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Der LnztSler.
Anzeiger kür das Enztal unS Umgebung. Amtsblatt kür Sen Oberamtsbezirk IlLULnbürg.
Neuenbürg, Mittwoch den 23. Juli 1913.
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71. Jahrgang.
RunSlchau.
Der neue Balkankrieg.
London, 22. Juli. Premierminister Asquith hielt in Birmingham eine Rede, in der er im Rückblick auf die Ereignisse auf dem Balkan u. a. sagte, die Mächte täten ihr möglichstes, um die Gegner dahin zu bringen, eine Friedenskonferenz abzuhalten. Heute schienen Aussichten für das Zustandekommen einer solchen Konferenz vorhanden zu sein. Ueber die Friedrnsbedingungen selbst müßten die Großmächte sich im Hinblick auf die Ereignisse ihr eigenes Urteil Vorbehalten. Wenn die Türkei sich über den Londoner Friedensvertrag hinwegsetze, so müsse sie gewärtig sein, daß Fragen auftauchen, deren Aufwerfung durchaus nicht in ihrem Interesse liege.
Bukarest, 21. Juli. Heute früh 7 Uhr erhielt Ministerpräsident Majoresko die amtliche Bestätigung, daß Bulgarien die ihm von Rumänien gestellten Bedingungen annimmt. Das Telegramm der bulgarischen Regierung besagt, sie habe noch vor der Ankunft der rumänischen Antwort Friedensdelegierte für Verhandlungen mit sämtlichen Kriegführenden ernannt und bitte um Angabe des Ortes, wo diese gemeinsamen Verhandlungen statt- finden sollen. Auch König Karo! hat eine neue Depesche des Königs Ferdinand in Sachen des Friedensschlusses erhallen.
Athen, 22. Juli. Da die bulgarische Negierung den Vorschlag angenommen hat, in direkte Unterhandlungen einzutreten, hat die griechische Regierung 3 Delegierte ernannt, die sofort nach Ni sch abreisen werden. Es sind dies der frühere Gesandte in Sofia, der Gesandte in Belgrad und der Hauptmann Ragabe.
Sofia, 20. Juli. Ein Privattelegramm besagt: Bulgarien und Sofia sind ruhig. Aus Nordbulgarien sind viele Flüchtlinge gekommen. Die Feldarbeiten der Ernte werden durch Weiber und Gefangene besorgt. Bulgarien hat dem rumänischen Einmarsch keinen Widerstand entgegengesetzt; es ist aber nicht unmöglich, daß bei weiterem Vorrücken der Rumänen, die nur 50 Kilometer von Sofia stehen, Zusammenstöße entstehen könnten. Die Regierung findet die Unterstützung der besten Elemente des Landes, keinerlei Uneinigkeit oder Schwanken macht sich bemerkbar. Von den Kriegsschauplätzen ist zu berichten, daß gestern die Angriffe der Griechen und Serben auf der ganzen Linie abgeschlagen worden sind. Beteiligt am Kampfe waren nur eine serbische und zwei griechische Divisionen. Gefechte fanden im Quellgebiet der Bregal- nitza statt. Bulgarien hat heute den Vertretern der Großmächte und Rumänien erklärt, daß es nicht beabsichtige, solche und andere Erfolge zu einem neuen Kriegszuge auszunutzen, sondern daß es den Frieden vorziehe.
20 Juli. Die Verbindung mit Adrianopel ist seit einigen Stunden unterbrochen. Man nimmt an, daß die türkischen freiwilligen Truppen und Baschi Bosuks, die gestern in Stärke von 10 000 Mann bei Kuleli Burgas die Maritza überschritten, inzwischen bis Adrianopel gelangt sind, wo noch gegen 15 000 türkische Gefangene und eine kleine bulgarische Garnison von etwa 4000 Mann liegen. Man nimmt ferner an, daß der Minister des Innern Talaat Bei, der früher Abgeordneter für Adrianopel gewesen ist, und Enver Bei, die treibenden Kräfte der türkischen Bewegung sind. Der hiesige Vertreter Rußlands soll das 'Eingreifen der russischen Flotte in A ssicht gestellt und auch England soll ähnliches mitgeteilt haben.
