die eine ausreichende körperliche Durchbildung unmöglich machten (z. B. Befreiung vom Turnen aus gesundheitlichen Rücksichten), so kann der Nachweis körperlicher Tüchtigkeit bei der Gestellung durch ein besonderes Examen vor einer Prüfungskommission erbracht werden. In gleicher Weise haben sich alle einer Prüfung in körperlicher Ausbildung zu unterziehen, die auf Grund gewerblicher oder künstlerischer Leistungen den Berechtigungsschein zum Einjährigen Dienst erhalten. Der Turnausschuß begrüßt den Beschluß des Reichstags aufs freudigste und erklärt sich zu weiterer Mitarbeit in der Angelegenheit bereit. Er hofft, daß er bei Festsetzung des Maßes der turnerischen Ausbildung, die Erleichterung bringen soll, mit herangezogen wird, und ist der Ansicht, daß die Berechtigung zum Einjährigen Dien st bei hervorragenden turnerischen Leistungen nach Ablegung einer erleichterten wissenschaftlichen Prüfung ausgesprochen werden könnte. Die ganze Angelegenheit soll vom Vorsitzenden des Turnausschusses in Form einer Denkschrift bearbeitet werden.
Finanzieller Wochenrückblick. Das Börsengeschäft verriet in den letzten acht Tagen eine merklich abgeschwächte Stimmung. Neue Besorgnisse wegen eines möglichen Krieges zwischen Griechenland und der Türkei, eine gewisse Unbehaglichkeit hinsichtlich der Vorgänge zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten, Befürchtungen vor einer abermaligen Diskonterhöhung durch die Bank von England und einer dementsprechenden Versteifung des deutschen Geldmarktes wirkten zusammen mit den unerwartet hohen Geldansprüchen der Hamburg-Amerika-Linie, die ihr Aktienkapital plötzlich von 150 auf 180 Millionen erhöht, ungünstig auf die Entwicklung des Geschäftes ein. Selbst so gute Nachrichten-, wie die über den Beschäftigungsgrad der deutschen Industrie im September und die allgemein vertrauensvoll lautenden Berichte über den Stand der Konjunktur vermochten nicht, eine überhandnehmende Neigung zu Verkäufen zu verhindern, so daß das Kursnioeau gegen die vorige Woche durchschnittlich um mehrere Prozente ermäßigt wurde.
Heilbronn, 15. Okt. Durch die Verstärkung, die das hiesige Füsilier-Regiment durch die allgemeine Heeresverstärkung erfährt, sind Stockaufbauten ans die Mannschaftshäuser I und II des 3. Bataillons hier nötig. Die Bauarbeiten hierzu im Koftenvoranschlag von nahezu 17 000 Mk. sind vom Militärbauamt II Ludwigsburg bereits ausgeschrieben.
Heilbronn, 16. Okt. Eine hier gehaltene Versammlung von Wirten beschloß, eine „Unterländische Genossenschaftsbrauerei" nach dem Vorgang der Göppinger Genoffenschaftsbrauerei zu gründen. Der Sitz der Brauerei ist Neuenstadt a. Kocher.
Schönmünzach, 16. Okt. Die Vorarbeiten zum Bahnbau zwischen der badischen Landesgrenze und Klofterreichenbach werden demnächst in Angriff genommen. Oberfinanzrat Müller von der Generaldirektion in Stuttgart hat in letzter Zeit Besprechungen mit den Murgtalgemeinden geführt. Der Bahnbau selbst soll 1915 begonnen werden.
I Reutlingen, 16. Okt. Zur Erstellung eines Saalbaus beschlossen die bürgerlichen Kollegien die ^ Gründung eines Fonds von 100 000 Mk. Das Anerbieten des hiesigen Liederkcanzes, der für die Errichtung des Saalbaus einen Platz im Werte von 75 000 Mk. zur Verfügung stellt, wurde angenommen.
Backnang. 16. Okt. Der Gemeinderat hat die Bitte des sozialdemokratischen Turnerbundes um Ueberlassung der städtischen Turnhalle zu Ueb- ungszwecken gegen die Stimmen der sozialdemokratischen und volksparleilichen Mitglieder abgelehnt.
Winterlingen O/A. Balingen, 16. Oktober. Welch langlebige Leute wir hier haben, geht daraus hervor, daß Ur-Urahne, Urahne. Großmutter, Mutter und Kind hier leben. Die Ur-Urahne ist 87 Jahre alt.
Kus StaSt, Bezirk unS Umgebung.
Calw, 15. Okt. In der Bahnhofstraße geriet ein Automobil, in dem mehrere Calwer auf die Jagd fahren wollten, in Brand. Der Feuerwehrkommandant löschte mit einigen Feuerwehrleuten das Auto. In der Nachbarschaft herrschte große Besorgnis, daß der Benzinbehälter explodieren könnte, was glücklich vermieden wurde.
