Darüber, wer alles die Schuldigen in dieser einzigartigen Skandalaffäre sind, ist die Untersuchung im Gange; freilich kann schon jetzt gesagt werden, daß der strafenden Gerechtigkeit wohl nur die in die Angelegenheit verwickelten Persönlichkeiten in Oester­reich und in Ungarn selber erreichbar sein dürften, während gerade die Hauptschuldigen jenseits des Atlantischen Ozeans weit vom Schüsse sitzen und sich in Sicherheit wiegen können. Bis jetzt sind, wie man vernimmt, in Wien 4 höhere Beamte verhaftet. Auch in Ungarn gelangten eine Anzahl Persönlich­keiten unter der Beschuldigung, die Militärbefreiungen gefördert zu haben, in Haft, während in Galizien, wo dasBefreiungswerk" besonders üppig geblüht zu haben scheint, schon über 100 Kompromitierte verhaftet worden sind. Sogar eine Anzahl Mit­glieder des österreichischen Reichsrats sollen in diese schmutzige Affäre verwickelt sein, sie werden beschul­digt, mit derCanadian Pacific" verdächtige Bezieh­ungen unterhalten zu haben. Es werden in dieser Beziehung auch schon Namen genannt; so wurde der Ruthen« Petrycki, der mit zu den verdächtigen Parlamentariern gehört, deshalb schon zum Austritt aus dem Ruthenenklub des österreichischen Abgeord­netenhauses genötigt.

Jedenfalls darf man erwarten, daß die öster­reichischen Gerichte in dieser schmachvollen Angelegen­heit ohne Ansehen der Personen Vorgehen und jeden, welcher in ihr eine Rolle gespielt hat, vor das Forum der strafenden Gerechtigkeit ziehen werden; sie sind dies schon dem Ansehen Oesterreich-Ungarns gegenüber dem Auslande schuldig. Zunächst ist eine parlamentarische Untersuchungskommission über den Auswandererskandal eingesetzt worden, die eifrig ihre Arbeit ausgenommen hat und schon zu recht überraschenden Ergebnissen gelangt ist. Speziell ist der ehemalige Beamte im österreichischen Handels­ministerium und einer der Führer der christlich- sozialen Partei Oesterreichs, Baron v. Weichs-Glon, der jetzt in den Diensten derAustria-Amerikr-Linie" steht, durch die bisherigen Ermittelungen des parla­mentarischen Untersuchungsausschusses bedenklich bloß­gestellt, was in den politischen und gesellschaftlichen Kreisen von Wien nicht wenig Aufsehen erregt.

Württemberg.

Stuttgart, 37.Okt. lieber denWeinherbst schreibt derWeinbau", das Organ des württemb. Weinbauvereins: Ein traurigerer Weinherbst ist wohl selten ins Land gegangen, wie der heurige. In den meisten Gegenden des Landes lohnt sich ein Herbsten überhaupt nicht oder es müssen zur Ein- heimsung der wenigen Trauben Geschirre von den bescheidensten Ausmessungen hervorgesucht werden. Was wollen angesichts dieser allgemeinen Mißernte ^ die wenigen Glücksherbste bedeuten, die an einigen Orten des Unterlandes noch erzielt werden! So ! viel steht fest, daß der 1913 er bezüglich seiner Menge sich noch unter den 1906er, 1910er und 1912er stellt; in der Güte wird jedoch der 1913er diese Jahrgänge überragen, was der recht günstigen z Witterung im September und Oktober zu verdanken !

ist. Die größeren Güter, schieben die Lese solange i als möglich hinaus; sie werden teilweise noch ganz hübsche Posten Wein, vorzugsweise Weißgewächs, auf den Markt bringen können. Bis jetzt schwanken die in freihändigem Verkauf erzielten Hektoliterpreise zwischen 60 und 75 Mk.; in Versteigerungen stiegen die Preise über 80 Mk. Spätlesen dürften sich noch höher im Preise stellen.

