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Zentrum große Genugtuung Hervorrufen, bei den­jenigen Parteien aber, die sich speziell die Verteidi­gung der evangelischen Kirchen-Jnteressen zur Auf­gabe machen, einen neuen Sturm der Entrüstung Hervorrufen.

Berlin, 9. März. (Deutscher Reichstag.) Die Beratung des Militär-Etats, Titel Kriegsminister, wird fortgesetzt. Abg. Braun (Soz.) bemerkt, die vorgelegten Uebersichten betreffend die Arbeitsverhältnisse in den Werkstätten der Marine- und Heeresverwaltung seien als unvollständig und unzureichend anzusehen. Die Heeres- und Marine­verwaltung müsse ihren Einfluß dah in geltend machen, daß auch die für das Reich beschäftigten Unter­nehmer ihren Arbeitern ausreichende Löhne geben. In Bezug auf die Arbeitszeit in den Militärwerk­stätten sollte man sich Frankreich zum Muster nehmen, wo die 8stündige Arbeitszeit bestünde. Skandalös sei die Bezahlung der Heimarbeit, soweit es sich um die Bezahlung von Hemden handle im Äereich des 2. bayrischen Armeekorps. Abg. v. Kroch er (kons.) polemisiert gegen die Sozialdemokratie und nimmt die Armee gegen die von den Sozialdemokraten er­hobenen Angriffe in Schutz. Abg. Böckler (Antis.) wendet sich gegen die die jüdischen Soldaten be­treffenden Ausführungen Eickhoffs. Weiter geht er auf die Polsnfrage im Allgemeinen und die Behand­lung der polnischen Soldaten im Heere im Be­sonderen ein. Daß wir verhältnismäßig so viele adlige Offiziere hätten, sei kein Unglück. Es ver­erben sich eben alle Talente, bei den Juden das Schachertalent und im Adel das militärische Talent. Redner äußert dann Wünsche im Interesse des Mittelstands und des freien Handwerks. Auch empfehle er Urlaubsreifen mit Freifahrt für die Mannschaften, sowie Vermehrung der kleinen Gar­nisonen. Abg. Bebel (Soz.) geht zunächst auf das Vorkommnis in Bautzen ein. Wenn das, was die Presse darüber an Details gebracht habe, nicht richtig sei, so sollte der Oberstleutnant Krug von Nidda Gelegenheit nehmen, die Sache im Reichstage richtig zu stellen. Auch auf den Fall Arenberg kommt Redner zurück und betont, daß doch sonst in jedem Falle vor der Annahme eines Offiziersaspiranten genau untersucht werde, ob gegen ihn oder seine Familie etwas vorliege. Jedenfalls bleibe der Vor­wurf auf der Heeresverwaltung haften, dem Prinzen Arenberg gegenüber nicht alles getan zu haben, was zu tun notwendig gewesen wäre. Für ihn und seine Freunde, die sich doch hauptsächlich für die Mann­schaften interessierten, sei es gleichgiltig, ob die Offiziere adlig oder bürgerlich wären. Tatsache sei, daß für bestimmte Regimenter die zu besetzenden Offiziersstellen den Adligen Vorbehalten würden. Die Heeresverwaltung sollte sich, sobald sie unrich­tigen Darstellungen in der Presse begegne, mit Berichtigungen direkt an die Presse wenden. Redner polemisiert dann gegen den Abgeordneten Stöcker und bezeichnet es als feststehend, daß in Bezug auf Kritik der öffentlichen Zustände das deutsche Par­

