RunSschau.

Am 1. Januar 1914 tritt das neue Gesetz über die Reichs- und Staatsangehörigkeit in Kraft. Sein Grundgedanke ist. daß Deutscher bleibt, wer einmal Deutscher ist. Die Bestimmung, daß die Reichs- und Staatsangehörigkeit ohne weiteres durch ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalt im Auslande verloren wird, falls keine Eintragung in die Matrikel des deutschen Konsuls erfolgt ist, ist aufgehoben. Die Reichs- und Staatsangehörigkeit geht durch bloße Abwesenheit nicht mehr verloren. Sie geht aber (abweichend vom heutigen Recht) ver­loren durch Erwerb einer ausländischen Staats­angehörigkeit. es sei denn, daß vor dem Erwerbe derselben die Heimatsbehörde die Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Reichsangehörigkeit erteilt hat. Und noch ein Ausnahmefall ist vorgesehen. Wer sich der Wehrpflicht entzieht, bleibt nicht Deutscher. Ein militärpflichtiger Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz, noch seinen dauernden Aufenthalt hat, verliert seine Staatsange­hörigkeit mit Vollendung des 31. Lebensjahres, sofern er bis dahin noch keine endgültige Entscheidung über seineDienstverpflichtung herbeigeführt hat. Ein fahnen­flüchtiger Deutscher, der sich im Ausland aushält, verliert zwei Jahre nach dem Beschluß, durch den er für fahnenflüchtig erklärt ist, seine Staatsange­hörigkeit. Ebenso diejenigen Reservisten und Land­wehrleute, die im Auslande sind und der Mobil­machung im Kriegsfall nicht folgen. Hervorzuheben ist noch, daß Staatenlose zum Wehrdienst heran­gezogen werden können. Geschieht dies, so erwerben sie durch den Dienst im Heere das Recht auf Ein­bürgerung.

Berlin, 4. Sept. Wie dieTägl. Rundsch." milteilt, darf die Frage, ob Deutschland sich amtlich an der Weltausstellung in San Franzisko beteiligen wird, noch nicht als endgültig entschieden angesehen werden. Vielmehr sei die ganze An­gelegenheit durch das Eintreffen des Botschafters in Washington Grafen Bernstorff und durch die gleich­zeitige Anwesenheit des San Franziskoer Ausftell- ungsbevollmächtigten Dr. Skiff in einen neuen Ab­schnitt eingetreten. Danach dürfte es als durchaus noch nicht ausgeschlossen zu erachten sein, daß nach erneuter persönlicher Fühlungnahme mit den Inte­ressenten die Reichsregierung den zuerst von ihr eingenommenen ablehnenden Standpunkt nach­träglich noch aufgibt. Im übrigen soll von privater Seite aus die Bildung eines Zentralausschusses von Kreisen, die eine Beteiligung an der Ausstellung für vorteilhaft halten, sowohl in Deutschland wie auch auf deutsch-amerikanischer Seite in der Bildung begriffen sein.

Berlin, 3. Septbr. Der russische Ingenieur Ssikorsky hat ein Riesenf' ugzeug konstruiert, das jetzt in den Besitz der russischen Regierung über­gegangen ist. Der Riesenapparat wiegt 2700 Kilo­gramm und hat das Aussehen eines gewöhnlichen Doppeldeckers von 120 Quadratmeter Tragfläche, eine Flügelspannweile von 28 Meter und eine Länge von 20 Meter. Das Flugzeug, an dem besonders die an Stelle des gewohnten Führersitzes eingebaute Kabine mit Glasfenstern nach allen Seiten auffällt, ist mit vier Motoren zu 100 k8. und vier Pro­pellern ausgerüstet.

Berlin, 5. Sept. Bei dem Wettbewerb zur Erlangung von Jdeenskizzen für ein Botschaftsgebäude in Washington wurde der Entwurf des Professors Möhring-Berlin mit dem 1. Preis von 10 000 Mk. ausgezeichnet. Den zweiten Preis erhielt Architekt Thyriot-Frankfurt a. M.

