Handgemenge zwischen Schutzleuten und Postbeamten, die von der Straße aus die im Hauptpostgebäude befindlichen Kollegen mit Lebensmitteln zu versehen versuchten.
Petersburg. 33 Juni. Sämtliche 3000 Arbeiter der Putilow-Werft sind in den Ausstand getreten, um Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Lage zu erlangen. — Zum Zeichen des Protestes gegen die Verurteilung von 36 Petersburger Advokaten im Zusammenhang mit dem Beilis-Prozeß sind über 5000 Arbeiter der Kiewer Werke und Fabriken in den Ausstand getreten.
New-Jork, 24. Juni. Bei Ausschachtungs- arbeiten hatten die Arbeiter eine Holzbrücke errichtet, auf der mit einer Bahn der ausgehobene Sand fortgeschafft wurde. Als die Brücke zu stark belastet war. stürzte sie zusammen und riß noch einen großen Krahn mit in die Tiefe, wo 50 Arbeiter beschäftigt waren. Die meisten sind tot oder schwer verletzt; wieder andere wurden von nachfolgenden Sand- und Steinmassen verschüttet.
New-Iork, 33. Juni. Gestern ist im Gefängnis zu Sing-Sing der Mörderkönig Mietro Rebacci mit dem elektrischen Stuhl Hingericht et worden. Rebacci war des Mordes überführt worden, den er an einem Italiener namens Toni Marro begangen hatte. Als Rebacci nach seiner Verurteilung sich überzeugt hatte, daß es keine Gnade mehr für ihn gebe, gestand er, der Anführer einer großen Bande gewesen zu sein, die seit Jahren systematisch morde, und zwar nach einem genau festgesetzten Preistarif. Auf dieses Geständnis hin wurden noch vier anders Mitglieder der Bande verhaftet und sehen ihrer Verurteilung entgegen.
Kuangtung (China), 24. Juni. Die Reiser nie in der Provinz Kuantung ist durch Ueber- schwemmungen, die infolge eines Dammbruches entstanden, vollständig vernichtet. 10 000 Personen sollen ihren Tod in den Fluten gefunden haben.
Württemberg.
Zum 5V. Todestag König Wilhelms I. am 25. Juni.
Die letzten Worte des Sterbenden am Morgen des 25. Juni 1864 auf Schloß Rosenftein: „Es schmerzt mich sehr, von einem so schönen und guten Lande Abschied nehmen zu müssen", und die schon Jahre zuvor niedergeschriebene Danksagung an seine Familie, Diener und Untertanen, die mit den Worten schloß: „Ich habe für die Einigkeit. Selbständigkeit und den Ruhm von Deutschland gelebt und mein Württemberg über alles geliebt. Heil meinem Vaterlands für alle Zukunft!" liest man heute noch mit tiefer Ergriffenheit; weiß man doch, daß Wilhelm I. Württemberg zu gedeihlicher Entwickelung geführt hat, nachdem die Regierung seines Vaters durch dessen unerwartet schnellen Tod am 30. Oktober 1816 ein Ende genommen hatte. König Friedrich hatte seinem Sohne Wilhelm zwar ein bedeutend vergrößertes, aber auch ein durch außerordentliche Kriegsleistungen sehr erschöpftes Land überlassen. Dazu kam zu Anfang seiner Regierung die Teuerung in den Jahren
Das Kreuz von Seken.
Erzählung aus der Zeit der Tiroler Freiheitskämpfe. Von Franz Wichmann.
46^ (Nachdruck verboten.)
„Du Armer, was mußt Du gelitten haben! Hatte ich ahnen können, was Dich bewegre, ich hätte Dich beruhig:, Dich getröstet!" —
„Das Weib ist schwach und zum Vergeben geneigt. Ich mußte das Vertrauen zu mir selber fester gründen. Darum bat ich Gott, der seinen Segen von mir genommen, um ein Zeichen. Nach schwerer Sühne hat er es mir gegeben, und jetzt, wenn Du willst —" seine Stimme zitterte, er konnte den Satz nicht vollenden.
„Michael, und müßtest Du ewig büßen sür eine Schuld, die keine war, ich ließe nicht von Dir!"
Schluchzend lag sie in seinem Arm.
