Stuttgart, 18. Febr. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer wurde zunächst der Entwurf betr. Errichtung einer Landespolizeizentrale mit 49 gegen 32 Stimmen vom Hause angenommen. Dagegen stimmten Volkspartei und Sozialdemokratie. Hierauf wurde zur Beratung der Aenderung der Besteuerungsrechted er Gemeinden übergegangen. Berichterstatter war der Abg. Ströb el (B.K) Nach den Ausschußanträgen sollen künftig statt 50 Prozent 65 Prozent von den Gemeinden erhoben werden. Ferner soll bestimmt werden, daß nach einer Gemeindeumlage von mehr als 12 Prozent durch Ge- meindebeschluß bis zu 75 Prozent der staatlichen Einkommensteuer mit Genehmigung der Ministerien des Innern und der Finanzen erhoben weiden dürfen. Bei Einkommen von weniger als 950 Mk. soll nicht mehr als 50 Prozent erhoben werden dürfen. Abg. Rembold-Gmünd(Z.) begründete seinenZentrums- antrag, wonach die Gemeindeeinkommensteuer in einer zulässigen Höhe des zehnfachen des Prozentsatzes erhoben werden darf, in welchem das Grund- Gebäude- und Gewerbekataster über 2 Prozent, des fünffachen des Prozentsatzes, in welchem das Grund-, Gebäude- und Gewerbekataster über 7 Prozent hinaus zur Gemeindeumlage herangezogen wird, sie darf jedoch 75 Prozent der Einheitssätze nicht übersteigen. Abg. Dr. Nübling (B.K.) sprach sich für eine schnellere Progression bis 80 Prozent der Staats- steuer aus. Abg. v. Gauß (V.) hielt den Zentrums« antrag für eine Verbesserung und wird ihm zustimmen; auch dem Regierungsentwurf könne man zustimmen. Der Minister des Innern Dr. v. Fleischhauer verwahrte sich dagegen, daß der Entwurf als eine Gemeindesteuerreform bezeichnet werde; entsprechend dem Wunsche der Kammer habe man damit lediglich den Gemeinden eine weitere Einnahmequelle verschaffen wollen. Gegenüber dem Abg. Dr. Lindemann (S.). der der Regierung eine Verzögerung in der Förderung der Skaatssteuerresorm vorwarf, erklärte Finanzminister v. Geßler, daß die Schuld daran zum mindesten zu gleichen Teilen von Regierung und Ständen zu tragen sei. Abg. Keck sprach sich namens seiner Fraktion für den Ausschußantrag aus, ebenso derAbg. Liesching (V.) namens der Mehrzahl seiner Freunde. Das Zentrum brachte schließlich einen Abänderungsantrag unter Zurückziehung seines Antrags ein. Nächste Sitzung Donnerstag 9 Uhr.
Stuttgart, 19. Februar. In der Zweiten Kammer wurde heute die Beratung des Gesetzentwurfs über die Besteuerungsrechte der Gemeinden und Amtskörperschaften fortgesetzt. Das Zentrum hatte seinen zu dem Ausschußantrag gestellten Ergänzungsantcag dahin abgeändert, daß, wenn die Kataster über 7°/» hinaus zur Gemeindeumlage herangezogen werden, die Höhe der Gemeindeeinkommensteuer sich auf das Fünffache des übersteigenden Prozentsatzes ermäßigt. Die Höhe darf jedoch 75°/» der Einheitssätze der staatlichen Einkommensteuer nicht übersteigen. Der Abg. Schaible (B.K.) beantragte, daß die Gemeindreinkommensteuer das 12 ^ 2 fache des Prozentsatzes betragen soll, in dem die Kataster über 2°/o hinaus zur Gemeindeumlage herangezogen werden, während der Ausschußantrag nur das Zehnfache zulassen will. Der Abg. Hiller (B.K) begründete diesen Antrag unter Hinweis auf die starke Belastung der Gewerbetreibenden und der Hausbesitzer. Nach seiner Ansicht sollte die die Kapitalsteuer erhöht werden. Der Abg. Keil (Soz.) zog