Jahr bestraft. Stuttgart, den 27. Nov. 1914. Der stellvertretende kommandierende General des XIII. (K. Württ.) Armeekorps: v. Marchtaler.
Stuttgart, 27. Nov. Zur Feststellung der von unseren Feinden begangenen Völkerrechtsverletzungen ist im Preußischen Kriegsministerium in Berlin eine besondere Untersuchungsstelle (2V) gebildet worden. Im Einverständnis mit dem Preußischen Kriegsministerium wird die Aufgabe dieser Untersuchungsstelle auf die gegen württem- bergische Angehörige des Deutschen Heeres verübten und die gegen solche Militärpersonen erhobenen Anschuldigungen unserer Feinde ausgedehnt. Die Uebersendung der Mitteilungen an das K. Preußische Kriegsministerium (2V) Hai durch Vermittlung des Württembergischen Kriegsministeriums zu erfolgen.
Stuttgart, 27. Nov. Nach einer amtlichen Mitteilung werden vom 2. bis einschließlich 8. Dez. wieder Feldpostbriefe nach dem Feldheer im Gewicht von 250—500 Gramm zugelassen werden.
Ulm, 26. Nov. Nunmehr sind auch in Württemberg erstmals gefangene Russen eingetroffen, von denen über 2000 in Ulm und etwa 800 auf dem Truppenübungsplatz Münsingen in Baracken unter- gebracht wurden.
Tübingen, 26. Nov. Der kürzlich im Felde als Hauptmann gefallene, ob seiner edlen Bestrebungen wohlbekannte Oberamtsvorstand Freiherr von Soden, hat kurz vor seinem Ausmarsch in seinem letzten Willen dem Verein für vaterländische Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohenzollern, dessen Vorstand er war, die Summe von 5000 Mk. vermacht.
Die „Tübinger Chronik" stößt einen Notschrei über die Gedichtsflut aus, den heutzutage wohl jede andere Zeitung tief mitempfindet: „54 Gedichte sind uns in den letzten 8 Tagen auf den Redaktionstisch geflattert, aus der Stadt, von Landorten des Bezirks, aus Frankreich, Belgien und selbst aus Rußland, aus den Schützengräben und aus dem Quartier. Wie würde der Inhalt unserer Zeitung allmählich aussehen, wenn wir all diesen, teilweise nicht schlechten, großenteils aber nur von dem Absender für schön gehaltenen Versen Aufnahme gewähren wollten. Und dabei sagt jeder Einsender, „aber mein Gedicht hätte doch wenigstens erscheinen können." Das unbeteiligte Publikum bedankt sich aber für 9 Gedichte, die wir täglich veröffentlichen müßten, um dem Ansturm gerecht zu werden, unberücksichtigt die Dutzende von poetischen Ergüssen, die aus den letzten Wochen noch bei uns „lagern"' Wir bitten daher die Beteiligten, doch ein Einsehen haben zu wollen.*
Kus StaSt, Bezirk unS Umgebung.
Wildbad. Das Eiserne Kreuz erhielt Franz Del Missiere, Sohn des Maurermeisters Del Missiere hier.
Der Gefreite Gottlob Bohlinger von Schwann, Sohn des Schreinermeisters Wilhelm Bohlinger, mit noch einem Bruder im Felde stehend, Infanterie-Regiment 125, hat am 14. Oktober das Eiserne Kreuz erhalten.
Auszug aus der Zusammenstellung der in den Verlustlisten der nicht württembergischen Heereskontingente, sowie der Marine verzrichneten Würt- temberger im Staatsanzeiger vom 24. Nov. 1914 Nr. 280:
Jnf.Regt. Nr. 143.
Reservist Gottlieb Kusterer, Conweiler, vermißt. Im Staatsanzeiger vom 26. November Nr. 282:
2. Pionier-Bataillon Nr. 27, Ciraßburg i. E. Pionier Karl Brenkle, Salmbach, bisher verwundet, gestorben Festungslaz. Metz 8. 10. 14.