Berlin. 5. Sept. Gestern abend wurde in der Köpenickerstraße die Badeanstaltsbesitzerin Gertrud Reinsch von ihrem Bademeister Rudolf Auer aus Eifersucht hinterrücks erschossen. Die Frau war auf der Stelle tot, der Mörder ergriff die Flucht.

Bremen, 4. Sept. Die bremischen Holz- arbeiter beschlossen heute, die Arbeit auf den Werften wieder aufzunehmen. Mit 432 gegen 55 Stimmen wurde eine Entschließung angenommen, in der die Holzarbeiter erklären, daß sie die Arbeit wieder aufnehmen, weil sie durch die Not dazu gezwungen würden. Der nackte Bürokratismus ihrer Vorstände, der jede Unterstützung zurückgezogen habe, und der Rückzug der Lokalverwaltung und ihre Absicht, sämtliche Geldquellen zu verstopfen, seien schuld, daß der Werftarbeiterausstand gescheitert sei. Der Leiter des Holzarbeiterverbandes, Ahlemeyer, hat seine Entlassung eingereicht. Es wird also die Arbeit auf sämtlichen Werften wieder ausgenommen, und der Ausstand ist somit nun endgültig erledigt.

Hamburg, 4. Sept. Nachdem heute die Bremer Holzarbeiter beschlossen haben die Arbeit wieder auf­zunehmen, werden die Arbeitsnachweise an sämtlichen Werftorten ab Samstag früh wieder geöffnet.

Swinemünde, 4. Sept. Der russische TorpedojägerNovik", dessen Rauminhalt 1400 Tonnen beträgt und der nach den Plänen der Vulkanwerke in Hamburg und Stettin gebaut und mit einer von den Vulkanwerken hergestellten Tur­binen- und Kesselanlage ausgerüstet ist. erzielte bei der gestrigen offiziellen Meilenfahrt mit vorschrifts­mäßiger Belastung eine mittlere Geschwindigkeit von 37 Knoten. Die höchste gemessene Geschwin­digkeit betrug 37,3 Seemeilen in der Stunde. Während der ganzen Fahrt zeigte sich an den Schornsteinen der durchweg mit Heizöl gefeuerten Kessel nicht die geringste Rauchentwicklung. Auch im übrigen verlief die Fahrt, bei der trotz der großen Geschwindigkeit die Maschinen und Kessel durchaus nicht bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit beansprucht wurden, ohne jede Störung und zur größten Zufriedenheit der Abnahmekommission, die sich aus einer Anzahl höherer russischer Seeoffiziere und Marinebeamten zusammensetzt. Damit hält der Novik" den Weltrekord als schnellstes Schiff.

Essen, 3. Septbr. Weil die Ehefrau eines Bergmanns in Pottrop das Kind eines anderen Bergmanns mißhandelt hatte, kam es zu einer Aus­einandersetzung, in deren Verlauf der Vater des mißhandelten Kindes die Frau verfolgte, sie durch Revolverschüsse niederstreckie und ihr dann mit einem Hammer den Schädel zu einer formlosen Masse zertrümmerte.

München, 4. Sept. Im Laufe des heutigen Tages find wiederum mehrere Typhuserkrankungen oder verdächtige Fälle zu verzeichnen gewesen. Die Blätter melden, daß nunmehr 70 Typhusfälle und verdächtige Erkrankungen festgestellt wurden.

Paris, 3. Sept. Fünf Telephonistinnen des Pariser Telegraphenamts sollen wegen schwerer Amtsvergehen disziplinarisch bestraft und entlassen werden. Seit mehreren Jahren schon standen sie im Dienst eines Getreidemaklers. Seine Verbind­ungen wurden von ihnen stets als dringende be­handelt, während die von ihm angegebenen Kon­kurrenten während der kritischen Börsenstunde niemals Telephonoerbindungen erhielten. Für ihn wurden die Leitungen stets freigehalten. Schließlich belauschten sie auf einen Anruf des Maklers hin gewisse von der Getreidebörse ausgehende Gespräche seiner Kon­kurrenten, so daß er über deren Höhe und Beschlüsse stets auf dem Laufenden war. Sie erhielten dafür allmonatlich eine größere Summe, außerdem für be­sondere Leistungen namhafte Geschenke. Der Betrug konnte jahrelang stattfinden, ehe es den Behörden auf zahlreiche Beschwerden hin durch eine Unter­suchung gelang, die Verfehlungen festzustellen.

