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Neuenbürg, Montag den 8. Juni 1914.
72. Jahrgang.
Run-schau.
Dem Oberst v. Winterfeldt, der unter Ent« Hebung von seinem Posten als Militärattache bei der Gesandtschaft in Paris als Abteilungschef in den Großen Generalstab berufen worden ist. schreiben die französischen Blätter sehr herzliche Abschiedsworte. Sie heben allgemein die liebenswürdige Art des deutschen Offiziers hervor, die geeignet gewesen sei. freundliche Beziehungen zu schaffen. — Zum Militärattache in Paris als Nachfolger des zum Abteilungschef im Großen Generalstab ernannten Oberstleutnant v. Winterfeldt wurde Major von Klüber im Generalstab ernannt, der bisher die gleiche Stelle bei den Gesandtschaften in Brüssel und im Haag bekleidet hat.
Berlin, 5. Juni. Der verstorbene frühere Hos- schauspieler Adolf Landvogt hat der Stadt Berlin 60000 zur Errichtung einer nach ihm zu nennenden Stiftung vermacht, aus deren Einkünften kranke und gebrechliche oder durch das Alter arbeitsunfähige Krankenpflegerinnen und Privatschwestern, die keine Versorgung als Mitglied von Schwefternverbänden genießen, unterstützt werden sollen.
Leipzig, 5. Juni. Auf dem heutigen letzten Sitzungstag des Hauptausschusses der Deutschen Turnerschaft wurden die Anträge, auf dem anläßlich des 50jährigen Bestehens des Belgischen Turnerbundes im Jahre 1915 in Antwerpen stattfindenden belgischen Bundesturnfest die Deutsche Turnerschaft durch eine Musterriege vertreten zu lassen, angenommen und der Himmelfahrtstag als Wandertag der Deutschen Turnerschaft festgesetzt. Nach Erledigung der Tagesordnung wurde dem Ausschuß das Bild des greisen Götz in Lebensgröße, das als Pendant zu dem Bild des Turnvaters Jahn im Jahn-Museum in Freiberg Platz finden soll, überreicht. Nach einem dreifachen „Gut Heil!" auf den Vorsitzenden, Geh. Rat Götz, schloß die Sitzung.
Sigmaringen, 5. Juni. Der Truppenübungsplatz des 14. (badischen) Armeekorps, der auf württembergischem, badischem und hohenzollerischem Gebiet liegende Heuberg, geht diesen Sommer seiner Vollendung entgegen. Zum erstenmal ohne Einschränkung wird das Lage: gegenwärtig von einer ganzen Jnfanteriebrigade mit drei Maschinengewehr
Das Kren; von Severr.
Erzählung aus der Zeit der Tiroler Freiheitskäuipse.
Von Franz Wichmann.
(Nachdruck verboten.)
Die vorstnrmenden Tiroler hatten rasch den Rand der alten, halbzerfallenen Stadtmauer erreicht. Im nächsten Augenblick war sie übersprungen und durch Gärten und Höfe ergoß sich der wilde Strom in die engen Gassen, die letzten Reste der feindlichen Macht zu überfluten.
Das Feuer der Franzosen an der Thinnerbrücke schwieg. War es der starre Schrecken vor den herabstürzenden Scharen, der ihre Angen blendete, ihre Hände lähmte? — Sie ließen die Waffen sinken nnd die sonst so kühnen Blicke suchten den Boden. Der Kommandant konnte ihnen keine Hilfe mehr versprechen: ihre Offiziere waren gefallen. Aber den Bauern sich ergeben, war schlimmer als der Tod. Sic waren entschlossen, zu sterben, nachdem sie die letzte Kugel verschossen. Ein Sergeant, der vor die Reihen trat, hielt eine kurze Ansprache, die mit einem Gebet endigte. Und im Angesicht des Verderbens sprachen die rauhen Soldaten, die sonst über Kirche und Glauben lachten, die frommen Worte ergriffen nach. Dann hoben sie die rasselnden Gewehre, traten zu einem Viereck zusammen und fällten die Bajonette, nm ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
Da plötzlich klang es wie ferner, grollender Donner an ihr Ohr. Wie verdurstende Wanderer, die fernher das liebliche Klingen rauschenden Wassers vernehmen, horchten sie auf.
Auch die anstürmenden Tiroler standen und lauschten. Sie kannten das polternde Gedröhn, das sie znm ersten Mal in diesen Kriegsjahren durch ihre Thäler schallend vernommen. Was die Franzosen mit freudiger Hoffnung erfüllte, ließ sie in banger Furcht erstarren. Die schon zum Schuß erhobenen Büchsen tanken herab, die Füße
kompagnien und einem Feldartillerieregiment gleich- > zeitig benutzt. Die anhaliend starke Belegung des Lagers hat einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung der Gegend zur Folge. Sie hat u. a. auch eine regelmäßige Aulomobilverbindung mit dem oberen Donautal ins Leben gerufen.
