Eine englische Stimme über Eng­land und Deutschland. In den Vereinigten Staaten hat der englische Schriftsteller Frank Harris, der frühere Herausgeber zweier hochangesehener Wochenschriften, der Fortnightln Review und Sa- lurday Review, eine Reihe von Vorträgen gehalten, in denen er eine allgemeine Meinung seiner Lands- leute zum Ausdruck brachte, dt ach Mitteilungen der New Aork Sun sagte Frank Harris, der als weißer Rabe gelten muß, unter anderem Folgendes: Das deutsche Ideal ist der vollkommene Staat. Der Engländer haßt diese Lebensauffassung und hält sie für barbarisch. Hier gilt das absolute In­dividuum, dort der vollkommene Staat. Die Lehre des Individuums ist die Vergangenheit, die des Staates die Zukunft. Heute richten sich die Blicke aller derer, die Nachdenken, aus Deutschland. Das englische Leben führt im allgemeinen zur Ungleich­heit der Klassen. Die anglikanische Kirche ist das Bollwerk der Oligarchie. 40 v. H. der englischen Arbeiter besitzen kein Stimmrecht. In Deutschland dagegen haben alle Männer das allgemeine Wahl­recht. In England lebt der achte Teil des Volkes in Reichtum, ein Drittel in der entsetzlichen Armut, und dazwischen gibt es keinen richtigen Mittelstand. England hat heute keinen Anspruch, sich das Recht anzumaßcn, das Ideal der Freiheit zu vertreten. Wer solches behauptet, ist ein Betrogener oder ein Lügner. Deutschland ist zurzeit der wunderbarste Staat der Welt. Cs steht an der Spitze der Zivi­lisation. In den letzten zwanzig Jahren hat es für die Menschheit mehr getan als irgend eine andere Nation. Ich liebe Frankreich leidenschaftlich, weil ich Kunst und Literatur liebe, und ich bedaure, daß dieses Land nicht siegen kann. Aber selbst wenn der Krieg noch sechs Jahre dauerte, würde das Bild dasselbe sein. Man kritisiert den deutschen Militärismus? Ach! Die Deutschen sind nicht mili­tärischer als andere; was sie sind, das ist: geeignet zu allem.

Berlin, 9. Okt. (Landsturm-Offiziers- aspiranten). Das Kriegsministerium weist im Armeeverordnuugsblatt darauf hin, daß nach 26 des Gesetzes betr. Aenderungen der Wehrpflicht vorn 11. Februar 1888 in gleicher Weise wie bei der Landwehr kriegsverwendungsfähige Mannschaften des Landsturms Hrrstem umd zweiten Aufgebots), die das Zeugnis über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst besitzen und sich dienstlich und moralisch zur Ausbildung zum Osfi- ziersafpiranten des Beurlaubtenftandes eignen, hier­zu ausgebildet und ernannt werden können.

München, 6. Okt. lieber die Möglichkeit einer Herabsetzung der Bierpreise in Bagern finden im Ministerium des Innern vertrauliche Bespre- chuungen, die aber, denMünch. Neuesten Nachr."

Siegesrlel.

Kriegserzählung von W. H. Ge in borg.

5s (Nachdruck verboten )

