In Paris sind die Vertreter des Dreiverbandes, der russische Botschafter Jswolski und der englische Botschafter Sir Francis Bertie. zurückgeblieben. Sie warten dort das Resultat ihrer diplomatischen Kunst ab. durch welche Deutschland diplomatisch isoliert und auch strategisch eingeschnürt werden sollte. Auch strategisch. Denn die Weigerung Belgiens, den deutschen Truppen den Durchzug zu gestatten, ist von langer Hand vorbereitet worden. Man weiß es jetzt ganz genau, daß Belgien den französschen Heereskörpern den Durchzug zu einem Offensivstoß gegen Deutschland gestatten wollte.
Dieser Durchzug war jahrelang vorbereitet. Mit französischem Gelde wurde Antwerpen befestigt und die Fortifikationen von Namur und Lüttich waren nur durch die finanzielle Hilfe Frankreichs möglich geworden. Das französische Geld wurde nur für die gegen Deutschland gerichteten Kriegszwecke hergegeben; die Milliarden, die aus Frankreich nach Rußland wandelten, haben seit Jahren der rpssi schen Heeresausrüstung gedient, und das letzte auf fünf Jahre zu verteilende Milliardenanlehen war eine wahre Mobilisierungsanleihe, da sie für den Bau von strategischen Bahnen bestimmt war, die im Einvernehmen mit dem französischen Generalstab projektiert wurden. Außer dem belgischen Ansehen sind auch die Hunderte von Millionen zu erwähnen, welche den Spaniern für den Ausbau der Pyrenäenbahnanschlüsse bewilligt wurden, eine Mobilisierungsanleihe, die den französischen Truppentransport aus der afrikanischen Kolonie über Spanien begünstigen sollte. Alle diese finanziellen strategischen Kreditoperationen sind das Werk des russischen Botschafters Jswolski. Man erzählt in Paris, daß er vor Freude darüber strahlt, daß der Krieg ausgebrochen ist, und daß er sich nicht scheut zu sagen: O'est ms. Zuerre. Das ist ein fatales Wort, wenn man daran denkt, daß vor 44 Jahren der Kaiserin Eugenie das Wort zugeschrieben wurde, das übrigens keineswegs bewiesen ist: 6'est ma petito Zuerre. (Das war mein kleiner Krieg I)
Was hat Japan Deutschland zu verdanken? Es gibt kein Gebiet der Wissenschaft und Technik, der Kriegskunst und des Handels, auf dem nicht Japan ein Schüler Deutschlands ist. Die gesamte Medizinwisfenschaft Japans gründet sich auf die Studien der Japaner in Deutschland. Die jungen Studenten erhielten sogar Staatsbeihilfen von der japanischen Regierung, wenn sie nach Deutschland gehen wollten. Und wir haben es ihnen leicht gemacht. Wir haben unsere Professoren und unsere besten Plätze in den Hörsälen zur Verfügung gestellt. In den Kliniken deutscher Professoren wurden sie als Assistenzärzte angestellt, um sich sortzubilden, und in den Laboratorien der Chemiker mit den neuesten Errungenschaften der Wissenschaften bekannt gemacht. Ja. sie haben sogar in solchen Stellungen Weltruf erworben. Man denke nur an den Dr. Hata, der im Laboratorium des Professors Ehrlich arbeitete und ihm ein Gehilfe sein durfte, als er die berühmte Entdeckung des „Salvarsan" machte. Auf unseren Hochschulen haben sie die modernen Grundsätze der Technik gelernt, sind in die Geheimnisse des Schiffbaues und anderer für das moderne Staatsleben notwendiger Techniken eingeweiht worden. Ihre Werften und ihre Brücken, ihre Eisenbahnen und ihre Elektrizitätswerke, ihre Geschütze und ihr Pulver ist alles „walle in Cerwanz". Späterhin als die Luftschiffe und Flugzeuge der Welt neue Wunder brachten, schickten die gerissenen Japaner Studienkommissionen nach Europa, um auch diese letzten Errungenschaften deutschen Geistes zu studieren. Mit dem ihnen eigenen Instinkt haben sie sich hauptsächlich mit deutschen Fabrikaten befaßt, während sie in französischen Flugzeug- und Luftschifffabriken nur wenige Tage blieben. Sie wußten, wo sie das Gute bekamen. Sie haben ja auch deutsche Flugzeuge angekauft. Daß die Japaner ihre ganze Kriegs- Wissenschaft nur von deutschen Offizieren und vom deutschen Militär haben, ist zu bekannt, als daß man darüber noch ein Wort verlieren dürfte. Diese frechen Knirpse haben nichts allein geleistet, alles von uns abgelauscht, mit der Verschlagenheit des echten Asiaten und mit einer Unterwürfigkeit, deren nur ein Mongole fähig ist. Ihr ganzer Staat ist unser Werk, ihr ganzes Leben geborgt, ihr ganzer Glanz von uns gestohlen.
