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in Weilderstadt vorgenommen. Der frühen Morgensonne Strahl begrüßte Festteilnehmer ohne Zahl. Galt's ja dem Sohn — der in den Sternen die Schrift der Allmacht las, in hohen Himmelsfernen die Bahnsder Welten maß; die ewigen Gesetze des Sphärenlaufs erkannt, und mit dem Zahlennetze das weite All umspannt. — Die große Menge der Zuschauer lauschte in lautloser Stille wie einem Orakelspruch den Ausführungen der HH. Redner, deren „langer Rede kurzer Sinn* in dem Satz gipfelte: „Das an der Spitze der Zivilisation marschierende Frankreich — das Kaiserreich ist der — Friede. Der „gallische Hahn* verkündet den Völkern ein politisches Morgenrot u. s. w. Potz Bomben und Granaten! wenige Wochen nachher kommt die definitive Kriegserklärung von dem Friedenskaiser! Der Festakt hatte noch nicht seinen Abschluß gefunden, als wie ein Blitz aus heiterer Luft urplötzlich ein Gewitter über die Feststadt trieb, das mit wolkenbruchartigem Regen alles wie „blutte Mäuse" in die primitivsten Schutzgebiete und offene Türen Hineintrieb. Schadete wohl auf die Glühhitze der damaligen eingefleischten Franzosenfreunde so ein kalter Wasserstrahl nichts, so schadete er mehr den HH. Gastwirten. Denn Tags darauf machte der Stadtherold bekannt, daß bei den til. HH. Wirten Wurst- und Fleischwaren zu sehr herabgesetzten Preisen zu haben sei. Ganz anders war es vor wenig Tagen bei der in dem gleichen Gasthof zur „Post", wo der Schwerpunkt oben erwähnter Affaire lag, stattgehabten Hochzeitsfeier eines Sohnes des Gemeinderats und Kirchenpflegers I. Haug von Ostelsheim, an welchem Tage die Festfeier den Stempel einer kleinen Völkerwanderung trug, und die Herren zur „Post" unzweifelhaft brillante Geschäfte wachten.
Stuttgart, 16. Juli. (Einweihung der Bismarcksäule.) Ein Festkomwers in dem wohlgefüllten Festsaale der Liederhalle leitete gestern abend die Einweihungsfeier der Bismarcksäule in würdiger Weise ein. In dem mit Fahnen und Wappen der Korporationen der Stuttgarter Hochschulen geschmückten Saale ragte auf dem Podium die Donndorf'sche Büste des Altreichskanzlers hervor. Links und rechts vom Podium waren die Büsten des Kaisers und des Königs aufgestellt. Auf den Galerien hatten zahlreiche Damen Platz genommen. Die studentischen Korporationen mit ihren Chargierten waren in vollem Wichs erschienen. Am Ehrentisch hatten Platz genommen Ministerialrat Ilr. Bälz als Vertreter des Kultministeriums, Generalmajor v. Berger und zahlreiche Offiziere, Oberbürgermeister Gauß und die Lehrkörper der beiden Stuttgarter Hochschulen. Der musikalische Teil lag in den Händen der Prem'schen Kapelle; das Präsidium führte der I. Vorsitzende der Stuttgarter Studentenschaft, 8tnä. wLlld. Krug, der die Festversammlung begrüßte und einen donnernden Salamander auf ein schönes Gelingen des Festes kommandierte. Der akademische Liederkranz Schwaben brachte mit künst
lerischer Vollendung mehrere Gesangsvorträge zu Gehör. Die Festrede, die mit einem Salamander auf das deutsche Vaterland schloß und die in der Versammlung einen mächtigen Wiederhall fand, hielt Oberbaurat vr. inx. Ernst. 6anä. weä. vst. Keck brachte ein jubelnd aufgenommenes Hoch auf den König von Württemberg aus, von dem folgendes Telegramm eingelaufen war:
„Mit aufrichtigem Bedauern muß ich mir versagen, an der morgigen Feier teilzunehmen, möchte aber die heute versammelten Festgenossen meines warmen Anteils versichern und ihnen aufrichtige Anerkennung aussprechen für die Tatkraft, hervorgegangen aus wahrer vaterländischer Gesinnung, mit welcher sie das Werk vollendet haben, das Stuttgart für alle Zeit an Deutschlands größten Staatsmann erinnern soll. Wilhelm.«
