Aus StaSt» Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg, 30. April. Aeußeist anregend verlief am letzten Sonntag nachmittag die Frühjahrsversammlung des Evang. Bundes im „Rößle" in Gräfenhausen. Oberlehrer Rühle als Vorstand der Ortsgruppe begrüßte mit herzlichen Worten die zahlreich erschienenen Gäste und Mitglieder und bedauerte nur. daß die von auswärts gekommenen nicht mehr die volle Herrlichkeit der Blütenpracht zu sehen bekamen. Den Eo. Bund, so führte er aus, schelte man einen Hetzverein; in Wirklichkeit gelte gerade seine Arbeit dem konfessionellen Frieden, der ja doch immer nur da gewährleistet sei. wo eine Partei sich Respekt zu verschaffen verstehe. Der Obmann des Bezirksvereins, Pfarrer Goes-Engelsbrand, dankte für die freundliche Begrüßung und verglich die Versammlung mit einer Frühjahrskontrollversammlung. Denn der Bund sei die Wehrmacht der evang. Kirche; da gelte die allgemeine Wehrpflicht, aber nicht die erzwungene, sondern die aus freiem Willen stammende, aus dem Gefühl der Verantwortlichkeit für die Kirche, der man sein inneres Leben verdankt. Wenn dieses Gefühl in den Gemeinden selber lebendig ist. dann mögen die Römischen schreien: „herunter mit dieser Kirche" oder die von links: „heraus aus dieser Kirche", sie braucht sich doch nicht zu fürchten, sondern steht da als eine starke Macht in unserem Volk.
— Im Mittelpunkt des Programms stand der Vortrag von Pfarrer Bossert aus Bobstadt in Baden, der zum Generalsekretär des Eo. Bundes für Süddeutschland bestimmt ist. Sein Thema lautete: „Die Hauptaufgabe des Protestantismus in der Gegenwart". Der Redner führte etwa folgendes aus: Das Erinnerungsjahr 1914 mahnt uns zur Einigung. Die Einheit der deutschen Stämme vermochte vor 100 Jahren schließlich allein
»über Napoleon Herr zu werden. Aber wie kläglich
^zersplittert ist heute noch der Protestantismus. Jede Landeskirche hat ihre eigenen Lieder, ihre eigene Gottesdienst- und Abendmahlsordnung, so und so viel theologische und kirchliche Richtungen und Parteien. Wohl ist das auch wieder ein Zeichen des inneren Reichtums. Aber vor dem Feind macht es uns schwach. Von Rom könnten wir Einheit lernen. Da ist Ein Wille. Ein Geist. Eine Politik, vollends seit Ignaz Loyola, der Offizier, seiner Kirche den militärischen Gehorsam eingegoffen hat. Den begehren wir gewiß nicht für Glaubenssachen; aber den Geist Luthers, welcher sagt: ein Christenmensch ist ein Knecht aller Dinge und jedermann untertan
— durch die Liebe". In freiem Entschluß sollten die unter sich verschiedenartigen Landeskirchen, Parteien. Gemeinschaften, Gemeindeglieder zusammen- stehen und Zusammenarbeiten und zusammenkämpfen gegen den gemeinsamen Feind. Am gemeinsamen Boden fehlts ja wahrlich nicht. Wir haben einen Herrn, Jesus Christus, eine Bibel, einen Schatz herrlicher Kirchenlieder, einen Luther, einen 30jährigen Krieg (denn auch gemeinsam überstandene Leiden schweißen zusammen), einen Wichern und sein Programm der Missionsarbeit an unserem Volk. Die zwei Feinde, die alle Evangelischen gemeinsam haben, sollen uns erst recht zusammenzwingen. Gleich den aus Aegypten ausziehenden Israeliten haben wir vor uns das Rote Meer und hinter uns die aus schwarzer Nacht auftauchenden Verfolger. In den Schnapskneipen Berlins liegen Listen zum Kirchenaustritl auf; der Wirt erhält für jede Seele, die er gewonnen hat zum Austritt, 5 Pfg. Dafür gibls uur ein Wort: „Pfui TeufelI" Gegenüber den ernsthaften Agitatoren aber die alte entschlossene Losung: „Niemals zurück!" Nicht geringe: ist die schwarze Gefahr. Die römische Wut möchte das protestantische Kaisertum vom Erdboden wegfegen. Deshalb sollen die Jesuiten herein, von denen einst ihr eigener General gesagt hat: „wie Lämmer schleichen wir uns ein; wie Wölfe herrschen wir; wie Hunde werden wir verjagt, aber wie Adler verjüngen wir uns immer neu! Ihnen gegenüber braucht es eins: Zusammenschluß, einen Bund, wie einst den schmalkaldischen Bund der Fürsten, so heut den Evangelischen Bund aller evangelischen Christen. 617 000 Mitglieder zählt bis jetzt der Bund. Das ist eine schöne Zahl. Aber Millionen brauchen wir. Darum gilt es. weiter zu arbeiten, damit unserem deutschen Volk die heiß- erstrittenen, mit Blut und Tod festgehaltenen Güter der Reformation, christlicher Glaube und evangelische Gewissensfreiheit, nicht verloren gehen. — Reicher Beifall lohnte den Redner für seine mit den April- ereigniffen der deutschen Geschichte reich illustrierten, mit Pfeffer und Salz gewürzten und lebendig vor-