Musberg, 27.Okt. Vor einigen Tagen wurde der 59 Jahre alte Bauer und Wirt Andreas Reiber beim Schoren seines Grundstücks von einem Insekt in den rechten Arm gestochen. Es trat Blutvergiftung ein, der der Mann unter gräß­lichen Schmerzen erlag.

Niederstetten, 27. Okt. Der Ausfall der Obsternte führt in diesem Jahr viele Millionen in das Ausland. Auch hier sind schon viele Wagen­ladungen Mostobst eingetroffen. Ebenso treffen hier viele Wagenladungen ausländischer Trauben ein.

(Landesprodrrktenbörse Stuttgart). Bericht vom 27. Okt. Wenn auch das Getreidegeschäft in der abge< laufenen Berichtswoche ruhig verlief, so war doch ein etwas festerer Grundton zu bemerken, da Amerika mit seinem An­gebot nicht mehr so dringend war und die Preise um eine Kleinigkeit erhöhte. Die Herbstarbeiten bei unseren Land­wirten sind infolge des günstigen Wetters nahezu beendigt. Die Kartoffelernte, die auch einen großen Einfluß auf den Brotkonsum ausübt, ist im Quantum gut ausgefallen; jedoch wird über die Haltbarkeit einzelner Sorten geklagt. Guter, trockener Landweizen hält seinen Preis, während beregnete, geringere Qualitäten vernachlässigt sind. Mehlpreise per 100 Kilogramm inkl. Sack Mehl Nr. 0: 32.75 bis 33.75 Nr. 1: 31.75 bis 32.25 Nr. 2: 30.75 bis 31.25

Nr. 3: 29.25 bis 80.25 Nr. 4: 25.75 bis 26.75

vermischtes»

Neuenbürg. Der Herbst ist ins Land ge­zogen. Es reift noch das Letzte, und dankbar nimmt man jeden warmen Sonnenstrahl entgegen, aber schon ist es Lebenswende in der Natur. Die gelben und braunen Blätter rascheln am Boden. Viele achten nicht darauf, und doch kann wie von ungefähr ein flüchtiger Blick auf dieses welke Laub die eigen­tümlichsten Empfindungen auslösen. Vergänglichkeit in der Natur und Vergänglichkeit im Menschenleben. Dort stirbt es ab nach unabänderlichen Naturgesetzen, und hier geht es nach mehr oder weniger Krampf­und Arbeitsjahren zu Ende, vielleicht nach vielen schweren Sorgenseufzern und Enttäuschungen. Me­lancholische Herbststimmungen I Irgend einmal tauchen sie schließlich in jedem Leben auf. Im Alter kommen sie wie seltsame, allbekannte und doch recht veränderte Gäste: allerlei Erinnerungen aus längst vergangenen Tagen, aus der Jugendzeit wundersamen Sonnenhöhen. Aber wie im Haushalt der Natur nichts verloren geht, so ist auch im Leben und Weben der Menschheitsgeschichte kein absolutes Ersterben, wenigstens dann nicht, wenn die Kräfte des Guten freudig und tapfer walten. Dann weht ! auch durch die Nöte und Hemmungen des Daseins Lebensmelodie:Wir heißen euch hoffen!"

Ein netter Vergleich. Ein vor einigen Jahren verstorbenes Original, ein Pfarrer im Nid- z waldner Ländchen, verflieg sich in seiner Predigt zu ! folgendem Vergleich:Die schlechten Ehemänner

! gleichen den alten Phosphorhölzchen, die sich an jeder Reibfläche entzünden, die guten aber sind wie die schwedischen, die sich nur an der eigenen Schachtel entflammen."

