„Christus, der ist mein Leben" klang die ernste Feier aus. Während der Trauerfeierlichkeiten kamen verschiedene Ohnmachtsanfälle vor.
Mühlhausen. 7. Septbr. Die gestrige Vernehmung des Mordbrenners ergab ein volles Geständnis. Wagner machte seine Angaben mit der größten Seelenruhe ohne jegliches Empfinden von Bedauern oder Reue, scheinbar mit ganz klarem Verstand, was aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen darf, daß man es mit einem Geisteskranken zu tun hat. Die Pathologie kennt eine Menge von Fällen, auf die der übliche Begriff von geisteskrank nicht Anwendung finden kann. Wagner erklärt seine Schreckenstat in Mühlhausen mit sexuellen Verirrungen, die er sich als Unterlehrer habe zuschulden kommen lassen. Der Ort dieser Verirrungen, Mühlhausen. sei ihm widerlich geworden. Dafür, daß man Anspielungen auf diese Verirrungen gemacht habe, habe er sich rächen wollen. Seine Frau und seine Kinder habe er umgebracht, damit sie nicht im Elend sterben müßten. Aus demselben Grunde habe er auch die Absicht gehabt, die Familie seines Bruders in Eglosheim zu beseitigen. Ec habe die Absicht gehabt, den ganzen Ort zu vernichten und um jede Verbindung nach auswärts zu verhindern, zunächst die Telephonleitungen zu zerstören. Er hatte versucht, die Masten der Telephonleilungen zu besteigen, was ihm aber nicht gelang, da sie infolge des feuchten Wetters schlüpfrig geworden waren. Er hatte sich mit Bohrern, Eisenkloben und Klammern versehen, um die Telephonleitungen unbrauchbar zu machen. Auf die Frage, ob er keine Reue empfinde, erklärte er, über den Begriff der Reue könne man verschiedener Meinung sein.
Bus SlaSt, Bezirk unS Umgebung.
Vom Kgl. Evang. Oberschulrat ist je eine ständige Lehrstelle in Reubach, OA. Gerabronn, dem Unterlehrer Konrad Gundel in Neuenbürg, Schwenningen an der Mittelschule dem Mittelschullehrer Emil Ulrich in Calmbach übertragen worden.
-j- Langenbrand, 5. Sept. Der von Oberförster Dr. Eberhard - Langenbrand einberufene Waldbaukurs vom 1.—4. September war von einer stattlichen Anzahl von Forstwirten aus Bayern, Baden, Württemberg und Holland besucht. An die Tagesexkursionen in die Forftbezirke Langenbrand und Wrldbad schlossen sich im Quartierorte Salmbach interessante Abendvorträge an, welche Universitäts- Professor Dr. Fabricius-München, Professor van Schermbeek-Wageningen (Holland), Landesgeologe Dr. Regelmann-Stuttgarl und der Leiter des Kurses übernommen hatten. Die Vorträge betrafen Fragen der Naturverjüngung, der Pflanzenphysiologie und Bodenkunde, und schloß sich sowohl an diese Ausführungen wie an die Erklärungen im Walde eine lebhafte Diskussion an, so daß Veranstalter wie Teilnehmer vollbefriedigt auf diesen ersten forstlichen Waldbaukurs in Württemberg zurückblicken.
Birkenfeld, 9. Sept. Der diesjährige Ernteertrag ist in der Hauptsache unter Dach und ist nach
Quantität, sowie an Qualität in Dinkel, Gerste, Weizen. Haber und Oehmd zur vollen Zufriedenheit der hiesigen Landwirte ausgefallen; auch hat der hiesige Ort gegenüber anderen Ortschaften im Oberamtsbezirk noch einen schönen Ertrag in Obst im Betrag von ca. 200 ^ und namentlich in Zwetschgen eine reiche Ernte zu verzeichnen.
Conweiler, 7. Sept. Heute nacht ff,10 Uhr brach in dem Anwesen des Wilhelm Jäck V., Fabrikarbeiters hier, Feuer aus, wodurch das Wohnhaus nebst Oekonomiegebäude vollständig niederbrannte. Der Gebäudeschaden beträgt ca. 3800 Die Entftehungsursache ist unbekannt.
^Herrenalb, 7. Septbr. Das 25jährige Stiftungsfest des Militäroereins Herrenalb nahm bei sehr günstiger Witterung und vielseitiger Beteiligung seitens der benachbarten württembergischen und badischen Brudervereine einen prächtigen Verlauf. Es waren 23 auswärtige Vereine erschienen. Die Stadt, die von Natur schon in reizendem Schmucke prangt, war durch allgemeine Beflaggung, Blumen- und Pflanzenschmuck aufs schönste herausgeputzt. Der stattliche Festzug bewegte sich durch die Hauptstraßen des Kurorts. Auf dem Festplatz konnte sich das Programm ordnungsmäßig abwickeln. Viel Besuch aus der ganzen Umgebung belebte den günstig gelegenen Festplatz beim Bahnhof. Näherer Bericht folgt.
