Die Wirtschaftsverhandlungen mit Sowjet-Rußland
Von Arthur Ramcke.
Im Oktober 1925 kam zwischen Deutschland und der Sowjetunion als natürliche Folge des Rapallovertrages ein Wirtschaftsabkommen zustande, das im Kreml mshr befriedigte als in Berlin. In Deutschland faßte man den Vertrag als einen ersten Schritt auf, mit der eigenartigen kommunistischen Wirtschaftsverfassung der vereinigten Sowjetrepnbli. ken in engere Verbindung zu treten und Erfahrungen zu sammeln. Mehr konnte man damals nicht erwarten, denn jeder Versuch, auf der gleichen Grundlage wie mit anderen Staaten zu verhandeln, mußte an dem bisher beispiellose» staatlichen Handelsmonopol der Sowjetunion scheitern. Es kam noch hinzu, daß damals dieses Monopol in Rußland als unantastbar galt, als die Krone des kommunistischen Wirtschaftssystems. Die deutschen Unterhändler waren, um zu einem vorläufigen Ergebnis zu gelangen, gezwungen, sich dieser Lage anzupassen. So entstand aus den langwierigen Verhandlungen ein etwas eigenartiges Gebilde.
Der Zweck dieses Abkommens ivar, den deutsch-russische» Wirtschaftsverkehr auf den Umfang der Vorkriegszeit zu bringen. Für Deutschland hatte der Vertrag rein wirtschaftlichen Wert, während er für die Sowjetunion außerdem noch hohe politische Bedeutung besaß. Er löste die Isolierung Rußlands und reihte die Sowjetmacht wieder als Vertragspartner in die europäische Wirtschaft ein. Der Kreml wertete das Abkommen auch mehr politisch als wirtschaftlich. Der deutsch-russische Güterverkehr steigerte sich zwar und führte der deutschen Maschineninbnftrie eine Reihe von Aufträgen zu, aber er blieb weit hinter Len gehegten Hoffnungen zurück, die schon an und für sich infolge der russischen Kapitalschwäche nicht sehr hoch gesteckt waren. Selbst der 300-Mil- lionen-Kredit der deutschen Regierung vermochte keine Belebung des Geschäfts mit Rußland herbeizuführeu. Dieser Kredit war als Zusatzkredit gedacht, Ser außerhalb des laufenden Geschäfts den Russen Bestellungen ermöglichen sollte, für die sie längere Zahlungsfristen in Anspruch nehmen mußte». Die Sowjetunion nutzte dieses Entgegenkommen aber dazu aus, ihre gesamten wirtschaftlichen Beziehungen zur deutschen Exportindnstrie ausschließlich auf diese Kreditbasis zu stellen. Die dadurch frei gewordenen Kapitalsnmmen verwendete es aus politischen Gründen zu großen Aufträgen tn Amerika und England. Der Absatz deutscher Waren in Rußland ging im Verhältnis zur amerikanischen Einfuhr zurück, während die russische Ausfuhr nach Deutschland von Jahr zu Jahr stieg. Die Verstimmung in deutschen Jndu- striekreisen wurde dadurch verschärft, daß sich die russischen Handelsvertretungen in Deutschland immer weiter ausdehu- ten und ihre Geschäfte unmittelbar und unbehindert betreiben konnten, während diese geschäftliche Freiheit dentschen Firmen in der Sowjetunion infolge der unerträglichen Bedingungen verweigert wurde.
Es ist selbstverständlich, daß sich die deutsche Regierung diesem Zustande gegenüber nicht länger stillschweigend verhalten konnte und die russische Regierung zu Revisionsverhandlungen nach Berlin einlub. Die Arbeit der beiderseitigen Delegationen dürfte sich aber recht schwierig gestalten und längere Zeit beanspruchen. Es handelt sich vorläufig darum, den ganzen Fragenkomplex durchzusprechen und die Sowjetvertreter darauf aufmerksam zu machen, daß das Deutsche Reich endlich die noch ausstehende russische Gegenleistung für die bereits geleistete deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau des russischen Wirtschaftslebens zugesichert erhält. Es kann sich also nicht darum handeln, das Entgegenkommen der Sowjetunion durch neue wirtschaftliche Zugeständnisse zu erkaufen.
von» l-Stieis.
11. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Was ist dir. Leonore?" Besorgt umfaßte der Baron seine Frau und hielt ihr ein Glas Wasser an den Mund, das der andere ihm hilfsbeflissen aus der Karaffe einge- gsffen und gereicht hatte, sich dann unauffällig zurückziehend.
„Nichts ist mir. gar nichts," sagte sie mit matter Stimme, „die Hitze, nichts weiter als die Hitze!" Verstört blickte sie sich um — „wo ist Herr Krafft?"
