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Petersburg, 2. Juni. Der koreanische Gesandte erklärte in einem Interview, in Korea wünsche man einen Sieg der russischen Waffen. — Die Stimmung in China sei gleichgültig, ob die Japaner oder die Russen den Sieg davon tragen.
Paris, 2. Juni. Der „Temps" will wissen, daß König AlfonS von Spanien sich mit der Prinzessin Viktoria von Connaught verlobt habe. Die anglikanische Prinzessin trete znm Katholizismus über.
London, 2. Juni. Der Sonderberichterstatter der „Times" drahtet unterm 1. Juni aus TsÄifu: Die Russen räumten Dalny sobald das Ergebnis des Kampfes bei Kintschau bekannt wurde. Die Japaner besetzten den Ort erst 30 Stunden später. Inzwischen herrschten anarchistische Zustände, da die chinesische Ortsbehörde die Gefängnisse geöffnet hatte. Sobald die Taltenwan- Bai mit Sicherheit betreten werden kann, wird das japanische Belagerungskorps landen. Das 2. Armeekorps wird voraussichtlich Port Arthur einschließen, während das 3. Korps mit einer besonders organisierten fliegenden Kolonne sich am Vormarsch der 1. Armee auf Mukden beteiligen wird.
London, 2. Juni. „Daily Expreß" meldet aus Tschifu. Man erwartet bereits für heute einen neuen Angriff der Japaner auf Port Arthur. Die 3. japanische Armee wird, wie man glaubt in der Nähe von Port Arthur wahrscheinlich in der Taubenbucht landen. Die Russen haben zur Hälfte die Stadt Dalny zerstört. Der Ort brennt noch immer und die Japaner machen große Anstrengungen, das Feuer zu löschen.
London, 2. Juni. Nach einer Meldung der „Central-News" aus Tokio schlug General Kuroki in einer großen Schlacht bei Sumentse Kuropaikin. Die Russen verloren mehrere Kanonen und gaben ihre Stellung bei Haitscheng auf. Aus Petersburg wird ein 3tägiges Gefecht bei Sumentse gemeldet, nach welchem sich die Russen zurückzogen.
Chicago, 2. Juni. Die Chicagoer „Daily News" meldet aus Tokio: Die Japaner haben die Absicht, nach der Einnahme Port Arthurs sich dort niederzulassen. Von den Mächten wird kein Widerstand erwartet. Die Japaner würden sich dann der Insel Sachalin und des Tataren-Golfes bemächtigen, welche sie wenn der Frieds wieder hergestellt ist, als letztes diplomatisches Mittel verwenden würden. Wetter beabsichtigen sie auf der Insel Koje, welche die Meerenge von Korea beherrscht sowie auf Formosa und Lontschiau Befestigungswerke zu errichten.
Tschifu, 2. Juni. DieRussen leisteten auf ihrem Rückzuge nach Port Arthur jeden Schkitt breit hartnäckigen Widerstand. Sie zerstörten die Eisenbahn, verbrannten alle Häuser und machten überhaupt die Kwantung-Holbinsel zu einer Wüste. Die Blokade durch die japanische Flotte ist noch
keine effektive. Viele Seeräuber-Dschunken umkreisen die Halbinsel wie Krähen einen Leichnam. Der Dschunken-Verkehr zwischen Tschifu und Port Arthur ist von Piraten unterbrochen.
Mukden, 2. Juni. Am 17. Mai fand bei Vafango südlich von Kaitschou ein siegreicher Kampf zwischen drei Schwadronen Dragonern und 2 Sotnien des 8. sibirischen Kosaken-Regiments und 2 Sotnien Grenzwachen, mit dem 13. und 14 japanischen Kavallerie-Regiment, 4 Kompagnien Infanterie und einer Batterie Maschinengewehre statt. Zwei japanische Schwadronen wurden durch Lanzenretter vernichtet. Der Rest wurde zurückgeworfen. Die japanische Infanterie zog sich zurück und verschanzte sich.
Ucrmischtes.
— Aus Karlsruhe wird gemeldet: Der Großherzog hat mit StaatSministerialgenehmi- gung dem Generalleutnant a. D. Grafen Zeppelin in Stuttgart die Erlaubnis zum Vertrieb von 5000 mit dem Stempel des Bezirksamts Karlsruhe zu versehenden Losen der von ihm im Laufe des Jahres zu veranstaltenden Lotterie erteilt. Durch diese Lotterie will sich Graf Zeppelin die Mittel für die Herstellung eines lenkbaren Luftschiffes verschaffen.