Württemberg.
Stuttgart, 24. August. Nachdem infolge der Verlegung des Großen Hauptquartiers in die Nähe, des Kriegsschauplatzes zwischen dem Kaiser und dem Könige bereits ein die allgemeine Kriegslage be
treffender Lepeschenwechsel sialtgesunden hat. richtete der König, dem Staatsanzeiger zufolge, nach Empfang der letzten Siegesnachricht herzliche Glückwunsch- depeschen sowohl an den Kaiser wie auch an den König und den Kronprinzen von Bayern.
Stuttgart. 25. August. Im Laufe der Nacht traf in Stuttgart ein weiterer größerer Gefangenentransport ein. der zum Justizgebäude in der Urbanstraße gebracht wurde. Vermutlich handelt es sich um die Gefangenen aus der großen Lothringerschlacht.
Stuttgart. 25. Aug. (Priv.-Tel.) Ungefähr 300 Amerikaner verließen heute vormittag mit einem nach Rotterdam abgehenden Sonderzug Stuttgart.
Stuttgart, 24. Aug. (Her mit den russischen, belgischen, englischen und japanischen Orden ) Generalleutnant von Tognarelli hat seine japanischen Orden, nämlich das Komturkreuz des Ordens vom heiligen Schatz und das Osfizierkreuz des Ordens der ausgehenden Sonne dem Roten Kreuz zur Verwertung überlassen.
In die Kasse des Roten Kreuzes ist nun seit Kriegsausbruch an freiwilligen Beiträgen rund eine halbe Million geflossen mit Einschluß des Ergebnisses der Haussammlung vom 15. ds. Mts. Die von den siegreichen Schlachtfeldern eintreffenden Züge mit den verwundeten und erkrankten Kriegern reden eine eindringliche Sprache, welche Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Roten Kreuzes herantreten und weiter herantreten werden. Die bereitgestellten Lazarette werden bald gefüllt und neue bereit zu stellen sein. Es gehören noch große Summen dazu, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die größten bis jetzt eingegangenen Beträge sind 50 000 Mk. von dem Verband württ Metallindustcieller und 40000 Mk. von der Württ. Privatfeuerversicherung. Auf solche Summen ist weiterhin sehnlichft zu hoffen. Es gibt rührende Beispiele von wirklichen Opfern wenig Vermögender. Aber die großen Summen müssen in solcher Zeit allein kleineren zu Hilfe kommen zur vollen Erfüllung vaterländischer Pflicht.
ex. (Abgesagte Tagungen). Infolge des Krieges werden voraussichtlich die meisten der für den Herbst angesagten Tagungen und Kongresse ausfallen oder auf unbestimmte Zeit vertagt werden. So giebt der Evang. soziale Kongreß bekannt, daß die Herbsttagung, die am 11. Oktober in Eßlingen stattfinden sollte, bis auf weiteres verschoben ist. Die Veranstaltungen des Vereins für ländl. Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohenzollern (Kursus in Tübingen 28. Sept. bis 3. Okt. und die Versammlung in Gaildorf am 12. Okt.) finden nicht statt. Die Leitung der Stuttgarter Ev. Diakonieschule teilt mit, daß der für den Herbst geplante Kursus nicht veranstaltet werden wird. Der Plochinger theologische Kranz fällt aus und ebenso unterbleibt die auf 5. bis 8. Oktober für Freiburg i. Br. angesetzte Hauptversammlung des Gustav-Adolf-Vereins.