Wissenschaftliche Ballonaufstiege. In diesen Tagen finden internationale wissenschaftliche Ballonaufstiege statt. Es steigen Drachen, bemannte oder unbemannte Ballons in den meisten Hauptstädten Europas auf. Der Finder eines unbemannten Ballons erhält eine Belohnung, wenn er den Ballon sorgfältig birgt und an die im Ballon angegebene Adresse sofort telegraphisch Nachricht sendet.
Paris, 5. Juni. Dem deutschen Lehrer Eugen Bräuchie ist vor einigen Tagen, wie der „Temps" meldet, in der Umgebung von Luneville ein unangenehmes Abenteuer zugestoßen. Bei einem Spaziergange geriet er auf die Baustellen zur Vergrößerung des Militärbabnhofes von Blainville. Er erregte den Verdacht verschiedener Militärpoften und wurde in dem Augenblicke, als er einen Zug besteigen wollte, unter dem Verdacht der Spionage verhaftet. Erft nach mehrstündiger Haft wurde er wieder freigelafsen, nachdem man seine Identität feftgestellt und die Angelegenheit einer sorgfältigen Prüfung unterzogen hatte.
Wien, 6. Juni. Die Albanische Korrespondenz meldet aus Durazzo: Nach der Verhängung des Belagerungszustandes über die Stadt brach unter den bier weilenden Italienern eine Panik aus. Sie ergriffen sämtlich die Flucht. ,
London, 6. Juni. Heute früh bei Tagesanbruch lief ein Schoner mit 3000 Mauserbüchsen in die Bay von Belfast ein. Freiwillige schafften die Ladung auf Karren fort. Die Behörden waren vollständig unvorbereitet.
Württemberg.
Stuttgart. Die Kaiserlichen Konsularbehörden in Frankreich werden nach wie vor in weitgehendem Umfang mit Vermittlungsanträgen deutscher Dienstboten befaßt, die sich durch ungerechte Behandlung seitens ihrer französischen Dienstherrschaft beschwert fühlen. Deutsche Mädchen, die nach Frankreich in Dienste gehen wollen, sollten sich vor !
allem vor Annahme ihrer Stellung über die Persönlichkeit der Dienstherrschaft — erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme des zuständigen Konsulats — erkundigen. Vor Antritt des Dienstes sollten sie sich mit einem Geldbetrag versehen, der es ihnen, wenn sie die Stellung etwa aufgeben, ermöglicht, heimzureisen oder sich zu behelfen, bis sie eine andere Stelle oder fremde Hilfe gefunden haben. Vor Annahme sogenannter Stellungen „au pair« ist grundsätzlich zu warnen. Ein neuerlicher Erlaß der Oberschulbehörden in dieser Angelegenheit beauftragt auch die Lehrer an oberen Mädchenklaffen der Volks- und Mittelschulen und an Sonntags- und Mädchenforibildungsschulen, die Schülerinnen in diesem Sinne zu belehren.
Stuttgart, 6. Juni. In einer hier gehaltenen Sitzung des Vorstands des Deutschen Schützenbundes wurde als Termin für die offizielle Schicßwoche des im Jahre 1915 in Stuttgart stattfindenden 18. Deutschen Bundesschießens die Tage vom 18.—25. Juli 1915 festgesetzt.
Stuttgart, 6. Juni. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion erläßt in der „Schwäb. Tagwacht" eine Zurückweisung der von dem Abg. Westmeyer gegen die Fraktion oder die Mehrheit ihrer Mitglieder in der Generalversammlung des sozialdemokratischen Vereins Stuttgarts gerichteten gehässigen und beleidigenden Angriffe. Westmeyer hatte erklärt, in der Landtagsfraktion sei der Gedanke einer Demonstration in der Arbeitslosenfrage aufgeworfen worden und der Gewerkschaftsvorftand sei aufgefordert worden, unter Ausschaltung der Parteileitung gemeinsam mit den Christen und Hirschen eine Demonstration zu veranstalten. Die Fraktion erklärt demgegenüber, daß sie sich mit dieser Frage überhaupt nicht befaßt habe. Gegenüber einer weiteren Behauptung Westmeyers, er und zwei andere Fraktionsmitglieder seien von einem Fraktionseffen ausgeschlossen worden, wird festgestellt, daß überhaupt kein Fraktionseffen stattgesunden habe, daß vielmehr eine Anzahl persönlicher Freunde Hildenbrands dessen Anwesenheit in Stuttgart zu einer Zusammenkunft mit diesem benützt hätten.