Bernhard Sewald war guten Mutes ge­wesen, denn wenn es ihnen gelang, die Hecke zu gewinnen, die sich schräg gegen die feindliche Stellung hinzog, durften sie ziemlich sicher darauf rechnen, sich unentdeckt ganz nahe an die Rot­hosen heranzuschleichen. Auch seine Leute hatten auf dem gefährlichen und mühseligen Wege ihren Humor nicht verloren. Deutlich entsann sich Sewald einer halblauten witzigen Bemerkung des Mannes, der dicht an seiner Seite gewesen war. Das aber war auch das Letzte, dessen er sich zu erinnern vermochte. Nur aus dem, was er jetzt sah, konnte er darauf schließen, wie dieser nächtliche Patrouillen­gang geendet. Das Erste, was er beim Erwachen im ersten Grauen des Tages in seiner nächsten Umgebung mit Deutlichkeit hatte unterscheiden können, war der seltsam zusammengekrümmte Körper eines Feldgrauen, der kaum vier Schritte von ihm entfernt regungslos in seiner un­natürlichen Stellung verharrte. Den rechten Arm hatte er stocksteif ausgestreckt und das Gesicht mit den weitoffenen Augen gegen den Himmel ge­kehrt. Der Mann war ohne Zweifel tot, aber seine Züge wiesen nicht die geringste Entstellung auf. Ja, es hatte ganz den Anschein, als ob seine von einem jungen, flaumigen Kriegsvollbart umstandenen Lippen sich immer noch in einem spöttischen Lächeln kräuselten.

Das war der Reservist, dessen übermütiges Scherzwort Bernhard Sewald noch im Obre hatte. Von den drei anderen hatte er anfänglich nichts erspähen können, bis ein Haufen schwärzlicher Erde, der gestern sicherlich noch nicht an dieser Stelle gewesen war, seine Aufmerksamkeit auf sich ge-

zufölge, bis jestt noch kein festes Ergebnis gezeitigt haben.

Preiserhöhung für Eisengußwaren. Der Verein deutscher Eisengießereien hat mit Wir­kung vom 1. Oktober eine Erhöhung der Preise für Bau- und Maschinenguß um 15° o vorgenommen.

Starke Baumwolle-Preissteigerung. Trotzdem Deutschland und seine Verbündeten zur­zeit am uordamerikanischen Baumwollmarkt nicht teilnehmen, haben die Preise an der Newyorker Baumwollbörse in letzter Zeit eine solch sprunghafte Aufwärtsbewegung gemacht, daß nun eine Höhe erreicht ist, wie sie seit 1872 nicht mehr da war. Neueste Notierungen lauten auf 60 Dollars 60 Cents.

Württemberg.

Stuttgart, 8. Okt. Zu seinem Regiernngs- jubiläum erhielt Seine Majestät der König Glück­wünsche von Seiner Majestät dem Kaiser und sämt­lichen Bundesfürsten und freien Städten, sowie von Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich, Ihrer Majestät der Königin der Niederlande und Ihrer Königl. Hoheit der Großherzogin von Luxeinburg. Der Kaiser sandte ein Handschreiben an den König, in dem nach der Uebermittlung der innigsten Glück- und Segenswünsche gesagt ist:Dem Reiche ein treuer Bundesfürst, mir selbst ein lieber Freund, haben Eure Majestät in den vergangenen Jahr­zehnten mit sorgender Hand und in segensreicher Arbeit die Geschicke Württembergs geleitet. Nicht allein das eigene Volk, dessen Wohl und Wehe enger als je mit Euerer Majestät erhabener Person ver­knüpft ist, erkennt dies dankbaren Herzens an, son­dern weit über die Grenzen des Landes hinaus bringen Deutschlands Fürsten und Stämme Euerer Majestät die herzlichsten Wünsche für eine fernere lange und segensreiche Regierung dar. Dabei kann ich nicht unterlassen, der hervorragenden Taten zu gedenken, die Württembergs Söhne in den gegen­wärtigen Kriegszeiten auf den Schlachtfeldern in West und Ost in Tapferkeit und Ausdauer voll­bracht haben und noch täglich vollbringen." Das Schreiben schließt mit dem Wunsche, daß es dem König vergönnt sein möge, in nicht allzu ferner Zeit dem württembergischen Volke auch die Segnungen des Friedens wieder vermitteln zu können, und daß dieser alle Opfer lohnen möge, die Fürst und Volk in diesem schweren Kriege dem Vaterlande dar­bringen.

Zum Regierungsjubiläum hat der Kaiser dem württ. Ministerpräsidenten Dr. Freiherrn v. Weiz­säcker das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen.