Paris, 5. Sept. In dem jüngsten Telephon­skandal sind nicht 5, sondern 35 Telephondamen verdächtig, Geldgeschäfte eines Getreidehändlers unter­stützt zu haben. Der Betrug erstreckt sich auf die Provinz.

Paris, 3. Sept. In Nantes starb im Alter von 68 Jahren der pensionierte Forstbeamte Alexandre Gauthier, der 1870 den 12. berittenen Jägern als Unteroffizier angehörte. Es gelang damals Gauthier und seinen Leuten, in den ersten Tagen des Krieges jene deutsche Patrouille gefangen zu nehmen, die der damalige Reiteroffizier Graf Zeppelin kommandierte und von der damals dieser allein dank der Schnellig­keit seines Pferdes entkommen konnte.

Württemberg.

Stuttgart, 4. Sept. Die in Deutschland ausgegebenen Poftausweiskarten werden fortan auch in Paraguay und die von der Postoerwaltung von Paraguay ausgegebenen Postausweiskarten in Deutschland als vollgültige Ausweispapiere für die Aushändigung von Postsendungen angesehen.

Stuttgart, 4. Sept. Von der Polizeidirektion ist eine neue Volksfestordnung aufgestellt worden, die mit alten Uebelständen aufräumt. Nach der­selben müssen sämtliche Veranstaltungen und Dar­bietungen jedermann ohne Unterschied des Alters oder Geschlechts gleichzeitig zugänglich sein. Ver­boten ist daher die Einrichtung sog. Sonderkabinette und die Veranstaltung von Sondervorstellungen für Personen eines bestimmten Geschlechts oder eines bestimmten Alters, desgleichen das Einsammeln und Abverlangen von Sondervergütungen, die über das ordentliche Eintrittsgeld hinausgehen.

Cannstatt, 3. Septbr. (Vom Volksfest.) Auf dem Wasen fand heute die Versteigerung der

Plätze für Schaubuden und Karussells über das diesjährige Volksfest statt, wozu sich zahlreiche Lieb­haber eingefunden hatten. Die Plätze aus der Neckar­seite waren wieder sehr begehrt. Man bezahlte für den laufenden Meter bis zu 65 Mk. Ein Kino­besitzer legte über 2000 Mk. an. Für 19 Plätze auf der Neckarseite wurden allein über 15 000 Mk. erlöst. Zur Versteigerung kamen über 50 Plätze. Da der Verkehr auf dem Festplatz sich immer mehr steigert, sind die Feststraßen breiter gemacht worden.

Freudenstadt, 3. Sept. Ein Bürger unserer Stadt, Holzhauer Fritz Geiger, wird am nächsten Sonntag von hier abreisen, um in Deutsch» Ostafrika eine Stelle anzunehmen. Er ist mit einem Säger aus Dußlingen für 3 Jahre verpflichtet worden. Die Reise geht von hier zunächst nach Hamburg. In seinem neuen Wirkungskreis wird Geiger 6080 Schwarze anzuleiten haben.

Oberndorf, 3. Septbr. (Auch eine Er­innerung an denSieg beiSedan.) Auf dem kleinen Heuberg liegt ein Dorf, der Name lut nichts zur Sache, da wurde der Sieg bei Sedan nachts 11 Uhr durch den Nachtwächter in ortsüblicher Weise beim Stundenruf also den Dörflern bekanntgegeben. Auf dem Kirchturm schlug es die elfte Stunde und der Mann in dem Rocke des Schlafes und dem Horne der Nacht brüllte lustig in die Stille: Höret, was i will saga, der Franzos ist in A. . . . nei g'schlaga, wohl über die Elfe!

