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60.

Neuenbürg, Mittwoch de» 14. April 1915.

73. Jahrgang.

Der Krieg.

Fortgang der französischen Offensive.

äpk. Berlin, den 12. April.

Von unserem militärischen Mitarbeiter wird uns zu den Meldungen der obersten Heeresleitung vom Samstag und Sonntag geschrieben:

In immer stärkeren Anstürmen erneuern die Fran­zosen ihre Versuche, um an einer Stelle der deutschen befestigten Linien durchzudringen, ohne aber auch nur einigen anhaltenden Erfolg zu erringen. Es hat auch den Anschein, als ob in Frankreich den Berichten des Generalissimus Joffre nicht recht geglaubt wird. Einige Zeitungen wenigstens suchen nach Entschul­digungsgründen, die diese lügnerischen Darstellungen rechtfertigen sollen; so schreibt u. a. eine Zeitung, daß Joffre seine Berichte wahrscheinlich abgesandt habe, als die Nachricht von dem Wiederverlust der eroberten Schützengräben noch nicht eingetroffen war. Wie kindlich diese Entschuldigung ist, scheinen die Franzosen nicht zu merken. Im übrigen scheint die französische Heeresleitung sich mit besonderer Wut auf die Stellung an den Combres-Höhen, bei les Eparges, verbissen zu haben, da hier die Angriffe besonders stark einsetzen. Diese Angriffs haben aller­dings den Vorteil, daß sie sich unter dem Schutz der Festungswerke von Verdun vollziehen und, falls sie Mißlingen, ein Nachstoßen der deutschen Truppen be­sonders schwierig machen, da die Frstungsgrschütze und Festungswerke einen besonders starken Widerstand zu leisten vermögen, die nicht so einfach zu überrennen sind. In einer offenen Feldschlacht, bei der größere Befestigungsftellungen keinen besonderen Rückhalt bieten, ist die Gefahr eines Gegenstoßes gegen die Stellungen eines vom Angriff geschwächten und nun zurückflutenden Gegners besonders erfolgreich. Die jetzt auf dieser Front erfolgten Angriffe waren eigent­lich schon seit langem gegeben und versprechen grö­ßeren Erfolg im Falle eines Durchbruches, als die Angriffe in der Champagne. Zwar würde die Festung Metz einen weiteren Vormarsch hindern, insbesondere wenn der Durchbruch bei Pont ä-Mouffon erfolgen sollte, aber die Angriffe auf der Front von St. Mihiel sollen wohl mehr den Zweck haben, die Truppen mit ihren Reserven festzuhalten, als daß ein ernstlicher Durchbruch erzwungen werden soll, was natürlich nicht ausschließt, daß bei einer günstigen Gelegenheit, die in schwachen Stellungen oder anderen Dingen bestehen kann, doch der Durchbruch vollzogen wird, da dann die Stellungen mit der Front nach Westen kaum zu halten sein dürften. Deshalb müssen von deutscher Seite nach allen de« Kampfstellen beträcht­liche Kräfte geworfen werden, die allerwegs, je länger die Stellung gehalten wird, umso stärker werden.

Die Angriffe der Russen bei Mariampol wurden abgewiesen und dabei zahlreiche Gefangene gemacht.

Berlin, 13. April. DerBerl. Morgenpost" wird aus Wilhelmshaven berichtet:lieber den Untergang des U-BootesU 29" sind bisher Einzel­heiten hier noch nicht bekannt geworden. Aber wenn auch die Meldung der Basler Nachrichten, wonach U 29" in der irischen See einen feindlichen Kreuzer zum Sinken gebracht haben soll und dann von mehreren englischen Kriegsschiffen versenkt worden sei, bisher keine amtliche Bestätigung gefunden hat, so hält man diese Meldung doch für glaubhaft. Dann würde sich auch das rätselhafte Schweigen der eng­lischen Admiralität erklären. Sollte sich diese Nach­richt bewahrheiten, so wäre die Zahl der von Kapitän­leutnant Weddigen vernichteten englischen Kriegsschiffe auf 5 angewachsen.

