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Sonntag, den 19. Juni 1904.
AbonnenientSpr. in d. Stadt pr. Btertelj. Mk. 1.10 incl. Trägers. Merteljährl. PostbezugSpreiS ohne Besteüg. f. d. OrtL- u. Nachbar- ortSverkehr 1 ML, f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.
Amtliche Aekanntmachnnge«.
An die Gemeindebehörden.
Unter Bezugnahme auf den Minist.-Erlaß vom 24. April 1904 Nr. 3973 (Minist-Amtsbl. S. 263), betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher
Krankheiten läßt das Oberamt den Gemeindebehörden je eine Anweisung zur Bekämpfung der Pest, der Cholera, der Pocken, des Fleckfiebers, (Flecktyphus) und des Aussatzes (Lepra) zugehen, welche beim Auftreten einer der genannten Krankheiten zur Richtschnur zu nehmen sind.
Calw, 18. Juni 1904.
K. Oberamt.
Amtm. Rippmann.
Tagesnenigkeiten.
Calw, 18. Juni. Seine Majestät der König hatte dem Töchterchen des Herrn Stadtschultheiß Conz, welches am 29. Mai Seiner Majestät einen Blumenstrauß überreichen durfte, ein goldenes Medaillon mit dem Königlichen Namenszug als Andenken an diesen Tag übersandt. Es darf dies als ein besonderes Zeichen der Befriedigung des Königs über den hiesigen Empfang angesehen werden.
* Calw, 18. Juni. Eine neue Einrichtung hat unser Luftkurort erhalten: das Waldcafö von Hrn. Konditor Schn ausser in den oberen Anlagen wird morgen dem Verkehr übergeben. Damit ist ein Sammel- und Aufenthaltsort für die Kurgäste geschaffen, der gewiß ein Mittel zur Hebung des Fremdenverkehrs zu werden verspricht. Aber auch Einheimische werden diesen Platz gerne aufsuchen, ist er doch im schönsten Teile des Stadtgartens gelegen und wie geschaffen zu einem an
genehmen Aufenthalt. Das Blockhaus selbst macht einen hübschen Eindruck, die Ausstattung ist neu und sehr schön und das Ganze paßt seinem Charakter nach trefflich zu dem idyllischen Parkplatz. Dem neuen Unternehmen wünschen wir kräftige Unterstützung von seiten der hiesigen Einwohner und dadurch besten Erfolg.
Sindelfingen, 15. Juni. Eine ledige Fabrikarbeiterin von Ehningen stürzte sich gestern nacht mit ihrem 1'/- Jahre alten Kinde, das sie um den Leib gebunden, in der Absicht, sich und das Kind zu ertränken, in den nahen Seemühlesee, weil sie kein Kostgeld für ihr Kind bezahlen konnte. Sie wurde aber mit dem Kind von Arbeitern, die beim See beschäftigt waren, noch lebend aus dem Wasser gezogen. Die Unglückliche ist jetzt im hiesigen Krankenhaus.
Stuttgart, 17. Juni. Lehrerpetitionen standen heute in der Abgeordnetenkammer auf der Tagesordnung. Nachdem gestern die allgemeine Debatte vorausgegangen war, befaßte sich das Haus heute mit der Einzelberatung der von den Lehrervereinen vorgctragenen Wünsche. Der Wunsch nach Einführung der achtjährigen Schulzeit wurde der Regierung zur Kenntnisnahme übergeben. Kultministcr v. Weizsäcker teilte in der Debatte hierüber unter Vorführung statistischen Materials mit, daß die Anzahl der Eintritte von Schulkindern in die Schule im 6. Lebensjahre fortgesetzt abnehme. Zur Zeit denke die Schulverwaltung nicht daran, die Einführung des achten Schuljahres, die einen Mehraufwand von 1400000 ^ betragen würde, vorzuschlagen. Die Bitte der Lehrervereine nach Einführung einer Allgemeinen Volksschule wurde der Regierung zur Kenntnisnahme
übergeben, nachdem ein Antrag Schmidt-Maulbronn, der auf Berücksichtigung lautete, abgelehnt worden war. Ebenso wurden verschiedene andere Bitten der Regierung teils zur Kenntnisnahme, teils zur Erwägung und Berücksichtigung übergeben, die sich auf den Ausbau der Schule und auf die Fortbildung der Lehrer beziehen. Der Wunsch der Lehrer nach einem weiteren (sechsten) Bildungsjahr wurde der Regierung zur Berücksichtigung übergeben, ebenso der Wunsch nach Einführung einer fremden Sprache unter die Gegenstände der allgemeinen Bildung der Volksschullehrer. Die Bitte, daß den Schulamtskandidaten nach erstandener Abgangsprüfung aus dem Seminar der Besuch einer Hochschule behufs pädagogischer und philosophischer Studien gestattet werde, wurde nach längerer Debatte der Regierung zur Erwägung übergeben. Schließlich wurde noch die Bitte der Aolksschullehrer um Verbesserung ihrer Gehaltsund Pensionsverhältnisse, ebenso die Bitte um Ausbezahlung ihrer sämtlichen Gehaltsbezüge durch das Kaweralamt der k. Regierung zur Berücksichtigung empfohlen. Morgen findet die zweite Beratung des Gesetzes betr. Fürsorge für nichtpensionsberechtigte Lehrer und Lehrerinnen statt; ferner wird morgen über den Antrag Hieber u. Gen. betr. Ueberwachung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genußmitteln verhandelt werden.