„Dort im Eßzimmer. Ich forderte ihn auf, mit uns zu speisen. Aber wenn es dir nicht wohl ist —."
„Laß nur — es ist vorüber! — Sobald Gerda da ist, Trinen wir essen."
„Sie ist da!"
„Dann sag' es ihr, bitte, ich werde mich inzwischen bei Herrn Krafft entschuldigen." Sie erhob sich, ging mit schweren, müden Schritten ins Eßzimmer, und mit matter Stimme sagte sie zu dem jungen Manne:
„Verzeihen Sie meinen Unfall vorhin, aber die Hitze — ich kann sie absolut nicht vertragen, da ich etwas leidend bin. — Seien Sie mir als neuer Hausgenosse willkommen!"
Als er die dargereichte, ringgeschmückte Hand ehrerbietig an seine Lippen führte, überkam sie wieder jenes Schwächegefühl von vorhin. Sie setzte sich, doch so, daß ihr Gesicht >m Schatten blieb, und ihre Augen ruhten fast durchbohrend auf dem vor ihr Stehenden.
„Sie sind aus hiesiger Gegend?" fragte sie.
„Nein, Frau Baronin, ich bin geborener Schlesier!"
Es war fast, als ob diese Antwort sie befreit aufatmen ließ. An wen erinnerte sie nur dieser Mann? Er konnte höchstens sieben- bis achtundzwanzig Jahre sein — und doch
Bei der Betrachtung der Aussichten der neuen Verhandlungen fällt die seit 1925 veränderte Lage der Räterepubliken sehr ins Gewicht. Der russische Kommunismus ist durch eine harte Schule gegangen. Sein wirtschaftliches Dogma ist stark erschüttert worden, und das starre staatliche Handelsmonopol hat nicht nur im Jnlande der privaten Tätigkeit größeren Spielraum lassen müssen, sondern sich auch nach außen hin elastischer erwiesen, als es noch zur Zeit des Abschlusses des Abkommens mit Deutschland angenommen werde» konnte. Die russischen Verträge mit Lettland und Persien mit ihren Kontingentsbindnngen lassen erkennen, wie wandlungsfähig das russische Wirtschaftssystem sein kann. Mögen hier auch die Untergründe politischer Natur gewesen sein, so ändern sie aber an der Tatsache nichts. Aus den russischen Verlautbarungen geht hervor, daß die Frage des NiedcrlassungsrechtS keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bieten dürfte. Die Sowjets versteifen sich aber andererseits auf das deutsche Ersuchen nach Revision des Abkommens und vertreten den Standpunkt, daß der Wunsch nach einem Kontingentznsatz den Charakter der Revisionsverhandlnngen grundlegend ändere nnd das Abkommen auf eine ganz neue Grundlage stelle. Es sei ferner nicht angängig, das russisch-lettländischc Kontingentsabkommen ans das deutsch-russische Verhältnis zu übertrage». Sie meldeten für diesen Fall ihre Gegenforderungen nach einem Kontingent für den russischen Export nach Deutschland an. Damit ist die Richtung der besonderen deutsch-russischen Verständigungsvcrsuche gegeben.
Der gegenwärtige Zustand der russischen Wirtschaft gibt zwar zu größeren Besorgnissen keinen Anlaß, er ist aber hilfsbedürftiger denn je. Daß diese Hilfe nur aus Westeuropa kommen kann, darüber herrscht unter den Wirtschaftsführern der Sowjetunion keine Meinungsverschiedenheit, da anch Nordamerika nur in Gemeinschaft mit westeuropäischen Wirtschaftskreisen Kapital in Rußland festlegen wird. Nun hat die längere Anwesenheit des Leiters der Sowjetstaatsbank, Scheinmann, in Berlin allerlei Vermutungen geweckt, die sich mit neuen Kreditwünschen der Russen beschäftigen. Diese Vermutungen sind irrig. Die Gewährung neuer Kredite kommt für Deutschland augenblicklich nicht in Frage. Der Besuch ScheinmannS steht vielmehr in Verbindung mit der regen Tätigkeit russischer Delegationen in Westeuropa, die, einschließlich der Entsendung eines russischen Beobachters nach Genf, Vorarbeiten dient und den Teilausschnitt eines weitgespannten politischwirtschaftlichen Hintergrundes bildet, der aber erst nach den Wahlen in Deutschland und Frankreich schärfere Umrisse annehmen wird. Die Mutmaßungen in der englischen Presse, daß zwischen Deutschland und Frankreich Einvernehmen besteht, auf einer internationalen Konferenz das russische Schuldenproblem zu löse» und normale politische nnd wirtschaftliche Beziehungen zwischen Svwjetrnßland nnd Westeuropa herzustellen, gehen in dieser Form sicherlich zu wett. Richtig ist jedenfalls, daß man auch im Kreml cinsieht, wie notwendig cs ist, endlich klare Verhältnisse zu schaffen. Die diplomatische Kunst der Russen, eine Macht gegen die andere auszuspielen, hat keine Erfolge anfzuweisen, die zu einer Fortsetzung dieser Politik ermuntern. In diesem Sinne besteht allerdings eine indirekte Beziehung zwischen den deutsch-russischen Besprechungen in Berlin und den französisch-rnssischen Verhandlungen in Paris.