scharfe Saiten auf und unterzog die ganze Steuergesetzgebung einer Kritik. Es müsse einen eigentümlichen Eindruck auf das Volk machen, wenn die Regierung mit derselben Vehemenz, mit der sie für die Erhöhung eingetreten sei, gegen die geringste Schonung der kleinen Steuerzahler sich wende und die Fortsetzung der Steuergrenze auf 1250 wie sie der Antrag Lindemann verlange, so entschieden bekämpfe. Der Abg. Sommer (Ztr.) versprach sich wenig von diesem Gesetzentwurf für die kleineren Landgemeinden. Minister v. Fleischhauer hob hervor, daß der Entwurf einem Wunsche des Hauses selbst entspreche und daß die Kritik Keils deshalb nicht die Regierung, sondern das Haus getroffen habe. Wenn Keil von einem sozialen Willen gesprochen habe, so habe er damit jedenfalls einen sozialdemokratischen Willen gemeint. In der weiteren Debatte, an der sich die Abgg Maier (natl), Seifried (B K.), Liesching (Vp.) beteiligten, erklärte Finanzminister v. Geßler, man müsse das Ergebnis des Wehibeitrags und den daraus sich ergebenden Einblick in die Verwögensoerhältnisse des Landes abwarten, ehe man sich über die spätere gründliche Steuerreform schlüssig machen könne. Ein Existenzminimum von 1250 würde einen zu großen Einnahweausfall zur Folge haben. Es sprachen
noch die Abgg. Keck (natl.), Ströbel (B.K.) und Dr. Lindemann (Soz), worauf man zur Abstimmung schritt. Angenommen wurde lediglich der Aus- schußantrag, wonach die Gemeindeeinkommensteuer 75°/o (gegen seither 50°/o) der Einheitssätze der Staatseinkommensteuer nicht übersteigen darf und ferner mit 60 gegen 19 Stimmen der Zusatzantrag des Ausschusses, der das Cxistenzminimum auf 950 Mark festsetzt. Alle übrigen Anträge wurden ab- gelehnt. Darauf wurde in die Beratung des Art. 2 betreffend die Hundesteuer eingetreten und nach langer Erörterung, während der verschiedene Anträge und zu diesen Anträgen wieder verschiedene Ab- änderungsanträge gestellt wurden, der Ausschußantrag, der die unterste Grenze bei 8 beläßt, einstimmig angenommen, ebenso der Zentrumsantrag, der dem Ministerium das Recht erteilt, eine Erhöhung der Abgabe bis zu 30 ./kl, in großen und mittleren Städten für jeden weiteren Hund desselben Steuerpflichtigen bis zum Betrage von 40 ^ zu genehmigen, wobei jedoch eine Ausnahme für Hundezüchter zugelassen werden kann. Das Gesetz tritt am 1. April 1914 in Kraft.
Stuttgart, 17. Febr. Für Gemeinden und Amtsbezirke ist zweifelsohne die Tatsache von Interesse. daß der Staat von der Anschaffung von Dampfstraßenwalzen künftig absehen wird. Der Staat beabsichtigt sogar, seine Walzen zu verkaufen und nur noch mit gemieteten Walzen zu arbeiten. Das Straßenunterhaltungsgeschäft kommt auf diese Weise weit billiger zu stehen, weil die Maschinenfabriken die Bedienungsmannschaften im Winter über in den Fabriken beschäftigen können, was bei dem staatlichen Betrieb nicht der Fall sein kann.
Stuttgart, 18. Februar. Der Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern hat in seiner gestrigen außerordentlichen Mitgliederversammlung den ritterschaftlichen Abgeordneten zur Ersten Kammer Frhrn. Friedrich zu Gaisberg-Schöck- ingen zum 1. Vorsitzenden gewählt. Der seitherige 1. Vorsitzende Direktor Schmohl wurde in Anbetracht seiner Verdienste zum 1. Ehrenmitglied des Bundes ernannt. Der Bund zählt nunmehr nahezu 4000 Mitglieder.
