In der größten Frage der Gegenwart, in der Frage der Erreichung des Weltfriedens auf einer sicheren Grundlage, ist die Welt auch über die Weihnachtstage nicht vorwärts gekommen, denn es fehlt noch immer die Antwort der Vierverbandsmächte auf die Friedensnote Deutschlands und seiner Verbündeten. In dieser hochwichtigen Frage sind aber inzwischen ganz neue diplomatische Schritte von Seiten der neutralen Staaten geschehen. Der Präsident Wilson der Ver. Staaten von Nordamerika hat sich in einer Note an die kriegführenden Parteien gewandt und wünscht die Friedensbedingungen der kriegführenden Parteien zu erfahren. -- Der schweizerische Bundesrat hat in der Absicht, die Bestrebungen Wilsons inbezug auf die Einleitung von Friedensverhandlungen zu unterstützen, eine ähnliche Note an die kriegführenden Parteien gerichtet. Auch Schweden, Norwegen und Dänemark sollen die Absicht haben, ein gemeinsames diplomatisches Vorgehen in die Wege zu leiten. In den neutralen Staaten wird sogar schon die Anschauung vertreten, daß die Note des Präsidenten Wilson die Entscheidung in der Friedensfrage insofern bringen werde, weil man es nun nicht mehr für möglich halten könne, daß die Vierverbandsmächte und besonders England die deutsche Friedensnote glatt ablehnen können. Die geschickte Stimmungsmache der englischen Presse, die sich stellt, als ob mit der Wilsonsichen Note ein Druck auf Großbritannien ausgeübt werden solle, läßt darauf schließen, daß der englischen Regierung die Friedensnote Wilsons zum mindesten nicht unerwünscht kommt. — Solange die politische Lage in den Vierverbandsmächten immer noch von der Lüge und Heuchelei zu beeinflussen gesucht wird, daß Deutschland den Krieg angefangen habe, daß ferner sich' Deutschland und seine Bundesgenossen als besiegt erklären, alle eroberten Gebiete herausgeben und Kriegsentschädigungen zahlen solle, kann kein Frieden mit Deutschland geschlossen werden, denn solche ungeheuerlichen Zumutungen würde man sich in allen deutschen Volkskreisen energisch verbitten. — Bei den Verhandlungen am grünen Tisch sind Neutrale, die Sitz und Stimme verlangen, überflüssig. Wir haben den Krieg allein geführt, wir werden auch den Frieden allein zustande bringen. So oder so. Wir Deutsche müssen uns die leidige Sentimentalität abgewöhnen. Aus den Erfahrungen der Kriegszeit haben wir gelernt, das die meisten Neutralen gegen uns sind, aus welchen Gründen, mag hier unerörtert bleiben.'
Die Neubildung des österreichischen Ministeriums unter dem Grafen Clam-Martinitz hat auch den Rücktritt des Ministers des Auswärtigen Baron Burian und die Nebernahme dessen Postens durch den Grafen Czernin, der früher österreichischer Gesandter in Bukarest war, notwendig gemacht. Graf Czernin hat bei der Übernahme seines Amtes erklärt, daß er den Richtlinien der Politik seines Vorgängers unverändert festhalten werde, auch stimme er völlig mit der Tendenz der Friedensnote überein, welche Deutschland, Oesterreich-Ungarn,
Der Krieg als Friedensstifter.
Roman von S. Hillger.
31) (Nachdruck verboten.)
Bittners Worte waren ihr wie ein Weinrausch zu Kopf gestiegen. Die weiche Stimmuna, welche ihr Herz zum Gatten zog, hielt nicht vor. Sie war ihm schon wieder böse, sehr böse sogar.
In der Küche kam ihr der kleine Georg entgegen, in den erhobenen Händen hielt er seinen Teller.
„Bitte, Mama, mehr haben!"
