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Neuenbürg, Mittwoch den 22. Juli 1914.

72. Jahrgang.

RunSlchau.

Bo« der Zuwachssteuer.

Mit dem 1. Juli 1913 ist der Reichsanteil an der Zuwachssteuer mit 50°/» weggefallen. Das Gesetz über Aenderungen im Finanzwesen hat be­stimmt, daß durch Landesgesetz eine andere Regelung der Besteuerung des Wertzuwachses getroffen werden könne als in Gemäßheit des Landesrechts durch orts- ftatutarische Vorschrift. Es haben nun schon ver­schiedene Staaten den vom Reiche freigelaffenen An­teil mit 50°/« für den Bundesstaat reklamiert durch besondere Gesetzgebung. Zu diesen zuwachssteuer­luftigen Staaten gehören Sachsen-Altenburg. Elsaß- Lothringen. Bayern und das Fürstentum Schaumburg' Lippe. Andere Bundesstaaten dagegen haben die Zuwachssteuer als Staatssteuer überhaupt abzeschafft und sie nur als Gemeindesteuer fakultativ zugelaffen. Dies ist der Fall in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg« Strelitz. Das Großherzogtum Sachsen hat die Besteuerung des Wertzuwachses ebenfalls neu geregelt als Gemeindesteuer, es jedoch den ein­zelnen Gemeinden überlassen, diese vom 1. April 1915 ab einzuführen oder nicht.. Im Herzogtum Anhalt kommt die Erhebung des Gemeindeanteils vom 1. Juli 1913 an in Wegfall in den Landstädten und Dörfern. Wenn man übersieht, welchen unheil­vollen Einfluß das Wertzuwachssteuergesetz auf dem inländischen Jmobilienmarkt gehabt hat, so kann man di- Bestrebungen, die Zuwachssteu-r überhaupt ganz zu beseitigen, wohl verstehen. Die Besteuerung des unverdienten Zuwachses ist zweifellos richtig. Es ist aber bis jetzt noch keiner Gesetzgebung ge­lungen, den inneren Kern bei dem Umsatz an Grund­stücken, eben den unverdienten Zuwachs heraus­zuschälen, und die Härten und Unbilden überwiegen die Vorteile der Besteuerung bei weitem.

, Berlin, 21. Juli. DerReichsanzeiger" ver­öffentlicht folgenden Erlaß des Kriegsministers: Es wird hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht, daß den Unteroffizieren und Mannschaften der Armee dienstlich verboten ist. innerhalb ihrer eigenen oder einer fremden Truppe oder einer Behörde Zivilper­sonen oder den Handwerkmeistern der Truppen und der militärischen Anstalten usw- zur Ausübung des Gewerbebetriebs Beihilfe zu leisten, insbesondere durch Vermittlung oder Erleichterung des Abschlusses von Kaufgeschäften. Versicherungsverträgen oder der­gleichen. Den Unteroffizieren und Mannschaften ist befohlen, von jeder an sie ergehenden derartigen Aufforderung ihrem Vorgesetzten Meldung zu machen.

Zwei Millionen Deutsche habendem Reichs­tag eine Petition unterbreitet, in welcher um eine Einschränkung der Schankstätten und des Kleinhandels mit geistigen Getränken gebeten wird. Als berück­sichtigungswerte Mittel werden vorgeschlagen nach­folgende Maßnahmen: Jeglicher Ausschank und Kleinhandel mit sämtlichen geistigen Getränken bedarf behördlicher Erlaubnis, öffentliche Bekanntgabe aller diesbezüglichen Gesuche, Einspruchsrecht der beteiligten Nachbarn evtl, mit behördlicher Umfrage und Prü­fung der Bedürfnisfrage durch Abstimmung im be­treffenden Bezirke, Beschränkung der Erlaubnis durch kürzere Fristen.

Alkoholverbot in deutschen Kolonien. Nachdem schon vor einigen Jahren in verschiedenen zu Deutschland gehörigen Teilen Afrikas ein Verbot der Verabreichung von Branntwein an Eingeborene "lassen worden ist, hat neuerdings, wie die Korresp. Fortschritt" meldet, auch der Gouverneur von Samoa «ne sehr scharfe Verordnung nach dieser Richtung veröffentlicht, so wird z. B. die Erlaubnis zum Handel und Ausschank geistiger Getränke aller Art immer auf ein Rechnungsjahr erteilt und zwar gegen eine Gebühr von 800 Mark. Das Verabfolgen von geistigen Getränken an Eingeborene und Chinesen

ist aber sofern nicht der Gouverneur eine beson­dere Ausnahme zuläßt vom 1. Januar 1914 ab völlig verboten.