Obernhausen, 5. Sept. (Eingesandt.) In letzter Zeit, hauptsächlich in letzter Woche, konnte man leider die Wahrnehmung machen, daß in Griffen- Hausen jeden Abend die Straßen elektrisch beleuchtet waren, in Obernhausen war jedoch alles stockfinster. Da die Kosten des Lichts auch auf die Bürger in Obernhausen umgelegt werden wie auf diejenigen in Gräfenhausen, wäre es angebracht, wenn man auch den Ort Obernhausen mindestens in gleicher Weise mit Licht versehen würde. Man darf wohl hoffen, daß dieser Ungleichheit möglichst bald abgeholfen wird.
Berufswahl. Günstige Aussichten bieten sich, wie wir hören, zurzeit jungen Leuten, auch ohne Einjährigenzeugnis für die Ausnahme in den Poft- assistentendienst, in dem der Bedarf infolge der raschen Zunahme des Poftscheckoerkehrs ein verhältnismäßig großer ist. Die jungen Leute, die eine Bürger-, Mittel- oder sonstige bessere Schule vier Jahre lang besucht haben müssen, werden nach Erreichung des 16. Lebensjahres eingestellt und haben bei verhältnismäßig sehr günstigen Anstellungs- und Gehaltsverhältnissen nur ein Jahr Probezeit abzuleisten. Auch begabtere Volksschüler können nach Ablegung einer Aufnahmeprüfung in diesen Dienst eintreten. Junge Leute unter 16 Jahren können sich für die Ausnahme nach Erreichung dieses Alters vormerken lassen.
Vermischtes.
Die Tanzwut in St. Moritz. Aus St. Moritz schreibt der „N. Fr. Presse" eine Dame: Die in den europäischen und amerikanischen Großstädten herrschende Tanzseuche macht sich jetzt in den ele-
anten Badeorten besonders bemerkbar. Das Tanzen eginnt hier bereits in den Vormittagsstunden, be- ,kommt beim hocheleganten „Tänzchen" einen gewaltigen Schwung und setzt nach dem Essen mit ganzer Wucht ein. Getanzt werden natürlich hauptsächlich nur die neuesten Tänze, Tango, One-Step, Doppelboston. allein da jedes Land seine besonderen Methoden hat und ein amerikanischer Tanzpartner sich mit einer Parisern ebensowenig gleich auf dem Parkett verständigen kann, wie etwa ein Wiener mit einer Berliner Tangospezialistin, zieht ein Tanzprofessorehepaar von Hotel zu Hotel und bringt zu 20 Frcs. die Stunde nach und nach die nötige internationale Einigung zuwege. Und was sich da im Tango zusammenfindet, muß bis zum Schluffe der Saison im ureigensten Interesse zusammenbleiben, denn nur diejenigen, die miteinander eingetanzt sind, können die neuen, so wechselvollen, figurenreichen Tänze wirklich gut und stilgerecht miteinander tanzen. Der Tänzer muß mit seiner Tänzerin eins sein, er lenkt, sie fügt sich. Wer nicht die männliche Vorherrschaft voll anerkennt, der kann nicht einmal einen One-Stepp tanzen, an dessen Möglichkeiten sich die Kurgäste zwischen 5 und 70 Jahren mit nimmermüdem Eifer heranwagen.
Der Verlobungsring. Eine Schmerzens- künde für Verlobte aller Art kommt aus den Sälen unserer hohen Gerichte: Der Verlobungsring ist pfändbar, „Du Ring an meinem Finger, mein goldenes Ringelein" — mit welchen seligen Gefühlen betrachtet jede Braut das goldene Unterpfand ihres Verlöbnisses. In der rauhen Wirklichkeit tritt dann aber der Vollziehungsbeamte in die Erscheinung und „versiegelt" den schlichten Goldreif. Die Herren Richter, die vergessen haben, daß sie selbst einmal jung und im Brautstand sich befunden haben, erklären die Pfändung rechtlich für zulässig, während jedoch der Trauring durch das Gesetz als sakrosankt und unpfändbar bezeichnet wird. Das koMmt daher, daß der Trauring als Beweis eines vollzogenen Rechtsakts gilt, eine Verlobung dagegen vor dem hohen Richterstuhl nicht als bindend angesehen wird und aufgelöst werden kann. Deshalb genießt der Verlobungsring nicht das Vorrecht des Trauringes, und deshalb kann er gepfändet werden. Freilich, so plaudert der „Tag", wird manches Mägdelein einwenden. daß das auch nicht die wahre Liebe sei, die sich den Verlobungsring vom Finger fortpfänden lasse. Waren doch in letzter Zeit Verlobungsringe wieder in Mode gekommen mit den Inschriften: „Auf ewig dein!" oder „Mit Willen dein eigen!" Wie schnell verlieren solche goldenen Beweise von Liebe und Treue ihre Bedeutung, wenn sie dem Schicksal der Pfändung verfallen! Oder soll man noch die Manen des Frhr. Joseph von Eichendorff heraufbeschwören, des einstigen Vortragenden Rates im preußischen Kultminifterium, der in seinem Nebenberuf als Dichter einen treulos Verlassenen die elegische Klage anstimmen läßt: „Sie hat mir Treu' versprochen, gab mir ein'n Ring dabei; sie hat die Treu' gebrochen, das Ringlein sprang entzwei!" Damals waren solche „Ringlein" vor der Beschlag-
Doklor SIMfried.