— Seltsame Frauenberufe. Immer neue Wege und neue Mittel sucht die Frau, um sich im Kampfe ums Dasein zu behaupten, und daß sie solche zu finden weiß, ist sicher ein Beweis für den Ernst ihres Wollens, aber auch für den Scharfsinn und die Beweglichkeit ihres Geistes. Natürlich laufen auf dieser Jagd nach neuen Ideen und Berufen oft die größten Seltsamkeiten mit unter, besonders in Amerika, das seinen Frauen ja in allen Dingen so ziemlich freie Hand läßt und den Absonderlichsten noch ein gewisses Verständnis entgegenbringt. Nächst Amerika ist England die Geburtsstätte origineller Frauenberufe, die übrigen Länder bleiben mehr oder weniger in den soliden Grenzen bürgerlichen Erwerbs, und sehr selten nur dürfte von ihnen eine Extravaganz nach dieser Seite hin zu melden sein.
Einen originellen Beruf hat sich die Tochter eines amerikanischen Predigers Miß van Slyke, erwählt. Die Dame übernimmt die „Reparatur beschädigter und verwitterter Grabstein-Inschriften" und soll ihr gutes Brot dabei finden. Jedenfalls kann man sie an schönen Tagen oft auf halbzerfallenen Gräbern sitzen sehen, das Malgerät neben sich und den Pinsel in der Hand, in emsiger Arbeit die verblaßten Buchstaben Hochziehen. Man sagt, der Besuch eines alten Friedhofs mit seinen vernachlässigten Gräbern habe ganz zufällig diesen Gedanken in ihr angeregt. Weniger idyllisch ist das Los, das eine andere Amerikanerin, Miß Rose Stur- geon sich erwählt hat. Hoch auf dem Kutschbock einer stattlichen Postkutsche thronend, lenkt sie jahraus, jahrein, in Sonnenbrand und Unwetter ihr Fuhrwerk zwischen Andrews und Denio in Oregon hin und her, mit einer Umsicht und Rübe, die ihr das Lob eingetragen haben, der beste Postillon in ganz Amerika zu sein. Als weiblicher Jockey fristet Miß Bagwill ihr Leben; auch sie führte gewissermaßen der Zufall zu diesem ungewöhnlichen Beruf. Ungünstige Spekulationen brachten sie und
ihre Familie über Nacht an den Bettelstab, und da die verwöhnte Millionärstochter von allen Liebhabereien, die sie bisher betrieben hatte, nur die edle Reitkunst aus dem Grunde verstand, so zog sie mit echt amerikanischer Energie Vorteil aus diesem, ihrem einzigen Kapital und zählt heute, nach wenigen Jahren schon, zu den ersten Jokeys der freien Staaten.
Als neuester Beruf gilt zur Zeit das Entziffern von Hyroglhphen, dem sich in Amerika und England eine Anzahl strebsamer Frauen gewidmet haben. Die Idee hierzu ging von Miß I. B. Murray aus, dis längere Zeit als Assistentin des Aegyptologen Mr. Feinders-Petrie tätig war. Sie hatte die Bemerkung gemacht, daß nur eine beschränkte Anzahl von Forschern die Inschriften der zu Tage geförderten altägyptischen Denkmäler und Wandskulpturen zu entziffern vermochten und deshalb, schnell entschlossen, eine „Hyroglyphen-Schule" gegründet, in der sie ihre Geschlechtsgenossinnen an der Hand eines selbstverfaßten Leitfadens in die Geheimnisse der Bilderschrift einsührt, — wie man sagt, mit gutem Erfolg.
Auch die „professionelle Brautjungfer" ist eine Errungenschaft allerneucster Zeit. Eine Londoner Witwe der höheren Gesellschaftskreise hat im fashionablen Westend eine „Agentur zur Vermittlung professioneller Brautjungfern" eröffnet, die auf Bestellung hübsche, junge Damen als „driäs- waiäs" zu mäßigen Preisen „ausleiht". Das Honorar beträgt per Hochzeit für jede Brautjungfer durchschnittlich 1 Guinee (ca. 21 ^ä), erhöht sich aber bei besonderen Toileltenansprüchen. Fahrten über Land oder in die Provinz werden natürlich extra vergütet. Die berufsmäßigen briLswatäs sind gebildete Damen, die in speziellen Kursen mit allen Anforderungen ihres Berufs vertrant gemacht und erst dann „verliehen" werden, wenn sie darin vollständig sattelfest sind.
Schließlich sei noch eines originellen Frauenerwerbs gedacht, der weder große Klugheit, noch Kunstfertigkeit oder Takt, aber doch eine ganze Portion Heroismus verlangt, wir meinen den Beruf der — Schuhaustreterin. Sicher gehört es nicht zu den Annehmlichkeiten, täglich stundenlang in neuen, drückenden und brennenden Sttefelchen einherzustolzieren und sie ihren schönen Besitzerinnen regelrecht „auszutreten". Und doch finden sich auch für diese Strapaze Frauen genug, arme Frauen, die um ihr Dasein kärglich zu fristen, ihren glücklicher gestellten Mitschwcstern auf diese Weise tatsächlich den Gang durchs Leben erleichtern.
Kitterarisches.
