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172.
Reuenbürg, Montag den 27. Oktober 1913.
71. Jahrgang.
RunSlchau.
Die Lösung der braunschweigischen Thronfolgefrage. Wie der Korrespondenz Woth aus parlamentarischen Kreisen milgeteilt wird, beabsichtigt der Reichskanzler kurz vor dem Zusammentritt des Reichstags mit den Führern der bürgerlichen Reichstagsfraktionen Fühlung zu nehmen, um ihnen den Standpunkt in der braunschweigischen Thronfolgefrage klar zu legen. In Regierungskreisen hofft man, daß in den nächsten Tagen die Beurteilung der braunschweigischen Frage in der Öffentlichkeit eine wesentlich andere werden wird, wenn die Gründe der Regierung bekannt gemacht sein werden. Die vom Bundesrat gemachten Bürgschaften, daß das Haus Cumberland Ansprüche auf Hannover nicht mehr geltend mache, werden dadurch gegeben werden, daß der neue Herzog von Braunschweig die Reichsverfassung anerkenne. Der außerordentliche Landtag in Braunschweig wird am Montag sich bereits mit dem vollzogenen Beschlüsse des Bundesrats befassen. Der Herzog-Regent wird die Regentschaft in den nächsten Tagen niederlegen. Die Uebernahme der Regierung durch den neuen Herzog erfolgt unmittelbar darauf.
Berlin, 25. Okt. Sicherem Vernehmen nach wird der Bundesrat anerkennen, daß die nach dem Verfassungsrecht Braunschweigs von dem Prinzen Ernst August bei der Thronbesteigung zu gebenden Reversalien die uneingeschränkte Anerkennung der Reichsverfassung enthalten.
Johannistal, 25. Oktbr. Ter französische Flieger Pegoud unternahm heute nachmittag in Anwesenheit eines vieltausendköpfigen Publikums zwei je 20 Minuten dauernde Flüge mit waghalsigen Kunststücken. Er überschlug sich mehrmals und flog ganze Strecken mit dem Kopf nach unten.
Berlin, 25. Okt. Das gruselige Gefühl der Erwartung, bei dem man sieht, daß das Schaudern mitunter nicht der Menschheit bester Teil ist. hatte heute nachmittag Tausende und Abertausende von Berlinern nach dem Flugplatz Johannisthal Hinausgetrieben, um Pegoud, den berühmten französischen Flieger, und seine Sturzflüge zu sehen. Das Wetter war geradezu ideal: ein prachtvoller, sonniger Herbsttag mit ganz klarem Himmel. Auf den Tribünen und in den Logen sah man sehr viele Uniformen, Offiziere der Lufrschifferabteilung, der Garde, auch der Marine. Während Pegouds Flug unternahm das Luftschiff Hansa einen Rundflug um den Flugplatz, und man dachte unwillkürlich an das tragische Ereignis, das erst vor acht Tagen ganz nahe hier stattgefunden hatte. Kurz vor Uhr unternahm Pegoud seinen ersten Flug. Ich stand kaum 15 Meter von ihm entfernt, als er sich mit vergnügter Pose den Photographen zur Verfügung stellte, die ihn natürlich gleich scharenweise umringten. Jetzt fliegt Pegoud! Den Flugplatz erst in mäßiger Höhe umkreisend, schraubte er sich langsam empor. Man sieht ihn kleiner und kleiner werden, bis man ihn in 600 Meter Höhe etwa sich scharf vom klaren Herbsthimmel abzeichnen sieht. Und auf einmal begann er seine waghalsigen Saltomortales und seine halsbrecherischen Stürze. Er legte den Apparat auf einmal ganz auf die Seite. Dann kehrte er ihn sogar um, und man sieht die Räder nach oben stehen. Es scheint als ob der Flieger dort oben jeden Augenblick in einer schrecklichen Katastrophe herunterfallen müsse. Der Menge stockt der Atem. Um mich herum werden Ausrufe laut, aber Pegoud fliegt ruhig fort, seine unglaubliche Stellung — er fliegt kopfunter — machte ihm gar nichts. Er bewegte sich in der Luft in schwindelnder Höhe so sicher, als mache er Turnübungen an einen Trapez zu ebener Erde. Er gleitet in elegantem Flug auf und nieder, er bewegt sich in der Luft wie ein Uhrzeiger im Kreis, überschlägt sich und kommt dann in
eleganten Spiralen nieder, wobei er, offenbar in absichtlicher Kühnheit, ganz nahe an einem Pfosten der Platzschranken vorbeifliegt. Die Menge empfing ihn mit tausendfältigem Bravo und Händeklatschen. — Nach 25 Minuten Pause unternahm Pegoud einen zweiten halbstündigen Flug. Er zeigte sich so wenig ermüdet, daß er in der Pause eine Rundfahrt im Auto um den Flugplatz machte, überall mit dem Beifall begrüßt, den seine Kühnheit und seine Geschicklichkeit verdienen. Gegen fünf Uhr machten sich die Zuschauer auf den Heimweg. Es herrscht in und um Johannisthal ein Gedränge, wie man es nur selten in Berlin erlebt hat. Wer kein Auto hatte, sah sich unfähig, den Rückweg nach der Stadt anders als zu Fuß anzutreken, da alle anderen Verkehrsmittel unter dem Andrang der Tausenden völlig versagten.
