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seitwärts, die eine Hand auf die Lehne eines niedrigen Stuhles gestützt, fest die Augen auf die Eintretende gehestet.
„Guten Abend, Eidame."
Dorothee trat an die Schwägerin heran.
„Guten Abend, Kleine."
Die schöne Frau legte beide Hände auf die Schultern der vor ihr Stehenden und küßte sie flüchtig auf die Stirn. Sie hatte Wasmer noch gar nicht bemerkt; erst als sie noch ein paar Schritte weiter tat, gewahrte sie ihn, und sekundenlang stockte ihr Fuß, eS war ihr als ob sie aufhören müßte zu atmen, als ob ihr Herzschlag auSsetzte. Ihn hier zu finden hatte sie nicht erwartet. Wasmer war blaß geworden, und die Hand, mit der er sich stützte, bebte leise; aber er war der Mann, sich zu beherrschen, er schien ruhig, und bei Sidonie schob man alles auf die „Ueberraschung" den „Jugendfreund" so unerwartet wieder zu sehen. So gestaltete sich die Begrüßung in keiner Weise auffallend oder anders, als man es im gegebenen Falle erwarten konnte.
HeSkamp schüttelte Stephan warm die Hand und sprach die Bitte aus, auch sein Haus aufzusuchen, der Jugendfreund seiner Frau sei ihm natürlich stets willkommen.
Es war für Wasmer, wie die Dinge lagen, unmöglich, die Einladung abzulehnen. Man ging nun gleich zu Tisch, und Stephan bewunderte im stillen das erlesene Menu des kleinen Soupers, die wirklich kostbare Ausstattung des Eßzimmers. Der alte Professor mußte sehr, sehr reich gewesen sein. Bei der Unterhaltung fiel eS Stephan auf, daß sie sehr lustig und sehr lebhaft hauptsächlich von dem Heskampschen Ehepaar und Maxwell geführt wurde.
Während des Essens ruhten Sidonies Blicke oft verstohlen und flüchtig, doch mit einem prüfenden Ausdruck auf Stephan. Wie er verändert war; er sah gealtert aus, doch das kleidete ihn gut. Es zeigte sich schon ein ganz leiser silberner Schimmer in dem dunklen Haar an den Schläfen, die etwas eingesunken waren, die beiden Fallen an der Nasenwurzel hatten sich vertieft, und ein spitz zugeschnittener, dunkler Bart umrahmten Kinn und Wangen. Die Augen blickten ernst und zielbewußt.
Sidonie verglich Stephan mit ihrem Gatten, und ein fast geringschätziges Lächeln kräuselte ihre Lippen. ES war ihr, als ob ihr Herz sich schmerzhaft zusammenzöge, und als ob all die Pracht um sie her versänke und zusammenschrumpfte zu einem grauen Nichts, nicht wert deS Begehrens, nicht wert, darum ein Glück geopfert zu haben.-
„Sidonie — bitte."
Sie fuhr leicht zusammen, Stühle wurden gerückt, die Servietten auf den Tisch gelegt — man stand auf. Ihr Bruder reichte ihr den Arm, und sie gingen hinter Wasmer und Dorothee in den Salon zurück; sie hörte kaum, was Edmund zu ihr sagte, ihre Augen folgten der vornehmen Männergestalt in dem schwarzen, festgeschloffenen Ueberrock und der ein ganz klein wenig nach vorne geneigten Haltung. Sie wünschte fast leidenschaftlich, ein paar Worte mit ihm allein wechseln zu können; aber sie fürchtete sich fast, ihn anzureden, da er es so geschickt verstanden hatte, sie zu meiden. Er hatte also weder vergeben noch vergessen; das erste berührte sie peinlicher, als sie es für möglich gehalten hatte, das zweite erfüllte ihr Herz mit stolzer Befriedigung.
„Haben Sie den nächsten Sonntag frei?" fragte sie, im Salon an ihn herantretend, während die anderen Herren in das nebenan liegende Rauchzimmer gingen und Dorothee ihnen folgte. Er überlegte einen Moment; die Lüge war ihm stets so etwas Verhaßtes gewesen, und einmal würde er doch hingehen, eine Einladung annehmen müssen.
„Sie sind nicht frei?" Eine Wolke glitt über Sidonies weiße Stirn; er zögert« ihr zu lange mit der Antwort.
„Doch, gnädige Frau."
„Dann, bitte, essen sie mit uns, ganz im kleinen Kreis."
„Sonst nichts?"
Er sah sie halb erstaunt, halb fragend an, und sie erzitterte unter dem Blick dieser blauen, ernsten Auge«; eine leidenschaftliche Aufwallung überkam sie und riß sie hin.
„O ich weiß", stieß sie halblaut hervor, mit leisem Vibrieren in der Stimme „sie können nicht vergeben."
WaSmer trat einen Schritt zurück.
„Sie irren, gnädige Frau, das geschah längst; eS ist — überwunden. Sie haben nichts anderes getan, was hundert Mädchen in der gleichen Lage getan hätten. Ich habe Welt, Leben und Menschen immer mehr kennen gelernt, und da verlernt man eS, an Ideale zu glauben." >
„WaSmer."
„Eine tiefe Röte stieg Sidonie in die Wangen, und ein Blitz der Empörung zuckte aus ihren Augen; sie war doppelt schön in diesem kurzen Aufflammen der Leidenschaft.
„Sie urteilen ungerecht; wollen wir richten, so müssen wir zuerst den Verhältnissen Rechnung tragen, aus denen heraus eine Tat geschah."
„Verzeihung, Gnädigste, sie vergessen dabei eins: die Individualität deS Betreffenden."
Während er sprach, ruhten seine Blicke auf ihr. Sie war noch schöner geworden, dieser Wahrnehmung konnte er sich nicht verschließen; aber er wunderte sich, wie ruhig ihr gegenüber er jetzt blieb; das hätte er auch kaum für möglich gehalten.
(Fortsetzung folgt.)
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