Neuenbürg, 27. Nov. Wie seinerzeit die inzwischen zum größten Teil als geheilt entlassenen Kriegsverwundeten wurden auch die Neuangekommenen letzten Sonntag nachmittag im Bezirkskrankenhaus vom hiesigen Kirchenchor mit einer musikalischen Darbietung erfreut. Diese gestaltete sich dank der Mitwirkung des Verwundeten Hcn. Langloh, der unter Harmoniumbegleitung der Krankenschwester Hedwig Holzapfel mehrere Soli für Cello vortrug, zu einem weihevollen Konzert. Die religiösen Klänge des Händelschen „Largo" war so recht geeignet, die vielen Zuhörer in tiefer Andacht zu sammeln. Auf die Frage, die der erstgesungene Chor ausdrückte „Ach Herr, wohin?" die sich in
unserer kriegsbangen Wartezeit auf so vieler Lippen drängt, brachten der zweite und dritte die tröstende Antwort, daß „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet, seine Zuversicht auf den Herrn setzen darf, der, ob auch Zehntausend« fallen, doch seinen Engeln befohlen hat, die Seinen auf den Händen zu tragen. Er ist auch ihr Hirte, der ihre Seelen erquickt, sie durchs finstere Tal auf rechter Straße führt und ihnen einen Tisch wider ihre Feinde bereitet. Dem 2. Solo, einem tiefernsten Stück von Bach, folgte das Lied: „Glaube, Liebe, Hoffnung", diese 3 christlichen Tugenden, verglichen mit einem himmlischen Dreigestirn, das freundlich auf uns herableuchtet. Der Heimat- und Vaterlandsliebe galten die letzten beiden Chöre. Das Sehnen, das in jeder deutschen Brust lebt, mögen auch unsere Tapferen im Feindesland oftmals gefühlt haben und es war gewiß allen aus dem Herzen gesungen: „Wie die Heimat, so fanden kein Plätzchen wir mehr." Als der letzte Ton verklungen, fielen eben die letzten Strahlen der untergehenden Sonne durch die Fenster. Tief ergreifend war noch das Schlußsolo: „Leise, leise, fromme Weise schwing dich auf zum Sternenkreise" und es war die ganze Veranstaltung, wofür dem altbewährten Dirigenten des Kirchenchors Hrn. Oberlehrer Vollmer und allen Milwirkenden herzlicher Dank gebührt, so recht geeignet, auf das Gemüt unserer braven Krieger nach so herben Erlebnissen auf dem Schlachtfelde eine wohltuende Wirkung auszuüben.
Siegesfeiern in den Schulen. Durch eine Bekanntmachung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens vom 14. Nov. werden die Schulvorstände der höheren Schulen, der Lehrerbildungsanstalten und der Volksschulen, an kleinen Schulen die einzigen oder ersten Lehrer angewiesen, beim Eintritt hervorragender Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz, durch die für uns die siegreiche Entscheidung zu Wasser und zu Lande besonders beeinflußt wird, eine Schulfeier abzuhalten, deren nähere Ausgestaltung sich nach den örtlichen Verhältnissen richtet. Am Tag der Feier fällt der Unterricht aus. Die Feier kann für die verschiedenen Schulgattungen eines Ortes gemeinsam sein. — Daß auch, abgesehen von solchen Feiern — sagt die Bekanntmachung — den Schulen die hohe Aufgabe zugefallen ist, die Jugend in die Größe und den Ernst der Zeit einzuführen und sie an der gewaltigen Erhebung unseres Volkes unverkürzten Anteil nehmen zu lassen, bedarf keiner weiteren Ausführung. Die Unterrichtsverwal- tung kann darauf vertrauen, daß dieser Aufgabe überall volles Verständnis entgegengebracht wird.
Kriegertrost.
Ihr lieben Brüder haltet stand.
Es gilt das Höchste, die Ehre!
Schlagt mutig drauf mit wuchtiger Hand,
Daß kein einz'ger Feind sich mehr wehre!
Euch zieht voran der stolze Aar Im schwarz-weiß-roten Bande Ganz Deutschlands ein'ge Heldenschar Ehrt ihn im Feindeslande.
Doch auch in der Heimat ihm Ehre gebührt — Sir kommt ihm von Herzen zustatten;
Vom Zollernhaus nach Nord-Osten geführt,
Ihn früher schon Helden hatten.
Erblickt diesen Aar und ermutigt Euch,
Er ist die Quelle des Mutes;
Kämpft für ihn und mit ihm für sein Reich, Nicht bleibt man Euch schuldig viel Gutes.
Ihr lieben Brüder haltet stand.
Erkämpfet das Höchste, die Ehre!
Schlagt mutig drein mit eiserner Hand,
Bis kein einziger Feind sich mehr wehre! !Vl.
KSvLNl.
6P. Wird in des Weltkrieges Unruhe, Sorge und Leid der Adventsgedanke verhallen wie Glockenton im rauhen Novembersturm? Dis Sorge um das schwer ringende Vaterland, dis Sorge um die Lieben draußen in ihren tausend Gefahren, der bittere Trennungsschmerz um die schon Geschiedenen, die wachsenden heimischen Nöte nehmen uns ganz hin. Und doch ist unser ganzes Volk dem Adventssegen seit Jahrzehnten nicht so nahe gewesen wie eben jetzt. Milten in diesem mörderischen Kriege will der Friedenskönig Einzug halten. Sein Name ist Wahrheit, Reinheit, Barmherzigkeit. Selbstverleugnung. Und der Krieg, ein rauher Meister, lehrt diese alle üben. Unrecht leiden, läutert; es macht, daß der
Leidende sich vom Unrecht um so ernstlicher scheidet. Wann wäre uns die Lüge haffenswerter erschienen als da wir so schmählich betrogen und verraten wurden? Wann hätte ein Volk für seine Bundestreue mehr gelitten? Wann hätten wir den Ruhm deutscher Geradheit und Redlichkeit höher geschätzt? — Der Emst der Zeit macht, daß man sich vom Unreinen scheidet und Zustände beseitigt, die sonst ein Rührmichnichtan waren. Die Afterkunst muß weichen, Mäßigkeit Hai Ehre erworben, und über die Keuschheit, des Volkes Mark im nervenprüfenden Kriege, spottet man nicht mehr. — Wo so viel edles Blut gefordert wird, da sinken Geld und Gut im Werte, da öffnen sich zum Opfer auch karge Hände. Und was der Gabe erst den vollen Wert gibt und doch sonst oft vermißt wird, die persönliche Anteilnahme, fehlt jetzt seltener. Welche Fülle von Hin- gebung in den Lazaretten, wie viel stiller Liebesdienst in der Heimat, denen zu Dank und Ehren, die draußen das Höchste, das Leben einsetzen! — Gott baut, auch wo er zu zerstören scheint.