L. Z. 127 vor der Bollendung
TU. Mönche«, 4. Mürz. Im Münchener Verein für Luftschiffahrt machte der Ingenieur des Zeppelin-Luftschiffbaues in Friedrichshafen, Walter Scherz, interessante neue Mitteilungen über den im Fertigwerden begriffenen L. Z. 127. Wie der Vortragende an Hand von neuesten
hatte er eine Aehnlichkeit mit jemand — dasselbe zwin
gende, große, graue Auge, dasselbe schmale, scharfgeschnit- tene Gesicht, dieselbe straffe Haltung — ja sogar derselbe Tonfall der sonoren, wohllautenden Stimme — ach, nur nicht denken müssen — zum Glück kam da ihr Gatte mit Gerda, die sich umgezogen, zurück.
- „Da ist derAusreißer, Mütterchen," scherzte von Freesen gut gelaunt, „nun kann's losgehen!"
„Was gibt's denn heute?" fragte Gerda. „Ah, Erdbeeren mit Milch — dann ein eingeschobenes Gericht, du ahnst es nicht, Mamachen!"
„Kind. Herr Inspektor Krafft —
„Ich hatte schon vorhin den Vorzug, der Baronesse vorgestellt zu werden," sagte Krafft verbindlich.
Die vier nahmen Platz. Als die Suppe verzehrt war, wurde eine Schüssel hereingebracht, auf der, mit krauser Petersilie verziert, ein Hecht lag. Wie ein Kind klatschte Gerda in die Hände.
„Hier ist die lleberraschung, Mama —
„Ein Fisch — wie kommt das?"
„Ja, Mama, den Hab' ich selbst gefangen!"
„Die Botschaft hör" ich wohl,' allein mir fehlt der Glaube," scherzte der Baron.
„Ich bitte, Papa! — und wenn du mir klassisch kommst
— ich habe den Hecht wirklich selbst gefangen — mit dem Schulmeister. Also denke dir — als ich so durch den Wald streife, begegnete er mir mit dem Angelgerät. Ich fragte ihn, wo er hin wolle. Zum Fischen nach unserer Abschiedswiese: dort wüßte er im Fluß einen Hecht stehen! Na, da ging ich nun mit, da ist's ja trocken; er mußte mir seine Angelrute leihen, und wirklich, nicht lange, da hatte der Hecht angebissen. Allein bekam ich ihn nicht 'raus; Schettler mußte mir helfen. Aber ich hatte ihn doch gefangen: Mamsell hat ihn gewogen; gegen drei Pfund hatte er! Schmeckt er nicht großartig?"
„Ausgezeichnet, wie noch nie ein Fisch!"
Lichtbildern zeigte, ist das Gerippe des L. Z. 127 in diese« Tagen so gut wie vollendet worden. Trotz der schwierigen Voraussetzungen, unter denen die Zeppelinwcrft heute arbeiten muß, wird noch ehe das Frühjahr zu Ende geht, die Außenhaut aus Baumwolle das riesige Gerüst umspannen und der Einbau der 5 je 580 PS. Maybachmotorcn, die heute schon ausprvbiert werden, vorgenommen sei». In den ersten Maitagen werden die riesigen Gaszellen etugebracht und durch deren Füllung das noch auf Holzstützcn ruhende Niesenlnstschiff ins Schwimmen gebr werden. Man hofft, schon Ende Mai mit den Probefahrten beginnen zu können. Das Wohin ist noch nicht bestimmt, da es gilt der neuen Brennstoffversorgung Rechnung zu tragen. Die Abmessungen des nach Amerika abgelieserten Z.R. S um fast die Hälfte übertreffenden L. Z. 127 sind im einzelnen folgende: Gasinhalt 105 000 cbm, Länge über 235 Meter, größter Durchmesser 30,6 Meter, größte Höhe mit Puffern 38,ö Meter, größte Breite 32F Meter. Bei voller Maschinenlei- stnng von 2650 PS. hofft man eine normale Danerlet- stnng von 117 Kilometer tn der Stunde zu erreichen. Ingenieur Scherz glaubt, daß man, ohne Optimist zu sein, einen regelmäßigen Luftschiffverkehr in naher Zukunft erwarten dürfe. Die Aufgaben der Luftschiffe setzten da ein, wo die der Flugzeuge aufhören. Die Schiffahrtsgesellschaften werden sicherlich dem Luftschiff-Transozeanverkehr ihr Interesse entgcgenbringen. zumal kein Wettbewerb mit den Seeschiffen in Frage kommt. Scherz verwies schließlich auf die Vorbereitungen, die von England in Bezug auf den Weltluftschiffverkehr durch Anlage von Ankerstellen in aller Welt gemacht werden und betonte, daß auch der Luftschiffbau Zeppelin an den Bau von Ankermasten ernsthaft herangehe.
