mäßige Preissteigerung, die Zurückhaltung von Waren, den Kettenhandel, den Ersatzmittelschwindel und ähnliches. Neben dem Kriegswucheramt bleiben die Bezirks- und Ortspolizeibehörden für die nachdrückliche Bekämpfung des Wuchers nach wie vor verantwortlich. Im übrigen sind diese Behörden wie auch alle übrigen Behörden der Verwaltung des Innern, insbesondere auch alle Kriegsstellen, ebenso die Beamten der Staatsanwaltschaft verpflichtet worden, dem Kriegswucheramt Auskunft zu geben und seine Tätigkeit nach Kräften zu unterstützen. Um die Erfahrungen, welche die Landespreisstelle schon auf dem Gebiet der Wucherbekämpfung gesammelt hat, für das Kriegswucheramt nutzbringend zu verwerten, werden beide Behörden in enger Fühlung mit einander arbeiten. Der Vorstand des Kriegswucheramts, Regierungsrat Klaiber, ist zu diesem Zweck zum Mitglied der Landespreisstelle bestellt worden. Mit den Kriegswucherämtern in Berlin, München und Dresden wird das Stuttgarter Aint sich in Berührung halten.
Stuttgart, 1. Nov. In einer Polemik gegen die „Schwäbische Tagwacht" führt der „Beobachter" u. a. folgendes aus: Wenn die „Schwäb. Tagw.", immer wieder sich darauf beruft, daß eben die Stadtverwaltung für die gemachten Fehler verantwortlich sei, so müssen wir immer wieder fragen: was ist denn mit diesem höchst dehnbaren Begriff gemeint! Eine Mehrheit von Köpfen, ein Kollegium, ist niemals befähigt, einen einheitlichen Willen durchzusetzen. Das kann nur von einem Manu und Kopf verlangt werden, der dafür dann auch verantwortlich ist. Da nun, wie man hört, in unserer Nachbarschaft Feuerbach, die bei ihrer weit überwiegenden Arbeiterbevölkerung jedenfalls auch große Schwierigkeiten zu überwinden hat, bis heute alles glatt und ohne größere Erregung fick abgewickelt hat, in Stuttgart aber eine verfehlte Anordnung an die andere sich reiht, machen wir den Vorschlag, Stuttgart während des Krieges in Feuerbach einzugemeinden.
Stuttgart, 1. Nov. Nach einer Verordnung des Stadtschultheißenamts dürfen die hiesigen Gastwirte den Käse, den sie gegen die Käsemarken bezogen, bis auf weiteres ohne Küsemarken an ihre Gäste verabreichen; die Abgabe außerhalb des Wirtschaftsbetriebs ist jedoch untersagt.
Stuttgart, 2. Nov. Auf ganz raffinierte Weise kam ein bei der Firma Paul v. Maur an- gestellter Fuhrmann zu einem Pferde. In der Karlstraße ließ er gestern abend das Fuhrwerk stehen, spannte das Pferd, das einen Wert von 4000 Mk. darstellt, aus und suchte mit ihm das Weite. Bis jetzt ist es nicht gelungen, des Pferdediebes habhaft zu werden, wenn es auch ausgeschlossen ist, daß er mit seiner Beute weit kommen wird.
Leonberg, 2. Nov. Wie die „Glems- und
Würmgau-Ztg." erfährt, bestätigt sich die Todesnachricht von Leutnant d. R. Holl, Landwirtschaftslehrer in Leonberg, nicht. Holl hat bei den schweren Kämpfen an der Somme in vorderster Linie eine Gasvergiftung erlitten, von der er aber erfreulicherweise wieder soweit hergestellt ist, daß er zum Ersatz-Truppenteil zurückkehren konnte. Wie erinnerlich, hat das Landwirtschaftliche Wochenblatt einen längeren Nachruf gebracht.
Wiernsheim bei Mühlacker, 2. Nov. Die von hier stammende Frau des Goldarbeiters Alfons Dörfllinger stahl in Pforzheim einer alten kranken Frau, die mit ihr im gleichen Hause wohnte, das Sparbuch und erhob damit 1000 Mk. Als eine andere als verdächtig eingesperrt wurde, entdeckte sie sich nicht, doch kam schließlich ihre Täterschaft heraus. Die Diebin erhielt 5 Monate 2 Wochen Gefängnis.
Tuttlingen, 1. Nov. (Unsere Jugend von heute.) Zwei Schulbuben im Alter von 10—11 Jahren haben letzter Zeit in etwa 11 Gartenhäuschen Einbrüche verübt, und die darin befindlichen Ausstattungsgegenstände und Geräte kurz und klein geschlagen. Auch jüngere tragbare Obstbäume wurden vernichtet, bis endlich die Burschen auf frischer Tat abgefaßt und zur Anzeige gebracht werden konnten.
Bus StaSt» Bezirk unS Umgebung.
Wrtaz stk unsere tafferen Kimffer zur See
am Samstag, den 4. November 1916.