Unterreichenbach, 16. Okt. Das vor zwei Jahren erbaute Schulhaus für die Gesamtschulgemeinde Unterreichenbach - Dennjächt muß schon erweitert werden, da für die nächsten Jahre ein starker Andrang neuer Schüler zu erwarten ist.
Altensteig, 16. Okt. Im Hause eines Sattlers wurde der Koffer des Gehilfen erbrochen und gegen 100 ^ gestohlen. Von dem Täter ist bis jetzt nichts bekannt.
Pforzheim, 16. Okt. Der letzte Stadtratsbericht enthält folgende, auch in Württemberg interessierende Nachricht: „Nach Zeitungsberichten soll die hiesige kgl. württ. Bahnbauinspektion nach Calw verlegt werden. Der Stadtrat beschließt, wegen Belastung dieser Behörde in Pforzheim bei der württ. Bahnverwaltung vorstellig zu werden".
Pforzheim, 15. Okt. Am Montag den 20. Oktober nehmen die Musikvereinskonzerte, die so eigentlich der Mittelpunkt des hiesigen musikalischen Lebens sind, ihren Anfang. Das reiche Winterprogramm (acht Konzerte) zeigt wiederum von den besten Namen, die es in der Künstlerwelt gibt. Die Orchesterkonzerte werden die Karlsruher Hofkapelle mit ihrem neuen Kapellmeister Fritz Cortolezis und die wunderbare Meininger Hofkapelle mit Max Reger bestreiten.
Ettlingen, 12 Okt. Die gestern abend vor- genommene Bürgermeisterwahl hatte folgendes Ergebnis: Dr. Adolf Flügler, Finanzasseffor von Karlsruhe 31, Dr. Franz Kaltenbach, Rechtsanwalt in Freiburg 26 und Franz Trautmann von Ettlingen 24 Stimmen. Wahlberechtigt waren i 82, abgestimmt haben 81. Die erforderliche Stimmen- i zahl wäre 41. Demnach ist die Wahl ergebnislos verlaufen.
Neuenbürg, 18. Okt. Dem heutigen Schweine- ' markt waren 30 Stück Milchschweine zugeführt. '
Für das Paar wurden 25—37 ^ bezahlt. Handel lebhaft.
vermischtes.
Gerabronn, 14. Okt. Gingen da, wie der „Vaterlandsfreund" erzählt, vorige Woche auf die Hühnerjagd 4 große Jäger vor dem Herrn. Die Jagdhunde strolchten regsam die Felder der Hochebene ab, doch sie schnüffelten allüberall umsonst, nichts flog auf und mit Verdruß sahen dies die blutgierigen Rimrode. Sie warfen ihre „Löffelscheer" und Centralfeuerflinten von einer Schulter auf die andere und allerhand fromme und böse Wünsche wurden laut. „Du, schmeiß emol so e Rüewe oder e^Angersch in d' Höh, daß mer wenigstens zum Schuß kummll" rief der eine. Wupps flog eine Siebenpfündige in weitem Bogen auf, ein Geprazzel ging an und weidwund getroffen sank sie nieder zur Mutter Erde. „Wenichftens aa Trefferl", schmunzelte der Schütze. Die andern waren nicht so glücklich. Dann ging die Sonne unter Am hohen Horizunter-
Ein konservatives Gemüt. Bei einer englischen Hochzeit hatte der Geistliche den Bräutigam, einen Witwer, auch schon mit seiner ersten Frau zusammengegeben. Er erinnerte ihn im Laufe der Festlichkeit daran und sprach seine Genugtuung aus über das Band, das sie auf diese Weise verknüpfte. »Ja", sagte der neue Ehemann mit Rührung, „Sie haben mich immer getraut, und" — setzte er mit Festigkeit hinzu — „Sie sollen mich auch immer trauen!"
Ein humorvoller Schwiegervater. In einer westpreußischen Zeitung las man vor einigen Tagen folgende hübsche Anzeige eines Fleischermeifters: „Wegen Verheiratung meiner jüngsten Tochter suche ich meinen großen Geldschrank gegen einen kleinen umzutauschen. A. K." — Es ist zu wünschen, daß der Fleischermeister die Methode Labans befolgt und seine Töchter dem Alter nach verheiratet hat, sonst dürfte von seinem Geldschrank wohl zuletzt nicht mehr viel übrig bleiben.
Ei« elsäßischer Wemspruch. O du edler Rebensaft,
Geziert mit feinen Gaben. Nach Bachus' Recht sollst du Vier Religionen haben:
Katholisch sollst du sein Von wegen deiner Stärke, Denn man empfindet innerlich Deine guten Werke.
Lutherisch sollst du sein Aus einem reinen Faß, Reformiert dabei Aus einem reinen Glas.
Auch jüdisch sollst du sein, Dann bleibst du ungetanst. Daß hinfort in dir Kein Tropfen Wasser lauft.
Urkraft der Kieke.
Roman von Karl Engelhardt.
101 (Nachdruck verboten.)