In Eisenach wurde am Sonntag eine vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Klub veranlaßte Protestkundgebung der deutschen Automobil­fahrer gegen das Verbot der geplant gewesenen Sportwoche Posen veranstaltet. Der Protest richtet sich in erster Linie gegen den Kaiserlichen Automobil- Klub, welchem in einer von der Eisenacher Ver­sammlung schließlich angenommenen Resolution vor­geworfen wird, er scheine planmäßig die Bestrebungen des Allgemeinen Deutschen Automobil-Klubs durch­kreuzen zu wollen.

Neustadl a. H., 20. Juli. In der Nähe der Station Haßloch fand man heute früh die Leichen eines jungen Liebespaares, des 18 Jahre alten Jakob Hügly und der 15jährigen Luise Ham- mann aus Haßloch. Der im Ludwigshafener Kranken­haus schwer krankdarniederliegendeVaterdes Mädchens wollte, wie auch die Mutter, das Verhältnis der Toch­ter zu Hügly nicht dulden, weshalb das junge Paar gemeinsam in den Tod zu gehen beschloß. Es wur­den ihnen von der Lokomotive die Köpfe glatt vom Rumpf getrennt.

Kaiser Franz Josef empfing am Sonntag vormittag in Ischl den neuen Armee-Inspekteur Erzherz ogFriedrich und hieraus seinen Schwieger­sohn, Prinzen Leopold von Bayern, nebst Gemahlin.

Wien, 21. Juli. DieMilitärische Rundschau" veröffentlicht aufsehenerregende Einzelheiten über eine amtlich nicht bekannt gegebene Mobilisierung ser­bischer Truppen. Darnach erfolgen fortgesetzt nächtliche Truppentransporte. Die Zusammenziehung der Streitkräste erfolgt bei Waljewo und Uzioe. Außerdem organisieren sich zahlreiche freiwillige Ban­den an der Drina und der Donau. Die Forts an der Donau werden befestigt. Von Kazujawo gehen andauernd große Mengen Kriegsmaterial ab. Auch in Montenegro wird gerüstet. Die Forts ander Grenze werden befestigt und in Kriegszustand ver­setzt. Alle waffenfähigen Männer sind vertraulich verständigt worden, daß sie sich bereit zu halten haben. Auf österreichischem Gebiete sind an sämtlichen Pulver- und Munitionsmagazinen die Wachen ver­stärkt. da Anschläge befürchtet werden.

Wien, 21. Juli. Der Generalstabschef der österreich-ungarischen Armee hat sich, nachdem er sich am Krankenlager seines Sohnes aufgehalten hatte, auf Urlaub nach Tirol begeben, nachdem sich der Zustand seines Sohnes derartig gebessert hat, daß er die Reise ohne Besorgnisse antreten konnte.

Das Athener Kabinett machte den Mächten die Mitteilung, daß die Räumung der Insel Sasseno, welche von Griechenland Albanien über­lassen worden ist, seitens der griechischen Truppen vollzogen worden sei. Die griechische Ge­sandtschaft in Konftantinopel überreichte der Pforte eine Note, in welcher die griechische Re­gierung gegen die an mehreren Griechen auf der Insel Ergesonissi von türkischen Gendarmen be­gangenen Uebergriffe protestiert. Die genannte Insel liegt im Golfe von Smyrna und ist Privateigentum eines Engländers.

Der vielgenannte Miriditenfürst PrenkBibdoda hat sich während seiner Anwesenheit in Durazzo zu einigen Journalisten über die Lage des Fürsten Wilhelm geäußert und sie vom militärischen Stand­punkte aus als eine sehr schlechte bezeichnet. Prenk Bibdoda erklärte, die erste Bedingung für eine Lösung der Schwierigkeiten des Fürsten Wilhelm sei die Verlegung seiner Residenz von Durazzo nach Skutari.