8tuä. »red. Keller gedachte des Kaisers. Der gemeinsame Gesang „Deutschland, Deutschland über alles!" folgte dem donnernden Salamander, der auf den Kaiser erdröhnte. An den Kaiser und an den König wurden Huldigungstelegramme abgesandt. 8tuä. waed. Wolsf gedachte der akademischen Lehrer, in deren Namen der Prorektor der technischen Hochschule Prof. vr. v. Weyrauch mit einem Trinkspruch auf die akademische Jugend dankte. 8luä. arob. Freudigmonn widmete sein Glas der unerschütterlichen Freundschaft beider Hochschulen. Der Direktor der tierärztlichen Hochschule, vr. Suß- dorf brachte ein Hoch auf den Lehrkörper und die Studentenschaft der technischen Hochschule aus. Namens der Karlsruher technischen Hochschule brachte stnä. Herrmann der Stuttgarter Studentenschaft ein vivat vrssent tlorsat. Spontane, nimmer enden wollende Beifallskundgebungen rief die Rede des österreichischen Landtags- und Reichsratsabg. Rudolf Berger-Wien hervor. Mit einem donnernden Salamander auf die Frauen, ausgebracht von eauä. edew. Hoffmann, schloß der offizielle Teil der Feier um Mitternacht, während der nichtoffizielle Teil sich bis in die Morgenstunden hinausdehnte. Der eigentliche Einweihungsakt begann heute vormittag nach 11 Uhr auf dem Gähkopf, wo sich eine große Anzahl von Festteilnehmern cingefunden hatte. Von den Anwesenden seien erwähnt Staatsminister Frhr. v. Soden, der die Grüße des Königspaares überbrachte, Regierungsdirektor vr. v. Habermaas, Ministerialdirektor v. Kern, Ministerialdirektor v. Rapp, Ministerialrat vr. Bälz, Regierungsrat Jehle, der preußische Gesandte v. Plessen, der Gouverneur von Stuttgart, Generalleutnant v. Marchtaler, Generalmajor v. Berger, die Kommandeure der drei in Stuttgart garnisonierenden Regimenter, der Stadtdirektor von Stuttgart Nickel, welcher dem Hofwerkmeister Nagel im Auftrag des Königs das Verdienstkreuz und dem Bauführer Messer die Verdienstmedaille des Friedrichsordens überreichte, der Oberbürgermeister Gauß und zahlreiche Gemeinderäte, Geh. Kommerzienrat Kröner, der Senat, die
„Lang', lang' ist es her! rief er endlich, nachdem ihm all' das in Kopf und Herz zurückgekehrt. Er sprang auf und schaute in die Straße hinaus aus die durchziehenden Kolonnen der heimkehrenden Truppen.
Der Vetter hatte von all dem keine Ahnung, aber ihn schloß das enger an die beiden. Sie konnten nicht glücklich sein, so empfand er.
Der Vetter war in seiner Jugend ein Alltagsmensch gewesen, der als Offizier wenig Aussicht hatte, seine Pflicht erfüllte, aber kein Streben zeigte. Er hatte also wie mancher andere seiner Kameraden eine ihm gebotene Gelegenheit benutzt, in österreichische Dienste zu treten, hatte sich anfangs nach elenden Nestern, namentlich in Ungarn, versetzen lasten müssen, aber da er die Brücke hinter sich abgebrochen, sich in die Verhältnisse gefügt. Jetzt war er Halbinoalide, und die Tochter, das arme Kind, mochte sich wohl einer traurigen Zukunft bewußt sein.
Am Nachmittage suchte er sie wieder auf. Das Mädchen, das inzwischen wohl von dem Vater näheres über ihn und seine verwandschaftliche Beziehungen gehört, zeigte sich ihm schon zutraulicher. Was Priska während des Krieges über Preußen gelesen und gehört, erschien ihr jetzt unwahr, wenigstens so weit es diesen Onkel betraf, der sich beim ersten Schritt in ihre Wohnung von so gemütlicher Seite gezeigt.
Und von da lernte sie ihn näher kennen, als sie ihrer drei den Nachmittag auf der Sophieninsel so angenehme Stunden verlebten, während welcher der Oberstleutnant so unterhaltend war und sich namentlich mit ihr beschäftigte, sie zu einem Besuch einlud und ihr sein Familienleben schilderte.