lament allen andern weit zurückstehe. Die Be­mühungen der Sozialdemokraten gingen darauf, alle Mißstände zu beseitigen und das Vaterland zum ersten Lande der Welt zu machen. (Lachen rechts.) Gegen die sozialdemokratischen Bewegungen arbeite Herr Stöcker ja schon seit 30 Jahren als moderner SisyphoS. Seine Arbeit ist aber eine vergebliche gewesen. Die Sozialdemokraten seien es. die im Sinne des Christentums allgemeine Völkerverbrüde­rung und Völkerfreude predigen. (Gelächter rechts.) Das Christentum wäre nicht denkbar ohne das Judentum, um so unverständlicher bleibe der Juden­haß. Redner weist dann auch die Angriffe zurück, die Stöcker gegen ihn auf Grund seines Buches überDie Frau" geäußert hätte. Gerade die So­zialdemokratie sei fortgesetzt bemüht, das Familien­leben und damit zugleich auch die Moral zu ver­bessern. Redner schließt: Machen Sie was Sie wollen, los werden Sie uns nimmer. (Beifall links.) Abg. Stöcker (Antis.) hält dem Vorredner vor, daß sein BuchDie Frau" die Auflösung der Ehe bedeute. Er selbst kenne gegenüber der Sozial­demokratie nur einen Kampf auf Leben und Tod. Kriegsminister von Einem kommt noch auf die Ausführungen Bebels zurück und erklärt, daß die Berichtigungen, die er der Presse zuschicke vom Vorwärts" nicht gebracht worden seien. Der Minister exemplifiziert ebenso auf mehrere Behaup­tungen Bebels, unter anderem über den Fall in Posen. Wollte er alles dementieren, dann müsse er mindestens einen Nachtragetat einbringen (Heiter­keit), so viel unsinniges Gerede werde in den Zei­tungen verbreitet. Der Minister teilt dann mit, Prosper Arenberg sei ihm von dessen Bruder, dem Herzog von Arenberg und noch von zweiter Seite zur Aufnahme in das Regiment empfohlen worden. Daß ihm von diesen Herren mitgeteilt worden wäre, daß der Prinz schon damals anormal gewesen sei, hätte er annehmen müssen. Vor Gericht habe sich dann allerdings mancherlei herausgestellt. Die Kameraden, die von den Dingen gewußt hätten, haben jedenfalls gehofft, ihren Kameraden noch zu bessern. Wenn aber dann vom Regiment Aren­berg nach den Kolonien empfohlen worden sei, so sei das ein Fehler gewesen, den er offen zugebe. Wenn der Abg. Müller-Meiningen die größere Bildung der bayrischen Offiziere hervorhebe, so glaube er nicht, daß der Abgeordnete damit den bayrischen Herren einen Gefallen getan habe. Zum Schluß wendet sich der Minister noch gegen Bebel und fragt diesen, ob er seine Aeußerung, in der er die Behauptung des Generals Boguslawski in dessen Broschüre über den Heidelberger Aufruhr­prozeß als gemeine verläumderische bezeichnet, zurück­nehmen wolle. (Es entsteht eine kurze Pause, nach welcher Bebel ruft: Nein.) Nun dann müsse es dem Urteil des Hauses überlassen bleiben, ob der Abg. Bebel wirklich der gerechte, nach Wahrheit dürstende Mann ist, als den er sich immer hin- stcllt. (Beifall rechts.) Abg. Wagner (südd. Vp.)

spricht sich gegen Vermehrung der Unteroffizier­stellen aus, ferner gegen die häufigen Kontroll- Versammlungen und gegen den Zwang, der auf die Kommunen ausgeübt werde, gewisse Stellen den Militäranwärtern freizuhalten. Abg. Olden­burg (kons.) polemisiert gegen Müller-Meiningen und nimmt namentlich den Parademarsch und den Drill in Schutz. Redner spricht sich für die Auf­hebung des allgemeinen Wahlrechts aus. Seine Freunde stünden jedenfalls zum Kriegsminister. An dem Bollwerk der Armee werde die Sozialdemo­kratie zerschellen. Abg. Rügenberg (Zentr.) be­mängelt es, daß der Vergangenheit der in das Heer Einzustellenden nicht genug nachgeforscht werde. Abg. Prinz Karolath (kons.) will der Auf­fassung entgegentreten, ols ob etwa eine allgemeine Mißstimmung gegen die Armee vorhanden sei. Mißstände müßten allerdings mit allem Freimut erörtert werden. Redner weist dann noch eine gestrige Aeußerung des Abg. Stöcker zurück, daß Goethe sich vor Napoleon gefürchtet habe. Man solle in Deutschland stolz sein auf einen Mann wie Goethe, aber nicht ihn herabsetzen. Abg. Eick­hoff (frs. Vp.) weist sowohl die Oldenburg'schen als auch die Stöcker'schen Aeußerungen zurück. Mit antisemitischen Späßchen werde man die Sozial­demokratie nicht überwinden. Wenn auch der Breslauer Fall durch die Erklärung des Ministers erledigt sei, so sei es doch Tatsache, daß nicht ein einziger jüdischer Einjähriger Reserve-Offizier werde. Durch solche Zustände würden am letzten Ende auch die Grundlagen des Thrones untergraben. Damit schließt die Debatte. Der Titel Kriegs­minister wird bewilligt. Persönlich will der Abg. Bebel dem Kriegsminister noch Aufklämng geben weshalb er vorhin auf dessen Frage mit Nein ge­antwortet habe, was jedoch Präsident Graf Balle- strcm als nicht mehr für zulässig erklärt. Abg. Bebel behält sich eine Erklärung vor. Sodann wird noch die Resolution Beumer angenommen be­treffend Urlaubserteilung mit Freifahrt an Mann­schaften, ebenso die gleichartige Resolution Eickhoff, dagegen die Resolution Heyl von Herrnsheim be­treffend Unteroffizierersatz abgelehnt.