Stuttgart. Gegen die wieder in Haft genommene Majorswitwe Griesinger ist die Voruntersuchung wegen Urkundenfälschung und Betrug in über 2000 Einzelfällen abgeschlossen. Die vermögenslose Majorswitwe hat nach dem Ergebnis der Untersuchung seit 1909 für 2,5 Millionen Mark Vermögenswerte betrügerisch an sich gebracht, wovon jedoch vier Fünftel ihren zahlreichen Helfershelfern zugekommen sind. Die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Majorswitwe Griesinger und acht Mitschuldige.
Stuttgart, 19. Febr. Gestern abend 6 Uhr brachte ein 26 Jahre alter Monteur seiner Geliebten, einer 21 Jahre alten Kellnerin, in deren Wohnung in der Ludwigsstraße nach vorangegangenen Streitigkeiten 2 Revvlverschüsse in den Kopf bei. Der Täter schoß sich sodann ebenfalls 2 mal in den Kopf. Beide wurden schwer verletzt ins Katharinenhospital verbracht.
Tübingen, 18. Februar. Bekanntlich befindet sich in der Türkei nicht nur eine deutsche Militär- mission, die ja in letzter Zeit viel von sich reden gemacht hat. sondern auch eine deutsche Militärärztliche Mission, die die Reorganisation des türkischen Sanitätswesens zur Aufgabe hat. Zu diesem Zweck wird z. Z. ein Lehrkrankenhaus eingerichtet, das den späteren Einrichtungen als Muster zu dienen hat. Die Einrichtung des Operationssaales in diesem Krankenhaus hat die hiesige Firma C. Erbe teilweise in Auftrag erhalten.
Eßlingen, 18. Febr. Vor dem Schöffengericht stand hier eine Beleidigungsklage des Bäckerobermeisters Gottlieb Bayer und seiner Vorstandsmitglieder gegen den Redakteur der Süddeutschen Friseurzeitung, Hermann Uhl in Cannstatt, zur Verhandlung. Vor etwa einem halben Jahr stand ein humoristisch abgefaßter Artikel aus der Friseurzeitung auch in verschiedenen Tageszeitungen. Es hieß darin, die Eßlinger Bäcker hätten in ihrer Jnnungsversammlung den Beschluß gefaßt, den Friseuren keine Rabattmarken zu geben. Die Friseure hätten dieses nicht tragisch genommen und wollten nun als Grabsteininschrift das Berschen wählen: „Wanderer bist du ein Bäck, — So geh' von diesem Grabe weg!" Alle Welt lachte, aber die Bäckermeister waren entrüstet und behaupieten, es sei in ihrer Jnnungsversammlung nie ein solcher Beschluß gefaßt worden. Das kgl. Schöffengericht hat nun. laut „Eßlinger Volkszeitung", für Recht erkannt, daß der Angeklagte nach Feststellung des Tatbestandes
wohl in Wahrung berechtigter Interessen gehandel habe, aber in der Form der Kritik das erlaubte Maß überschritten habe. Es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 20 Mk. und Tragung der Kosten.
Oftdorf OA. Balingen, 19. Februar. Hand- werkskammersekcetär Hermann-Reutlingen und Gelbgießermeister Beck-Ebingen haben gestern dem 100- jährigen Wagner Sämann hier die ihm zu seinem Geburtstag (18. Oktober 1913) zugedachle Ehrenurkunde überreicht. Sämann war hierüber sehr erfreut.
Maulbronn, 18. Febr. Wie verlautet, soll die hiesige Klosterbrauerei verkauft werden. Es ist geplant, sie in eine Genofsenschaftsbrauerei um zuwandeln und in einer Wirtsversammlung wurden denn auch schon ansehnliche Summen für dieses Projekt gezeichnet. Die Anteilscheine betragen 300 Mk.
