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80.

Reuen bürg, Mittwoch den 20. Mai 1914.

72. Jahrgang.

RunSlchau.

Berlin, 18. Mai. (Reichstag.) Präsident Dr. Kaempf eröffnet um 12 Uhr 20 Minuten die Sitzung. Zuerst werden Petitionen, die die Kom­mission als ungeeignet zur Erörterung im Plenum erklärte, dementsprechend erledigt. Es folgt die Be­ratung der Anleihe-Denkschrift für die Kolonien. Die Denkschrift und eine Reihe von Rechnungssachen werden ohne oder ohne erhebliche Debatte erledigt. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes über die Aenderung der §§ 66, 70 usw. des Militär­strafgesetzbuchs. Kriegsminister v. Falkenhayn: Der Entwurf, wie er aus der Kommission hervor­gegangen ist. ist technisch nicht einwandfrei. Das gegenwärtige Militärstrafgesetzbuch bestraft unerlaubte Entfernung von der Truppe mit Gefängnis. Diese Strafe glaubte die Heeresverwaltung in gewissen Fällen mildern zu sollen auf 14 Tage mittleren oder strengen Arrest. Die Kommission bat aber den strengen Arrest gestrichen. Die Kommissionsbeschlüsfe führen zu manchen Inkonsequenzen. Ausdrückliche Gehorsamsverweigerung vor versammelter Mannschaft soll mit einer Woche Mittelarrest bestraft werden, während einfache Gehorsamsverweigerung mit 14 Tagen strengen Arrests als Mindeststrafe gesühnt werden müßte. Schon aus rein formalen Gründen sind die Kommissionsbeschlüsse unannehmbar. Aber auch aus erheblichen sachlichen Gründen müssen wir uns dagegen wenden. Ein strengeres Strafmittel als Mittelarreft müssen wir unbedingt haben. Eine gewisse Sorte, glücklicherweise eine verschwindende Minderheit, muß fest angefaßt werden. In anderen Heeren werden solche Elemente zu Tausenden in die Strafbataillone oder in die Kolonien gesteckt. In einem Mädchenpensionat kann mit der Entziehung des Spiegels, dem Verbot des Spazierengehens und der schließlichen Entlassung gestraft werden. In der Armee hat man es nicht mit weichen Frauengemütern, sondern mit robusten, bockbeinigen Jungen zu tun, die oft verhetzt sind. Der Arrest hat bisher in allen seinen Formen gute Dienste getan. Gesundheitsschädlich ist der strenge Arrest nicht. Die Bestimmung, daß die Mannschaften des Beurlaubtenstandes anläßlich der Kontrolloersammlung den ganzen Tag unter dem Militärgesetz stehen, ist auch heute noch nötig. Die Anträge der Sozialdemokraten stellen so einschneidende Veränderungen dar und widersprechen dem ganzen Geist des Militärstrafgesetzes, daß sie nicht ernst zu nehmen sind. Ich bitte, alle diese Anträge abzu­lehnen und die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Auch die Kommissionsbeschlüsse sind für uns unan­nehmbar. Abg. Stadthagen (Soz.): Die Regier­ungsvorlage ist für uns unannehmbar. Wir wollen den strengen Arrest überhaupt beseitigen. Abg. Stupp (Ztr): Der strenge Arrest ist eine inhumane und veraltete Strafe. Der Beschluß, daß die zur Kontrolloersammlung einberufenen Mannschaften dem Militärstrafgesetz nur für die Dauer der Versammlung unterworfen sind, muß bestehen bleiben. Abg. van Calker (natl.): Wir haben anerkannt, daß das Militärstrafgesktzbuch reformbedürftig sei. Es muß aber die Reform des bürgerlichen Rechts ab­gewartet weiden. Wir beantragen die Wiederher­stellung der Regierungsvorlage, um nicht die ganze Reform zu gefährden. Abg. Dr. Müller-Meiningen (f. Vpt.): Durch die Haltung des Kriegsministers bekommen wir einen parlamentarischen Kriegszustand. Die Kommissionsbeschlüsfe müssen aufrecht erhalten werden. Kriegsminister v. Falkenhayn: Wir haben getan, was möglich ist, ohne unser Straf­gesetzbuch in Unordnung zu bringen. Subaltern­offiziere können strengen Arrest nicht verhängen. Der Abg. Müllev Meiningen hat die Lage vollkommen verschoben. Die Regierung ist freiwillig, ohne jeden Zwang, an den Reichstag herangetreten. Die mög­lichen Erleichterungen wollen wir heute schon durch­führen. Im übrigen will der Abg. Dr. Müller-