Ist diese gewaltige sittliche Erhebung auch keine völlige Neugeburt unseres Volkes zu nennen, so kann sie doch der Weg dazu werden. Der vaterländische Gedanke allein, so groß er ist, füllt das Herz nicht aus; ein Fragen und Suchen nach dem Ewigen ist erwacht. Wir sehen wieder: nur wer Gott fürchtet und sich mit ihm eins weiß, braucht nichts, auch keine Welt von Feinden zu fürchten; nur wer weiß „es streit't für uns der rechte Mann", bleibt getrost auch vor der Uebermacht. Lebendiger und dankbarer schwingen deshalb in diesem Jahre die Herzen mit. wenn die Adventsglocken wieder durch die Lande schallen. Der gesagt und das Wort zur Tat gemacht hat: „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde", will bei uns Einzug halten, ob auch über Leichen und Trümmer, über Opfer und Tränen. Der Friedenskönig wird im Kriegsjahr manches Tor mehr als in sonstigen Zeiten offen finden.
Auf, auf ihr Vielgeplagten!
Der König ist nicht fern.
Seid fröhlich, ihr Verzagten!
Dort kommt der Morgenstern.
Ein deutsches Reiterstückchen. Von einer Heldentat deutscher Reiter berichten holländische Blätter: Mehrere deutsche Jnfanterieregimenter erhielten tagelang bei Einbruch der Dunkelheit feindliches Granatfeuer, ohne daß es möglich gewesen wäre, die Stellung der feindlichen Geschütze genau festzustellen. Ein Rittmeister, der sich mit dreißig Dragonern zufällig bei den Jnfanterirregimentern befand, übernahm eines Nachts die Aufklärung zur Vorbereitung des Sturmes der Infanterie. Das Glück begünstigte die Tapferen: denn plötzlich sahen sie die feindlichen Batterien in Feuerstellung vor sich, als sie aus einem Gehölz herauskamen. Da sie nicht bemerkt worden waren, hielt der Rittmeister den Augenblick für günstig. Er versammelte seine Leute um sich und sagte: „Kinder, wozu brauchen wir erst morgen früh die Infanterie zu bemühen, wir machen das Ding allein!" Mit brausendem Hurra stürzten sich die 30 Mann auf die vollkommen überraschten Feinde, die nach kurzem Handgemenge ihre Geschützt im Stich ließen. Bevor noch feindliche Verstärkungen herankamen, war die Schar längst wieder in den deutschen Schützengräben in Sicherheit und brachte von ihrem kühnen Zuge als Trophäen die Verschluß- ftücke von sechs unbrauchbar gemachten feindlichen Geschützen mit.
Frauenbesuch im Schützengraben. Zwei furchtlose Ehegattinnen aus Tallichtenberg und Pfeffel« bach bei Saarbrücken setzten sich in den Kopf, ihren Männern selbst die Liebesgaben zu bringen, da sie in die Feldpost kein Vertrauen setzten. Was Männern nicht gelungen wäre, hahen diese beiden Frauen vollbracht. Mit eiserner Entschlossenheit trotzten sie allen Widerständen, die sich ihnen entgegenstellten, um sie vom Schlachtfeld fern zu halten. Auch der strenge, aber doch gutmütige deutsche Feldgendarm konnte nichts gegen sie ausrichten. Eines schönen Tags standen die beiden Frauen vor ihren überraschten Männern im Schützengraben, von denen einer am gleichen Tag fünf Briefe und dazu noch die Frau in Empfang nehmen konnte. Es ging aber nicht ohne eine kleine Ausscheltung der Frau ab. So wahr die Geschichte ist, dürfte sie doch nicht zur Nachahmung empfohlen sein.
Nach einer Kriegskorrespondenz der „Daily News" haben die Scotts Greys, d. h. die schottische Kavalleriebrigade, die mit Apfelschimmeln ausgerüstet ist, die Pferde neuerdings mit einer Lösung