Sofia, 22. Juli. Nachdem gestern abend die Verbindung mit Adrianopel wieder hergestellt worden war, erhielt man Meldungen, die feftstellen, daß Adrianopel nicht von den Türken besetzt ist. Diese Meldung sei durch das Erscheinen
dreier Kavallerieeskadrons unter Enver Bei nebst regulären Truppen in der Nähe der Stadt hervorgerufen worden. Diese Truppen haben sich bald zurückgezogen. Die bulgarische Regierung befahl den entflohenen Behörden, ihren Posten wieder einzunehmen. Die gleiche Weisung wurde den Beamten in den anderen Orten Thraziens erteilt, die aus Furcht vor dem Vormarsch der Türken entflohen waren.
Konstantinopel, 22. Juli. Die türkische Armee setzt ihren Vormarsch gegen Adrianopel fort. Der gestern gemeldete Kampf fand zwischen Lüleh Burgas und Muradli statt. Einem Blatt zufolge wurden 9 bulgarische Offiziere und 600 Mann bei Kabakdje zu Gefangenen gemacht. Die Türken haben Lüleh Burgas besetzt. fLüleh Burgas liegt schon außerhalb der zunächst vorgesehenen Grenzlinie, aber noch nahe daran, so daß man hier noch eine Aenderung bei der endgültigen genauen Festsetzung der Grenzlinie erwarten kann.s
London, 21. Juli. Der „Times" wird aus Sofia unterm 20. ds. telegraphiert: Die Türken sind nach kurzem Kampf gegen eine kleine bulgarische Verteidigungsabteilung in Adrianopel eingerückt. Irreguläre Truppen brennen, plündern und begehen allerhand Grausamkeiten. Andere türkische Truppen rücken in westlicher Richtung vorwärts.
Sofia, 22. Juli. Bis Mitternacht war die telegraphische Verbindung mit Adrianopel intakt. Die letzten Nachrichten besagen, daß der türkische Kommandant der vor Adrianopel stehenden Truppen die Bulgaren aufgefordert habe, die Stadt zu übergeben. Heute vormittag wurde die bulgarische Regierung verständigt, daß die Besatzung Adrianopel ohne Widerstand geräumt hat. Die türkischen Gefangenen waren schon früher aus Adrianopel nach Bulgarien gebracht worden.
Paris. 21. Juli. Der Sonderberichterstatter des Journal telegraphiert aus Sofia: Die Rumänen verhindern die Lebensmittelversorgung von Sofia. Wir werden kein Brot mehr haben, wenn Europa nicht binnen zwei Tagen mit aller Entschiedenheit einschreitet. Dann werden wir eine Reihe jener Katastrophen erleben, die den Schrecken der Weltgeschichte bilden.
Berlin, 22. Juli. Die Zahl der aus Anlaß des kaiserlichen Regierungsjubiläums vom preuß. Justizminister gestellten Anträge auf Begnadigung ist auf ungefähr 12 000 gestiegen.
Hamburg, 22. Juli. Nach stundenlangen Beratungen haben die Vorstände der Gewerkschaften, die an dem Werftarbeiterstreik beteiligt sind, es abgelehnt, den Streik anzuerkennen.
Baden-Oos, 22. Juli. Das Militurluft- schiff L. Z. 20, das heute früh 3,56 Uhr in Frankfurt a. M. aufgestiegen war, ist um 7.44 Uhr hier gelandet.
Lissa, 21. Juli. In einem Abteil 4. Klasse des Personenzuges Posen-Lissa stach ein Arbeiter plötzlich ohne sichtbare Ursache auf seine Mitreisenden mit dem Messer ein. Vier Personen wurden schwer verletzt, darunter ein Briefträger aus Brinbaum und ein Soldat aus Berlin, der auf Urlaub reiste. Als die Mitreisenden die Notleine zogen und der Zug zum Stehen gebracht wurde, sprang der Messerheld aus dem Wagen und wollte entfliehen. Er wurde aber eingeholt und verhaftet.
Berlin, 21. Juli. Es liegen wieder Nachrichten über schlechtes Wetter und schwere Regengüsse aus allen Teilen des Reiches vor. Im Bistum Münster in Westfalen sind besondere Bittgottesdienste um besseres Erntewetter angeordnet worden. Die Weichsel führt neuerdings wieder Hochwasser.
Bern, 22. Juli. Aus der ganzen Ostschweiz wird Hochwassergefahr gemeldet. An den Ufern des Gardasees wütete in der Nacht zum Montag ein heftiger Sturm, der von Hagelschlag begleitet
war und in den Zitronengärten großen Schaden anrichtete.
