heilen erhalten; frei sei der Mann, frei die Frau. Die Frauen haben in den Kiiegsjahren, wo der Mann im Felde weilte, durch ihre Tätigkeit Anspruch auf Gleichberechtigung erlangt. Der freiheitliche Ge­danke müsse auch in den Gemeinden lebendig erhalten »erden, dies bilde mit eine Aufgabe des Ortsvor- stehers. Das neue Gemeindenotgesetz bringe ein­schneidende Aenderungen, es nicht bürokratisch an­zuwenden liege dem Ortsvorsteher ob. Die ungün­stige Finanzlage gebiete dem Ortsvorsteher, der Ge­meindevermögensverwaltung erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Gemeindebetriebe (Elektrizitäts- Werk, Waldwirtschaft u. a.) müssen vorteilhaft aus- genttzt, eine rentable Waldwirtschaft gepflegt werden. Die Besteuerung müsse eine gerechte sein, sie müsse nach den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit durch­geführt werden, was aber nicht davon abhalten dürfe, zur Volksbildung die notwendigen Mittel aufzubringen. Die Stadt, welche die besten Bildungsstätten hat, «ird auch die vorteilhaftesten Entwicklungsmöelich- keiten bieten. Der Grundsatz: Freie Bahn dem Tüchtigen soll unser Leitstern sein. Handel, Gewerbe und Industrie sind auf das tatkräftigste zu fördern, den Arbeitern ist hinreichende Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Eine sehr wichtige Aufgabe, die mit der Entwicklung einer Gemeinde eng verbunden ist, sei die Frage der Grundstücks- und Bodenpolitik. Auch hier sei eine merkliche Wohnungeknappheit. Eine planmäßige Wohnungsfürsorge auf gemeinnütziger enossenschaftlicher Grundlage halte er für notwendig, as sei man auch den heimkehrenden Kriegern schuldig. In Kochendorf sei unter seiner Leitung eine Siede- lungsgenossenschaft gegründet worden mit der Auf­gabe, möglichst billige und gesunde Wohnungen zu schaffen. Jeder Quadratmeter Boden, welchen eine Gemeinde erwerben kam?, müsse erworben werden, dann brauche man im Notfälle keine Riesenwerte bezahlen, und die Gemeindeangehörigen erwerben durch die Gemeinde billige Wohnungen, soweit dies bei den heutigen Preisen möglich sei. Der Mittel­stand habe durch den Krieg und seine Folgen furcht­bar gelitten. Millionen ruinierter Existenzen, ver­kümmerter Invaliden und Krüppel habe dieser Krieg geschaffen. Hier müsse der Ortsvorsteher raten, taten und helfen und aus den sozialen Versicherungen herauszuholen suchen, was nur irgendwie erreichbar sei. Für die Arbeiter seien auskömmliche Entloh­nung und menschenwürdige Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Die Frage der Volksernährung sei un­geheuer wichtig; ihr müsse besondere Bedeutung bei­gemessen werden. Viel sei darin vom Staate und Gemeinden Unterlasten worden. Redner bemerkt, daß er auf diesem Gebiet reiche Erfahrungen besitze, gibt aber zu, daß er nicht mehr verteilen könne, als »as er zugewiesen bekomme. Planmäßige Organi­sation in der Durchführung der Verteilung, keine Geheimdiplomatie.

