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hier wurde gestern nacht 11 Uhr von der eigenen Mutter an der Mauer des kath. Gottesackers mit eingeschlagenen Schädel aufgefunden. Als des Mordes verdächtig wurde noch in der Nacht der Sohn des Todtengräbers Bruder festgenommen, welcher zuletzt bei dem ermordeten Mädchen gesehen worden war.

Homburg v. H., 16. Juni. Heute vor­mittag traf auf der Saalbnrg der Kaiser im Automobil, die Kaiserin zu Wagen ein. Zum Empfang waren erschienen Kultminister Studt und Oberbürgermeister Ritter v. Marx. Die Majestäten besichtigten unter Führung des Geh. Baurats Ja­kobi den rekonstruirten Mithrastempel und die in römischem Stil gebaute Doppel-Tribüne beim Start und Ziel des Gordon-Bennet-Rennens. Hier nahm der Herzog v. Ratibor die Führung. Alsdann wurden in der Saalburg die Statuen der Kaiser Hadrian und Alexander Severus besichtigt und in der Waffenhalle das Denkmal für Theodor Mommsen. Bei der Besichtigung waren zwei Söhne Mommsens zugegen. Dann begaben sich die Mojestäten auf den Wall des Lagers, wo einige nachgebildete alte rö­mische Wmfgeschütze ausgestellt sind, welche vom Grafen Zeppelin als Geschenk für die Saalburg seitens der Gesellschaft für lothringische Geschichte und Altertumskunde in Metz übergeben wurden. Die Geschütze wurden durch Major Schramm vom sächsischen Infanterieregiment Nro. 12 praktisch vor­geführt. Es wurden Pfeile und Kugeln abgeschossen. Hierauf fuhren die Majestäten nach Homburg zurück.

Homburg, 17. Juni. Als Sieger im Gordon-Bennet-R ennen ging der Fran­zose Thöry mit seinem Brasier-Wagen hervor. Er legte die Strecke in 5 St. 50 Min. und 3 Sek. zurück. Zweiter wurde Jenatzy mit dem deutschen Mercedes-Wagen in 6 St. 01 Min. 21 Sek. Der Kaiser fuhr sofort nach Bekanntwerden des Resultats um 4 Uhr per Automobil nach Homburg.

Speyer a. Rh., 16. Juni. Durch Warm­laufen eines Lagers der Maschine entstand in der hiesigen Baumwollspinnerei Feuer, das bald- zum Großfeuer ausartcte. Trotz raschen Ein­greifens der Feuerwehr und einer Kompagnie Pioniere brannte doch ein großer Teil der Fabrik ab. Der entstandene Schaden dürfte 1'/- Mill. -A. übersteigen. An 300 Arbeiter wurden durch den Brand broilos.

Berlin, 16. Juni. Der Reichstag wurde vom Reichskanzler namens des Kaisers bis zum 29. November d. I. vertagt.

Berlin, 17. Juni. Reichskanzler Graf Bülow empfing gestern die hier eingetroffene Ab­ordnung der durch den Herero-Aufstand in Süd­westafrika geschädigten deutschen Ansiedler. Die Abordnung schied vom Grafen Bülow mit dem Eindruck, daß die Reichsregierung die von ihr als

berechtigt anerkannten Wünsche beim Reichstage be­fürworten wird. Auf eine entsprechende Bitte er­klärte der Reichskanzler, daß er eine Audienz beim Kaiser vermitteln wolle. Ueber den Verlauf des Empfanges sandte die Deputation sofort ein Tele­gramm an ihre so schwer geprüften Landsleute im Schutzgebiet.

Berlin, 17. Juni. Von der ermordeten Lucie Berlin wurden heute vormittag die beiden Beine, die bisher fehlten, gefunden. Der Zuhälter Berger scheint so schwer belastet, daß er heute nachmittag der Staatsanwaltschaft zugeführt wurde.

Paris, 17. Juni. Im Hafen von Fusan hörte man die ganze verflossene Nacht bis zum Morgengrauen eine heftige Kanonade. Die japa­nischen Schiffe, welche am Gefecht nicht teilnahmen, befinden sich auf der Suche nach den russischen Kreuzern, deren Bewegung nach dem Süden zu Beginn der Woche aus Gensan fignalistrt wurde. Das russische HandelsschiffHeintk", das gestern Gensan verließ, ist in seinem Bestimmungsort Fusan nicht angekommen. Aus Hamheung wird gemeldet, daß sich Kosaken-Abteilungen abermals nördlich von dort konzentrierten.

Bozen, 17. Juni. Gestern früh fand ein großer Bergsturz bei Bribano statt. Mehrere Personen wurden unter den Trümmern begraben. Die sofort eingeleiteten Bergungsarbeiten hatten insofern Erfolg, als eS gelang, 5 Personen lebend hervorzuziehen.