* Calw. Das Echwarzwaldvad Teinach
(Mineralbad und Wasserheilanstalt). Neuer Führer für Kur- und Sommergäste nebst kurzer Charakteristik für die Kollegen von Hofcat vr. W. Wurm daselbst. Achte umgearbeitete Auflage. Mit 12 Abbildungen und 2 Karten. Stuttgart und Wild- bad. Verlag von Holland und Josenhans 1904. Preis 1 60 A
Ein wohlbekanntes Büchlein liegt in neuer Gestalt und handlicherer Ausgabe vor uns. Für seine Brauchbarkeit sprechen beredt die notwendig gewordenen 8 Auflagen. Das Schriftchen zer-
Zwei Tränen rannen über ihre Wangen. Sie hatte die Tuge der bitteren Enttäuschung verlebt. Was ihr von den Agenten geboten wurde, war schließlich nur die dürftigste Gage einer Anfängerin mit noch unvollendeter Schule, vollständigem Mangel an dramatischer Ausbildung, dis ihr ein alter, verknöcherter Gesanglehrer unmöglich halte beibnngcn können. Diese Agenten hatten, obwohl sie sich um sie beworben, ihr gegenüber eine so nüchterne, so entmutigende Sprache geführt, daß sie an ihrem Können verzweifelte. Sie sollte sich nicht irre machen lassen durch den Applaus von Enthusiasten, der mehr ihrer Person gegolten. Sie solle nur zugreifen, rieten sie ihr, und emsig lernen, so werde sich alles finden. Wer nicht die Mittel besitze, sich eine gründliche Ausbildung zu verschaffen, der müsse von der Piks auf dienen u. s. w.
Zu traurig war das für sis. Der Vater, wenn er sein Augenlicht vielleicht ganz verlor, war auf seine Kinder angewiesen. Von Rosa harte er jedenfalls nichts zu hoffen, denn diese benahm sich schon j tzt recht herzlos gegen ihn, und wenn auch sie fortging, wenn der alte Mann allein dastand in einem Lande, in dem er nie wirklich heimisch geworden, was ward aus ihm?
Garzoni hatte an ihr seine Schuldigkeit getan, aber jetzt dem Landsmann, ihrem Vater, eine Rechnung übrr den ganzen JahreSrcst gesandt. Der Vater hatte sie noch nicht gesehen, indeß Allcgrina wußte, daß man schon von den Ersparnissen besserer Jahre zehrte, und wie jetzt bezahlen? Eine kleine Künstlervension war dem Vater früher in Aussicht gestellt, aber seit langem nicht mehr die Rede davon gewesen, und er selbst zu stolz, um daran zu mahnen.
Trostlos war alles! Jppolita, die als Haushälterin den Mangel am deutlichsten empfinden mochte, saß stundenlang in ihrer Küche, auf ihre alten Tage von Heimweh ergriffen» da nicht alles mehr so ging wie einst, vergrämt und menschenfeindlich, ohne Anhalt, da sie selbst nach so langen Jahren noch nicht
der deutschen Sprache mächtig. Sie hatte immer das Lmd verwünscht, mit dessen Sitten sie sich nie befreunden konnte. Eben trat die Alte ein, als Allegrina durch ein Schellen draußen erschreckend zusammengefahren. Sie brachte ein Kouvert, das die Handschrift Rosa's trug. Mit bangem Vorgefühl öffmte Allegrina.
Die Schwester schrieb mit großen, flüchtigen Buchstaben, sie komme so den vom Bureau des Agenten Röter, wo sie einen Kontrakt nach Wien unterzeichnet; der Vater werde ihn auch noch unterschreiben müssen ; der Agent werde ihm das Papier zusenden. All-grina möge ihn darauf vorbereiten, sie selbst sei zu beschäftigt. Sie sei überglücklich, fügte sie hinzu. Die Gage sei zwar keine bedeutende, aber sie weide steigen, wenn si; gefalle. Einstweilen sei sie noch in Verzweiflung, wie sis all' die Toilette beschaffen solle, ohne die man in einer Stadt wie Wien unmöglich anständig auftreten könne. „Aber, nur tapfer vorwärts!" schloß sie, „es wird sich ja alles finden!"
Allegrina trat an das Piano, um sich an diesem die trüben Gedanken fortzuphantasieren! Inzwischen sanken aber doch ihre Hände an den Tasten herab. Ihre Gedanken kehrten zu dem jungen Fürsten zurück. Was wollte der mit seinen Artigkeiten, mit seinen Bedenken, die er auch dem Vater jedenfalls nicht verschwiegen? Warum drängte er sich in ihre so trostlose Existenz?
VI.
Um die nächste Mittagsstunde befand sich Rosa auf dem Wege zum Agenten Röter, der sie hatte rufen taffen. Was sie der Schwester gestern geschrieben hatte, war geflunkert; sie erwartete aber, daß alles so kommen werde, wie sie Allegrina mitgeteilt.
Der Bureauchef, die rechte Hand des bei den Bühnen so einflußreichen Agenten, der früher selbst Schaufpieldirektor gewesen, empfing sie und bat sie, im Vorzimmer zu warten. (Fortsetzung folgt.)