Stuttgart, 7. Oktbr. Der König hat den Bischof Dr. Paul Wilhelm von Keppler auf die zweite Rangstufe mit dem Prädikat Exzellenz er-

zogen. Da hatte er eine um einen zersplitterten !

Gewehrschaft gekrallte Hand entdeckt, die aus dem j Erdhaufen herausragte, und den vorderen Teil eines in schwerem, genageltem Stiefel steckenden Fußes. Nun wußte er mit einemmal, was ge­schehen war. Eine für die vierhundert Meter weiter zurückliegende deutsche Stellung bestimmte Granate war zu kurz gegangen und in ihrer un­mittelbaren Nähe eingeschlagen. Vermutlich war den vier anderen das Verhängnis ebensowenig mehr zum Bewußtsein gekommen wie ihm selber. Und es hatte außer ihm wohl keiner von ihnen den Augenblick der Detonation überlebt. Es mußte ja ein ganzer Hagel von Sprengstücken gewesen sein, der sie überschüttet hatte. Nur die Unmög­lichkeit, hinter sich zu schauen, hinderte ihn daran, auch die irdischen Ueberreste der beiden letzten von der Patrouille zwischen dem welken, bräun­lich verfärbten Rübenkraut zu erspähen.

Kaltblütig, ohne tiefere seelische Erschütterung, hatte er diese Beobachtungen gemacht.

Der lustige Reservist mit dem flaumigen Bärt­chen und der halb verschüttete Mann, der die nervige Faust noch so fest um den zerschmetterten Gewehrschaft klammerte, sie waren ja längst nicht mehr die ersten lieben Kameraden, die er starr und tot auf der verfluchten flandrischen Erde liegen sah. Und wenn er die anderen betrauert hatte diese hier weckten in seiner Seele viel eher eine Empfindung des Neides. Denn sie waren offenbar eines schönen, schmerzlosen Todes ge­storben in der Fülle der Kraft und des warmen Lebens gefällt von einem Blitzstrabl, dessen schreck­haftes Aufzuck'en sie nicht einmal mehr hatten sehen müssen. .

Warum hatte es nicht auch ihn so getroffen? Warum sollte nur er zu so unerhörten Leiden ver­urteilt sein?

Er fragte sich's immer wieder. Aber jemehr sich die Dämmerung des Morgens in leuchtende

hoben. Weihbischof Dr. Sproll erhielt das Ehren­kreuz des Kronordens, Reg.-Dir. Dr. v. Hieberdas Komturkreuz 2. Klasse des Friedrichsordens, Regie­rungsrat Knapp im Ministerium des Innern (früher Amtmann in Neuenbürg) das Ritterkreuz 1. Klasse des Friedrichsordens.

Stuttgart, 9. Okt. Generalfeldmarschall Herzog Albrecht von Württemberg ist heute nachmittag von hier wieder zum westlichen Kriegsschauplatz abgereist.

Der Kommandant, das Offizierskorps und die Besatzung S. M. S.Schwaben" haben anläßlich des Regierungsjubiläums den in Stuttgart wohnenden Vater eines Seeoffiziers gebeten, in ihrem Namen einen eisernen Schild amWackeren Schwaben" zu nageln mit dem Spruche:Es lebe Seine Majestät der König und seine tapfere Armee."

Stuttgart, 9. Okt. Durch eine im Regierungs­blatt vom 7. Okt. veröffentlichte K. Verordnung ist der Rat der Verkehrsanstalteu" aufgehoben worden. Dieser aus höheren Beamten der Verkehrsverwaltung bestehende Rat war nach der K. Verordnung von 1881, betr. die Verwaltung und Beaufsichtigung der Verkehrsanstalten, dem Ministerium beigegeben mit der Aufgabe, Gegenstände von allgemeiner Be­deutung für mehrere Dienstzweige oder von größerer Wichtigkeit zu begutachten, ist aber nur selten, seit einer Reihe von Jahren überhaupt nicht mehr in Anspruch genommen worden. Für die Beibehaltung der Einrichtung liegt, nach demStaatsanz.", kein Bedürfnis mehr vor.

