sogleich die Feier für geschlossen, wonach die Anwesenden möglichst schnell in tiefer Ergriffenheit den Saal verließen. Inzwischen war Generaloberst von Moltke verschieden. Die Leiche wurde alsbald nach dem Gebäude des Generalstabs überführt.
Petersburg, 16. Juni. (WTB.) Meldung der Petersburger Telegraphenagentur: Der Zar hat folgendes Telegramm des Königs von Italien erhalten: Ich bin mit dein ganzen italienischen Volk im Geiste mit dem Gefühl tiefer Verwunderung bei der mächtigen Offensive Deiner Heere und sende Dir die herzlichsten und freundschaftlichen Glückwünsche, mit der Ueberzeugung, daß die gemeinsamen Anstrengungen zu einem glücklichen Erfolg führen werden, bitte ich Dich, versichert zu sein, daß ineine Freundschaft unerschütterlich ist. Viktor Emanuel.
Zürich, 17. Juni. (GKG.) Schweizer Blätter melden aus Newyork: In den Monaten März und April haben die amerikanischen Kriegslieferungen an Rußland einen außergewöhnlichen Umfang angenommen. Amerikanischen Zeitungen zufolge haben fast täglich mehrere Dampfer den Neuyorker Hafen mit Geschützen, Granaten, Schrapnells, Pulver und Patronen verlassen, die für Rußland bestimmt waren.
London, 17. Juui. (WTB.) Amtlich wird gemeldet: Der Zerstörer „Eden" hatte letzte Nacht im Kanal einen Zusammenstoß und sank. 31 Mann wurden gerettet. Der Kapitän und zwei andere Offiziere werden vermißt.
Basel, 17. Juni. Eine indirekte Drahtmeldung der „Basl. Nachr." aus London besagt: Die nachträglichen Veröffentlichungen der englischen Mannschaftsverluste in der Seeschlacht bei Jütland gehen weit über eine Gesamtziffer von 8000 Mann hinaus.
Haag, 17. Juni. Die Jahresklassen von 24—46 Jahren müssen sich zum 24. Juni zum Militärdienst stellen. Das sind die verheirateten Leute, die auf Grund des zweiten Dienstpflichtgesetzes ausgehoben werden. Damit sind nachdem „Lok.-Anz." die britischen Reserven vollkommen erschöpft.
London, 17. Juni. (GKG.) Nach Meldung schweizerischer Blätter wird die Lebensmittelversorgung in England immer schwieriger. „Daily Mail" berichtet, daß sich die britische Regierung bereits gezwungen sieht, eine Bestandsaufnahme aller in den Vereinigten Königreichen vorhandenen Lebensmittel vorzunehmen.
Berlin, 19. Juni. Nach einer Amsterdamer Meldung des „Berl. Tagbl." zog sich Roosevclt bei einem Sturz schwere innere Verletzungen und einen Schlüsselbeinbruch zu und soll heute operiert werden.
800 Massenversammlungen zum Andenken an die irischen Märtyrer wurden in allen Teilen Nordamerik as abgehalten. Die irische katholische Geistlichkeit von New-Iork hatte den letzten Sonnabend als „Irischer Märtyrer-Tag" bezeichnet. Etwa 12000 Iren und Angehörige anderer Nationali-
Im Meitenbranci.
Vi-!gin»i-ki-iegsron,AN aus ernltei- Teil
von Rudolf Zollinger.
36f (Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten.)
Hier und da hatte Erna Mühe, einen Weg durch die dicht gedrängten Menschenhaufen zu finden, und mit Schrecken mußte sie wahrnehmen, daß sich der Pöbel vor Läden und Schankstätten, deren Inhaber in dem Verdacht standen, Deutsche zu sein, schon nicht mehr auf wüstes Schreien und Johlen beschränkte, sondern zu gewaltsamen Handlungen überzugehen anfing. Klirrend gingen unter Steinwürfen große Äuslagefenster in Trümmer, und der Abschaum der Pariser Bevölkerung, die gefürchteten „Apachen", zogen truppweise durch die Straßen, offenbar von dem lebhaften Wunsche beseelt, irgendwo Gelegenheit zum Plündern und vielleicht auch zum Morden zu finden.