Humoristischer Roman von Dora Duncker.
68s (Nachdruck verbaten.)
Auch Gustava machte ihm Sorgen. Sie war seit ein paar Tagen nicht die Alte mehr, nicht die Frohe, Heitere, Stolze, Zuversichtliche. Wenn sie ihm selbst auch verloren war, wenn er alle eitlen Illusionen wohl oder übel hatte begraben müssen, so war sie ihm doch ehrlich lieb geblieben. Er hätte sie gern gefragt: Was drückt Dich? Kann ich Dir helfen? Aber nichts Vertrauendes war in ihr, das ihm ein Recht auf diese Frage gegeben hätte. Er sah nur, daß er sie bald ganz verlieren würde, ja, Amalie hatte gestern bereits unzweideutig genug von Gustavas Abreise gesprochen. Hielten Robby und die Freundschaft zu den Untersbergern sie nicht, er selbst würde schwerlich Macht über sie haben.
Auch diese Freundschaft schien einen Stoß erlitten zu haben. So weit Stillfried die Dinge in seinem Hause übersah, war Gustava Hill seit dem Festtage nicht mehr in Untersberg gewesen. Irgend etwas klappte da nichr mehr. Vor vierzehn Tagen noch hätte er eine ehrliche Freude über einen Bruch, ja über die kleinste Verstimmung empfunden. Heute hatte er jede Eifersucht begraben. Sie war sinn- und zwecklos geworden.
Stillfried sah nachdenklich in den Regen hinaus, der seit zwei Tagen unausgesetzt nieder ging und die Luft herbstlich und empfindlich kühl gemacht hatte, über den Park und die Tannen fort fiel sein Blick
auf die Dorfstraße, die menschenleer und wie ausgestorben dalag. In den breiten, tiefen Regentümpeln patschten die Enten. Ein langer Zug wohlgenährter Gänse watschelte durch das aufgewühlte Erdreich.
Stillfried seufzte gepreßt auf.
Grau und trübe spannte sich der Himmel über der Landschaft. Auch von da drüben her war ihm eine Enttäuschung gekommen. Er hatte nach dem Fest auf irgendeinen Anerkennungsakt seitens des Kuratoriums mit Bestimmtheit gerechnet. Nichts war erfolgt. Na also. Schwamm drüber. Er war eben ein Pechvogel und würde es ewig bleiben.
Auf dem schmalen Richtweg durch die Tannen, an der Grotte mit dem Bassin vorüber, gerade an der Stelle, an der er Richard in der Festnacht gefunden hatte, schritt eine schlanke Gestalt im grauen Regenmantel schnell aus, auf Schloß Wolkenstein zu. Stillfrieds Züge erhellten sich. Diese eine wenigstens hatte ihn nicht enttäuscht. Trotzdem er ihr durch Wochen übel mitgespielt hatte, war Gertrud Kleemann dieselbe geblieben in ihrer klugen Güte und Freundschaft, in ihrer aufrichtigen Anteilnahme an allem, was ihn anging. Auch sie würde er verlieren müssen, sobald-l
Er fühlte, es würde ihn hart ankommen, härter, als er es jemals für möglich gehalten hätte.
Ein rasches hartes Klopfen an der Tür riß Stillfried aus seinem Sinnen.
Pappenheim trat ein. Er hatte sein gries
grämlichstes Gesicht aufgesetzt und hielt ih*r ein Telegramm entgegen.
Als Stillfried die blaue Verschlußmarke entfernt und den Drahtbericht überflogen hatte, lachte er laut auf.
„Von der Mengegold aus Warschau." Stillfried schüttelte sich. „Habe einstweilen hier Wohnsitz genommen. Aus konfessionellen Rücksichten auf Heirat mit Baron verzichtet. Sachen hierher senden." Die Adresse folgte.
Pappenheim verzog keine Miene. Stillfried schlug ihn auf die Schulter.
„Menschenskind, warum lachen Sie denn nicht! Das ist ja der größte Ulk des Jahrhunderts."
Pappenheim stand unbeweglich wie eine Bildsäule.
„Was in aller Welt ist denn los?" Stillfried war wieder ungeduldig und nervös geworden. „So reden Sie doch endlich!"
Der Alte rieb nachdenklich den Nasenrücken. „Nötig —" er räusperte sich — „nötig finde ich das gerade nicht!"
„Was denn, was denn?"
„Nämlich ja — sie haben eine jeheime Sitzung da drüben —" er zeigte mit dem vom massieren breitgedrückten Daumen nach rückwärts —, „Heizen habe ich ooch müssen, der pievsige Heimlich hat es verlangt. Nötig finde ich das nicht."
«Was denn — wer — wo?" Stillfried hatte den Arm des Alten umklammert.
(Fortsetzung folgt.) !