> getragenen Ausführungen. Der Vorsitzende dankte -! ihm. sowie auch dem Kirchenchor Gräfenhausen, der i unter der trefflichen Leitung von Oberlehrer Rühle i eine schöne Anzahl paffender Lieder zur großen ^ Freude der Anwesenden zu Gehör brachte. In die ' Zeit Luthers zurück führten zwei von Töchtern der
> Gemeinde eindrucksvoll vorgetragene Deklamationen: ; „Der Schenk von Erback" von dem neulich ver- : ftorbenen Dichter Paul Heyle und „Die Verbrenn- j ung der Bannbulle" von Prälat Weitbrecht. So ! war die Stimmung eine sehr belebte und nicht zu : verwundern, daß der Appell des Vorsitzenden, dem ^ evang. „Wehrbund" beizutreten und einen Wehrbei- ! trag zur Relormations-Jubiläumsspende zu entrichten, ' nicht ohne Echo blieb. 16 Anwesende meldeten ihren
Beitritt an und die Tellersammlung ertrug 32.20
Neuenbürg, 2. Mai. Wie aus dem Inseraten- ^ teil unseres heurigen Blattes zu ersehen ist. konzertiert am kommenden Montag den 4. Mai im Lokal zur „Eintracht" die hier von früher her in bestem Andenken stehende Singspicltruppe Rudolphi und steht uns. wie wir aus dem vorgelegten Programm ersehen konnten, ein genußreicher Abend bevor. Ein Besuch dieses Konzertes ist daher bestens zu empfehlen. insbesondere dadurch, daß im Programm jedermann Rechnung getragen ist.
Mildbad. 30. April. Bei herrlichstem Wetter trafen gestern mittag mittelst Sonderzug von Pforzheim die Teilnehmer am 3. Sängertag Bad. Bäckergesangvereine hier ein. um ihren hiesigen württ. Kollegen und der Stadt Wildbad einen Besuch ab- zustatten. Unter den Klängen der Kapelle des neuen Musikoereins bewegte sich der annähernd 500 Teilnehmer zählende Zug durch die flaggengeschmückte Hauptstraße nach dem Kurplatz. In schönen Worten begrüßte Hr. Bäckermeister Bechtle namens der hiesigen Bäckerinnung die Gäste. Hierauf verteilten sich die Gäste in die verschiedenen Gasthöfe, wo bald ein reges Treiben herrschte. Von 2 Uhr ab begann die Auffahrt auf den Sommerberg; hier muß lobend gesagt werden, daß sich die Bergbahnverwaltung dem Ansturm völlig gewachsen zeigte, und alle die zahlreichen Teilnehmer in kurzer Zeit hinaufbrachte. Im Sommerhotel konzertierte ein Teil der Feuerwehrkapelle Pforzheim. Mit dem ' Wahlspruch der Sängerabteilung „In Tat und Wort : stets frei und wahr, und Lust zum Liede immerdar, ! treu dem Beruf und unserem Stand, ein Hort sei ? uns das Vaterland" eröffnete der Bäckergesangverein j Pforzheim den Reigen der gesanglichen Darbietungen ! und brachten die verschiedenen Gesangvereine in ? reicher Abwechslung prächtige Chöre zum Vortrag. Einen schönen Genuß gewährten die prächtigen j Tenorsolis „O Schwarzwald, v Heimat" und „Des Sängers Lust am Rhein", gesungen von Hrn. Bäckermeister Haist-Neuenbürg. Die vorzügliche Bewirtung und rasche Bedienung im Berghotel sei hier lobend erwähnt. Nach kurzen Spaziergängen im Walde brachte die Bergbahn die Gäste wieder zu Tal. wo noch bei Abschiedstrunk und Lied gemütliche Stunden verflossen, bis der Zug die Gäste wieder ihrer Heimat zuführte.
Nagold, 1. Mai. Auf den gestrigen Vieh- markt waen zugeführt: 26 Ochsen, 132 Kühe. 52 Jungrinder. 44 Kälber, 370 Milch- und 274 Läuferschweine. Erlös für 50 KZ Lebendgewicht: Ochsen 40—43 ^iü. Kühe 30—35 Rinder 38—40 Kälber 58—60 Marktverkehr: Die Frequenz war im allgemeinen flau. Das Angebot übersteigt die Nachfrage. Die Preise sind gegenüber dem letzten Markt gefallen.
Neuenbürg, 2. Mai. Dem heutigen Schweine- markt waren 32 Stück Milchschweine zugeführt. Für das Paar wurden 30—34 bezahlt.
Vermischtes.