Cannstatt, 23. August. Die bürgerlichen Kollegien von Stuttgart haben beschlossen, das Cann- statter Volksfest nicht abzuhalten. Daß auch das Landwirtschaftliche Hauptfest ausfällt, haben wir bereits vor einer Woche gemeldet.
Heilbronn, 25. Aug. Die Heilbronner Stadtfarben haben die jetzt unangenehme Eigenschaft, daß sie den gegnerischen Farben gleichen. Sie sind nämlich rot-weiß-blau. Aus diesen drei Farben setzen sich die Fahnen fast sämtlicher Feinde Deutschlands zusammen; nämlich Frankreich: blau-weiß-rot. Rußland: weiß-rot-blau, England: rot-weiß-blau. Serbien: rot-blau-weiß. Japan zeigt weiß-rot, Belgien: jchwarz-gelb-rot. Man hat daher bei Beflaggung nur ganz wenige Fahnen in den Stadtfarben gesehen. Die meisten bestanden aus den Reichs- und Landesfarben.
Münsingen, 23. August. Gestern vormittag kamen auf dem hiesigen Bahnhof 800 französsische Gefangene an und wurden unter militärischer Bedeckung ins Barackenlager transportiert. Weitere 1200 sind abends gefolgt.
In der „Hohenzollerischen Volkszeitung" Sigma rin gen wird die Bäckerei Huber an den Pranger gestellt. Sie bat am 19. ds. Mts. zu kleine Brote für 3 gebacken, deren Gewicht statt 45 nur 30 Gramm betrug.
Kus Staöt» Bezirk unö Umgebung.
Neuenbürg. 23. Aug. Die Presse und ihre Pflicht zum Schweigen. Der „Zeitungsverlag" schreibt: Der russisch-japanische Krieg hat neben Neuerungen von rein militärischem Interesse eine Erscheinung gebracht, die sich in der gegenwärtigen schweren Zeit der Presse und dadurch der Allgemeinheit gegenüber besonders fühlbar macht: die Pflicht,
mitunter wohl recht schwere Pflicht zum Schweigen. Die Kriegsberichterstattung, wie sie bis dahin gehand- habt worden war, wurde von den Japanern direkt abgeschafft. Sie ließen dadurch ihre Gegner vollständig im Ungewissen, zur rechten Zeit und an der rechten Stelle waren sie da und brachten dem Gegner ihre vernichtenden Niederlagen bei. Diese auch von unserer Kriegslritung angewandte Taktik schaltet die bedeutendsten technischen Errungenschaften unserer Zeit, denen nicht zum mindesten die Presse ihren enormen Aufschwung und ihre Alles verbindende Kraft verdankt, einfach aus; tausende von Gedanken, die der Draht oder die elektrischen Luftwellen von einem Pol zum andern tragen könnten, sie bleiben ungesprochen und ungedruckt. Das Publikum, die Leser, sie stehen vor einer Tatsache, die in ihrer plötzlich eingetretenen Wirkung das bisher Gewohnte hinter eine hohe unübersteigbare Mauer zu stellen scheint. Spärlich und tropfenweise gibt der Nach- richienapparat seine Meldungen den tausenden von lauschenden Ohren kund, tagelang nach den Ereig- nisten erst und dann noch in grausamer Kürze. Dieser Mangel an fortlaufenden Nachrichten gibt einen düsteren Rahmen um das gewaltige Ringen der Völker, das Europa bis ins tiefste erschüttert. Und doch muß dieser Zustand ertragen werden: nichts darf dem von allen Seilen lauernden und auf uns eindringenden Feind verraten werden, nichts über Art und Umfang der Aufstellung von Truppen, nichts von den weittragenden Plänen unserer Kriegsleitung. nichts, was ihm auch nur den geringsten Anhaltspunkt für Entschlüsse seinerseits geben könnte. Im völligen Nachrichtendunkel soll er auf unsere wehrbereilen eisernen Kolonnen rennen und darin Tod und Vernichtung erleiden. Darum müssen wir uns auch darein fügen in dieses ungewohnte Schweigen: mögen darin die abertausend, die zu Hause zwar schweren Herzens solchen Nachrichten entgegenzittern. ihre opferwillige Gesinnung zum Ausdruck bringen. Möge sich das Schweigen verdichten zur Verneinung jeglichen egoistischen Gefühles, zu stummer Erwartung, festem Vertrauen, edler Selbstverleugnung.