Berlin, 13. April. Aus Wien wird unter dem 12. April derVolkszeitung" gemeldet: Ueber den Rückzug der Russen an der Bukowinagrenze

wird noch gemeldet: Unser gelungener Angriff am gestrigen Tag hat den bisher offensiven Feind ge­zwungen, dem unerträglichen Feuer unserer Geschütze auf der ganzen Linie auszuweichen. Dieser Rückzug ging auf der ganzen Strecke in der Gegend von Bojan fluchtartig vor sich. Hier haben die Russen ihre Truppen bis an die russische Grenze zurückgezogen.

Zürich, 13. April. Bei der Insel Wight wurde einer hier aus London ringetroffenen und an die Deutsche Tageszeitung" weitergegebenen Meldung zufolge ein französischer Dreimaster, der aus Nantes kam, von einem deutschen Unterseeboot torpediert. Die Besatzung wurde gerettet.

Paris. 13. April. (Drahtb. WTB. Agence Havas.) Der französische DampferFrederic Frank" wurde gestern auf der Höhe von Ports­mouth torpediert. Die Besatzung wurde gerettet. Ferner wurde der englische DampferPresident" aus Glasgow am Samstag bei Eddystone von einem deutschen Tauchboot versenkt. Auch in diesem Falle wurde die Besatzung gerettet.

London, 13. April. (WTB.) Reuter meldet: Die Blätter veröffentlichen folgendes Telegramm, das in Aberdeen aus Lsrwick (Shetlandinseln) eingetroffen ist: Gestern abrnd fand eine schreckliche Explosion statt. Die ganze Straße am Hafen ist vernichtet. Viele Menschen sind umgekommen. Weitere Einzel­heiten fehlen, noch.

England. Das englische Marineministerium hat sehr scharfe Maßregeln ergriffen, um die eng­lischen Häsen gegen die Angriffe der deutschen Unter- ! seeboote zu sichern. In einer Anzahl englischer Häfen wird die Einfahrt fremder Schiffe bis auf weiteres überhaupt verboten und im übrigen bestimmt, daß jedes fremde Schiff, welches sich den englischen Häfen nähert, nach Signalen Ausschau halten soll« Private Signals dürfen die fremden Schiffe nicht gebrauchen, sonst wird sofort auf sie geschossen. Die englischen Kriegsschiffe untersuchen alle fremden Dampfer und Segelschiffe, welche sich vor den englischen Häfen - zeigen, Die gesamte englische Presse beschäftigt ^ sich jetzt mit dem großen englisch-französischen An­griffe. welcher im April oder Mai in Flandern und ^ Nordfrankreich gegen die deutschen Stellungen gemacht werden soll. Hauptsächlich sollen den Deutschen die Fabrikstädte Lille und Roubaix wieder entrissen wer- ^ den, da Frankreich die dortigen Fabriken zur Deckung : seines Heeresbedarfs dringend bedürfe. Die Eng- s länder wollen bei ihrem Angriffe auch mit einer ! neuen Art von Maschinengewehren vorgehen, die auf s Motorwagen stehen und mit Schutzschildern versehen i sind. Es ist recht nett von der englischen Presse, ^ daß sie die Absichten der englischen Heeresleitung ^ schon jetzt ausplaudert. Aus einer ganzen Reihe : von Kundgebungen des englischen Kriegsministers und k auch der englischen Zeitungen geht hervor, daß es in ! England nicht nur noch an vielen Soldaten, sondern auch an Kriegsmaterial und zumal an Munition für das Heer fehlt. Gelernte und ungelernte Arbeiter werden durch Plakate in allen englischen Städten aufgefordert, sich in den Werkstätten zu melden, wo Geschütze, Gewehre und Munition hergestellt werden.

Rußland. Nach den Berichten des russischen Generalftabes schreiben sich die Russen in den Kar­pathen den Sieg zu und wollen den ganzen Haupt- kamm erobert haben. Italienische Berichterstatter wollen aber erfahren haben, daß die Russen in den Karpathen, abgesehen von den Kämpfen der letzten Tage, weit über 300000 Mann an Toten und Ver­wundeten verloren Härten. Das klingt nicht nach russischen Siegen, denn solche Verluste kann auch das starke russische Heer in den Karpathen nicht ohne Er­schütterung seiner Stellung ertragen. Da sich die rus­sischen wie die französischen Schlachtberichte sehr oft im vollständigen Gegensatz zu den deutschen amtlichen Kriegsberichten befinden, so dürfte es ein dringender Wunsch der deutschen Leser von Kriegsberichten sein,

daß der deutsche Generalstab sofort hinter seinen Be­richten auch die Berichtigung der angeblichen fran­zösischen und russischen Siege bringt.