Da rannen auch dem strengen Manne Thränen über das Gesicht, und mit einem dankbaren Blick zum Himmel zog er ihr braunes Haupt an seine Brust. —
Von Seben war die französische Besatzung längst abgezogen, das Kloster seinem heiligen Beruf zurück- gegeben: in den Gemütern war wie nach vorüber- geranschtem schwerem Gewitter die Hoffnung ans bessere Zeiten wieder erwacht.
Zivei glückliche Menschen waren aus den wilden Stürmen hervorgegangen. Der Sepp und sein Regerl sollten schon zu Ostern znm ewigen Bunde vereint werden.
In Lrixen hatte man Wort gehalten. Die Richter selbst strebten darnach, den unglückseligen Justizirrtum wieder gut zu machen. Kaum waren die Franzosen
> 1816 und 1817, überall wurden Wohlfahrtßeiüncht- : ungen ins Leben gerufen und sofort zeigte sich das
segensreiche Wirken der Königin Katharina an der
> Seit« ihres hohen Gemahls. Im Jahre 1819 vereinbarte der König mit den Ständen eine neue
? Verfassung; die Urkunde hierüber wurde am 25./37.
September feierlich verkündet. Infolge der Februar- ! revolution 1848 sah sich Wilhelm I. zur Gewährung i der Preßfreiheit und anderer Reformen, sowie zur Berufung der Oppositionsführer Pfizer, Römer, Duvernoy und Goppelt ins Ministerium genötigt;
> auch die Reichsverfassung hat er am 25. März 1849 ! angenommen. Das eben genannte Märzministerium j strich aber schon am 28. Oktober 1849 wieder die ! Segel. An seine Stelle trat das neue Ministerium l Schlayer mit Herdegen. Wächter-Spittler. Baur, ^ Hühnlein. Dank der weitreichenden Fürsorge des ! umsichtigen Landesherr», der rastlosen Bemühungen ! seiner Räte, sowie der ersprießlichen Mitarbeit der § Ständeversammlung trat in der nun folgenden Friedens- ! Periode eine unverkennbare Steigerung der ideellen ! und materiellen Güter des Volkes und ein gewaltiger ! Umschwung im Leben des Staates ein. Schon im i Jahre 1821 erfolgte die Eröffnung des Wilhelm- ! Kanals in Heilbronn, wodurch das schon unter j H»zog Christoph 1557 und unter Herzog Eberhard ! 1713 in Anregung gebrachte Werk ausgrführt war,
ein Werk, das im Laufe der Zeit erweitert und von
> ungeheurem Einfluß auf die Förderung des Handels und der Industrie des Landes wurde. Es folgten
i die Eisenbahnen und am 1. Januar 1850 die Urber- ! nähme der Post in eigene Verwaltung des Staates.
§ Und wie der König die Bedeutung des öffentlichen l Erziehungswesens voll zu schätzen verstand, steht unauslöschlich eingegraben in der Geschichte unseres Vaterlandes. Mit unbeschränkter Dankbarkeit sieht Württemberg auf des verewigten Königs Majestät.
Stuttgart, 25. Juni. Die englische Universität Oxford hat heute den König Wilhelm zum Doktor des bürgerlichen Rechts gewählt.
Stuttgart, 24. Juni. Dem Grafen Zeppelin wurde vom Württemb. Tierschutzverein, dessen langjähriger früherer Vorsitzender er war, eine Bronze- i gruppe „Das Lieblingspferd" überreicht.