Zwar war ihr seine Uniform unangenehm, denn einen preußischen und einen österreichischen Offizier so intim bei einandersitzen zu sehen, war den Gästen aus Prag, von denen einzelne den Vater kannten, doch ein auffallender Anblick. Indes die Stunden verrannen und der Abschied kam so schnell, denn der Oberst-
Professoren und Dozenten beider Hochschulen mit ihren Damen, die studentischen Korporationen mit ihren Chargierten in vollem Wichs u. s. w. u. s. w. Der Vorsitzende der Studentenschaft der Technischen Hochschule, stuä. mack. Krug, eröffnete den Festakt mit einer Begrüßungsansprache, in der er allen denen, die zu dem Gelingen des Werks beigetragen haben, dankte. Die Festrede hielt der Prorektor der Technischen Hochschule Prof. vr. v. Weyrauch, der in eindrucksvoller Weise mit kurzen, markigen Strichen die Gestalt und die geschichtliche Bedeutung Bismarcks zeichnete. Gemeinderat Heim^ der Bauleiter der Säule, übergab in kurzer Ansprache das Denkmal der Stuttgarter Studentenschaft, in deren Namen es stnä. mack. Krug übernahm, um es der Obhut der Stadt Stuttgart zu übergeben. Oberbürgermeister Gauß übernahm im Namen der bürgerlichen Kollegien und der Stadt Stuttgart das Wahrzeichen als ein Geschenk der akademischen Jugend Stuttgarts. Er wies darauf hin, daß insbesondere die Jugend das Recht habe, dem großen Kanzler ehrende Denkmale zu setzen. Mehr und mehr schwinden aus dem Gedächtnis und treten in den Hintergrund die Erinnerungen an das, was die Gestalt Bismarcks politisch umstritten habe, und mehr und mehr schwebe die Gestalt des Ehrenbürgers der Stadt Stuttgart uns vor als die des Gründers der deutschen Einheit, des deutschen Reiches. Mit dem gemeinsamen Gesang „Deutschland, Deutschland über alles!" begleitet von der Kapelle des Grenadier-Regiments „Königin Olga" Nr. 119, die auch zur Eiöffnung des Weiheaktes den Choral „Eine feste Burg ist unser Gott" gespielt hatte, schloß die Feier, welche einen bleibenden und tiefen Eindruck auf alle Teilnehmer gemacht hat. Leider sind auch als Folge der drückenden Hitze mehrere Unfälle zu verzeichnen, welche jedoch ohne ernstere Folgen verliefen und in denen sich die anwesende Stuttgarter SanitätSmannschaft als rasche Hilfe bewährte. Abends fand ein großer Fackelzug der Studentenschaft beider Hochschulen statt, der sich vom Herdweg aus zum Kaiser Wilhelm-Denkmal, von dort vorüber am Waisenhaus zum Bismarck- Denkmal bewegte, wo ein Kranz niedergelegt wurde. Der Fackclzug kehrte alsdann zum Gewerbehalleplatz zurück, wo unter Abstngung des Liedes „OanäkawuZ jAitnr" die Fackeln zusammengeworfen wurden. Gleichzeitig wurde auf der Bismarcksäule ein Höhenfeuer entzündet.
Stuttgart, 16. Juli. Gestern abend wurde ein Fuhrknecht im Hofe eines Hauses der Hackstraße von einem ausschlagenden Pferd ins Gesicht getroffen, so daß er einen Oberkieserbruch davontrug.
Reutlingen. Von der Handwerkskammer erhalten wir folgende Auszüge aus den Protokollen zweier Sitzungen (v. 11. u. 12. Juli.) — 1) Der Müllerverband für Württemberg und Hohen- zollern hat an den Landtag eine Bitte um „Einführung einer verschiedenen Tarifierung von Getreide und Mehl" (d. h. um Versetzung des Getreides in
leutnant sollte schon am Abend den Militärzug nehmen. Mit Beklemmung schritt sie an des Vater« Arm durch die Tausende preußischer Soldaten, die den Bahnhof umlagerten und ihre Beförderung erwarteten. Eine Stunde wohl währte cs hier, bis die telegraphische Meldung kam, daß für diesen ersten Zug das Gleis über Reichenberg vollends wieder hergestcllt und die Bahn befahrbar sei.
Dann läutete es zur Abfahrt. Der Oberstleutnant hatte ein Koupee mit einigen Kameraden, denen er bereits den Vetter vorgestellt. Er umarmte diesen und sprach mit ihm noch herzliche Worte, dann Priska, die er ebenso herzlich küßte. Als er im Koupee am Fenster saß. und der Zug sich in Bewegung setzte, traten ihm die Tränen in die Augen bei einem letzten Abschiedswink für die beiden. Er wußte sich selbst nicht zu sagen, warum er so gerührt war.
„Papa," sagte Priska, während sie sich an des Vaters Arm durch die Menge, der den zweiten Zug erwartenden Soldaten gedrängt und die Armen bedauert, deren Uniformen größtenteils von den Strapazen dieses kurzen, aber so blutigen Krieges zeugten, „ich hätte garnicht gedacht, daß die Preußen so herzige, liebe Leute sein könnten nach all dem Weh, das sie uns doch angetan, wie die Zeitungen täglich schrieben und — die Leute erzählten."
„Der Krieg, mein Kind, schlägt tiefe und schmerzhafte Wunden, aber sie werden heilen, und so Gott will, auch die meinige! Schmerz und Haß führen gern zur Uebertreibung. Du weißt, ich selbst bin ein geborener Preuße."
Priska preßte schweigend, um Verzeihung bittend, den Arm des Vaters. Auch der Major bedauerte diese schnelle Trennung, aber er bedurfte der Ruhe und da war's so am besten. Seine Kameraden, wenn sie ihn längere Zeit mit einem preußischen Offizier gesehen hätten, ohne seine Beziehungen zu diesem zu kennen, würden ihm dies auch übel angerechnet haben. (F. folgt.)