Sie gab ihm noch eine kleine Portion. Mieze schüttelte auf Befragen ihr Blondköpfchen und ließ sich Mund und Hände waschen. Dann klopfte sie auf ihre Brust und spitzte das Mäulchen. So gut hatte es ihr geschmeckt.
Stürmisch vreßte Dora ihren Liebling an das pochende Herz und küßte die blonden Locken. „Ich bleibe bei euch," flüsterte sie wie im Protest gegen geheimste Wünsche und Befürchtungen.
Das Töchterchen lief ungeduldig davon, um mit der Puppe zu spielen.
Dora ging wieder zu Bittner hinein. Sie legte frische Bestecke auf. Ihr Gesicht glühte. „Langweilig, daß ich immerzu davonlaufe, nicht? Aber was hilft's, die Teller wandern nicht allein hinaus."
„Ich kann es kaum mit ansehen, daß Sie Dienstbotenarbeit tun. Sind Ihnen diese unästhetischen Verrichtungen nicht zuwider?"
„Ich habe mich daran gewöhnt, das Porzellan und Silber selber zu spülen und zu putzen. Manchmal kommt es mir schwer an, die Küche zu reinigen, doch nur der Unbequemlichkeit wegen. Ein gutes Buch würde mir natürlich mehr Zusagen."
Bulgarien und die Türkei an die feindlichen Mächte gerichtet hätten.
Die holländische Regierung hat im Einvernehmen mit dem Völkerrechte erklärt, daß sie keine bewaffneten Handelsschiffe in den holländischen Häfen dulden werden. In England ist inan darüber sehr aufgebracht.
Das englische Parlament ist durch eine Thronrede vom 22. Dezember auf den 7. Februar vertagt worden. In der Thronrede spricht der König ziemlich anmaßend die Zuversicht aus, daß Englands Ziele im Weltkriege ihre siegreiche Verwirklichung finden würden, und daß die energische Fortsetzung des Krieges das einzige Streben aller Engländer sein müsse, um die Sicherheit Europas auf feste Grundlagen zu stellen. Auch in der englischen Thronrede wird also die alte Heuchelei fortgesetzt.
Anläßlich der Budgetsberatung im italienischen Senate ist dem Ministerium Boselli das Vertrauen des Senates ausgesprochen worden. Der Ministerpräsident Boselli sprach dafür dem Senate seinen Dank aus und erklärte, daß die italienische Regierung in vollem Einvernehmen mit den Bundesgenossen Italiens in allen Fragen des Weltkrieges ineiter Vorgehen werde. Die Antwort der Vierverbandsmächte aus die deutsche Friedensnote würde veröffentlicht werden, sobald sie vereinbart worden sei.
Amerik. Vorschlag für einen Waffenstillstand?
Basel, 23. Dez. Aus Newpork wird berichtet: Die „World" meldet, das Staatsdepartement bereite einen Antrag aus Waffenstillstand vor, der den Kriegführenden unterbreitet werden soll. (GKG.)
Bevorstehender Schweizer Friedensvorschlag si
Berlin, 23. Dez. Wie der Korrespondent der „Vossischen Zeitung" in Bern erfährt, steht im Anschluß an die Vermittlungsnote Wilsons, ein gleichlautender Schritt des Schweizer Bundesrats bevor.
U-Boots-Opfer.
London, 23. Dez. (WTB.) Lloyds melden: Der englische Dampfer „Murer" (3564 Bruttoregistertonnen) ist wahrscheinlich versenkt worden. Der norwegische Dampfer „Avona" (2396 Bruttoregistertonnen) ist versenkt worden. Die Mannschaften der als versenkt gemeldeten Dampfer „ChassieMaerskam" (dänisch) und „Bajhall" (englische wurden gerettet.
Berlin, 24. Dez. (WZB.) Das Kriegsamt ersucht alle industriellen Werke und Fabriken, auch die in den Feiertagen zugeführten beladenen Eisenbahnwagen schleunigst entladen da sonst nach den Feiertagen eine auch nur einigermaßen genügende Wagengestellung ganz unmöglich gemacht wird.