Neuenbürg, 25. Aug. Ein Zusammenstellung aus den beiden ersten Württembergischen Verlustlisten ergibt folgendes: Gefallen 2 Offiziere, 32 Unteroffiziere und Mannschaften; schwer verwundet 4 Offiziere, 68 Unteroffiziere und Mannschaften; leicht verwundet (bezw. einfach „verwundet") 4 Offiziere, 95 Unteroffiziere und Mannschaften; vermißt 120 Unteroffiziere und Mannschaften; erkrankt 20 Unteroffiziere und Mannschaften; gefangen 1 Mann. Die größte Verlustzahl entfällt hiernach auf die Vermißten. Ueber ihr Schicksal ist vorerst nichts bekannt; sie brauchen aber nicht ohne weiteres den Gefallenen zugezählt werden, deren Zahl bis jetzt tröstlicherweise nicht sehr groß ist. Die nüchstgrößte. Zahl sind nur Leichtverwundete: dazu kommen eine Anzahl Kranker. Die Zahl der Schwerverwundeten ist beträchtlich geringer. Ein beredtes Zeugnis für die Tapferkeit und die Tüchtigkeit unserer Leute ist der Umstand, daß die Zahl der bekannten Gefangenen sich bis jetzt aus einen einzigen Mann beschränkt. Nach dieser Aufstellung hat selbst das 126. Jnf.- Regt.. wenn man die Kriegsstärke eines Regiments bedenkt, keine übermäßigen Verluste. Cs ist wichtig, dies festzustellen, da in Stuttgart und im Lande tagelang das Gerücht verbreitet war, das 126. Infanterie-Regiment sei nahezu aufgerieben worden.
Von Wildbad erhalten wir heute am 25. Aug. die Trauernachricht, daß Hr. Or. weck. Josenhans aus diesem Leben abberufen wurde. Mit ihm ist eine überall hochgeschätzte Persönlichkeit, ein allgemein beliebter Arzt unerwartet rasch dahingeschieden. Seine Beerdigung findet am Mittwoch nachmittag 3 Uhr in Wildbad statt.
§ Bad Liebenzell. 22. Aug. Auch hier hat sich unter dem Vorsitz des Stadtvorstands und des ersten Geistlichen ein Hilfsausschuß zur Unterstützung bedürftiger Familien der ins Feld gezogenen Mannschaften gebildet, welcher auch für das Rote Kreuz tätig ist. Eine von diesem Ausschuß veranstaltete Sammlung ergab die schöne Summe von 1100 in bar. wozu noch Gegenstände im Wert von ca. 100 ^ kommen. Mehr als 60 Frauen und Jungfrauen wetteifern im Herstellen von Socken. Hemden, Kissen. Taschentüchern usw. Fräulein ziehen hinaus mit Kindern in den Wald, um Beeren zur Herstellung von Säften für unsere Verwundeten zu sammeln. Der Frauenoerein des Roten Kreuzes hält unter der Leitung der Frau Forstmeister Lechler einen gutbesuchten Helferinnenkurs ab. in dem Sladt- arzt Dr. Schmidt die Belehrungen dazu gibt. 1— 2 mal wöchentlich versammelt Stadtpfarrer Sandberger