Berlin, 9. März. Nachrichten vom Herero­aufstand melden: Das Detachement des Majors von Glasenapp mit den Kompagnieen Fische! und Lieber, 50 alten eingezogenen Schutztruppenreitern, 4 Maschinen-Kanonen und einem Maschinengewehr vereinigten sich nach forcirten Geschwind- und Nacht­märschen am 26. Februar auf der Linie Obingi- Kaunduwe mit der Kompagnie des Oberleutnants v. Winkler. Es wird jetzt versucht, die Herero von der Annäherung an die englische Grenze abzuhalten. Die gesamte Reiterei wird demgemäß vorgeschoben.

Hannover, 9. März. Die Garnisons­kirche, in der die Leiche des Grafen Waldersee aufgebahrt ist, zeigte sich heute in tiefem Trauer­schmuck. Die Straßen, die der Zug von der Kirche

Würde ich es sonst sagen? Der alte Baron hat meinem Manne aus­drücklich gesagt, daß sein Sohn ihm bereits von Dir und seinen Hoffnungen gesprochen habe und daß er selbst durchaus damit einverstanden sei und daß er sich sehr freue, ein so schönes und liebenswürdiges neues Familienmitglied zu gewinnen!"

Olga's Brust hob sich in stolzer Freude, ihre Augen strahlten, und ihr ganzes Wesen war plötzlich wie umgewechselt! Sie ergriff die Hand ihrer Tante und der beste Beweis ihrer freudigen Stimmung, sie ließ sitz sogar zu einer Entschuldigung herbei:

Oh, verzeih' mir, liebe Tante, daß ich eben so kühl tat, aber jetzt, nach­dem ich dies von dir gehört habe, darf ich Dir sagen, daß ich durch das merk­würdige, hastige und unruhige Wesen Rheinbach's und sein eigentümliches Be­nehmen vorhin stutzig geworden war, und deshalb mein Stolz in mir erwachte!"

Frau von Blaffer atmete erleichtert auf.

Nun, Gott sei Dank, daß Du wieder vernünftig sprichst! Rheinbach's Unruhe braucht Dich nicht zu ängstigen! Mein Alter war damals auch nicht anders, als er vor dem Augenblick stand, mir seine Liebe zu erklären. Die Männer stellen sich das nämlich viel schwieriger und schlimmer vor, als es ist. Wenn sie sich klar machen wollten, wie sehr wir Frauen uns diesem Augenblick entgegensehnen, würden sie viel schneller zum Ziele kommen. Aber da legen sie sich vorher lange, schön formulierte Sätze zurecht, und schließlich sprechen sie doch meistens Unsinn und stottern ein Langes und Breites von Liebe undnicht leben" können und verhaspeln sich dabei, statt uns kurz beim Kopfe zu nehmen und einfach zu fragen:Willst Du mich?"

Olga lachte auf.

Wie anschaulich Du zu schildern verstehst!" Mit kokettem Lächeln setzte

sie hinzu:Ich werde versuchen, Herrn von Rheinbach die Sache möglichst leicht zu machen!"

Das mache, wie Dir gut scheint," nickte die Tante lächelnd.Ich werde jetzt mal selbst mit dem alten Baron sprechen!"

Sie nickte ihrer Nichte freundlich zu und begab sich dann in dis Rauh- zimmsr.

Olga atmete tief auf. So stand sie denn endlich vor der Erfüllung ihrer Träume und Wünsche. Sie warf stolz den Kopf hoch und betrachtete sich in dem Trumeau des Salons. Der Spiegel bestätigte es ihr. daß sie würdig war, den vornehmen Namen der Rheinbach's zu tragen, und daß HanS und sie ein einander ebenbürtiges Paar sein würden. Schönheit» Namen, Reichtum alles dies würde sich bei ihnen vereinigen, um eins bevorzugte Stellung in der vor­nehmen Welt cinzunehmen, ja den Mittelpunkt derselben zu bilden. Als Baronin Rheinbach würde sie endlich ihr Leben so genießen können, wie ihr Ehrgeiz es sich lange erträumt hatte. Aber hier in S., in der Provinz, wollte sie nicht versauern unwillkürlich erinnerte sie sich der Worte, die Falkenhayn vorhin zu ihr gesprochen hatte zu einer Kompagniemutter in irgend einem kleinen Nest hatte sie weder Anlage noch Neigung, sie wollte glänzen in der Gesellschaft und eine bewunderte Rolle in ihr spielen! Hiezu allein fühlte sie sich geboren, hiezu hatte ihr das Schicksal die Gaben der Schönheit und des Reichtums bescheert, welche jetzt durch den Namen einer Baronin Rheinbach zur vollen Geltung gelangten.

ES verstand sich von selbst, daß Hans sich sobald als möglich nach Berlin versetzen lassen mußte. Ob er sich diesem Wunsche ohne weiteres fügen würde? Er war sehr selbstbewußt und selbstständig.

(Fortsetzung folgt )