Kleine Geschichten. Die MünchenerJu­gend" veröffentlicht die folgenden kleinen Geschichten: Ein gemütvoller, alter Dresdener besucht seinen schwerkranken Freund:Lieber Hermann", sagt er zu ihm,ich seh' Diersch ahn der Nase ahn. Du werscht «ich lange mehr mitmachen. Du gehst balde druf! Ja. jaa, baffe mal uf. Du mußt ins Gras beißen, da nitzd nu alles nischt. Weeßde, Hermann, im Falle, daß de Freitag schonn begram werscht, so sei mer nich beese, wenn ich nich mit ze Dein'n Begräbnis gomme, da bin ich D'r nämlich schonn bei Seifert's Emil zum Schlachtfeste eingeladen." Der 6jährige Karl erzählt:Ich kann schon eint" auf einer Schiefertafel machen und auch ein k." Dask" ist eint" mit einem Rucksack." Ueber die Leipziger Löwenjagd veröffentlicht die Jugend" die folgenden Gedanken eines Sachsen: Daß die Bollezei die Bestien gar so fix nieder­geknallt had! Unser Geenig August hädde doch gewiß ooch gern mal 'n Lee'm geschossen!"Die Viecher hadden sich scheene geschnidden! Die hadden nämlich gegloobt, Leibzch liegd in Steiermark!" Der ins Hotel Blicher geloofen is, war der aller­frechste I Das war Sie nämlich e männlicher, un wo Ham se 'n gefunden? Uff der Damentoilette!"

O alte Burschenherrlichkeitl . . . Eine eigenartige Studentengeschichte, die schon seit mehreren Monaten spielt, wird, wie dasHeidelberger Tage­blatt" meldet, zurzeit in den akademischen Kreisen der altehrwürdigen Ruperto Carola Heidelbergs lebhaft besprochen. Der Angestellte eines Filmunter­nehmens in Schlierbach bei Heidelberg halte zwei Mitglieder der LandsmannschaftCheruskia" über­redet, gegen Geld eine Säbelmensur auszufechten, damit sie für ein Filmdrama kinematographisch aus­genommen werden könne. Auf diesen sonderbaren Vorschlag gingen die beiden Herren ein. Die LandsmannschaftCheruskia" begab sich am 26. Juli in corporo nach Schlierbach, gruppierte sich zu einer malerischen Staffage um die beiden Paukanten und es entwickelte sich vor dem eifrig am Kasten dreh­enden Filmoperateur ein schwerer und blutiger Säbelkampf. Jeder der beiden Paukanten soll eine Summe von 500 Mk. für diese einzig dastehende Heldentat eingesteckt haben. Die beiden andern Heidelberger LandsmannschaftenTeutonia" und Zaringia" haben wegen dieses Vorfalls Einspruch bei dem Kongreß des Koburger1^.6." erhoben, der vor einigen Tagen in Leipzig Stellung zu diesem Heidelberger Filmdrama" nahm. Er fand ein derartiges Vorgehen einer schlagenden Verbindung ungeheuerlich und beschloß, dieCheruskia" auf 4 Semester aus dem Verband auszuschließen. Auch in Kreisen der deutschen Burschenschaft herrscht Ent­rüstung über den Vorfall, die hiesige Studentenschaft nimmt in einigen Tagen Stellung dazu und die Universität wird sich voraussichtlich auch noch mit der Angelegenheit beschäftigen.

Urkraft der Kode

Roman von Karl Engelhardt.

1S> (Nachdruck verboten.)

Ja. Ich verspreche mir viel davon. Das Meer, im Winter die Einsamkeit, und selbst im Sommer nicht allzu viel Verkehr Kranz ist nicht zu sehr be­sucht das ist gerade das, was ich wünsche und brauche."

Das kann ich verstehen. Hätte selbst nichts da­gegen einzuwenden. Aber sagen Sie mal, haben Sie kein Verlangen, in die Heimat zurückzukehren, in der Sie Ihre Jugend verlebt?"

Doch. Aber ich will Majas halber noch einige Zeit in der Nähe ihrer Eltern bleiben. Später kehre ich sicher in meine Heimat zurück zu den seltsamen Steingebilden unserer Kjölen. Zu der wilden Ein­samkeit unserer Felsentäler, in denen die Dorsche zu Tausenden Hausen. Zu unseren wildromantischen zer­rissenen Fjorden mit ihren unzähligen Armen, die sich verzweigen wie das Geweih eines Elches; eng und schmal, daß die Sohlen mancher dieser Aste in ewigen Schatten getaucht sind. O ja, Fräulein Karla, ich liebe meine Heimat und ich habe sie nicht vergessen, wiewohl es schon fast zehn Jahre sind, daß ich mich nicht mehr dauernd in ihr aufgehalten."