Durch unsere Zeit gehe ein echt demokratischer Zug, dieser müsse auch auf dem Rathaus zur Gel­tung kommen. Als Vater der Stadt müsse der Ortsvorsteher jederzeit die Wünsche und Anliegen der Einwohner entgegennehmen und prüfen; es war ihm in den letzten Jahren nicht eine Last sondern eine Befriedigung durch persönliche Fühlungnahme die Wünsche und Sorgen aller Stände kennen zu lernen und Abhilfe zu schaffen. Besondere Pflicht des Orts­vorstehers sei, für die Witwen und Waisen und na­mentlich für die Kriegsbeschädigten zu sorgen; diese haben sich den unauslöschlichen Dank des Vater­landes verdient, das dürfe auch in den Gemeinden nicht vergessen werden. Die Arbeitslosenfürsorge müsse gerecht durchgesührt, für ausreichende Not­standsarbeiten gesorgt werden. Bei dem Neuaufbau der zerrütteten Existenzen habe der Ortsvorsteher mit Rat und Lat helfend einzugreisen. Die Ver- kehrsverhältniffe, welche durch die Kriegsfolgen un­günstig beeinflußt sind, sollen in möglichster Bälde verbessert und soweit die Lage es gestattet, nach Friedensschluß bessere Kurse durchgeführt werden, die große Zahl der in Pforzheim Arbeitenden habe Anspruch darauf. Hier an maßgebender Stelle entsprechende Schritte einzuleiten, wiederholt vor­stellig zu werden, denn auf einen Hieb falle kein Baum, halte er für eine berechtigte Forderung aller interessierten Kreise. Sein Schaffen und Wirken, wenn ihn das Vertrauen der Bürger zum Ortsvor- steher berufen sollte, würde aufgebaut sein auf dem Grundsatz ausgleichender Gerechtigkeit für alle Ein­wohner ohne Unterschied der verschiedenen Berufe, Parteien und Konfessionen. In dieser bitterernsten Zeit müssen wir alle unsere äußerste Kraft einsetzen und sie dem Vaterland und der Gemeinde zur Ver­fügung stellen. Er würde dies für seine Person in freudiger Arbeit für die Stadt Neuenbürg und seine Einwohner tun. Dieses ernste und aufrichtige Ver­sprechen werde ihm stets Richtschnur bei seinem Handel« sein. Redner schloß seine Ausführungen mit dem Wunsche, es möge der Stadt Neuenbürg

und seinen Bewohner» eine glückliche Zukunft be- schieden sein.

Die Versammlung spendete jedem einzelnen Bewerber nach seinen Ausführungen Beifall. Ge­meinderat Gollmer sprach den Bewerbern für ihre ausführlichen Darlegungen und ihre Mühe Dank aus. Er gab dem Wunsche Ausdruck, daß die Wahl auf den Mann fallen möge, 'der von edlem Charakter und durch zielbewußtes Handeln in fort­schrittlichem Geiste das weitere Blühen und Gedeihen unserer Stadt gewährleisten würde. Daran schloß sich noch die Mitteilung, daß an der Wahl alle 25 Jahre alten männlichen Bürger teilzunehmen berechtigt seien. Da keine weitere Wortmeldung erfolgte, schloß er mit Worten des Dankes an die Versammlung für die Teilnahme und Aufmerk­samkeit die Versammlung.

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Wir stellen mit Befriedigung den würdigen Verlauf der Versammlung fest, möge dieser würdige Verlauf vorbildlich für den Wahlkampf sein! Daß dieser rein sachlich, frei von jeder persönlichen An- rempelung und Gehäßigkeit mit blanken Waffen geführt werde, ist im Interesse des Ansehens und des guten Rufes unserer Stadt und ihrer Bewohner nach außen zu wünschen. Wir sind alle aufeinander angewiesen. Friede ernährt, Unfriede verzehrt! Die Persönlichkeit der Bewerber und ihre Dar­legungen machten ohne Unterschied den besten Ein­druck. Ob das, was sie ausführten, ob sich die Pläne angesichts der bestehenden Schwierigkeiten überall in die Praxis Umsetzer, lassen, bleibt abzu­warten ; an dem guten Willen ist nicht zu zweifeln. Aber Theorie und Praxis sind zwei sehr verschie­dene Dinge; gegen die Macht der Verhältnisse kämpft oft die unbeugsamste durch eiserne Energie und zähe Ausdauer verstärkte Kraft vergeblich au. Und an wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist leider kein Mangel. .

Die Bewerber haben gesprochen, die Bürgerschaft hat sie gehört, nun hat sie kommenden Sonntag das Wort. Zwei Feuerseelen im Alter von 26 und 27 Jahren und ein gereister im Amt und in lang­jähriger Praxis erfahrener auf den Kriegsschauplätzen ernstgewordener pflichtgetreuer und gewissenhafter Mann stehen einander gegenüber. Alle haben je nach Alter mehr oder weniger praktische Erfahrungen gesammelt. Möge die Entscheidung eine solche sein, daß sie Neuenbürg und seinen Bewohnern zum Nutzen gereicht und der neue Mann Neuenbürg einer glücklichen Zukunft entgegenführt! *

Volkshilfe für Kriegsgefangene.