Wieder mußte Erna der wohlgemeinten Warnungen Lecomtes gedenken. Denn wenn das Ungefähr ihr jetzt eine der feindlich gesinnten Bühnenkolleginnen in den Weg geführt hätte, würde es wahrscheinlich nur eines einzigen aufreizenden Zurufs bedurft haben, um ihr das fürchterlichste Schicksal zu bereiten. Sie war gewiß nicht furchtsam; aber diese Vorstellung veranlaßte sie doch, ihre Schritte zu beschleunigen, und sie atmete erleichtert auf, als sie endlich ungefährdet den Bahnhof erreicht hatte. Zum Glück brauchte sie auf den nächsten Zug nach Antwerpen nicht lange zu warten, und wenn auch ihr Geld nur eben für eine Fahrkarte dritter Klasse ausreichte, so hielt sie sich doch für geborgen, als sie in einem gedrängt besetzten Abteil Platz gefunden hatte, und als der Zug sich aus der Bahnhofshalle in Bewegung setzte. Der einzige Gedanke, der sie beherrschte, war : „Fort — nur fort aus dieser schrecklichen
täten nahmen an der Massenversammlung in Madi- sou Square Garden teil, während tausende sich draußen drängten. Der Richter Hendriks vom Obersten Gericht führte den Vorsitz. Die Sprecher griffen England in stärksten Ausdrücken an und kennzeichneten die Hinrichtungen in Irland als eine in der Geschichte einzig dastehende Barbarei. Das Kongreßmitglied Fitzgerald warf England seine schlechte Regierung in Irland vor und sagte: Im Namen der Menschlichkeit verlangen wir eine sofortige Aen- dcrung.—Etwa 100 000 Dollars wurden für den irischen Unterstütznugsfonds gezeichnet.
Bern, 16. Juni. Die Fleischnot in Frankreich wächst bedrohlich. Eine Abordnung der Bürgermeister der großen Städte hat, lt. „Tägl. Rdsch.", gestern im Ministerium vorgesprochen und durchgreifende Maßnahmen verlangt, sei es durch Errichtung von Gemeindeschlächtereien, sei es durch Preisfestsetzung und Ueberwachung des Verkaufs. Die Hauptursache der Fleischpreissteigerung sei die zurückgehende Erzeugung. Die Maßnahmen Deutschlands, das vor der Lebensmitteldiktatur nicht zurückgeschreckt sei, werden als vorbildlich hingestellt.
Berlin, 16. Juni. (WTB.) Gegenüber der vom Druckpapier-Syndikat ab 1. Juli in Aussicht genommenen erneuten Erhöhung aller Preise für Zeitungsdruckpapier können wir feststellen, daß die Reichsleitung in Anbetracht des öffentl. Interesses, das für die Kriegszeit an dem gesicherten Erscheinen der Tagespresse besteht, entschlossen ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, der Tagespresse das benötigte Zeitungsdruckpapier auf der derzeitigen Preisgrundlage, soweit als möglich, sicherzustellen.
MÄrttemberg.