Johannistal, 26. - Okt. Der französische Flieger Pegoud wiederholte heute vor einem nach Tausenden zählenden Publikum seine Flüge. Während seines ersten Fluges überschlug er sich 8mal in der Luft und vollführte, wie gestern, seine waghalsigen Kurvenflüge. Bei dem zweiten Aufstieg machte er dieselben Flüge und überschlug sich zehnmal nach hinten. Das Publikum jubelte dem kühnen Flieger fortwährend zu und spendete ihm am Schluß seiner Vorführungen lauten Beifall. Das Wetter war heute nicht besonders günstig. Es herrschte etwas Wind und während des zweiten Fluges setzte auch etwas Regen ein.
Berlin, 25. Okt. Ein Leuchtturm für den Luftverkehr wird gegenwärtig in Tauschwitz (bei Lirbenwerda, Provinz Sachsen.) errichtet. Er wird mit einem Blinkfeuer von 2000 Kerzenstärke ausgerüstet. Es ist dies der erste Luftverkehr-Leuchtturm im Reiche, der der Luftschiffahrt wertvolle Dienste leisten dürfte.
Karlsruhe, 25. Okt. Das Großblockabkommen zwischen den drei Linksparteien für den zweiten Wahlgang ist heute abgeschlossen worden und wird am Montag veröffentlicht werden.
z Solingen. Ein junges Liebespaar ließ sich ! am Samstag morgen von dem Zug Remscheid- i Solingen in der Nähe von Güldenwerth überfahren, s Beide waren sofort tot. Das 20 jährige Mädchen stammt aus Cüppelstein bei Remscheid, der junge Mann ist der Sohn eines Bäckermeisters aus Barmen. Als Grund der Tat wird unglückliche Liebe angenommen.
Bad Dürkheim, 23. Okt. In Freinsheim starb gestern plötzlich ein Mädchen, welches vor ! seinem Tode noch den Namen des hiesigen Natur- ' heilkundigen Peter Lipp genannt haben soll. Heute vormittag wurde nun Lipp nebst seiner Frau festgenommen und ins Gefängnis abgeführt. Zweifellos handelt es sich, der „Pf. Presse" zufolge, um einen unerlaubten Eingriff. Lipp hat sich schon früher i ähnliche Straftaten zuschulden kommen lassen und verbüßte deshalb bereits längere Freiheitsstrafen.
Kolb erg. Auf dem Gute Nicheln bei Schwetzlau überfiel ein Stier 2 Mägde. Die eine war sofort tot, die andere wurde tätlich verletzt.
EinUrteilJuanschikaisüberdie deutsch- ! chinesischen Beziehungen, das der Präsident von China kürzlich einem deutschen Journalisten gegenüber gefällt hat, hebt hervor, daß sich die Beziehungen zwischen China und Deutschland andauernd befestigten, und daß davon für beide Teile zunehmende politische und Handelsvorteile zu erwarten seien. Der Präsident schätze die deutsche Industrie hoch. Die Regierung bereite eine allmähliche Einteilung Chinas in mehrere Militärbezirke zur Stärkung der Zentralverwaltung vor. China bedürfe für die Hebung der Bodenschätze und den Ausbau seines Eisenbahnnetzes des fremden Geldes. Juanschikai hoffe dabei auf die Hilfe Deutschlands.
Württemberg.