Die meisten unserer Kämpfer sind heimgekehrt. Tausende schmückten aber noch in der Gefangenschaft. Von Württemberg sind es allein 24000 Krieger, die noch fern von der Heimat in Sehnsucht der Befreiung harren. Ihr Hilferuf dringt zu uns; sie müssen es ja als schreiendes Unrecht empfinden, noch zurückgehalten zu werden. Im ganzen deutschen Reich ist diese Frage brennend geworden und überall in Stadt und Land setzen Versammlungen ein zwecks Mithilfe am Werk für unsere Brüder zum Protest gegen ihre Zurückhaltung. Der Volksbund zum Schutz der deutschen Kriegs- und Zivilgesangenen hat erst kürzlich einen Hilferuf an alle Völker der Erde mit Funkspruch geschickt. Als württemb. Landesgruppe des Volksbundes hat sich nun eine Volkshilfe für württ. Gefangene gebildet. Auch im hiesigen Bezirk soll eine ernste Tätig­keit in der so wichtigen Sache einsetzen. Es gilt durch Opfer- und Sammeltätigkeit das Los der Armen, die von rachsüchtigen Feinden unbeschreib­liche kHpeUiche und seelische Qualen zu erleiden haben, zu mildern, ihnen bei ihrer Heimkunft, so weit-'es möglich ist, den Weg zu ebnen. Gewiß werden alle, auch Nichtbeteiligte, dieser wichtigen Angelegenheit Ohr und Herz leihen. Am Sonntag, 23. Februar, abends 8 Uhr, wird im Gemeinde­haus eine Proteswersammlung, an welcher 3 Redner, die in Gefangenschaft waren, ihre Erlebnisse berichten, stattfinden. Es steht zu hoffen, daß auch in allen anderen Orten des Bezirks an dieser dringenden Aufgabe gearbeitet wird, damit von Deutschland wenigstens diese Schmach, die Zurückhaltung unserer Gefangenen, genommen wird. Die Sammlung von Gaben für die Kriegsgefangenen soll im ganzen Land vom 15. Februar bis 5. März veranstaltet werden. Große Mittel sind nötig, darum helft alle mit! Der Bezirksverein des Roten Kreuzes ist i gerne bereit. Gaben entgegenzunehmen.

Württemberg.

Stuttgart, 17. Febr. An Stelle des verstorbenen Branddirektors Jakoby hat der Gemeinderat den städt. Brandmeister Müller zum Branddirektor ernannt.

Feuerbach, 14. F?br. Gestein Nacht kam in einer Wirtschaft durch unvorsichtiges Hantieren mit einem Re­volver ein junges Mädchen ums Leben. Es sah in der Wirtschaft die Waffe liegen, die es an sich nahm in der Ab­

sicht sich zu töten. Ein in der Wirtschaft anwesender H«. genieur, der vier Jahre im Felde stand, sprang hinzu u»v wollte dem Mädchen den Revolver entreißen. In dem Handgemenge ging die Waffe los und der verhängnisvolle Schuß tötete das Mädchen aus der Stelle. Die vorläufige Untersuchung hat ergeben, daß das Verschulden eines Dritte» nicht in Betracht kommt.

Gerlingen, 15. Febr. Am vergangenen Die»St»a kam die Gemeindejagd in zwei Teilen neu zgr Verpacht»«» Für die gesamte Gemeindejagd wurden früher l»00Mk. uv» in den letzten Jahren V0m Kgl. Hofjagdamt 3500 Mk. be­zahlt, während jetzt für die eine Hälfte (Feldjagd) von einem Feuerbacher Fabrikanten 4300 Mk. und für die andere Hälfte von einem Stuttgarter Wirt 4350 Mk., also z«. sammen 8650 Mk. im Jahre zu entrichten sind. Wenn man die Erlöse der in den letzten Tagen zur Versteigerung gekommenen Gemeindejagden erblickt, kann man sich ein Bild machen, welch riesige Beträge der württ. Staat durch Verpachtung der Staatsjagden und insbesondere der u»»e. heueren Hochnnldreviere im Schwarzwald und im Schön- buch einnehmeu würde. Kann wohl der Staat unter Be- rücksichtlgung seiner heutigen finanziellen Lage auf diese Einnahmen noch länger Verzicht leisten?

Rottweil, t7. Febr. Der bisherige Soldatenrat der Garnison Rottweil hat sich aufgelöst. Die Geschäfte der hiesigen Sicherheitskompagnie hat der Delegierte der Sicher­heitskompagnie Ebingen übernommen.