Stuttgart, 17. Juni. Den zweiten Tag der Generaldebatte zum Etat eröffnete eine längere Rede des Abgeordneten Ströbel (BK.), der die Abstufung in der Veranlagung der Einkommensteuer sprunghaft fand und stärkere Heranziehung der kinderlosen Ehepaare sowie der Junggesellen forderte. Bei einer richtig durchgeführten Organisation sei angesichts der guten Erntehoffnungen auch in diesem Jahre keine Hungersnot zu befürchten. Nötig sei ein planmäßiges Höchstpreissystem, an das auch die Militärverwaltung sich halten müsse. Die Hauptsache sei, Vorräte zu erzeugen. Bezüglich des Viehstandes, derden in Friedenszeiten übersteige, seien Richtpreise wichtiger als Höchstpreise. Redner empfahl u. a. eine Reform des Hypothekenkredits und Teuerungszulagen für die kleinen Beamten. Namens der Sozialdemokratie dankte Abgeordneter Keil den Soldaten und wünschte eine Abkürzung der Kriegszeit. E.s genüge die Wahrung unserer territorialen Rechte und die Gleichberechtigung mit den großen Völkern der Welt. Der Staatshaushalt werde hoffentlich auch in Zukunft jährlich geprüft werden. Nötig
Stadt, deren lächelnd liebenswürdiges Gesicht sich I plötzlich so ganz verändert hatte!" >
Die Fahrt war unerträglich lang; denn es gab an den Zwischenstationen wiederholt unvorhergesehenen, oft stundenlangen Aufenthalt; an der belgisch-französischen Grenze schien aus irgendwelchen unbekannten Gründen das Weiterkommen überhaupt in Frage gestellt, und erst nach mehrmaligem Umsteigen hatte Erna ihr Ziel erreicht.
Sie durfte zufrieden sein, daß sie unterwegs von niemandem als Deutsche erkannt worden war. Aber sie war zuweilen sehr nahe daran gewesen, sich selbst zu verraten; denn alle Gespräche, die um sie her geführt wurden, drehten sich ja einzig um den bevorstehenden Krieg gegen Deutschland. Und was dabei an unsinnigen, wüsten Beschimpfungen ihres Vaterlandes zutage gefördert wurde, trieb ihr mehr als einmal die Glut des Zornes in die Wangen. Mit einer Regung staunenden Entsetzens wurde sie inne, wie fremd ihr in Wahrheit bis zum heutigen Tage die Bevölkerung geblieben war, in deren Mitte sie ge- j lebt hatte, und wie vollständig sie sich in der ! Beurteilung der Menschen getäuscht hatte, die ihr bisher wohl zuweilen als überschwenglich großsprecherisch, doch im Grunde immer als gutarckg und harmlos erschienen waren. Die Fülle von Haß, die ihr da mit einem Male von allen Ecken und Enden entgegensprühte, ließ sie erschauern. Sie fühlte sich tief beschämt bei dem Gedanken, daß diese Menschen vielleicht dieselben waren, über deren lärmenden Beifall sie sich noch gestern gefreut hatte, und zugleich empfand sie den Unterschied zwischen dieser Rasse, die sich beim ersten Anlaß zügellos allen schlechten Instinkten hingab, und dem eigenen Stamme wie etwas ungeheuer Beglückendes und Erhebendes.
Ermüdet und ausgehungert, denn sie hatte auf der ganzen langen Reise kaum etwas genossen, entstieg sie in Antwerpen dem überfüllten Zuge, in
sei ein Reichsveranlagungsgesetz und die Zustinmww der Einzelstaaten, daß auch das Reich aus jh^ Steuerquellen schöpfe. Statt dessen, hätten sich ^ Finanzminister schützend vor den Geldsack gestellt Für die Familien der Kriegsteilnehmer sei bitter wenig geschehen. Der Wucher habe sich wegen ungenügender Entschlußkraft der Behörden bis zM Wahnwitz gesteigert. Seine Partei verlange bst Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts und auch eine Aenderung des württembergischen Wahlsystems. Die Klassengegensätze würden auch nach dem Kriege bleiben, und seine Partei werbe den Kampf gegen den Kapitalismus fortsetzen. Namens der Nationalliberalen bezeichnete der Ab- - geordnete Baumann die Erhöhung der Einkommensteuer als eine bis auf die vorgeschlagenen Schommgs- grenzen glückliche Lösung. Er wünschte eine bessere Unterstützung die Kriegerfamilien, die Herstellung einer deutschen Verkehrseinheit und eine Beherzigung der Lehren aus der Lebensmittelorganisation, für die die württeinbergische Regierung besseres Verständnis gezeigt habe, als der Bundesrat. Auch sei in Norddeutschland nicht alles getan worden, um die Lebensmittelversorgung so gut wie möglich durchzuführen. Redner schloß mit Dankesworten an das Heer und die Marine. Darauf wurde die Fortsetzung der Etatsberatung arif Montag nachmittag 4 Uhr vertagt.