Stuttgart, 9. Okt. Bei dem Münzamt laufen zahlreiche Nachfragen nach den Denkmünzen ein, die zum Regierungsjubiläum des Königs geprägt werden. Wie schon früher mitgeteilt wurde, konnte aber vorerst von diesen Denkmünzen nur eine ganz beschränkte Anzahl ausgeprägt werden, über die be­reits verfügt ist. Gesuche um Abgabe von Denk­münzen können daher im Augenblick keine Berück­sichtigung finden, sondern nur für später vorgemerkt werden. Der Beginn der allgemeinen Prägung wird seinerzeit bekannt gegeben werden und die Liebhaber der Denkmünze werden sodann noch reich­lich Gelegenheit haben, ihren Bedarf anzumelden.

Stuttgart, 8. Okt. Der hiesige Stadtdekan Traub hat den zweiten Sohn, Predigtamtskandidaten Gerhard Traub, durch den Tod im Felde verloren.

Feuerbach, 8. Okt. Die Fabrik von Otto Schmidt, bekannt durch seine Drahtflechtmaschinen, wurde von der zurzeit sehr aufblühenden Maschinen­fabrik Friedrich u. Cie. in der Seeftraße um 134 000 Mark käuflich erworben. Ebenso ging durch Kauf die chemische Fabrik Vogtenberger u. Föhr in der Stuttgarter Straße, eines der ältesten Fabrikan­wesen am Platze, um 270000 Mark in den Besitz der Gerberei und Lederfabrik von C. F. Roser hier über.

Kirchheim u. T. Die bürgerlichen Kollegien beschlossen, einer Anregung des Kgl. Oberamts ent-

Tageshelle wandelte, destoweniger ernst war es ihm mit dieser Frage. Vielleicht waren seine Schmerzen jetzt nicht geringer als in der Nacht, wo er gebrüllt hatte wie ein gefoltertes Tier; aber seine Kraft, sich gegen das Martyrium auf­zulehnen, war nicht mehr dieselbe.

Der Blutverlust und die durchdringende Kälte des Bodens, auf dem er lag, hatten ihn wohl schon zu sehr geschwächt. Und Schwäche macht geduldig. Er zweifelte nicht, daß er sterben müsse; aber er sehnte sich danach, auf einem ordentlichen Lager zu sterben, freundliche teilneh­mende Gesichter um sich her, und eine kühle, weiche, lindernde Menschenhand auf der heißen, schmerzenden Stirn.

Die strahlende Sonne und der Himmel, dessen unendliche Bläue jetzt durch einzelne schneeweiße Wölkchen belebt wurde, waren Bern­hard Sewald niemals so schön vorgekommen wie heute. Es war der erste schöne Tag, den er erlebte, seitdem er wieder ins Feld gerückt war. Und er empfing ihn in tiefer Dankbarkeit wie ein nur für ihn bestimmtes Gnadengeschenk des Himmels. Wer sein Leben verrinnen fühlt und nicht mehr die Kraft hat, sich aufzulehnen, der wird demütig, still und fromm. Wieder, wie in Bernhard Sewalds Kinderjahren, war ihm das Dasein Gottes heute eine unumstößliche, trost­reiche Gewißheit. Freilich, er mußte sterben daran war nichts mehr zu ändern. Aber es konnte ihm nicht bestimmt sein, hier auf diesem flandri­schen Rllbenacker elend zu verkommen wie ein zuschanden geschlagenes Stück Vieh. Das würde Gott nicht zulassen, der gnädige und barmherzige Gott, der seinen Himmel über ihn ausspannte wie ein blauseidenes Zeltdach, und der ihn m die goldenen Strahlen seiner ewigen Sonne em- hüllte wie ein liebevoller Vater sein krankes Knu fürsorglich einhüllt in die weiche, wärinende Decke.

(Fortsetzung folgt.)