Verkehrseinnahmen. Der Gebührenanfall § aus dem Post-, Telegraphen- und Fernsprechbetrieb betrug im Monat Juli 1913 im ganzen 3 424441 Mark 91 Pfg., verglichen mit demselben Monat des Vorjahres ein Mehr von 145 749 Mk. 47 Pfg.; die Gesamteinnahmen vom 1. April 1913 ab betrugen 10109 041 Mk. 19 Pfg., was gegenüber dem Vor­jahr ein Mehr von 590 418 Mk. 63 Pfg. bedeutet.

Ebingen, 5. Sept. Es war bekanntlich ge­plant, den Wagner Martin Sämann, der am 18. Oktober 1813, am Tage der Völkerschlacht bei Leipzig, geboren wurde, zu der Jahrhundertfeier nach Leipzig zu entsenden. Wegen Unwohlseins mußte er, wie jetzt bekannt wird, den Plan seiner Reise aufgeben. Er hofft aber, bis zu seinem hundertsten Geburtstag, am 18. Oktober, wieder soweit hergestellt zu sein, um diesen Tag in seinem Heimatsort festlich begehen zu können.

Warum können so viele Handwerker nicht rechnen? In Crailsheim lautete bei Vergebung von städt. Maurer-, Betonier- und Erdarbeiten das erste An­gebot auf 1005 im zweiten wurden 530.30 -/A verlangt, im dritten 470 und im vierten 298.75 Mark, also ein Unterschied von über 700 ^ Der billigste erhielt die Arbeit zugewiesen. Ob dieser Rechenmeister bei diesem Unternehmen seine Arbeiter anständig entlohnen kann und ob dabei neben den Versicherungsbeiträgen und nebst seiner Steuerpflicht an Staat und Gemeinde noch etwas für den Unterhalt des Meisters und seiner Familie herausspringen wird? er. der gute Mann, muß es ja besser wissen!

Friedrichshafen, 6. Sept. Das größte aller seither gebauten Zeppelinluftschiffe, das Marine­luftschiff L 2, unternahm heute nachmittag 4 Uhr unter Führung des Grafen Zeppelin seine erste Probefahrt, die eine halbe Stunde dauerte und einen befriedigenden Verlauf nahm. Das Luftschiff hat eine Länge von 160 Meter. Der Laufgang ist zwischen den Gondeln in den Rumpf des Schiffes verlegt worden. Vor der vorderen Gondel ist eine besondere Führergondel angebracht. In den zwei Maschinengondeln befinden sich je 2 Maybach-Motoren zu je 205 Pferdestärken. Das Luftschiff hat auch einen größeren Cubikinhalt und damit eine erhöhte Tragfähigkeit. Nach den Berechnungen der Inge­nieure ist das Luftschiff das erste, das imstande sein würde, ohne größeres Risiko eine Fahrt über den Ozean nach Amerika auszuführen.

Stuttgart, 6. Septbr. (Vom Markt.) Auf dem heutigen Grotzmarkt galten folgende Preise: Aepfel 1218^, Birnen 1530 Preiselbeeren 2532 -f, Zwetschgen bei reichlicher Zufuhr 810 Tomaten 812 per Pfund. Einmachbohnen kosteten 910 per Pfund; 100 Stück kleine Einmachgurken 45 ^j. Auf dem Kartoffelgroßmarkt war der Preis 3 «kL bis 3.50 per Zentner.

Eiukommensverhältuifse in Württemberg.