Wir empfehlen diese hochwichtige Sammlung, zugunsten unserer siegreichen Blaujacken, ebenso warm wie dringend und wenden uns vertrauend an den durch die ganze schwere Kriegszeit bewährten Opfersinn unserer Einwohnerschaft mit der Bitte, diese Spende mit allen Kräften zu fördern, damit ihr ein ebenso schöner Erfolg gesichert wird wie den bisherigen Sammlungen für vaterländische Zwecke.
Als Ehrentag unserer wackeren Deutschen Marine soll in Württemberg der 4. November gefeiert werden. Der Dank und die Anerkennung des gesamten Volkes ohne Unterschied des Standes und der Partei soll am Marine-Opfertag 1916 unseren Helden zur See begeistert zum Ausdruck gebracht werden. Jeder Deutsche ehre sich selbst und feiere diesen Tag durch eine Spende — sie sei groß oder klein!
Zugedachte Gaben nimmt dankbarst entgegen: Eugen Mahler, Vorstand der Ortsgruppe des Deutschen Flottenvereins.
Frau Wentsch Wtw. werde ich veranlassen, eine Haussammlung vorzunehmen.
Neuenbürg, 2. Nov. Die vom Mich Landesverein vom Roten Kreuz zum Zweck, alle Angehörige württembergischer Truppenteile mit einer Weihnachtsgabe zu erfreuen, auf 11. bis 15. Nm. festgesetzten Opfertage sind hauptsächlich mit Rücksicht auf die am 4. November stattfindende Sammlung für die Flotte durch Beschluß des Verwaltungsrats auf die Zeit vom 6. bis 11. Dezember verschoben worden.
Neuenbürg, 3. Nov. Die Fleischversorgung sste lle für Württemberg und Hohenzollern teilt mit: Um vielfach aufgetretenen Zweifeln zu begegnen, wird darauf aufmerksam gemacht, daß Schweineschmalz der Verbrauchsregelung nicht unterliegt, also von den Metzgern ohne Fleischmarken abgegeben werden muß, sowie daß von den Eingeweid en unter die Verbrauchsregelung nur Bries, Herz, Leber und Nieren fallen, bei deren Einkauf für je 50 § ein Fleischmarkenabschnitt im Fleischgewichtswert von 25 § abzugeben ist. Alle anderen Eingeweide: Därme (Gekröse), Flecke (Kutteln), Gehirn, Lungen und Milz sind der Verbrauchsregelung nicht unterworfen und müssen ohne Fleischmarken abgegeben werden.
-Neuenbürg, 3. Nov. Ein aus dem Gefangenenlager in Hammelburg (Bayern) entwichener, perfekt deutsch sprechender französischer Sergeant wurde heute früh 4 Uhr von Polizeidiener Schumacher angehalten und in sicheren Gewahrsam gebracht. Es ist dies schon der dritte, von Schumacher sistierte Ausreißer. — Auch in Wildbad wurden gestern wieder drei entwichene kriegsgefangene Russen eingebracht.
- Wildbad, 3. Nov. Heute wird hier Bankdirektor Will). Ulmer, welcher am Dienstag vormittag durch einen Herzschlag mitten aus der Berufstätigkeit gerissen wurde, zu Grabe getragen. Seine Stellvertretung hat vorerst Herr Kaufmann Bosch hier übernommen.
Pforzheim, 2. Nov. In letzter Zeit machte hier wieder eine größere Golddieberei von sich reden. Die in einer Bijouteriefabrik angestellte Ehefrau Berta Jakob, geb. Lang, stahl größere Mengen Golddoublee, mindestens 274 Kilogramm, wovon das Kilo 50 Mk. wert ist. Das Gestohlene gab sie teils ihrem Mann, Goldarbeiter Jakob, teils ihrem Bruder, Goldarbeiter Rudolf Lang, die es dann weiter verkauften. Der Hauptanstifter war Rudolf Lang. Er wurde gestern zu 3 Jahre» Zuchthaus verurteilt. Die Frau erhielt 3 Jahre Gefängnis, ihr Mann 2 Jahre Zuchthaus, der mit verwickelte Estampeur Eugen Stamer 1','r Jahre Zuchthaus. — Der frühere Pfandleiher Franz Wolf hier kaufte Dieben gestohlenes Edelmetall ab, so dem Goldarbeiter Gottlieb Schwämmle von Oberkoll- bach, dem Kabinettmeister Josef Waibel von Mutlangen und der Kontoristin Klara Schreckenhöfer von Pforzheim. Er erhielt 2 Jahre Zuchthaus und 3 Jahre Ehrverlust, Schwämmle 1 Monat
Der Spion.
Alles fürs Vaterlancl.
Erzählung von Hanns Kurd.
7) (Nachdruck verboten.)
Und dort tummelte sich Bianka nun an jedem Nachmittag. Heute hatte sie ihre Lieblingsbeschäftigung allerdings aufgegeven, um mit dem Gaste und ihrem Vater zur Fabrik hinauszufahren.