Stuttgart, 17. Juni. In den letzten Tagen hat in Stuttgart auf Einladung der Württ. Fleischversorgungsstelle und der Landesgetreideltelle eine Besprechung zwischen Vertretern der beteiligten Landesversorgungsstellen und Oberamtsvorständen, Stadtvorständen und Gasthofbesitzern aus den wichtigsten württ. Kur- und Badeorten über die Versorgung dieser Plätze mit Fleisch, Fett, Käse, Eiern, Zucker, Mehl und Teigwarcn während der bevorstehenden Fremdenverkehrszeit statt. Dabei wurde festgestellt, daß der Besuch dieses Jahr wesentlich stärker zu werden verspricht als im Jahr 1914. Die zu erwart. Schwierigkeiten einer ausreichenden Beköstigung der Gäste wurden eingehend erörtert. Von den württ. Verteilungsstellen wurden dieffchon getroffenen Maßnahmen dargelegt und weiterhin tunlichste Berücksichtigung der Bedürfnisse der Badeorte, soweit es im Rahmen unserer einheimischen Vorräte und Kontingente möglich ist, in Aussicht gestellt. Dabei wurde aber betont, daß da, wo Aufbringung und Verbrauch von Reichswegen geregelt ist, die Vett sorgung nur unter entsprechender Mitwirkung da beteiligten Reichsstellen möglich sei. Es wurde dann mit vollem Recht daraus hingewiesen, daß unsere schwäbischen Badeorte in steigendem Maße aus Nord- und Westdeutschland besucht würden und daß darum ihre Versorgung mit Lebensmitteln keineswegs eine nur württeinbergische sondern eine allgemeine Angelegenheit sei.
Stuttgart, 17. Juni. Zur besseren Versorgung der Bevölkerung mit Graupen werden nach Mit-
Len man sie auf der letzten Umsteigestation gesteckt hatte.
Sie war noch nie in Antwerpen. geweisn, und sie dekalierte darum jetzt lebhaft, daß sie sich nicht die Zeit gelassen hatte, Hugo von ihrer bevorstehenden Ankunft telegraphisch in Kenntnis zu setzen. Denn die Zuversichtlichkeit und Unerschrockenheit, die sonst ihrem Wesen eigentümlich waren, hatten durch die letzten Erlebnisse doch eine sehr starke Erschütterung erfahren, und sie fühlte das sehnliche Verlangen, sich unter den Schutz eines starten, ritterlichen Mannes stellen zu dürfen. Zum Glück besaß sie wenigstens noch so viel, um sich einen Wagen zum Hotel nehmen zu können, und wenn sie nur erst einmal dort angekommen war, hatte ja nach ihrer Ueberzeugung alle Not ein Ende.
Das Haus, vor dem der Wagen hielt, machte ihr einen durchaus anheimelnden und vertrauenerweckenden Eindruck. Der Portier aber musterte die elegante junge Dame, die ohne jegliches Gepäck ankam, mit unverhohlen mißtrauischen Blicken. Als sie nach Herrn Hugo Raff fragte, zuckte er mit einer Miene des Bedauerns die Achseln.
„Herr Raff ist vor einer Stunde abgereist.*
Es war für Erna nicht anders, als würde ihr plötzlich der Boden unter den Füßen fort- gezogen, und es flimmerte ihr vor den Augen.
Mit Anstrengung nur brachte sie heraus:
„Abgereist? Und wohin?"
„Nach Brüssel, wenn ich nicht irre. Aber ich weiß es nicht bestimmt. Madame werden es besser im Hotelbureau erfahren können.*
Mit wankenden Knien und in hellster Le» zweiflung begab sich die Sängerin dorthin.
- (Fortsetzung folgt.)