Die Sonderstatiftik auf Grund einer Jndioidual- erhebung aus den Einkommensteuerlisten auf 1. April 1910 hat ergeben, daß im ganzen Lande an Rein­erträgen ermittelt wurden 1290 344118 Mk.. welche nach Abzug der angemeldeten Schuldzinsen von 87 843 729 Mk. ein steuerbares Einkommen von 1 185 575 952 Mk. mit einer Einkommensteuer für den Staat von 19 155 504 Mk. ergeben. An der Landes­summe von 1185 575 952 Mk. partizipiert die Land­wirtschaft mit 202162 560 Mk., die Forstwirtschaft mit 3 719 692 Mk., der Gebäudebesitz mit 11215183 Mark, das Gewerbe mit 220 998 756 Mk., Ange­stellte. Arbeiter und freie Berufe mit 536 688 928 Mark und die Träger von Mischeinkommen, d. h. Einkommensteuerpflichtige ohne eine Einkommensquelle mit mindestens 60°/o der gesamten Quellenerträge mit 103 819 061 Mk. Die Haupt- und Residenz­stadt Stuttgart lieferte zu der Landessumme 281918 515 Mk., wovon entfallen auf Landwirt­schaft 1 105 032 Mk., Forstwirtschaft 18 473 Mk.. Gebäudebesitz 7 461015 Mk.. Gewerbe 61567 468 Mk., Kapitale und Renten 49 179 951 Mk., Ange­stellte, Arbeiter und freie Berufe 143 749 929 Mk-, Mischeinkommen 18 836 647 Mk. Von den Landes­kreisen steht der Neckarkreis eben wegen Groß-Stutl- gart mit 539 248127 Mk. obenan, ihm folgt der Donaukreis mir 261970 307 Mk., dann der Schwarz­waldkreis mit 223 615 282 Mk. und zuletzt der Jagst- kreis mit 161042 236 Mk. steuerbarem Einkommen.

Das Oberamt Neuenbürg weist ein steuer­bares Einkommen auf von 12 333100 Mk-, wovon entfallen auf Landwirte 798 376 Mk.. Forstwirte 25 259 Mk., Gebäudebesitzer 47 632 Mk., Gewerbe­treibende 2 839 844 Mk., Rentner 468 852 Mk.. Angestellte. Arbeiter und freie Berufsträger 5 954175 Mark, Träger von Mischeinkommen 1198 962 Mk. Hieraus zahlte der Bezirk Neuenbürg eine Steuer von 105°/o der Einheitssätze in Höhe von 132 733 Mark mit 139 370 Mk. An staatlichen Ertragsfteuern

zahlt der Bezirk 6527 Mk. Grund- und Gefällsteuer, 26 876 Mk. Gebäudesteuer. 13 929 Mk. Gewerbe- steuer, 18 904 Mk. Kapitolsteuer. Die Steuerbelastung des Oberamts Neuenbürg beträgt somit an Ein­kommensteuer und Ertragssteuern zus. 205 606 Mk.

Die Schreckenstat in Mühlhausen a. E.