Hamburg, 24. Dez. (WTB.) Die Stadt ist in der Nacht zum Sonntag von einem orkanartigen Südweststurm heimgesucht worden, der in der Stadt ivie auch ans der Elbe und im Hafen vielen Schaden angerichtet hat.
Sie seufzte verstohlen. „Es ist am besten, man benkt nicht viel darüber nach, sondern nimmt die Arbeiten frisch und froh in Angriff. Ich kann mir ja zu keiner Sache eine Hilfe nehmen und kenne es schon nicht mehr anders."
„Und Hans? Ist es ihm nicht peinlich, dies mit anzusehen."
„Dans? Ach wo, der denkt, das muß so sein. Er sieht ja auch nie, wie ich mich abhasten, meine Zeit auf die Minute einceilen muß. Es kommt ja auch aut eins heraus. Man muß sich halt nach der Decke strecken. Wir haben Wichtigeres zu besprechen, Herr Bittner, und eine Stunde ist bald um."
„Wichtigeres, als Ihre Person, Dora? Ich wüßte nicht."
Schweigend nahmen sie etwas vom der Nachspeise. Dann saßen sie sich im Erker gegenüber.
Dora raffte sich auf. „Mein Mann ist unzugänglich, Herr Bittner, und wie ich ihn kenne, keine Sinnesänderung von ihm zu erwarten. Darum müssen wir auf ein Wiedersehen verzichten."
Sie konnte nicht zu Ende sprechen. Bittner sprang auf, streckte abwehrend beide Hände aus. „Verlangen Sie nichts Unmögliches von mir, bringen Sie mich nicht zur Verzweiflung! Mein Beruf verlangt vollste Anspannung meiner Leistungsfähigkeit. Ich wäre unfähig, meine Geschäftsinteressen «ahrzunehmen, wenn Sie mich ganz und für immer aus Ihrer Nähe bannen. Ich würde zugrunde gehen an der Enttäuschung!"
Dora erhob sich in stolzer Abwehr. „Dann tat ich doch unrecht, Ihre Aufmerksamkeiten entgegenzunehmen, Herr Bittner, denn Sie wollten mich dadurch verpflichten!"
„Nein, nein, mißverstehen Sie mich nicht so grenzenlos! Wenn ich meine Worte ungeschickt wählte, so verzeihen Sie mir! Vielleicht ist Hans doch nicht so abweisend, wie Sie glauben. Ich
Haag, 23. Dez. (WTB.) Der Minister des Auswärtigen macht bekannt, daß die Ladungen von sieben holländischen Dampfern in England mrück- behalten worden sind.
Basel, 23. Dez. Aus London wird gemeldet: „Daily News" spricht in einem Artikel offen von Meinungsverschiedenheiten im neuen Kabinett anläßlich der Antwortnote an die Mittelmächte. (GKG.)
Ans StaSt» Bezirk unS Umgebung.
Se. Mas. der König hat dem Leutnant d. Res. im Res.-Feld-Art.-Regt. Nr. 54, Arthur Rö ck von Neuenbürg, Inhaber des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse, an Stelle des Ritterkreuzes 2. Kl. des Friedrichsordens das Ritterkreuz des Militär-Verdienstordens verliehen.
Neuenbürg. Das Eiserne Kreuz erhielt Unteroffizier d. Res. Wilhelm König, Armee- Fernspr.-Abteilung Nr. 7 (Westen).
Entlohnung der Hilfsdienstpflichtigen. Wie der Chef des Kriegsamts neuestens im Reichstagsausschuß zur Mitwirkung bei der Ausführung des Hilssdienstgesetzes mitteilte, erfolgt die Entlohnung der zur Hilfsdienstpflicht Herangezogenen vorläufig noch nach freier Uebereinkunft, unter Beachtung der ortsüblichen Taglöhne; später sollen besondere Grundsätze ausgearbeitet werden, die dem Reichstagsausschuß vorgelegt werden sollen.