Meiningen den strengen Arrest nicht unter allen Umständen beseitigen. Damit unterstreicht er, was ich gesagt habe. Wäre es eine so furchtbare Strafe, so hätte er die Konsequenzen ziehen müssen. (Leb­hafter Beifall rechts, Unruhe links) Abg. v. Böhm (kons.): Die bisherige Regelung der Kontrollver- sammlungen muß unbedingt aufrecht erhalten bleiben. Es ist dies wichtig in Jndustriegeqenden und in solchen Gegenden, wo es viele Sozialdemokraten gibt. (Zuruf: Da sind wir viel zu vernünftig!) Bisher habe ich diesen Eindruck von Ihnen nicht bekommen. (Große Unruhe.) Das Sturmlaufen der Sozial­demokratie gegen den strengen Arrest ist erklärlich. Sie benützen das als Agitationsmittel. Abg. Fehrenbach (Ztr.): Die Debatte zeigt, wie un­fruchtbar parlamentarische Flickarbeit ist. Es ist Sache kühler Abwägung, ob wir nicht doch die Regierungsvorlage annehmen sollen, um den jungen Leuten wenigstens die kleinen Vorteile zu verschaffen. Beim strengen Arrest sollten Milder­ungen eingeführt werden. Kriegsminister v. Falken- hayn: Bei meinem Widerstand handle ich im Einverständnis mit den vei kündeten Regierungen. Mit unseren Milderungen können wir nicht weiter­gehen. solange nicht die allgemeine Neubearbeitung des Militärstrafgesetzbuchs durchgeführt ist. Nach weiterer längerer Debatte wird schließlich gegen die Stimmen der Rechten und der Mehrzahl der National- liberalen die Vorlage von der Tagesordnung abgesetzt, um den Fraktionen Gelegenheit zur abermaligen Besprechung zu geben. Darauf wird der Gesetz­entwurf über die Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige unter Ablehnung fortschritt­licher und sozialdemokratischer Anträge nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Eine sozialdemokratische Resolution auf Einrichtung von Erfrischungsräumen in den Gerichtsgebäuden wird abgelehnt. Darauf wird der Gesetzentwurf über die Postdampfschiffverbindungen mit überseeischen Ländern (Subventionsvorlage) nach kurzer Erörterung in zweiter und sofort auch in dritter Beratung end­gültig angenommen. Angenommen wird dabei auch eine Resolution, daß den in Neu Guinea u d Samoa tätigen Missionaren erstmalige freie Ausreise und nach je fünf Jahren freie Rück- und Ausfahrt ge­währt werden soll. Hierauf wird nach kurzer Debatte der Gesetzentwurf über Bürgschaften des Reichs zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen für Reichs- und Militärbedienstete in zweiter und sofort auch in dritter Lesung angenommen. Eine Resolution auf baldige Vorlegung eines Gesetzentwurfs, der Bürgschaften des Reichs über den Kreis der Reichs- und Militärbediensteten hinaus verlangt, wird abgelehnt. Die Beratung der Denkschrift über die Rücklagen bei den Berufsgenoffenschaften wird von der Tagesordnung abgesetzt. Es folgt die dritte Beratung der Besoldungsnovelle. Hierzu liegt der Antrag der Konservativen, Nationalliberalen und Fortschrittler auf Wiederherstellung der Regierungs­vorlage vor. Staatssekretär Kühn: Bei Ablehnung der jetzigen Vorlage werden die darin bedachten Beamten die Geschädigten sein. Mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage und mit dem Hinzusügen, daß im März 1915 ein Ge­setzentwurf vorzulegen ist, durch den mit Wirkung vom 1. Januar 1916 an die Bezüge der Beamten einzelner Klassen um mindestens 100 ^ aufgebessert werden, können wir uns einverstanden erklären. Die Regierung ist damit bis an die äußerste Grenze ge­gangen. Wir müssen alle anderen Anträge ablehnen. Abg. Ebert (Soz ): Der Kompromißantrag bedeutet einen Umfall des Reichstags. Wir halten an den Beschlüssen der zweiten Lesung fest. Abg. Spahn (Zentr.) bittet, den Zentrumsantrag anzunehmen. Wir wollen dann abwarten. ob der Bundesrat den Mut hat, diesen Beschluß abzulehnen. Die Regierung trägt die Verantwortung für das Scheitern der Vorlage. Staatssekretär Kühn: Die Aufbesserung