Basel, 22. Juli. Der schweizerische Flieger Bider hatte für heute einen Fernflug von Mailand nach Basel geplant. Er stieg um 4 23 Uhr morgens in Mailand auf. mußte aber nach einstün- digem Flug wieder nach Mailand zurückkehren, weil sich inzwischen das Wetter jenseits der Alpen verschlechtert hatte.
Clermont-Ferrand, 22. Juli. Hier stürzte ein Kraftwagen aus 8 Meter Höhe in einen Fluß, wobei die Insassen, Graf und Gräfin Fernande; d'Alagla aus Barcelona, getötet wurden.
Jackson (Mississippi), 22. Juli. In Oakley, 20 Meilen von hier entfernt, brach gestern nacht auf einer Sträflingsfarm Feuer aus, wobei 35 Neger» sträflinge den Tod in den Flammen fanden.
Württemberg.
Stuttgart. 21. Juli. Englischen Blättern zufolge wird die Königin von England, bekanntlich eine geborene Prinzessin von Teck, die von Mitte August an auf 3 Wochen nach Deutschland kommen wird, mit ihrer einzigen Tochter ihrem Stammland und unserem Königspaar im Laufe dieses Sommers in Friedrichshafen ihren Besuch abstatten; vorher wird sie ihre Tante, die Großherzogin August« von Mecklenburg-Strelitz, sowie die Cumberländer in Gmunden besuchen.
Stuttgart, 22. Juli. Es läßt sich jetzt mit einiger Sicherheit die Mitte des primären Schüttergebiets des Erdbebens vom Sonntag angeben, nachdem die Beobachtungen der nächstgelegenen Erdbebenstationen bekannt geworden sind. Darnach befindet sich das Epizentrum fast genau an derselben Stelle, wo es nach den Berechnungen für das süddeutsche Erdbeben vom 13. Nov. 1911 lag, nämlich auf 48 Grad 14 Minuten nördlich und 9 Grad 6 Minuten östlich, etwa 10 Kilometer westlich von der Stadt Ebingen. — Der Frankfurter Ballonfahrer Direktor Otto Neumann, der am Sonntag mit seinem Ballon „Tillie II" unterwegs war, teilt mit, daß das Erdbeben auch in der Höhe wahrgenommen wurde. Die Luftschiffer befanden sich um 1 Uhr in etwa 700 Meter Höhe über Pforzheim. Plötzlich hörten die Korbinsassen ein starkes Rollens das wie der Nachhall schwerer Artilleriegeschütze klang. Das Geräusch konnte von keinem Gewitter herrühren, da es von unten und nicht von oben kann es war nur einige Sekunden vernehmbar, dann wurde es wieder still in der Luft. Im Ballon „Frankfurt", den Herr Robert Marburg führte, wurden die gleichen Wahrnehmungen gemacht. Als die Luftschiffer in der Nähe von Göppingen niedergingen. wurden sie durch die eingestürzten Schornsteine über die Ursache jenes Rollens aufgeklärt. — Die Instrumente der Erdbebenwarte Hohenheim registrierten in der vergangenen Nacht ein schwaches Nachbeben, das um 11 Uhr 36 Min. 10 Sek. begann und um 11 Uhr 36 Min. 3 Sek. sein Maximum hatte. Schon am Sonntag kurz nach dem Hauptbeben war ein erstes Nachbeben registriert und gefühlt worden, das um 1 Uhr 28 Min. 53 Sek. einsetzte und das auch von zahlreichen Orten gemeldet worden ist. Weitere Nachbeben sind bis heute früh nicht ausgezeichnet worden.
Das Erdbeben vom Sonntag wird auch von meteorologischen Fachleuten mit einer Aenderung der Luftdruckverteilung zusammengebracht, die sich von Samstag auf Sonntag vollzog. Die Wetterkarte zeigte Sonntag vormittag das schon einige Tage den Ozean und den Westen Europas bedeckende kräftige Hoch in unveränderter Lage, während sich der Luftdruck im Nordosten vertieft hatte. Im Laufe des Vormittags verstärkte sich dieses Tief noch mehr, sodaß ein erheblicher Luftdruckunterschied zwischen Leiden Gebieten entstand. Ist die Anordnung der Luftdruckoerteilung nun so. daß tiefer Druck längs