! Stuttgart. 24. Juni. (Stuttgarter Aus- > stellung für Gesundheitspflege.) Von Woche ! zu Woche muß man berichten, daß der Besuch der Ausstellung ständig zunimmt. Das ist ein Zeichen, daß die Ausstellung durch sich selbst wirkt, das heißt, . daß sie die vollste Anerkennung gefunden hat und ! daß jeder Besucher seinen Bekannten angelegentlichst i empfiehlt, diese einzigartige Ausstellung unbedingt zu ? besuchen. Das Wetter hatte sich in den letzten Tagen j gebessert, so daß man nicht allein auf die Lehraus- ! stellung und die eigentlichen Ausstellungshallen an- ^ gewiesen war, sondern daß man auch dir Natur- und - künstlichen Schönheiten der Ausstellung abends ge- j nießen konnte. Dieser letzte Punkt wirkte vor allem ! auf den Besuch der Stuttgarter. Im herrlichen ! Stadtgarten entwickelte sich bei den Konzerten ein ! frohbewegtes gesellschaftliches Leben, wie man es in ' dieser heiteren, zwanglosen Art bisher nur selten in
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abgezogen, als der Burgstallhofersche Mordprozeß von neuem ausgenommen wurde. Es brauchte nur eine kurze Verhandlung. Von denen, die die letzte Beichte des sterbenden Wildmoser mit angehört, waren znm Glück alle bis aus einen am Leben geblieben. Dem Eide so vieler Zeugen gegenüber kannte an der Unschuld des Kastel-Sepp nicht mehr gezweifelt werden. Er wurde sosort in Freiheit gesetzt.
Zn ver Verhandlung Patten sich auch der Wundarzt und die Kainswirtin eingefunden. Freiwillig gestanden sie, den Mörder längere Zeit verborgen und gevffegt zu haben, der Doktor, ohne Ahnung seines Verbrechens, einem Zuge des Mitleids folgend, Josepha aber in der ausgesprochenen Absicht, den Uebelthüter, sobald er wieder hergestellt, um so sicherer der irdischen Gerechtigkeit überantworten z>> können.
Niemand wagte es, ihnen darum einen Vorwurf zu machen. Das Gericht aber begann sogleich eifrige Nachforschungen, um den Mörder, von dem niemand wußte, wohin er geflüchtet, in seine Gewalt zu bekommen.
Nazl kümmerte sich um das alles nur wenig. Für ihn gab es kein Glück auf Erden mehr. Er hatte nicht den Mut, in ein Leben zurückzukehren, das ihm jetzt wertlos erschien. Doch die Ansprache der frommen Väter richtete ihn soweit auf, daß er beschloß, seine noch kommenden Tage im Kloster als Laienbruder dem Himmel zu weihen und in Gebet und stiller Thätigkeit zugleich dem Gedenken der heldenmütigen Geliebten zu leben. Wie oft stand nicht ihr verklärtes Bild vor seiner Seele.
Als die frommen Schwestern auf ihrer luftigen Höhe wieder eingezogen waren, erinnerte man sich mit Schmerz und Stolz der armen Verena. Zum Gedächtnis ihres traurigen Endes sollte der Turm des Klosters mir einem weit ins Land hinaus sichtbaren Christusbilde geschmückt werden. Aber es war ein gefährliches Unternehmen, da nur die Füße und der untere Teil des
> Stuttgart gesehen hat. Vor allem war das am , Samstag der Fall. Der Großstädter will einen ' Platz haben, wo er sich von dem Hasten und Getriebe der Arbeitstage ausruhen kann. In Stuttgart mangelt es daran gewiß nicht. Aber das Ausruhen ist beim modernen Menschen nicht allein der Zweck. Er will ! auch neue Lebenslust und neue Spannkraft zu weiterer ! Tätigkeit sammeln. Dazu braucht er einen Platz des j heiteren und gesunden Genießens der Ruhezeit mit Gleichgesinnten zusammen. Es braucht wohl nicht ? betont zu werden, daß dazu in diesem Jahre die ! Ausstellung der gegebene Ort ist. Viele wissen es schon, wie es die letzten Tage bewiesen, und viele werden es noch zu schätzen lernen. Die unvergleichlich schönen Anlagen des Stadtgartens, die sich jetzt im herrlichsten Sommerschmuck zeigen, ermöglichen ein Zurückziehen in die Stille — aber man kann sich j auch sehen lassen und man wird gesehen.
' Stuttgart, 23. Juni. Der Stuttgarter - Liedrrkranz macht Heuer eine Sängerreise nach ! der Adria. Etwa 170 Sänger nehmen an der ! Fahrt teil. Die letzte Sängerreise des Liederkranzes j war 1908 und führte an den Rhein und nach Holland, s Stuttgart. 24 Juni. Der aus dem Badischen ! stammende Kaufmann Martin Vogel, der hier in I der Aleranderftraße wohnte, hat sich in einem Karls» ! bader Hotel aus dem zweiten Stock auf das Pflaster gestürzt. Er war sofort tot.