Nach Mitteilungen aus London und Athen sollen sich die Verhältnisse in Serbien sehr verschlimmert haben. Im ganzen Lande wüte eine furchtbare Typhusepidemie und es mache sich der Mangel an Aerzten und Arzneimitteln in der schlimmsten Weise geltend.

Berlin, 14. April. (WTB.) DerBerliner Lokalanzeiger" schreibt: Man hört von einer nicht unbedenklichen Erkrankung des russischen Generalis­simus Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch. Ein lang­jähriges Leberleiden mache in der letzten Zeit schnelle Fortschritte. Es wird angenommen, daß es sich um ein krebsartiges Leiden handelt.

Berlin, 14. April. (WTB) Nach demBerl. Tageblatt" wird dem StockholmerDagens Nyheter" aus Petersburg telegraphiert, die Russen beabsichtigten die Kanonen und die Munition des gesunkenen türki­schen KreuzersMedschidije" heraufzuholen. Der gesunkene Kreuzer soll keinen größeren Schaden davoa- getragen haben, sodaß es möglich erscheine, den ganzen Kreuzer zu bergen.

Berlin, 13. April. Aus Kopenhagen wird demBerl. Tageblatt" gemeldet: Minister Delcasss erklärte in einem Interview dem russischen Sozialisten- sührer Pawlowitsch, England und Frankreich hätten den Dardanellenangriff nicht nur mit Rußlands Einverständnis, sondern sogar auf Rußlands Veran­lassung unternommen. Der Augenblick erlaube keine Ränkespiele, und Rußland und England waren sich einig, alle alten Streitigkeiten ruhen zu lassen. (Daß diealten Streitigkeiten" zugegeben werden, ist immer­hin bemerkenswert.)

Wien, 12. April. In den südlichen Gouverne­ments von Rußland und in Sibirien wurden nach derNat. Zeitg." die letzten Klassen der Reichs­wehr durch kaiserlichen Ukas zur sofortigen Stellung aufgerufen. Nur ganz besonders gelegene Fälle von Ausnahmen sollen Berücksichtigung finden. Zur landwirtschaftlichen Frühjahrsbestellung sollen nach einer Verordnung des Landwirtschaftsministers Frauen in größtmöglichstem Umfang herangezogen werden. Auch Kriegsgefangene sollen für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden.

Kopenhagen, 13. April. (WTB.) DieNa- tionaltidende" meldet aus London: Lord Kitchener hat dem französischen Hauptquartier einen mehr­wöchigen Besuch abgestattet, dem eine außerordent­liche Bedeutung beigemessen wird.

Paris, 14. April. Präsident Poincarä hat Paris am Sonnabend abend verlassen, um den Truppen an der Nordfront einen Besuch abzustatten. Er begab sich darauf nach der Front in Belgien, wo er die ganze Front bis Nieuport besichtigte. Im belgischen Hauptquartier traf er mit dem belgischen König zusammen. Poincaro kehrte sodann über Dünkirchen, wo er eine Parade über die Garnison abnahm, nach Paris zurück.

Wie es scheint, besteht zwischen Rußland und Japan bezüglich der Behandlung Chinas ein Ein­vernehmen. Danach will Japan alle Forderungen Rußlands in der Mandschurei unterstützen, wenn Ruß­land sich geneigt zeigt, den Ansprüchen Japans in Bezug auf die Geltendmachung seiner Interessen in China keinen Widerspruch entgegenzusetzen. Das heißt doch nur so viel, daß Japan und Rußland sich in die Beherrschung und Ausnutzung Chinas teilen wollen, und es fragt sich nur, was England und die Ver­einigten Staaten von Nordamerika zu diesem sau­beren Geschäfte sagen werden.

Der Ausfall an Steuereinnahmen in Frank­reich beträgt für die ersten drei Monate des Jahres 1915 gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres 1914 223 Millionen Francs.