der gehobenen Unterbeamten kann zurzeit nicht er­folgen, weil gleichzeitig anderen Gruppen aufgebessert werden müssen. Der Zentrumsantrag will aber die ersteren allein aufbessern. Er ist für uns unan» nehmbar. Abg. Schiffer-Magdeburg (natl.): Wir müssen retten, was für die Beamten zu retten ist. Abg. Dr. Ricklin (Elsässer): Im Interesse der Beamten der Reichseisenbahnen werden wir dem Kompromißantrag zustimmen. Nach kurzer Debatte wird der Antrag auf Wiederherstellung der Regierungs­vorlage abgelehnt und die übrigen Anträge hierauf zurückgezogen. Der Gesetzentwurf wird sodann nach den Beschlüssen der zweiten Lesung einstimmig angenommen. Dienstag 10 Uhr: Gesetzentwürfe, dritte Lesung des Etats, Wahlprüfungen.

Berlin. 19. Mai. (Reichstag.) Der Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung um 10^4 Uhr. Am Bundesratstisch Staatssekreiär Dr. Lisco. Zu­nächst wird eine Reihe von Pelitionen und Rechnungs- sachen ohne Debatte erledigt. Es folgt die dritte Beratung des Konkurrenzklauselgesetzes. Das Gesetz wird nach kurzer Aussprache, wobei Abg. Marquardt (natl.) und Weinhausen (fortschr. Vpt.) noch einmal wiederholen, warum nicht mehr zu erreichen gewesen sei, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Ohne Wortaufwand werden das j Spionagegesetz, der Duellantrag und die Gebühren- ' ordnung für Zeugen und Sachverständige in dritter Lesung verabschiedet. Die allgemeine Aussprache zur dritten Lesung des Etats beginnt mit einer längeren Rede des Genossen Ledrbour. der noch einmal gegen den verschleierten sozialen Rückschritt, s der sich Sozialpolitik nennt, gegen Militarismus und ^ Kapitalismus als die Quelle aller Rückschritte seine ! Spottlust sprudeln läßt, um mit einem Ausblick in ! die rote Zukunft zu schließen. Die Etats des Reichs- ! tags und des Reichskanzlers werden ohne Aussprache s erledigt. Zum Etat des Reichsamts des Innern i liegen verschiedene Resolutionen vor. die nach kurzer ' Aussprache angenommen weiden. Beim Militäretat l kritisiert zunächst der sozialdemokratische Abgeordnete s Schoepflin den Kriegsminifter wegen seiner Aus­lassung über die Nichtbeförderung von Juden zu Reserveotfizieren. Die Abgeordneten Bussermann und Graf Westarp unternehmen noch einmal einen Vorstoß für eine Wiederherstellung des Presse- refrrats, haben aber damit kein Glück. Beim Juftizetat muß über einen Antrag des Abgeordneten Spahn auf Streichung des 6. Reichsanwalts im Hammelsprung abgestimmt werden, und die Stellung wird mit 161 gegen 136 Stimmen gestrichen. Die Aussprache über den Etat des Reichskolonialamts entfesselt noch einmal ein Gefecht über die Duala- angelegenheit. Nach Erledigung des Postetats, bei dem Genosse Zubeil den nur große Heiterkeit aus­lösenden Antrag stellt, das Gehall des Hrn. Kraetke zu streichen, begründet der Abgeordnete Haase den sozialdemokratischen Antrag zur Besoldungsnovelle. Um den Antrag der Sozialdemokraten, den Land­briefträgern eine Zulage zu gewähren, den Abg. Haase begründet, entspinnt sich eine außerordentlich erregte Debatte, an der sich die Volksparteiler Fischbeck. Gothein, Dr. Müller-Meiningen und der Zentrumsabgeordnete Spahn, sowie die Sozialdemokraten Haase und Ledebour beteiligten. Die Debatte dreht sich weniger um die Zulage, als darum, daß sich die Parteien in der Frage der Be- soldungsnovelle gegenseitig einen Umfall vorwerfen. Der sozialdemokratische Antrag wird schließlich mit allen gegen die sozialdemokratischen Stimmen ab­gelehnt. Darauf stellt Abgeordneter Schulz-Brom­berg den Antrag auf Wiedereinrichtung der Ost­markenzulage. Ueber diesen Antrag wird namentlich abgestimmt und der Antrag mit 206 gegen 31 Stimmen abgelehnt. Nach elfstündiger Sitzung vertagt sich das Haus um i/-9 Uhr auf Mittwoch, um die Etatsreste zu beenden.