* Neuenbürg, 26. Dez. Im Lause des zu Ende gehenden Kalenderjahres wurden in Kirche oder Gemeindehaus hier 7 Vorträge gehalten über folgende Gegenstände: „Wie werde ich ein fester Charakter?" (Frau Frida Ufer-Held aus Barmen): „Unsere Jugend und der Krieg" (Bezirksschulinspektor Baumann hier); „Wir daheim und die Unfern draußen" (Stadtpsarrer Lamparter aus Stuttgart, Verbandsvorsitzender der Ev. Arbeitervereine in Württemberg); „Unsere Flotte" (Lazarettvikar Remppis aus Wildbad); „Unsere Soldatenheimarbeit in Feindesland" mit Lichtbildern (Pfarrer Köhler aus Stuttgart, Bundessekretär der Evang. Jünglingsund Männervereine des Süddeutschen Bundes); „Gottesoffenbarungen im Weltkrieg" (Universitäts- prosessor O. Dr. Heim aus Münster i/W.); „Die Kriegszeit im Lichte der Kriegsdichtung" (Pfarrer Goes aus Engelsbrand). Sämtliche Vorträge waren durchschnittlich recht gut besucht und ermutigten zu weiterer Fortsetzung des begonnenen Werks. Eine weitere Veranstaltung musikalischer Art (Kirchenkonzert von Professor Feuerlein, Kammersängerin Frau E. Tester und Organist Keller aus Stuttgart) erfreute sich dagegen nur eines sehr mäßigen Besuchs. Dabei mag allerdings die Jahreszeit, ein werktäglicher Sommerabend zu Anfang des Erntemonats, ungünstig gewirkt haben. — Für Anfang des neuen Jahres stehen wieder Vorträge im Gemeindehaus in Aussicht. Auf 14. Januar 1917 ist das Thema:
müßte ihn nur erst einmal sprechen. Ist er denn gar nicht anzutreffen?"
„Nein," entschlüpfte es Dora, „er hat sich einem Gastwirt als Klavierspieler verpflichtet. Durch einen Zufall bekam er diese Stelle, von der er sich einen schönen Nebenverdienst verspricht."
Alfred Bittner machte große Augen. Er berechnete klar und scharf die Motive zu einer so merkwürdigen Handlungsweise. —
„Als Vorspieler — ?" dehnte er, „nur die Verzweiflung kann Hans zu einer so entnervenden Beschäftigung getrieben haben. Dann ist er entweder bereits entlassen, oder er trägt den Kündigungsbrief in der Tasche."
Dora erschrak auss heftigste. Die Zeit, wo die entbehrlichsten Dinge ins Leihhaus geschafft worden, nachdem die Ersparnisse nahezu aufgezehrt, und man trotzdem Miete schuldig geblieben, sich nur unzureichend hatte satt essen können, erstand mit all den widerwärtigen Begleiterscheinungen vor ihrem Geiste.
Sie schauderte davor zurück. Wieder die graue Sorge durchs Haus schleichen zu sehen, das mußte entsetzlich sein. Und doch, wenn sie ihres Mannes verstörtes Wesen, seine seit Wochen schon auffällige Unruhe bedachte, kam sie zu dem Schluß, daß Bittner mit seiner Vermutung recht haben könne.
„Ehe Hans in mein Kontor kommt, wo ihm eme, nach Lage der Dinge glänzende Einnahme, eine achtbare Lebensstellung geboten wird, verzettelt er, nur aus purem Eigensinn oder Hochmut, seine Kraft in einem Bierhaus oder Kino. So, so — und ein solcher Mensch wird von der besten, edelsten Frau aufopfernd und treu geliebt, wogegen meine Fehler auf der Goldwage gewogen werden. Ich gehe einsam durchs Leben."
Durch seine grollende Stimme klang so schmerzliches' Weh daß es Dora erschütterte.
(Fortsetzung folgt.)