Vaihingen a. d. Enz, 6. Sep!. Die Leichen der Frau Wagner und ihrer 4 Kinder werden nach Mühlhausen gebracht und dort voraussichtlich am Montag beerdigt werden. Von den 11 Ver­letzten wurden 4, die nur leichtere Verwundungen hatten, heute aus dem Krankenhaus entlassen, so daß sich noch 7 Personen im Krankenhaus befinden, die aber schwer verletzt sind. Bei der Vernehmung des Mörders durch Oberamtsrichter Dr. Schwabe war der Mörder bei vollem Bewußtsein. In seinem Rucksack wurde auch ein Schreiben gefunden, das 6 Jahre zurückdatierte und in dem eine eingehende Darstellung der von ihm verübten Greueltaten ge­geben ist. Ein weiteres Schreiben hat der Mörder an ein Stuttgarter Blatt gesandt. In diesem Schreiben, dasAn mein Volk" überschricben ist. ist u. a. gesagt:Es ist des Volks viel zu viel, die Hälfte sollte man gleich lotschlagen. Aber es ist doch keine Kleinigkeit, Weib und Kinder umzubringen. Seit 6 Jahren ist mein steter Gedanke Mord. Er erwacht mit mir und legt sich nieder mit mir. Daß ich meine Familie töten mußte, ist klar, wer das nicht versteht, mit dem rechte ich nicht. Es ist mir ein schrecklicher Gedanke, daß ein unglücklicher Zufall mein Rachewerk verhindern könnte. Als der Wunder größtes wollte ich es ansehen, wenn mir in der Nacht des Mords alle diejenigen vor die Pistole gestellt würden, die zu Haffen ich am meisten Grund habe. Wenn ich das Geschlechtliche in meinem Leben abziehe, so bin ich von allen Menschen weit­aus der Beste gewesen." Der 2. Teil des Briefes istAn die Lehrerschaft" gerichtet. Es heißt da: Ich bedaure aufrichtig, wenn durch mich auch der letzte von Euch einen Schaden erleiden sollte, und ich hoffe zuversichtlich, die Leute werden so gescheit sein, die Schuld eines Einzigen nicht den ganzen Stand entgelten zu lassen. Erspart Euch aber alle Entrüstung, sie ist nicht ehrlicher als die der andern Leute, zeigt vielmehr ehrliche Schadenfreude. Der Tröster, den ich Euch hinterlaffe, ist der Unteroffizier- Schulmeister." Der Täter hatte noch vor einigen Tagen von Nachbarkindern einen Schleifstein verlangt, unter dem Vorgeben, ein Messer recht scharf schleifen zu wollen. Mil diesem Messer scheint er den Mord an seiner Familie begangen zu haben. Ueber die Persönlichkeit des Täters wird noch gemeldet, daß er verschwenderisch veranlagt gewesen sei und viel Geld in schlechter Gesellschaft verbraucht habe; auch habe er sadistische Neigungen gehabt und dem Al­kohol häufig zugesprochen. Der Grund zu der Tat soll in Unzufriedenheit über die Heirat mit der Tochter des Adlerwirts in Mühlhausen zu suchen sein. Als er dort als Unterlehrer tätig war, hatte er ein Verhältnis mit dem Mädchen, das Folgen hatte. Wagner wurde deshalb seiner Stelle enthoben und erhielt hierauf eine Schulstelle im Oberamt Blaubeuren, wo er das Mädchen heiratete. Die Ehe soll er nur widerstrebend eingegangen sein. Gegen seine Verwandten, die die Heirat gleichfalls nicht gerne gesehen hatten, hatte er einen großen Haß, der sich auch auf die Bewohner des Ortes übertrug. In einem Brief an einen Verwandten seiner Frau erklärte er gleichfalls, die Tat schon seit langem geplant zu haben. Nach einer anderen Lesart soll die Wirtschaft seiner Schwiegereltern zu billig an feinen Schwager verkauft worden sein, wo­durch er um sein Vermögen betrogen worden sei. Bei der Bluttat in Mühlhausen hatte er es ganz besonders auf seine Verwandten abgesehen, wie er bei seiner Vernehmung zugab. Sie sind aber sämt­liche mit dem Leben daoongekommen. Bei der zweiten Vernehmung durch den Staatsanwalt ver­weigerte der Mörder nähere Angaben und erklärte, er habe der Menschheit einen Dienst erwiesen. Da­gegen gab er zu, daß er seine Frau und seine vier Kinder mit dem Totschläger zuerst betäubt und ihnen dann mit dem Messer den Hals abgeschnitten habe. DemSchwäb. Merk." zufolge gab er an, er habe die Welt durch eine Schreckenstat in Entsetzen bringen wollen. Schon vor Jahren habe er schwere Delikte sexueller Natur verübt. Aus Anspielungen von Personen, mit denen er verkehrte, habe er ge­schloffen. daß diese Kenntnis von den Delikten hätten, weshalb er aus dem Leben gehen wollte. Er habe auch die Absicht gehabt, nach Vollendung der Tat sich selbst zu löten und oftmals Mord­werkzeuge nachts mit ins Bett genommen, um seine

Familie zu töten, habe aber nie die Kraft dazu ge­funden. Nach dem Grunde der Untaten in Mühl­hausen befragt, erklärte der Mörder, er habe gegen die einzelnen Menschen nichts gehabt, weil aber Mühlhausen die Stätte seiner sexuellen Verirrung gewesen sei, habe er an der ganzen Gemeinde Rache nehmen wollen. In Mühlhausen sind Sammel­büchsen aufgestellt, in d.enen die Besucher ihr Scherf­lein zur Linderung der eingekehrten Not einlegen können. Oberst Bopp, der Schloßherr von Mühl­hausen, hat bereits 1000 Mk. für die eingeleitete Sammlung beigesteuert und es wäre sehr erwünscht, wenn man von dieser Sammlung im ganzen Lande Kenntnis nehmen würde.