Wien, 17. Juni. Von der Lemberger Re- forma wird aus Warschau gemeldet: Anläßlich eines Fabrikbrandes kam es infolge des rohen Ein­greifens der Polizei zu Kämpfen zwischen dieser und den Arbeitern. Ein Polizist wurde schwer verletzt. Er verstarb auf dem Wege nach dem Spital. Die Kosaken wurden von den Arbeitern mit Steinwürfen und den Rufen empfangen: Fort mit dem Zaren, es lebe die Freiheit, hoch die Sozialdemokratie. Kosaken und Polizei mußte vor den Arbeitern zurückweichen. Dabei wurde der Polizeimeister durch Steinwürfe am Kopfe verletzt. Um Mitternacht mußte Militär requiriert werden, welches zwei Salven abgab. Dabet wurden 8 Arbeiter, sowie eine Frau und deren Sohn er­schossen. 8 Soldaten sind getötet, 30 verwundet.

Petersburg, 17. Juni. Gestern wurde auf den finnländischen Generalgouverneur Bobrikow bei seinem gewöhnlichen Morgen­spaziergange in Nelstngfors ein Attentat ver­übt. Ein junger Mann trat auf Bobrikow zu und feuerte aus nächster Nähe zwei Schüsse auf ihn ab, von denen einer den Hals, der andere den Unterleib traf. Hierauf richtete der Attentäter, bevor jemand herbeieilen konnte, den Revolver gegen sich selbst und jagte sich eine Kugel durch den Kopf, sofort tot zusammenbrechend. Bobrikow wurde schwer verwundet nach Hause geschafft, wo die Aerzte den Schuß in den Magen als lebensgefährlich kon-

gestellt find. Neben der Kgl. Spende treten durch kunstvolle Arbeit und hohen Wert hervor: die Ehren­gabe der Herzöge Albrecht, Robert und Ulrich von Württemberg, des Professors vr. Simon aus Königs­berg, des Landesschützenvereins, der Stadt Tübingen, der Schützenfrauen von da, des Landeschützenmeisters Föhr, der Schützengilden des Landes, allen voran Stuttgart und aus hiesigen Kreisen: Staatsrat Kanzler v. Schönberg. Kammerpräsident Payer, Landtagsabgeordneter Liesching, Oberbürgermeister Haußer u. a.

Reutlingen, 18. Juni. Ein Unglücks­fall, der ein Menschenleben sorderte, ereignete sich gestern Mittag vor dem Hause Metzgerstraße 31. Als die Frau des Besitzers und Bäckers Hirsch­berger auf die Straße trat, fiel ihr ein schwerer Balken, den die Zimmerleute zur Erhöhung des Hauses um ein Stockwerk an einem Seil auf­gezogen hatten, mit aller Wucht auf den Kopf. Die Frau stürzte sofort bewußtlos zusammen und verstarb nach einer halben Stunde, ohne die Be­sinnung wieder erlangt zu haben. Wen die Schuld an dem traurigen Unfall trifft, muß die eingeleitete Untersuchung ergeben. Die Verunglückte war 40 Jahre alt und Mutter von 5 Kindern.

Lorch, 16. Juni. Heute besichtigte der Minister des Innern v. Pis chek mit dem Vorstand der Versicherungsanstalt Württemberg und anderen Herren das hiesige Genesungsheim. Darauf statteten die Herren der Stockfabrik von Dieterle und Mar- quard und der Kartonagenfabrik von Aug. W. Pfäffle, sowie der Wagenfabrik von Konrad Hörger einen Besuch ab, wobei sie ihrer Freude über die blühende Industrie unseres Städtchens wiederholt Ausdruck gaben.

Blaubeuren, 16. Juni. In Berghülen kam am Mittwoch ein älterer Mann auf merkwürdige Weise ums Leben. In einem von ihm allein be­wohnten Hause drang in den Keller Grundwasser ein; er hatte die Gewohnheit, abends in diesem Wasser ein Fußbad zu nehmen. Auf bis jetzt un­aufgeklärte Weise hat er dabei den Tod gefunden. Er wurde ertrunken im Keller aufgefunden.

Bühlenhausen OA. Blaubcuren, 17. Juni. Auf eigenartige Weise fiel hier ein Einbrecher der Polizei in die Hände. Er stieg durch Eindrücken eines Fensters in ein zur Nachtzeit unbewohntes Wirtschaftslokal ein und tat sich zunächst am Wein- Vorrate gütlich. Dieser scheint ihm sehr gemundet zu haben, denn er vertilgte nicht weniger als sieben Flaschen Wein und leistete sich dann auch noch eine Flasche Schnaps. Die Wirkung blieb natürlich nicht aus und wurde der durstige Einbrecher am andern Morgen von den Wirtschaftspächtern auf dem Küchenboden schlafend angetroffen. Die benach­richtigte Polizei nahm sich seiner an und er wurde mittelst Wagens nach Blaubeuren eingebracht.

