wenn zwischen Unternehmern, Beamten und Arbeitern ein harmonisches Verhältnis besteht. Ich befinde mich mit dieser Anschauung zwar im Gegensatz zur Ansicht des Hrn. Westmeyer, welcher in einer Versammlung am 3. Juni, in der die Aussperrung bei Bosch beleuchtet wurde, sagt: „Als Sozialdemokraten wissen wir, daß es zwischen Kapital und Arbeitern keinen Frieden gibt; wir wissen nur zu gut, daß der Gegensatz zwischen Unternehmern und Arbeitern unüberbrückbar ist. Diesem ehernen Gesetze kann ja sich niemand entziehen. Alle soziale Quacksalberei hilft darüber nicht hinweg." Ich will nicht auf den Fall Bosch eingehen und möchte nur konstatieren, daß mein Fraklionskollege Wieland recht gehabt hat, als er bet der Verhandlung über den Achtstundentag der Vermutung Ausdruck gab, daß mit der Gewährung der verkürzten Arbeitszeit die Forderungen der Arbeiter nicht an ihrem Ende angelangt seien. Und wenn Hr. Westmeyer sagt, daß, wenn Hr. Bosch einen offenen ehrlichen Weg eingeschlagen hätte, wenn er allgemeine Lohnreduzierungen vorgenommen und die Arbeitszeit verlängert hätte, hätte ihm daraus kein Mensch einen Vorwurf gemacht, so wage ich doch einige leise Zweifel in derartige Behauptungen zu setzen. Ich kenne die Verhältnisse bei der Firma Bosch nicht. Aber als ich die Erklärungen des Hrn. Bosch gelesen hatte, war ich überzeugt, daß sie den Nagel auf den Kopf treffen und vollständig den Tatsachen entsprechen, weil die Angaben, welche Hr. Bosch über die Umtriebe des Melallarbeiterverbands macht, sich vollständig mit dem System decken, das der Holz- arbeileroerband der Sägeindustrie gegenüber in Anwendung bringt. Ich bin gewiß kein Gegner von Arbeiterorganisationen, aber wenn diese, wie z. B. auch der Holzarbeilerverband in erster Linie den Zweck verfolgen, das gute Einvernehmen, das zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern besteht, zu stören, weil es ihm ein Dorn im Auge ist, dann kann der Holzarbeiterverband nach meiner Ansicht auch sich nicht wundern, wenn wir ihn bekämpfen und auch nicht verlangen, daß wir uns seiner Vermittlung zwischen uns und unserer Arbeiterschaft bedienen. Wir wollen mit unseren Arbeitern in einem guten Einvernehmen bleiben — und dazu brauchen wir den Holzarbeiterverband nicht I
Wir müssen es auch ablehnen, auf die gehässigen Artikel, die von Zeit zu Zeit in der „Schwäbischen Tagwacht" kommen, die dort erbetene Antwort zu geben. Dem Ansehen der „Schwäbischen Tagwacht" würde es sicher nicht schaden, wenn diese sich vor Ausnahme solcher Artikel auch vergewissern würde, ob deren Inhalt denn auch nur einigermaßen den Tatsachen entspricht. Ich möchte übrigens dazu bemerken, daß derartige Artikel wegen ihrer Entstellungen und ihrer direkten Unwahrheiten auf die Beschuldigten gar keinen Eindruck machen. Die Arbeiter wissen ganz genau, was sie von derartigen Ueber- treibungen zu halten haben.
Schließlich will ich mit dem Wunsche: Auch unsere Arbeiterschaft möge allgemein auch wieder zu der Ueberzeugung gelangen, daß die fortgesetzten
> Beunruhigungen, denen unsere Industrie namentlich dann regelmäßig ausgesetzt ist, wenn nach Zeiten schlechten Geschäftsgangs sich wieder Anzeichen einer Besserung einstellen, nicht zum Gedeihen unserer schwer ringenden Industrie beitragen — daß aber von diesem Gedeihen unserer Industrie auch die Besserung der wirtschaftlichen Lage unserer Arbeiter, die wir ihnen von Herzen gönnen, abhängt. (Beifall in der Mitte.)