Ein Familienbild vom Braunschweiger Hofe wird der „Vossischen Zeitung" berichtet: Der Herzog sitzt eines Tages bei einigen Herren, die ihm Vortrag halten. Im Nebengemach sitzt die Herzogin — neben sich die Wiege mit dem neugeborenen Erbprinzen. Aus diesem Zimmer ertönt nach einem Weilchen, freundlich bittend, eine Stimme: „Erni". Der Herzog läßt sich bei seiner Arbeit jedoch nicht stören — auch nicht, als sich die Rufe dringender, mahnender und etwas kräftiger wiederholten. Bis aus einmal höchst energisch und herausfordernd ein anderes Wort herüberklingt: „August!" Da erhebt er sich eiligst und beurlaubt sich von seinen Räten: „Wenn August gerufen wird, dann ist's — Ernst!"
Maien; an!» er.
Die Erde erscheint jetzt wie ein weiter Garten in dem es knospet und grünt und blüht, daß es eine Freude ist. Die Bäume sind mit Blütenschnee bedeckt, die Kastanien breiten ihre grünen Blätter wie Fächer aus, zwischen denen sich gleich flammenden Kandelabern die straffen Blütentrauben erheben, und auch die Pseudo-Akazien fangen bereits an, ihre weißen Blüten hervorschimmern zu lassen. Ganz besonders schön aber ist im Mai der frühlingsgrüne Wald. Die Laubbäume erglänzen im frischen Grün das wohltuend absticht gegen die dunkle Farbe der Nadelhölzer. Doch auch diese bekommen schon frische Schößlinge, deren würziger Duft die milde, laue Luft durchströmt.. Fächelnde Farren und dunkelgrünes Moos bilden den Fußteppick, auf dem der Tritt des Wanderers lautlos verhallt, in den der Fuß elastisch versinkt.
Ein eigenartiger Zauber ist es. den der Mai ausübt. Von unzähliger Dichter Mund ist daher auch dieser Zauber vom Erwachen der Natur „im wunderschönen Monat Mai, da alle Knospen sprangen", besungen worden. Manch reizendes Liedlein hat auch der lebensfreudige Viktor von Scheffel dem Mai zu Ehren gedichtet. So läßt er seinen Trompeter von Säckingen, Jung Werner, singen:
Lind duftig hält die Maiennacht Jetzt Berg und Tal gefangen;
Da komm' ich durch die Büsche sacht Zum Herrenschloß gegangen.
Im Garten rauscht der Lindenbaum,
Ich steig' in seine Aeste
Und singe aus dem grünen Raum
Hinauf zur hohen Feste.^
Emanuel Geibel aber jubelt:
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus!
Ja. in der Tat, eigenartig ist der Zauber, den der Mai auf die Natur und zugleich auf das Menschenberz ausübt. und schon der Meister der Sänger. Walter von der Vogelweide, hat vom Mai gesungen: „Wo er führt in seiner Wonne, da ist niemand alt." Nein, jung werden die Menschen wieder im Mai, als ob ein Strom neuen Lebens ihnen durch die Glieder rauschte. Die Lerche, diese unermüdliche Sängerin, kann den Anbruch des jungen Tages kaum erwarten, „sie klettert an ihren Liedern" in die Luft, um dort, im blauen Aether, schon den ersten über dem Horizont auflauchenden Strahl -er goldenen Morgensonne mit jubelnden Trillern zu begrüßen. Und welch ein geschäftiges Leben und Treiben beginnt jetzt in Gottes herrlicher Natur: Amsel, Drossel, Fink und Star,
Und die ganze Vogelschar
wetteifern miteinander in ihren von Lenzes- vnd Liebeslust durchglühten Liedern, jeder bietet sein Bestes, und dazwischen ertönt der sonore Ruf des Kuckucks. Nun ist sie da, die herrliche Maienzeit, auf die so treffend die Verse Uhlands passen:
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal;
Nun, armes Herz, vergiß die Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Man spürt die Maienpoesie in sich selber und jenen Sehnsuchisdrang in die Ferne, die Maiwanderlust. was gar nichts Wunderbares ist; denn dieser Monat zaubert ein Naturbild herauf, das auch dem ärgsten Griesgram ein fröhliches Gesicht abnötigen kann. Ein Blühen und Knospen und Singen, ein Erwachen und Leben, eine jubelnde Freudigkeit braust durch die junge Natur, daß auch das Menschenherz wieder jung werden mag und den Leuten im grauen und weißen Haar liebe, freundliche Erinnerungen aufsteigen. Freilich, nur einmal blüht im Jahr der Mai, nur einmal im Leben die Liebe. Ein sinniger Brauch, der immer seltener wird, ist es, wenn auf dem Lande der junge Bursche dem Mädchen in der Mainacht einen hübsch geschmückten Maibaum pflanzt. Hier und da ist wohl auch noch der Tanz um den großen Maibaum auf dem Dorfanger beliebt. In manchen Gegenden unseres lieben deutschen Vaterlandes werden Maiumgänge zur Besegnung der Fluren noch heute grübt. — Die Sitten und Bräuche haben gewechselt, der Mai ist ewig jung geblieben. Möge er ein wirklich schöner, sonnenheller Mai werden und seinem berühmten Namen als Wonnemond rechte Ehre machen!
Aus den EnMer LL7-L
Druck und Verlag der C. Meeh'schev Buchdruckerei des EnztälerS (Inhaber G. Conradi) in Neuenbürg.