Ulm, 16. Febr. Der Sergeant Roth vom hiesigen Nebentrain-Depot verkaufte an de» ledigen Pferdehändler Jakob Seckinger Heeresgul im Wert von 645 Mk., wofür Seckinger 300 Mk. zu zahlen versprach. Als dieser die Sachen Lederzeug und Wollsachen nachts in seine Wohnung verbringen wollte, wurde er von einem Sch«tz- mann angehalten. Roth gab, um seinem Spießgeselle» zu Hilfe zu kommen, auf den Schutzmann einen Schuß ab, der aber wirkungslos blieb. Die Strafkammer verurteilte Seckinger wegen Diebstahls im Rückfall zu I Jahr 5 M»u. Gefängnis. Roth wird durch das Militärgericht abgeurteilt.

Waidsee, l7. Febr. Einem Fabrikanten im Bezirk wurden wegen Vernichtung einer öffentlichen Urkunde (er hatte nämlich den ihm nicht imponierenden Steuerzettel in dem Abort verschwinden lassen) zwei Tage Arrest zudiktiert. Einer alten Sitte gemäß, konnte letzthin auch in H»ch- dors die Alissteuereinrichtung einer Braut während ihres Hochzeitstages von den Neugierigen besichtigt werde». Anderen Tages aber sollen u. a. nicht weniger als 36 Stück Handtücher gefehlt haben.

Eine Wlirttemdergische Freiwilligen - Abtetl««g für den Grenzschutz Oft

wird General Haas Anfang März in Münsingen bilden. Näheres darüber in dem Aufruf, der i« Anzeigenteil dieser Nummer abgedruckt ist.

r stM Kachrletzren rz, Telegramm«

Karlsruhe, 17. Febr. Der Landesausschuß der Soldatenräte Badens hat an das Generalkvm- mando des 14. Armeekorps ein befristetes Ersuchen gerichtet, das im wesentlichen folgende Punkte ent­hält: Volles Kontrollrecht des Landesausschusses auch in Offiziersangelegenheiten, Besetzung jeder Abteilung des Generalkommandos durch Leute des Landesausschusses und Mitunterzeichnung aller Ver­fügungen. Ohne Genehmigung des Landesaus­schusses dürfen keinerlei Maßnahmen getroffen wer­den. Ferner wird die Verringerung des Offiziers - bestandes gefordert. Das Generalkommando lehnte das Ersuchen ab und beschloß einstimmig, falls der Landesausschuß sein Vorhaben durchzuführsn ver­suche, jeden gewaltsamen Eingriff mit allen zur Ver­fügung stehenden Mitteln zurückzuweisen.

Trier, 17. Febr. Nach Rückkehr des Mar­schalls Foch wird, verschiedenen Morgenblättern zu­folge, unter seinem Vorsitz eine Kommission von 8 Mitgliedern den endgültigen Waffenstillstands­vertrag mit Deutschland ausarbeiten. Der Vertrag werde, so wird berichtet, bis Ende der Woche fertiggestellt sein. Die neuen Bedingungen würden den Bestand des deutschen Heeres und den Umfang der zulässigen Rüstung an Waffen und Munition sestlegen. Ferner werde den deutschen Armeekorps die Lage ihrer Garnisonen genau vorgeschrieben werden.

Mülheim a. Rh., 17. Febr. Die Spartakisten haben im Laufs des heutigen Vormittags alle größeren und kleineren Betriebe stillgelegt. Auch die Zeitungen wurden am Erscheinen verhindert und das Personal aus den Druckereien entfernt. Von Essen, Düsseldorf und anderen Orten treffen zahlreiche bewaffnete Spartakisten ein, so daß Mül­heim als Zentrale der Bewegung anzusehen ist.

Weimar, 17. Febr. Graf Brockdorff-Rantzan hat sich zur Weiterführung seines Amtes bestimmen lasten.

Berlin, 18. Febr. Der Vertreter der Marine- Interessen bei der Waffenstillstandskommission, Kapitän zur See Vandelow, soll, verschiedenen Morgenblättern zufolge, auf Grund der Erwägung, daß in militärischer und wirtschaftlicher Beziehung die Beratungen des Reichsministers Erzbergcr ka­tastrophale Folgen gezeigt haben, seine Entlassung' angeboren haben.

Berlin, 17. Febr. Gegen den spartakistischen Generalstreik im rheinisch-westfäkischen Bergwerks­gebiet erließen die vier großen Bergarbeiterverbände einen Aufruf, in dem die Bergarbeiter entschieden aufgefordert werden, gegen das Vorgehen der Spar­takisten Stellung zu nehmen. Wie demVorwärts"