Bi der ach, 17. Juni. Die 12 Jahre alte Viktoria Prestle, Tochter des Leichenbesorgers Prestle

stehen und sich noch erregt über den jähen Todesfall unterhalten. Er trat zu ihnen, um zu hören. Eine derselben berichtete ihm, sie sei gerade von ihrer Dachkammer herabgekommen und habe erschreckt auf dem Treppenabsatz unter deS Professors Wohnung diesen am Boden liegen sehen. Eine ältere, verschleierte Dame sie beschrieb ihm dieselbe die ihm auf der Treppe begegnet sein müsse, habe mit gefalteten Händen dagestanden, sei aber keines Wortes mächtig gewesen. Sie, die Magd, sei entschlossen hinabgeeilt, um Hilfe zu holen und als sie mit dem Hausburschen wieder heraufgekommen, sei ihr die Dame schon auf der untersten Treppe begegnet, wo sie sich, halb ohnmächtig durch den Schreck, an das Geländer geklammert, da ihre Füße sie kaum zu tragen vermochten. Die Magd erklärte, sie müsse eine Fremde gewesen sein, man Hobe sie nie zuvor im Hause gesehen; der Verstorbene habe jedenfalls seinen gewohnten, abendlichen Spaziergang, diesmal ohne die Tochter, machen wollen. Wer die Fremde ge­wesen sein könne, davon habe Niemand eine Ahnung.

Der Fürst suchte in hoher Aufregung seinen Wagen und jagte schnell in die Stadt.

Allegrina erhob sich am Morgen in gänzlicher Abspannung. Trotz geistiger Erschöpfung hatte sie nur wenige Stunden des Schlummers gefunden und aus diesem hatten sie die düstersten Traumbilder geweckt.

Sie fand den Dahingeschiedenen im Nebenzimmer bereits aufgebahrt, beugte sich über sein Antlitz und drückte einen Kuß aus seine Stirn. Er sah so freund­lich aus, seine Züge waren so mild, er war so schmerzlos hinübergegangen. Sie konnte nicht verweilen, denn der Fürst hatte Wort gehalten; sein Diener war schon früh mit Leuten erschienen. In ihr Zimmer zurückgekehrt, überreichte ihr Jppolita einen Brief, den der Postbote gebracht. Sie erkannte an der Adreß- schrist die Hand ihrer Schwester.

So kann ich ihr wenigstens die traurige Botschaft senden!" Auf einen Stuhl sinkend, öffnete sie. Aber die erste Zeilen machte sie erschrecken, ihre Hand zitterte, ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, während sie laS:

Herzliebste Schwester, ich flehe Euch an, helft mir aus meiner grausamen Not! Schon während ich auf dem großen Wasser schwamm, hatte das Theater, an das mich ein gewissenloser Agent engagiert, Bankerott gemacht und so kam ich denn hier an in einer fremden, um mich hertobenden Welt, deren Sprache ich nicht einmal verstehe. Ich will, ich muß es Dir bekennen: auf dem Schiffe fand ich den jungen Engelbrecht. . ."

Allegrina ließ den Brief sinken bei dieser Unwahrheit. Auch der Gedanke an das Schicksal der leichtfertigen Schwester machte ihr von neuem das Herz so schwer. Aber sie faßte sich, sie las weiter:

Auf seine Hilfe hätte ich rechnen können in meiner Bedrängnis, nachdem man uns in ein Boardinghouse gebracht. Ich sage nämlich uns, weil noch mehrere deutsche Kolleginnen, für dasselbe New-Aorker Ballet engagiert, auf dem Schiffe waren. Aber dieser leichtsinnige Mensch hat sich an Bord in eine von denselben verliebt, da er bei ihr mehr Entgegenkommen fand als bei mir und war, als man uns in dem Pensionshause von dem Bankerott erzählte, mit dieser spurlos verschwunden.

Du kannst Dir unfern Schreck vorstellen! Was sollten wir beginnen ohne irgend Jemand, dem wir unsere Not hätten klagen können, denn Jede von uns hatte nur noch einige Dollars in der Tasche und das durften wir dem Wirt nicht verraten, der unS jedenfalls vor die Tür gesetzt haben würde, denn man ist schrecklich herzlos in dieser neuen Welt, di« ich schon beim ersten Schritt in die­selbe verfluche."

(Fortsetzung folgt.)