Doch kaum hielt der Schlitten vor dem Hause, als sie auch schon dem Diener befahl, ihr die Schlittschuhe zu bringen.
„Kommen Sie mit, Herr Oberleutnant ?" fragte sie Binder.
„Ich kann nicht laufen," entgegnete er. Dabei lachte er aber verschmitzt.
„Ach ? Wirklich? Sie scherzen! Albert, suchen Sie noch ein paar Schlittschuhe heraus!" Sie sah nach dem Fuße des Oberleutnants.
„Die von Herrn Danielowitsch passen sicher."
Binder sah fragend auf Baumgart.
„Gehen Sie nur, lieber Freund. Hier kommandiert meine Tochter," lachte er.
Franz Binder schritt langsam hinter Bianka her.
Er betrachtete ihre elegante, schlanke Figur, sah den wiegenden Gang, sah ihren graziösen Fuß und das schwarze, volle Haar, auf dem das Pelzbarett keck, etwas nach links geneigt, saß, und ihn durchzuckte ein Gedanke ... ein Gedanke, kühn und entschlossen: „Dieses Mädchen muß ich erringen."
Man hatte ihm erzählt, daß der Russe sie schon umschwärme. Aber andererseits, Hubermann hatte ihm gesagt, daß Bianka zum ersten Male mit einem „Neuling" mit herausgekommen wäre. Sollte er doch einen so günstigen Eindruck auf sie gemacht haben? Zuerst galt es freilich, das Terrain ein wenig zu sondieren, eine
Art Spionage, gleichzeitig schon als Vorübung für seinen Dienst. Bianka ließ sich von dem Diener die Schlittschuhe anschnallen und tänzelte einige Meter über die spiegelglatte Fläche.
„Fertig, Herr Binder?"
„Zu Befehl, Gnädigste."
Lachend rutschte Binder aus seinen Slahl- schienen ein paarmal hin und her und tat, als ob er wirklich nichts von der Kunst des Eislaufsportes verstände.
Bianka glaubte seinem Spiel und sagte, etwas enttäuscht: „Ach, das ist schade, Herr Binder. Na, ich lehr' es Sie. Kommen Sie!"
Sie reichte ihm die Hand und zog ihn über den Teich. Als sie ihn losließ, schnellte Binder auf, und mit elegantem Schwung sauste er um sie herum.
„O, Sie . . ." lachte Bianka und klatschte in die Hände. „Das Hab' ich mir doch gleich gedacht, daß Sie Läufer sind."
Und wirklich, der schlanke Mann lief mit vollendeter Kunstfertigkeit.
Fest und sicher hielt er des Mädchens Hand, und beide liefen allerhand Figuren.
„Sie laufen besser, als Danielowitsch," lobte sie.
Schon wieder Danielowitsch! dachte Binder. Dieser Russe! Er haßte ihn, bevor er ihn kannte.
„Herr Danielowitsch ist Ihr geschworener Freund?" fragte er.
Eine leichte Wolke huschte über das hübsche Gesicht des Mädchens.
„Er ist Papas Freund und verkehrt viel in unserm Hause," entgegnete sie.
„Seit wann ist dieser Herr hier?"
„Schon über zwei Jahre."
„Ich hörte, er macht Ihnen den Hof?"
Bianka wandte sich weg.
„Wer sagt das?"
„Ich hörte es so."
„Mag sein." Sie zuckte die Achseln und beschrieb einige Bogen.
„Verzeihen Sie, Gnädigste, ich will mich ja nicht in Ihre Herzensgeheimnisse eindrängen. Meine Frage war gewiß zu indiskret."
„Sie werden mit Herrn Danielowitsch vielleicht zu tun haben, Herr Binder."
„So? Hm! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir den Herrn etwas genauer beschreiben wollten. Wie soll ich mich zu ihm stellen?"
„Als Freund! Er ist gewandt und energisch."
Binder reckte sich.
„Und?"
„Vorsicht, Herr Binder! Mehr kann ich Ihnen nicht sagen."
„Ich danke Ihnen."
Er küßte ihre Hand.
Langsam glitten sie zur Bank hinüber, und Binder faßte ihre Schlittschuhe.
Vorsicht! schallte es ihm in den Ohren.
Gut! Also, Vorsicht. Er war gewarnt. Nun wollte er beobachten, ganz gewiß. Und wenn er etwa doch Anrechte haben sollte, dieser Russe, gut, er war bereit zu kämpfen.
„Gnädigste, gestatten Sie mir eine Frage
noch?"
»Nun?" .
„Erschrecken Sie nicht, die Frage ist vielleicht etwas merkwürdig. Sie sind noch Herrin über
HerZ?"
Einen Augenblick schwieg Bianka und sah dem Manne an ihrer Seite voll in die Augen.
„Ja," kam es leise von ihren Lippen.
„Ich danke Ihnen." Wieder führte er ihre Hand an die Lippen und küßte sie lange.
Schweigend kehrten sie ins Haus zurück.
»
*
(Fortsetzung folgt.)