Untertürkheim. 22. Juni. Die Daimler- Motoren-Gesellschaft nimmt zurzeit große Betriebserweiterungen durch umfangreiche Neubauten für die Motor- und Karosserie Abteilung vor. Die Fabrik ist seit längerer Zeit sehr gut beschäftigt.
Göppingen. 24. Juni. Dem Bericht über die Landesvrrsammlung des Württemb. Krankenkassen- ! verbandes ist noch nachzutragen die Mitteilung einer ! Beschwerde der Unioersitätshautklinik darüber, daß j einige Krankenkassen des Landes die Kosten für eine ! Salvarsanbehandlung nicht übernehmen wollen. ! Die Klinik könne diese Kosten keinesfalls tragen. Der Verbandstag stellte sich in seiner Mehrheit auf den Standpunkt, daß mit dem Salvarsan ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten auf den Markt gekommen sei und daß daher die Krankenkassen die Behandlung mit diesem nicht ablehnen können.
Reichenbach a. F., 20. Juni. Von 16 Gemeinderats- und Bürgerausschußmitgliedern haben nicht weniger als 12 Kollegialmilglieder a« den Staalsminister des Innern, Dr. v. Fleischhauer, die Bitte gerichtet, sie aus ihren Aemtern zu entlassen. Einem solch wichtigen und bedeutungsvollen Schritt müssen triftige Gründe unterliegen, und es darf wohl angenommen werden, daß das Ministerium des -Innern Veranlassung nimmt, j gründlich die Verhältnisse zu untersuchen, die zu ! solchen Konsequenzen geführt haben.
Gosbach. OA. Geislingen. 24. Juni. Die Mark- j ungen Gosbach. Mühlhausen und Gruibingen j sind bei dem letzten Gewitter geschädigt worden.
An Feldfrüchten sowohl wie an Gartengewächsen, z Obst- und Beerenanlagen wurde viel zerstört. Jns- ' besondere auf der Markung Mühlhausen fielen sehr
Körpers vom Boden aus hergestellt werden konnten; denn nm die Brust und den Kopf des am Kreuz verblutenden Heilands zu malen, mußte eine hohe Leiter unmittelbar an die schmale Mauer des Gärtchens gelehnt werden, und der Künstler hatte in dieser unsicheren Stellung fortwährend die schwindelnde Tiefe des Eisackthals unter sich.
Lange wollte sich niemand finden, die halsbrecherische Arbeit zu thun. Da ging der Kaplan von Seben den Prior der Kapuziner an, da er wußte, daß unter den Laienbrüdern des Klosters sich ein Maler befand. Nazl, der bei vorkommenden Gelegenheiten gerne wieder sein früheres Gewerbe ausübte und sich unter der An- leirnng eines geschickten Klosterbruders im Laufe des Winters noch darin vervollkommnet hatte, willigte nnt Freuden ein. Der Himmel selber mußte ihn erwählt haben, um der einzig Geliebten dieses Denkmal zu setzen.
Ein echter Künstlerdrang durchglühte seine lebensmüde Seele; er wollte seine ganze Kraft zusammennehmen, um ein schönes, würdiges Bild zu schaffen. Als die Winterstürme ausgetobt, machte er sich Ms Werk, an dem er jetzt schon viele Wochen arbeitete.
Bei dem Nordturm, wo der zerklüftete Felsen senkrecht in die Tiefe des Eisackthals niederstürzte, stand Bruder Ignatius, wie Nazl jetzt hieß, Tag für Tag emsig mir Pinsel und Farbe beschäftigt. Schon war das riesengroße Bild des gekreuzigten Heilands, das die ganze vordere Wand des Turms einnahm, mit dem flatternden, blutigen Lendentuch vom Thale her deutlich erkennbar. Nur das Schwierigste fehlte noch, das dornengekrönte, schmerzdurchzuckte Antlitz, das siebend versöhnende Auge des sterbenden Gottessohnes.
Ein milder schöner Frühlingsabend war es, da lehnte die hohe Leiter wieder an der Mauer, und auf der obersten Sprosse stand der Künstler, den, Pmiel in der Hand, vertieft in seine Arbeit. (Forts. solM