Cannstatt, 17. Juni. Der 19 Jahre alte Schlosser Adolf Stütz von Stuttgart ist gestern abend beim Baden im Neckar ertrunken.
Tübingen, 17. Juni. Das Auslagefenster Mauthes in der Uhlandstraße ist den ganzen Tag von Beschauern besetzt, seit die Ehrengaben in Gold und Silber zum Landesschieben aus-
Nachdruck oerbvlen
Die Schwestern.
Roman von Hans Wachenhusen.
(Fortsetzung.)
„Ich danke Ihnen, Durchleucht!* sprach sie mit Anstrengung .Ji, diese Schickung war die schwerste . . . und gerade jetzt ... Ec war io glücklich, seine Heimat Wiedersehen zu sollen, um die er stet» getrauert in der er sterben wollte! Es sollte nicht sein! Und ohne Abschied von mir —I Aber ich fühle meine Pflicht, diese Schickung gefaßt hinzunehmen; Gott war so gnädig, mich vorher zu versorgen, ich will ihm dafür dankbar fein, wenn es nach seinem Ratschluß nicht anders sein konnte, das Wenige, was er hinterlaffen, wird aukreichen, ihn der kühlen Erde eines fremden Landes zu übergeben. Jppolita wird allein zurückkehren und ich . . . Müßt ich, wohin ich der armen Schwester die Trauerbotschaft senden könnte!* unterbrach sie ihre Gedankenrichtung. „Sie, ohne zu ahnen, wie schnell . .* Sie führte das Taschentuch an die Augen und schüttelte da- Antlitz darin vergrabend, den Kopf. O, es ist sehr traurig auch für sie!* Dem Fürsten erschien «S, als sei sie durch diesen Schicksalsschlag um einige Jahre gealtert, wenigstens gereift, als sie daS Antlitz wieder erhob, gestört durch das unheiml.che Geräusch in dem geschloffenen Nebenzimmer, das dem Vater gehörte. Sie erbebte, beherrschte sich aber gewaltsam, um sich gefaßt zu zeigen.
„Bin ich Ihnen lästig, so befehlen Sie, daß ich gehe; ich tue es jedoch nicht, ohne die dringende Bitte, alles Traurige, was jetzt geschehen muß, meiner Sorge zu überlaffen!* Der Fürst nahm seinen Hut, überzeugt, daß sie allein mit ihrem Schmerz sein wolle und doch zögerte rr.
„Ich gestehe Ihnen, so schwer mich diese Botschaft ergriffen, mir war sie nicht überraschend. Der Selige sprach mir bei meinem letzten Zusammensein mit ihm von seinem zunehmenden Herzleiden, das er Ihnen verheimlicht. Seine steigende Sehnsucht nach der Heimat entsprang dem Wunsche, dort begraben zu werden. Ich betrachte dies als einen seiner letzte» Wünsche; meine engen Beziehungen zu unserer Gesandtschaft in Rom werden es mir leicht machen, diesen Wunsch zu erfüllen, ich erwarte nur Ihre Zustimmung.*
Ein Blick der Ueberraschung aus den so unglücklichen Augen traf ihn. Sie war keines Wortes fähig, aber sie reichte ihm hastig die Hand, während von neuem Tränen über dis bleichen Wangen rannen, Tränen des Dankes dafür, daß des Dahingeschiedenen Wunsch, den er auch ihr schon geäußert, nun in Erfüllung gehe.
„So werden wir Alle diese Stadt verlassen habe», die auch ich nicht Wiedersehen werde!* sagte sie, nachdem sie ihre Fassung wiedergewonnen. „Seien Sie meines ewigen Dankes versichert!*
Der Fürst zauderte noch immer. Der Abend war vorgerückt, unheimlich drang das Geräusch aus dem Nebenzimmer herüber.
„Ich weiß. Sie sind hier unter dem Schutze Ihrer Dienerin!* sagte er. „Wollen Sie mir ein kleines Zeich n Ihres Dankes gewähren, so versprechen Sie mir, nichts zu tun, ohne meinen Rat gehört zu haben. Die Umstände rechtfertigen Sie, wenn Sie sich jeder B stimmung, sei es, was es wolle, enthalten. Nicht wahr. Sie versprechen wir?* Er nahm ihre Hand und preßte sie in der seinigen. Ein stummes Neigen des KopfcS war die Antwort. „Ich eile jetzt, daS Notwendige für den Transport bei der Behörde zu besorgen und erlaube mir, morgen früh wieder zu erscheinen!*
Unten im Flur dcS Hauses sah der Fürst die Mägde desselben beisammen