Lächelnd sah sie zu ihm auf.

Ich sehe. Sie sind immer noch der alte Schwärmer. Aber vielleicht erklärt gerade das meine Anhänglichkeit an Sie. Denn ich muß es zu meiner Schande gestehen Ihnen darf ich es doch wohl sagen. Sie plaudern nicht? auch mir steckt so was

Ähnliches im Blut, wenn ich es auch möglichst viel nach außen hin zu verbergen suche."

Das weiß ich längst."

Vor dem Hotel, in dem Karla wohnte, reichte sie ihm die Land.

Auf Wiedersehen bei der Hochzeit."

Kommen Sie auch zu mir inzwischen nicht einmal heraus?"

Nein. Ich mache darin keine Ausnahmen."

Also dann in acht Tagen. Und Ihr Versprechen, uns in Bad Kranz zu besuchen, gilt? Wenn Sie es halten, nehme ich Ihnen auch einen Gesellschafter mit."

So -?"

Jawohl. Mein Schwager Walter hat mir näm­lich gleichfalls zugesagt, eine Zeitlang unser Gast zu sein, um sich zu erholen."

Um sich zu erholen?" fragte sie rasch.

Ja. Wissen Sie nicht? Er muß seine Nerven wieder auf den Damm bringen. Er hat sich an­scheinend überarbeitet. Deshalb wird er auch im nächsten Semester nicht lesen."

Er kommt nicht nach Berlin?"

Wohl kaum."

So so!" tat sie gleichgültig.Also auf Wiedersehen. Besten Dank für die Begleitung."

War mir doch ein Vergnügen. Auf Wiedersehen."

IV.

Erich und Maja waren Mann und Frau.

Nur die Intimen der Familie Lichten waren ge­laden worden. Man wünschte die Hochzeit nicht zu einem Prunk- und Schaustück zu gestalten.

Throndhjem durchrann ein eigenartig wohliges Gefühl bei dem Gedanken, daß das reizende Menschen­kindchen an seiner Seite, das ihn vergöttert, nun sein Eigen sei, ihm für alle Zeiten sein Heim erhellen solle. Und doch blieb er ernst, und trübe Gedanken zogen ihm durch den Sinn.

Er gedachte seines ersten Hochzeitstages. Gegen seinen Willen-

Toaste wurden gesprochen, Gläser klangen anein­ander, Hochs verrauschten.

Walter war der Tischnachbar Karlas. Aber er batte wellig Freude. Denn sie war heute unnahbarer als je.

Plötzlich klopfte sie mit dem Messerrücken an ihr Sektglas. Die Gäste trauten ihren Augen und Ohren nichts als sie sich erhob und tatsächlich zu reden be­gann.

Meine geehrten Herrschaften, verzeihen Sie, wenn auch ich Sie um einige Augenblicke Gehör bitte. Es scheint Ihnen vielleicht absurd, emanzipiert. Aber ich kann nicht anders. Weß das Herz voll ist, deß fließt der Mund über. Und ich weiß, daß das in einem so frei- und feinsinnigen Hause wie hier nicht falsch ausgelegt werden wird. Es haben schon so viele von den Gästen die Glückwünsche dargebracht, die sie auf dem Herzen hatten, daß auch ich es mir nicht versagen kann. Denn auch mir sind die beiden jungvermählten Eheleute lieb und wert. Ich gestehe das ganz offen von meinem früheren Lehrer, dem ich so viel in künstlerischer Hinsicht verdanke. Und ich bekenne es von seiner jugendlichen Gattin, die mir schon wenige Stuilden nahe gebracht haben." (Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag der C. Meeh'schen Buchdruckerei des Enztälers (Inhaber G. Couradi) in Neuenbürg.