Neue Stiftungen für Arbeiter im Jahre 1912. Den Jahresberichten der württ. Gewerbe- aufsichtsbeamten für 1912 ist zu entnehmen, daß 1912 wieder eine Reihe namhafter Stiftungen zu­gunsten der Arbeiter des Landes gemacht worden ist. Es seien u. a. erwähnt: Firma Schiedmayer u. Söhne, Pianofortefabrik in Stuttgart 10 000 Mk.. Firma Heinrich Otto u. Söhne in Unterboihingen 100 000 Mk.. Firma Jetter u. Scheerer in Tutt­lingen 25 000 Mk. und durch den verstorbenen Geh. Kommerzienrat v. Pflaum 10 000 Mk., Firma I. Schwenk in Ulm 100 000 Mk., Maschinenfabrik Eßlingen durch den verstorbenen Geh. Kommerzienrat v. Pflaum in Stuttgart 12 000 Mk., Württemb. Metallwarenfabrik in Geislingen 4 Stiftungen mit 150 000 Mk.. 100 000 Mk., 65 000 Mk. und 10000 Mark, Gebr. Wiedemann, Käsefabrik in Wangen i. A., 10 000 Mk., Merkel u. Kienlin, Kammgarnspinnerei in Eßlingen, 50 000 Mk., die mech. Seidenstoff­weberei in Waiblingen 50 000 Mk., Firma C. H. Knorr in Heilbronn 50 000 Mk., Württ. Baum­wollspinnerei und Weberei bei Eßlingen 16 500 Mk., I. M. Voith'sche Maschinenfabrik in Heidenheim 10 000 Mk. usw. Das sind anerkennenswerte Leist­ungen zum Wohle der Arbeiter, die Anerkennung und Nachahmung verdienen.

Aus Staöt» Bez irk u nS Umgebung.

Calmbach, 29. August. (Sitzung der Ge­meindekollegien.) In Sachen der Verbesserung der Straße nach Würzbach hatten die !Kollegien nochmals zu beraten, ob die Gemeinde mit der so­fortigen Ausarbeitung eines Projekts für den neuen Straßenbau im Sinne der Aeußerung des technischen Referenten der Kgl. Ministerialabteilung für den Straßen- und Wasserbau einverstanden sei. Nach wiederholter Beratung wird mit Stimmenmehrheit beschlossen, sich an der Ausarbeitung eines Entwurfs und den Kosten hiesür nicht zu beteiligen, da die hiesige Gemeinde kein besonderes Interesse an dem Straßenbau habe, und die zu^ beseitigenden An­stände an der Straße auf hiesiger Markung mit dem Geld beseitigen könne, das das Projekt koste. Der Vorstand der K. Eisenbahnbausektion in Pforz­heim hat den Gemeindekollegien mitgeteilt, daß er die von der hiesigen Gemeinde durch Beschluß der Gemeindekollegien vom 11. Juli ds. Js. gestellte Forderung für die Uebernahme von verschiedenen Wegen aus Anlaß des Baues eines zweiten Geleises von hier nach Wildbad in Höhe von 10 000 ^ vor seiner Vorgesetzten Behörde nicht verantworten könne. Dieselbe sei angesichts der angestellten Be­rechnung für den Unterhaltungsaufwand für die in Betracht kommende Wegstrecken entschieden zu hoch. Er glaube, daß die Gemeinde mit der Summe von 7000 vollauf entschädigt sei, welche er auch vor seiner Vorgesetzten Behörde vertreten könne. Die Gemeindekollegien beschließen aber, auf dem Beschluß vom 11. Juli ds. Js. zu beharren. Der Vorsitzende legte die auf Grund früheren Beschlusses von Hrn. Bau­werkmeister Geilsdörfer gefertigten Pläne u.Kosten­voranschläge für die Verbesserung der Zufahrtswege zum Gemeindewald beim Friedhof vor. Der Auf­wand hiefür ist auf rund 6400 berechnet. Nach Einsichtnahme der Pläne und Kenntnisnahme des