Sicher nicht. Sie war ihm lieb geworden-
ja: aber das, was er schon einmal empfunden, war es nicht. Und doch hatte er Maja nicht missen können. Und doch batte sein Herz ihn heute zu jenem Schritte getrieben.
Seine klare Unterscheidung verwirrte sich. Er erkannte nicht, daß jetzt die vollkommen natürliche Reaktion sich vollzog gegen die erste glühende Leidenschaft, die doch nur zum Elend führte. Und er klebte noch an der Vergangenheit, litt unter ihrem erstarrenden Einflüsse, und fürchtete sich instinktiv vor einer zweiten Ehe, die nicht mit den hochschlagenden Flammen der ersten geschlossen werden sollte. Und mit einem Male stand das Bild jenes Weibes, das ihn unglücklich gemacht, vor seinen Augen. Vergebens suchte er es zu verscheuchen. Immer wieder drängte es sich in seine Phantasie und störte ihm das Gedenken an Maja. Die ganze fürchterliche Szene ihres Todes lebte in ihm auf, daß er sich vor Grauen schüttelte.
Er sah ihre weit geöffneten, glühenden Augen auf sich gerichtet. Und es schien ihm, als riefe sie ihm zu: ,,Du wagst es? Du suchst zu vergessen? Hüte dich! Wieder wirst du unglücklich werden, und andere mit dir —
Er lief immer rascher, als könne er diesen Schreckbildern entfliehen.
Der Abend hatte sich herabgesenkt. Die Stadt lag grau und düster. Dazwischen flammten die Lichter. Vor ihm lag das offene Land. Und wenige Schritte entfernt zeichnete ein kleines Haus seine Umrisse scharf in die Luft. Ein Fenster leuchtete wie ein glühendes Auge.
Nach einigen Minuten war er zu Hause. Und während seine Wirtschafterin das Abendessen in das Speisezimmer trug, ging er zu seinem Flügel.
Und in leisen Phantasien glitten seine Finger darüber hin. Sein Blick aber schweifte hinaus durch das Fenster in den düsternden Abend, der dunkel, verschleiert war wie die Zukunft-
UI.
Als Throndhjem am nächsten Tage erwachte, hielt ein düstergraues Zwielicht sein Zimmer im Schatten. Er sprang auf, kleidete sich an und zog den Vorhang vom Fenster.
Das Wetter hatte sich in der Nacht geändert. Der Nebel hatte sich zu Regen verdichtet. Und der strömte nun hernieder: in dicken Fäden, schüttend, unaufhörlich. Daß man kaum hindurchsehen konnte.
Mißgestimmt trat Throndhjem vom Fenster weg. Langsam machte er Toilette.
Er frühstückte. Und dann ging er ruhelos von einem Zimmer in das andere. Alles wie in Gedanken verloren. Er versuchte vergebens zu lesen.
Der schwerwiegende Entschluß, der in wenigen Stunden zur Tat werden sollte, lastete ihm auf der Seele. Er sah auf die Uhr. Fast zehn. Noch ein paar Drehungen des Zeigers, und es war entschieden.
Er gedachte Majas. Und schwermütige Gedanken bemächtigten sich seiner. Die Liebe, Gute! Würde er sie nicht unglücklich machen?
Aber nein! Gewaltsam raffte er sich auf. Nach dem- was geschehen, war jetzt nicht mehr angebracht, sich düsteren Grübeleien hinzugeben, sondern er hatte zu handeln. Wie ein Mann von Ehre. Jetzt und später. Und sie war ihm ja nicht gleichgültig. Das würde ihm helfen. Um elf Uhr ließ er sich einen Wagen holen. Er hatte Frack und weiße Binde angelegt.
Dann fuhr er in die Stadt. Es goß immer noch in Strömen, und der Regen klatschte an die Fensterscheiben. Kein Wetter, um floh zu stimmen. Bald hielt der Wagen. Mit leuchtenden Augen sah ein holdes Mädchenantlitz hinter den Gardinen eines Fensters im ersten Stock Throndhjem ins Haus treten.
Als er die Treppen emporstieg, klopfte ihm nun doch das Herz. Er fühlte, daß er an der Schwelle eines neuen Schicksals stand.
Professor Lichten empfing ihn herzlich. Er war bereits vorbereitet auf den Besuch. Maja hatte noch gestern ihr Glück gebeichtet. Und er war erfreut darüber. Er hatte Erich kennen und achten gelernt. Er kannte die Lauterkeit seines Charakters und vertraute ihm. Seinen Ernst hatte er als zu seiner Natur gehörig betrachtet und nicht nach Gründen geforscht. Da hatte ihm Maja den Grund mitgeteilt. Und das hatte ihm zu denken gegeben. Aber schließlich siegte doch wieder sein Vertrauen zu Erich.
(Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag der C.^Mee h'schen Buchdruckerei des Enztiilers (Inhaber G. Conradi) in Neuenbürg.