Friedrichshafen. 17. Februar. Die hiesige Luftschifferkompagnie kommt am 21. Februar zur Bedienung des „Z 2" nach Baden-Oos. Diese zeitweilige Verlegung ist dadurch notwendig geworden, daß die Kompagnie hier weder eine Halle noch ein Luftschiff zu Uebungszwecken zur Verfügung hat. Der Aufenthalt in Baden-Oos wird sich deshalb auf längere Zeit erstrecken. Inzwischen verbleibt hier nur ein Wachkommando.
Kus StaSt, Bez irk u nS Umgebung.
Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs hat das K. Staatsministerium den Gerichtsnotar Oberdörfer in Wildbad seinem Ansuchen gemäß an das Bezirksnotariat Ulm versetzt, den Amtsgerichtssekretär Schaufler, Notariats- Hilfsarbeiter in Schömberg, zum Bezirksnotar in Großheppach ernannt.
Neuenbürg. (Sitzung der bürgerl. Kollegien am 18. Februar.) Nach Erledigung einer Rechtsstreitigkeit und Besprechung einer Eingabe des Oberreallehrers über den derzeitigen Stand der Unterrichtsverhältnisse an der hiesigen Realschule wurden Beschlüsse gefaßt über die Ausdehnung der hier bestehenden ortsstatuarischen Bestimmungen auf die eingemeindeten Markungsteile. Diese Beschlüsse werden, sobald sie genehmigt sind, demnächst samt den ortspolizeilichen Vorschriften wörtlich bekannt gemacht werden. Gutgeheißen wurden verschiedene Verbessemngsoorschläge des Bezirks schulinspektors bezüglich der Schulhauseinrichtungen, auch wurde die^ Anbringung eines Rundlaufs in der Turnhalle für den Mädchenturnunterricht beschlossen. Sobald die Witterungsverhältnisse es gestatten, wird mit den Arbeiten für Einrichtung der Straßenbeleuchtung auf der Ziegelhütte, für eine Verbesserung der Beleuchtung der unteren Bahnhofsstraße und für Beleuchtung des Dietrichswegs begonnen werden. Bekanntlich will die Kgl. Staatsforstverwaltung nicht anerkennen, daß der linksseitige Enztalweg schon von altersher dem öffentlichen Verkehr gedient habe und glaubt, über denselben anderweitig verfügen zu können, ohne zuvor für einen Ersatzweg zu sorgen; nach einer Benachrichtigung des Kgl. Oberamts findet nächsten Montag eine Verhandlung in der Sache statt. Hiezu hatten die Kollegien mehrere Bevollmächtigte zu wählen.
Berichtigung. (Sitzung der Gemeindekollegien in Wildbad vom 6. Februar.) In dem Bericht über die Errichtung einer weiteren Lehrstelle an der hiesigen Realschule muß es statt „in die 4. Klaffe einer militärberechtigten Anstalt" „in die 6. Klaffe einer militärberechtigten Anstalt" heißen.
Grunbach. 19. Febr. Auf unserer Höhe hauste der Sturm heute nacht kräftig. Zwischen dem Ort und der Haltestelle Grunbach-Salmbach lagen heute früh quer über den Fußweg drei riesige Tannen, welche den in der Dunkelheit bergab zur Arbeit eilenden Goldarbeitern und noch mehr den Poliffeusen schwer zu schaffen machten. Es war ein Glück, daß der Sturm morgens abflaute und nicht gerade in dieser Zeit Bäume stürzten, die sonst leicht die Ar« beiter hätten treffen können. (Pf. A.)
Calw, 18. Febr. Hier geht das Gerücht, der vermißte Sohn des Briefträgers Sommer hier, der in Cannstatt in der Lehre war, sei dort im Keller seines Meisters tot aufgefunden worden. Das Calwer Tagblatt stellt demgegenüber fest, daß weder die Polizei noch die Eltern des jungen Mannes Bestimmtes über den Verbleib des auf so rätselhafte Weise Verschwundenen wissen. Die Verfolgung der ganzen Angelegenheit wird jetzt von der Staatsanwaltschaft betrieben.
Pforzheim. Während sich die Schreiners-Eheleute Funk in der Calwerstraße am Sonntag abend auf einem Kappenabend vergnügten, ging daheim ihr
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