König Georg ist von den großen britischen Flottenmanövern bereits wieder nach London zurückgekehrt. Den Anlaß zu dieser vorzeitigen Rück­kehr des Monarchen nach der Hauptstadt bildet die kritische Gestaltung der Ulsterfrage. Zwischen den

parlamentarischen Parteiführern finden weitere Ver­handlungen über einen Kompromiß bezüglich Ulsters statt. Von dem Erfolge wird das Schicksal der Homerule-Abänderungsbill abhängen. Die Dubliner Zollbehörde legte im Hafen von Dublin eine große Waffenladung an Bord des DampfersBrier" der Lairdlinie mit Beschlag. Der Dampfer war aus Hensham gekommen, und die Waffen waren als Sattelzeug und Geschirr deklariert worden.

Kronstadt, 20. Juli. Präsident Poincaro ist an Bord des LinienschiffesFrance" hier ein­getroffen. Der Kaiser von Rußland hat den Präsidenten an Bord der KaiseryachtAlexandria" auf der kleinen Reede begrüßt. Er empfing den Präsidenten an der Schiffsbrücke der Macht und be­grüßte ihn in herzlicher Weise. Am großen Mast ging die Flagge des Präsidenten hoch. Der Kaiser geleitete den Präsidenten in vierspänniger Equipage in das Große Palais, wo der Präsident Aufenthalt nahm. Der Präsident wurde alsdann von der Kaiserin empfangen.

Peterhof, 20. Juli. Bei der Galatafel, die heute abend */r8 Uhr im Großen Palais statt­fand. richtete der Kaiser folgenden Trinkspruch an den Präsidenten Poincare: Herr Präsident! Lassen Sie mich Ihnen zum Ausdruck bringen, wie glücklich ich bin. Sie hier willkommen zu heißen. Das Oberhaupt des befreundeten und verbün­deten Staates ist immer sicher, in Rußland der wärmsten Ausnahme zu begegnen. Ich zweifle nicht, daß unsere beiden Länder, getreu ihrem friedlichen Ideale, und sich stützend auf ihr erprobtes Bündnis, ebenso wie auf gemeinsame Freund­schaften, auch fernerhin die Wohltaten des durch die Fülle ihrer Kräfte gesicherten Friedens genießen werden, indem sie die Bande, die sie einigen, immer fester knüpfen. In diesem sehr aufrichtigen Wunsche erhebe ich mein Glas auf die Gesundheit, Herr Präsident, ebenso wie auf das Wohl und den Ruhm Frankreichs. In seiner Erwider­ung auf den Trinkspruch des Kaisers von Rußland dankte Präsident Poincaro für die herzliche Auf­nahme und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß es ihm vergönnt sei, heute dem erhabenen Herr­scher des befreundeten und verbündeten Volkes einen Besuch abstatten zu können. Poincare wies darauf hin, daß nunmehr vor fast 25 Jahren die enge Ver­bindung der beiden Länder inauguriert worden sei. Gegründet auf die Gemeinsamkeit der Interessen, geweiht durch den friedlichen Willen beider Regie­rungen. gestützt auf die Armeen zu Wasser und zu Lande, die sich kennen, sich schätzen und sich gewöhnt haben, sich zu verbrüdern, machen sich die glücklichen Wirkungen dieser dauernden Verbindung fühl­bar in dem Gleichgewicht der Welt. Der Kaiser könne versichert sein, daß Frankreich nach wie vor in innigem und tätigem Zusammenwirken mit seinem Verbündeten das Werk des Friedens und der Zivilisation verfolgen werde.

Petersburg, 21. Juli. Die Streikbewe­gung tritt mit besonderer Stärke auf. Gestreikt wird in Fabriken jeder Art, in kleineren Betrieben und Werkstätten. Nach amtlichen Feststellungen ist die Zahl der Streikenden auf 110000 gestiegen. Sie tragen rote Fahnen, singen revolutionäre Lieder, stören den Straßenbahnbetrieb, werfen die Polizei mit Steinen und verletzten drei Polizeioffi­ziere, 5 Revieraufseher und 11 Schutzleute. In einigen Fällen mußte die Polizei Revolverschüsse ab­feuern, um die Menge zu zerstreuen. 45 Arbeiter wurden verhaftet. Abends kam es im Wiborger Stadtteil zu Ausschreitungen. 2000 Arbeiter stürzten Pferdebahnwagen um und die dagegen ein­schreitende Polizei wurde von der Menge aus den Fenstern mit Steinen beworfen. Es wurden auch Schüsse abgefeuert. Die Polizei schoß auf die De­monstranten und nach den offenen Festem. Drei Polizisten wurden verletzt.