Stuttgart, 25. Oktbr. Dem Präsidium des Ständischen Ausschusses ist vom Finanzministerium der Gesetzentwurf betr. einen Nachtrag zum Finanzgesetz zugegangen, der eine Forderung für eine Landespolizeizentralstelle enthält.
Stuttgart. 25. Okt. Bei der heutigen Landtagsersatzwahl in Stuttgart-Amt haben von 12458 Wahlberechtigten 9 844 abgestimmt. Es erhielten: Redakteur Pflüger (Soz) 5647 Stimmen, Stadtpfarrer Lamparter-Stuttgart (Natl.) 4162 Stimmen; zersplittert 12, ungültig 24 Stimmen. Redakteur Pflüger (Soz.) ist somit gewählt. Bei den allgemeinen Wahlen am 16. November 1912 haben 9408 Wähler abgestimmt. Der sozialdemokratische Kandidat Hildenbrand wurde damals mit 6715 Stimmen im ersten Wahlgang gewählt. Der nationalliberale Kandidat Schuster erhielt 2460, der Zählkandidat des Bundes der Landwirte 169 Stimmen. Der Wahlausfall war vorauszusehen; er bringt somit keine Ueberraschung, wohl aber die Tatsache, daß trotz Zunahme der Wählerftimmen um 437 gegenüber der letzten Wahl die Sozialdemokratie einen Rückgang ihrer Stimmenzahl um 1068 zu verzeichnen hat. Der nationalliberale Kandidat Lamparter hat eine Zunahme der Stimmenzahl um 1702 zu verzeichnen vermocht. — Die Stärke der Fraktionen in der Zweiten Kammer ist nunmehr endgültig folgende: Zentrum 25, Bund und Konservativ? 20, somit die Rechte zusammen 45; Volkspartei 19, Sozialdemokratie 17, National- liberale 11, demnach die Linke zusammen 47.
Stuttgart, 24. Okt. Die Zuschlagserteilung bei der Vergebung staatlicher Arbeiten und Lieferungen nach dem Grundsatz des angemessenen Preises wird in einer erneuten Eingabe der württ. Handwerkskammern an Regierung und Stände gefordert. Die Eingabe weist darauf hin, daß die Feststellung des angemessenen Preises am zweckmäßigsten in Gemeinschaft mit den bei den Handwerkskammern zu errichtenden Verdingungsstellen erfolge. Nach Feststellung des angemessenen Preises sollen alle unter diesem abgegebenen Angebote aus- schsiden. Von den verbleibenden Angeboten soll das den Zuschlag erhalten, das der vergebenden Behörde als das annehmbarste erscheint, unter möglichster Bevorzugung der zur Führung des Meistertitels berechtigten Handwerker. Auf der Zuziehung von Sachverständigen zur Festsetzung des angemessenen Preises wird unbedingt bestanden.
Stuttgart, 25. Okt. (Eine zweite Prest- lingernte.) Manche Gärtner haben die Freude, aus ihrem Grundstück teilweise noch ansehnliche Prestlingsernten einzuheimsen. Aber auch die Schnecken freuen sich über die jetzt so seltenen Leckerbissen; der feuchtkühle Sommer scheint ihrer Schneckenbrut günstig gewesen zu sein, sodaß sie ungemein zahlreich auf- treten. Wenn nicht ein kalter Winter mit ihnen wieder aufräumt, dürfte das nächste Jahr ein „Schneckenjahr" werden. Dann gute Nacht Prestlinge!
Heilbronn, 25. Okt. Auf der Tagesordnung des eben hier tagenden Schwurgerichts 4. Quartal befindet sich der Fall des Massenmörders Wagner nicht. Auch als Nachtrag darf er nicht erwartet werden. Da eine mehrwöchige Beobachtung des Mörders in einer Staatsirrenanstalt wegen Begutachtung seines Geisteszustandes in Frage kommt, wird der Fall frühestens im Januar 1914 zu den Schwurgerichtsverhandlungen des 1. Quartals 1914 verhandlungsreif werden.
Gmünd, 25. Oktbr. Der württembergische Städtetag beriet in einer gestern hier gehaltenen Sitzung über die Wertzuwachssteuer, und beschloß nach einem Bericht von Oberbürgermeister Jäckle- Heidenheim, auf die Beibehaltung und Festlegung von Normen über die Erhebung und Höhe der Steuer in Anlehnung an die Gemeindesteuergesetze