Mühlhausen, 7. Septbr. Die heutige Be­erdigung der neun Opfer des Mörders Wagner führte ganze Scharen von "Menschen nach dem kleinen Dörfchen. Um 2 Uhr setzte sich vom Rathaus aus der Trauerzug in Bewegung, voran die Mitglieder der Krieger- und Gesangvereine, die Schulkinder mit Blumen in den Händen als letzten Abschiedsgruß für ihre unglückliche Mitschülerin, die 11jährige Maria Bader. Zunächst führte der Zug zu den einzelnen Häusern des Orts, in deren Höfen die Särge mit den unglücklichen Opfern bereitgestellt waren. Sarg um Sarg schloß sich mit den weinenden Angehörigen dem den Ort durchziehenden traurigen Zuge an, der unter dem Geläute der Kirchglocke nach dem idyllisch gelegenen Kirchhof führte, auf , dessen Mauern Hunderte von Menschen standen, um Zeuge des ergreifenden Akts zu sein. An der dem Ort zu gelegenen Seite des Friedhofs war in einer Länge von 7 Metern ein Massengrab aufgeworfen, das zur Aufnahme der 9 Opfer bestimmt war und das morgen eine Vergrößerung erfahren wird, um die weiteren 5 Opfer aus der Familie des Mörders zu bergen. Von 2ffi Uhr an wurde Sarg um Sarg durch das Torhäuschen des Friedhofs herein­gebracht, wobei der Bläserchor der PfadfinderWer weiß wie nahe mir mein Ende" spielte. Herz­zerreißend war das Jammern und Wehklagen der untröstlichen Hinterbliebenen, als die 9 Särge, deren lange Reihe einen erschütternden Anblick bot, in die Gruft Hinabgelaffen wurden. Ueber eine Viertel­stunde dauerte es, bis alle Särge eng aneinander­gereiht versenkt waren. Währenddessen wurde das LiedAller Gläubigen Sammelplatz" von den Schul­kindern mit wehdurchzitterter Stimme gesungen und der Gesangverein Harmonia Vaihingen sangSüß und ruhig ist der Schlummer". Dann trat der ehr­würdige Ortsgeistliche, Pfarrer Reichert, an das offene Grab und hielt die ergreifende Trauerrede. Statt des Lebenslaufs verlas der Geistliche die Namen der Toten mit dem Geburtstag; es waren: Cristian Wiedmayer, Schäfer und Veteran (geb. 1845); Christian Vogel. Steinhauer und Veteran (geb. 1848); Friedrich Bauer, Fett­warenhändler (geb. 1849); Friedrich Geisinger, Bauer (geb. 1853); Georg Müller, Taglöhner (geb. 1859); Heinrich Knötzele (geb. 1860); Jakob Knötzele (geb. 1863); Jakob Schmierer, lediger Bauer (geb. 1881); Marie Bader, Töchterlein der schwer verwundeten Tobias Baderschen Eheleute (geb. 1902). Seinen weiteren Betrachtungen legte der Geistliche das Psalmwort zu Grunde:Herr Du bist unsere Zuflucht für und für". In sein Gebet schloß er auch die Fürbitte für den Mörder ein. Nach dem gemeinsamen Gesang des Liedes Himmelan nur himmelan" nahm der Geistliche die Einsegnung der Leichen vor. Er gab dann der Trauerversammlung folgendes aus dem Kabinett des Königs und der Königin beim Pfarramt ein­getroffene Telegramm bekannt:Seine Majestät der König und die Königin wünschen, daß bei der heutigen Trauerfeier der Gemeinde und allen Be­teiligten auch durch Ihren Mund die herzlichste und aufrichtigste Teilnahme bekundet werde, von welcher Ihre Majestäten erfüllt sind angesichts des er­schütternden und schweren Unglücksfalls, der die Ge­meinde betroffen hat". Dann wurde eine Reihe von Kranzspenden niedergelegt: von Graf Leutrum mit einer zu Herzen gehenden Ansprache im Auftrag des Württ. Kriegerbundes und in seinem Namen für die verstorbenen Veteranen und Mitglieder des Kriegerbundes, ferner im Namen des Bezirks von Oberamtmann Pflüger, der auch beauftragt war, das Beileid des Königs zum Ausdruck zu bringen und mitteilte, daß der König sich bereits nach der Tat nach den Verletzten und Hinterbliebenen er­kundigt und seine Hilfe in Aussicht gestellt habe, weiter vom Kriegerverein, vom Turnverein und von der Liedertafel, deren umflorte Fahnen sich, wie auch die verschiedener Kriegervereine der Nachbar­gemeinden, über dem Grabe zum Abschied senkten.

Mit dem von den Pfadfindern gespielten Chor