der letzten Zeit, wo sie ihre Heimat in Wien verloren, wo sie das Empfinden nicht los wurde, nirgends mehr daheim zu sein. Nun war sie jaheimgekehrt," die Mauern des väterlichen Hauses umschlossen sie, aber sie stand inmitten der Zeugen einer lieben, sonnigen Vergangenheit fremd, beklommen, mit einem brennenden Weh in der Seele, mit dem gleichen traurigen Gefühl des Verlaffensetns. Die Heimat war wohl noch dieselbe, sie selbst war eine andere geworden und würde nie mehr die werden, die sie gewesen. Das hatte Dorothee nie deut­licher gespürt, als in diesem Augenblick, und das fügte ihrem Schmerz, an dem sie so schwer trug, einen neuen hinzu. Welch einsames, trostloses Leben lag vor ihr!

Dorothees pekuniäre Verhältnisse waren im Vergleich zu einst sehr be­schränkte. Ein Teil der prunkvollen Einrichtung war verkauft worden; nur das Tafelservice, das Silber, Wäsche nnd Einrichtung für zwei Zimmer hatte sie behalten. Der Erlös der übrigen Sachen hatte verhältnismäßig wenig ergeben.

Maxwell hatte in seinem hinterlassenen Schreiben Wasmer gebeten seine Schuld von 25000 Gulden zu begleichen und ihm dafür seine schöne Waffensammlung geschenkt, mit dem Wunsche, sie zu veräußern und damit den ihm erwachsenden Verlust zu decken. (Fortsetzung folgt.)