Amerikanisches Entgegenkommen für die Ozeanfahrt deS L. Z. 127.
TU. Berlin, 4. März. Die amerikanische Botschaft hat der deutschen Regierung von einem Schreiben der amerikanischen Lnftfahrtverwaltung Kenntnis gegeben, wonach für den Fall, daß der im Bau befindliche deutsche Zeppelin Amerika zu besuchen beabsichtige, bas Luftschiff die Einrichtungen des amerikanischen Lnftfahrtamtes werde benütze« dürfen.
Einweihung der Flngpoftlinie Frankreich-Südamerika.
TU. Paris, 4. März. Am 1. März wurde die Flugpostlinte Frankreich-Südamerika durch den Start eines französischen Flugzeuges von Berre mit der Post von Marseille und eines Wasserflugzeuges von Pacheo in Brasilien mit dem Ziele Fernando de Noronha, wo die Post an Bord eine- Schnellbootes gegeben wird, eingeweiht.
Lord Lushendun über die Abrüstungsbestrebungen
TU. London, 4. März. Der Genfer Svnderkorrsponbent des „Daily Ehroniele" hatte eine Unterredung mit dem britischen Delegierten Lord Cushendnn über die Haupthindernisse, die den Abrnstungsbestrcbnngen entgegenstehen. Das Haupthindernis für die allgemeine Abrüstung sieht Lord Cushendnn ebenso wie Lloyd George in der allgemeinen Wehrpflicht, da Frankreich, Italien, Polen und Jugoslawien nicht geneigt seien, in absehbarer Zeit von diesem System abzngehcn, oder es auch nur einzuschränke». Die britische Delegation rechne damit, daß Litwinow für die bevorstehende Tagung der Abrüstungskonferenz nach Genf kommen „wird und eine neue Fühlung mit Sir Austen Chamberlain wegen der Wiederaufnahme der Beziehungen mit Großbritannien suche.
„Aber Gerda," meinte die Baronin, „und du hast den Fisch so ohne weiteres angenommen? Du hättest ihn wenigstens bezahlen können!"
„Weshalb, Mama?" sagte Gerda etwas kurz, „es ist doch unsere Wiese, da werde ich wohl in unserm Wasser einen Fisch fangen können "
„Habt keine Sorge," beschwichtigte der Baron, „der Schulmeister wird schon nicht zu kurz kommen; dafür laßt mich sorgen. Gerda hat schon ganz recht."
„Am Wasser ist es immer so feucht," klagte die Baronin, „es ist leichtsinnig von dir, da hinzugehen — du hast sicher nasse Füße bekommen —
„Hab ich auch! Sie sind aber längst trocken — und außerdem einen großen Niß ins Kleid —" dies mit einem verstohlenen Blick auf Krafft — „das tut nichts, wie der Schulmeister sagt, ein ganz gemütlicher Kerl übrigens, und 1p pomadig, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Morgen gehe ich wieder mit ihm zum Fischen —."
„Nein, Gerda, das verbiete ich dir! Das ist ungehörig!"
„Bitte. Mama!"
„Laß sie doch, Mutting! Wer weiß, wie lange der Sport bei ihr anhält: passieren kann ihr nichts, und Angelruhe wird sie auch nicht haben, taxiere ich!"
„Wenn gleich Fische anbeitzen. dann wohl; aber so drei bis vier Stunden in der Sonne stehen und nichts mitbringen, dafür danke ich — dann werfe ich mich lieber ins Gras und lache den blauen Himmel an!"
„Es gefällt dir. also doch ganz gut hier?"
„'s ist herrlich, Pa' —, der schöne Wald, die frische Luft —."
„Und das ungebundene Umherstreifen, nicht wahr?" neckte ihr Vater lächelnd.
„Auch das, oder lieber: vor allem das! Ich finde es prachtvoll, so ganz nach seinem eigenen Willen und Gutdünken zu kommen und zu gehen-die Mahlzeiten
halte ich selbstverständlich inne — dSnn Hunger habe ich immer!"
(Fortsetzung folgt.)