Stuttgart, 5. Juni. Ueber die Verwaltungs- ergebnisse der staatlichen Gebäudebrand-Ver- sicher ungsa« stall im Jahre 1913 veröffentlicht
stockten, die sehnigen Arme erschlafften. Auch Unter- thinner, der neben Nazl an der Spitze des Zuges schritt, erblaßte unter seiner sonnengebräunten Haut.
Nur Pantifeser wollte nichts hören. „Vorwärts!" schrie er, die Fahne schwingend, „die Stadt ist unser, vorwärts!" Mit dem Klang seiner Stimme suchte er das bange Gefühl der Ahnung, den Schrecken, der auch in ihm anfschreien wollte, zu übertöncn.
„Französische Reiter!" gellte es ans dem Haufen.
„Das ist der Hnsschlag ihrer Pferde!"
„Viele Schwadronen!"
„Ein ganzes Regiment!"
„Gleich werden ne hier sein, alles über den Haufen reiten!"
„Feiglinge!" rief Nazl. „Um so rascher müssen wir vorwärts. Ehe sie herankommen, muß die Stadt uns gehören. Dann knallen wir sie aus den Häusern nieder!"
Er stürmte weiter; aber nur wenige folgten ihm und immer ängstlicher schlugen die Rufe an sein Ohr.
„Seht Ihr die Staubwolken?"
„Da sind sie schon!"
„Zu spät, sie haben den „Kalten Keller" erreicht!"
„Gleich werden sie in die Stadt sprengen!"
Auch Unterthinner empörte die Mutlosigkeit der Leute. „Die Reiter können nicht auf unsere Berge hinauf", rief er, „die sind am wenigsten zu fürchten!"
Aber die Panik, die das Pferdegetrappel, der Anblick der bunten, glänzenden Uniformen erregt hatte, war nicht mehr zu ersticken.
„Sie kommen von Brixen!"
„Moreau hat sie zur Hilfe gesandt."
„Es ist nur der Vortrab, sein ganzes Heer rückt
„Zurück, zurück, wir sind alle verloren!"
Die Männer standen und hinter ihnen'erhoben die Frauen nnd Kinder ein lautes Wehgeschrei, als ob die Reiter schon über ihnen wären.
„Memmen!" schrie Pontifeser außer sich vor Wut.
„Seht Ihr denn nicht, sic halten schon, sie trauen sich nicht weiter!"
„Die Planer schreckt sie", fiel Untenhinner ein. „Hört, wie die Unseren sie von den Höhen empfangen!"
In der That ließ sich vom linksseitigen Bergrücken her ein knatterndes Büchsenfener vernehmen!
^Jnhn!" schrie Martin Raniter, der sich bis an die L-pitze der Schar vorgedrängt hatte, „habt Jhr's gesehen!"
„Was?" fragten Unterthinner nnd Pontifeser zu
gleich.
Rantier schwenkte wirbelnd seinen grünen Hut durch die Luft. „Der vorderste der Reiter —"
Alle blickten in^er angedenteten Richtung hinaus.
„Er Hai einen «vrnng ins Jenseits getban! Ich Hab' ihn stürzen sehen. Wie ein reifer Apfel vom Stamm ist er hinnntergeschnellt an den Boden."
„Und die anderen werden folgen!" ries Unterthinner, unsere wackeren Schützen sorgen dafür."
„So laßt uns ihnen zu Hilfe eilen", fiel Nazl ein, „so lange sie am „Kalten Keller" stehen, haben wir leichtes Ziel. Vorwärts?"
Aber seine Mahnung fand auch jetzt nur schwachen Anklang. Die Vordersten gingen noch langsam vorwärts, die Hinteren blieben zurück. Als man den Ausgang der Stadt erreichte, waren nur noch die Führer der Latzfonser und wenige Bauern hinter Nazl.
„Mir nach, Brüder!" rief er. „Tod den Franzosen! Gott und die heilige Jungfrau sind mit uns!"
„Halt!" schrie eine Stimme, als er am Thore stand nnd einen Augenblick ans das Nachrücken der Seinen wartete.
„Du bist wieder zu spät gekommen, Nazl."
„Pate", entgegnete dieser unmutig, „mach' Platz, es ist znm Siegen immer früh genug!"
Oberhäuser blinzelte ihn mit seinen kalten, grauen Augen an. „Willst Du es besser wissen als ich? Wenn Moreau uns mit den Waffen in der Hand findet, sind wir alle verloren." '