8 . 6 .L. Wildbad, 9. Juni. König Wilhelm traf am Samstag nachmittag gegen 5 Uhr im Automobil nach kurzer Pause wieder hier ein und stieg im Hotel Bellevue ab. Dort besuchte der König seine Verwandte, die zur Kur hier weilende Königin- Witwe Emma der Niederlande, und nahm den Tee bei ihr ein. Gegen ^26 Uhr unternahmen die Majestäten einen Spaziergang durch die Kgl. Anlagen und durch die König Karlftraße. Bei der Rückkehr wurden sie freudigst begrüßt. Nach Verabschiedung im Hotel Bellevue erfolgte unter Hochrufen der angesammelten Kurgäste und Einwohner die Rückfahrt des Königs nach Stuttgart.
Wildbad, 4. Juni. Ein Festtag besonderer Art war heute den Pfleglingen der Kinderheilanstalt „Herrnhilfe", einer Filiale der bekannten A. H. Werner'schen Kinderheilanstalten in Ludwigsburg, beschieden. Die Königin-Mutter Emma der Niederlande, die bekanntlich schon seit mehreren Wochen hier zur KiU weilt, traf vormittags zu einem Besuch in der Anstalt ein. Sie wurde am Eingang von der Vorsteherin empfangen und durch einen Gesang der Kmderschar begrüßt, worauf sie eine große Zahl mitgebrachter Spielsachen unter die Kleinen verteilte. Der Jubel war groß, kein einziges kam zu kurz. Nachher besichtigte die Königin das ganze Haus in allen seinen Teilen, wobei sie sich sehr anerkennend über seine zweckmäßige Einrichtung aussprach. Das Haus ist erst vor einem Jahr gründlich umgebaut und erneuert worden. Ein gemeinsames Lied der Kinder zum Schluß gab der freundlichen hohen Frau das Geleite. Auch die Anstalt selbst bekam ansehnliche Geschenke in Form von hübschen Spielen und Büchern, sowie einen reichen Geldbeitrag.
Höfen, 8. Juni. Zum ersten Mal fand sich der Evangelische Bund zu seiner Frühjahrsversammlung hier ein. Eine zahlreiche Versammlung von hier und Umgebung tauschte den fesselnden Worten des Generalsekretärs Schilbach, der seinem Vortrag das Thema: „Auf der Wacht für Glaube und Heimat" zu Grund legte. An den Freiheitskriegen von 1813 und den Ereignissen von 1870 zeigte er, daß damals protestantische Männer im Vorderlreffen standen, daß evangelischer Glaube und deutsche Heimat unzertrennlich zusammengehören. Von da aus kam er auf die Gegenwart, in der sich die Jesuiten anbieten als Beschützer von Glaube und Heimat. Wie wenig das zulreffe, beleuchtete er an den Ereignissen der neuesten Zen in Portugal und Frankreich, sowie an Beispielen jesuitischer Sittenlehre. Er wies hin auf die Zunahme der
katholischen Bevölkerung durch Einwanderung von Arbeitern aus Polen, Italien und anderen katholischen Ländern, auf die Zunahme der Klöster und Mönche im Deutschen Reich. Jedermann gewann den Eindruck: es gilt auf der Wacht zu stehen für Glaube und Heimat. Umrahmt war der Vortrag durch frischen Gesang hiesiger Schüler, der von Hrn. Oberlehrer Schmid gut eingeübt und geleitet war. Auch dieser Gesang stand unter dem Zeichen von Glaube und Heimat. Eingeführt wurde der Redner vom Obmann des Bezirks, Pfarrer Weitbrecht- Schömberg, der wie immer die Versammlung trefflich zu leiten verstand. Eine stattliche Zahl neuer Mitglieder wurde für den Evangelischen Bund gewonnen. Das Ganze war ein Genuß, der wohl bei manchem anregend und erfrischend wirkte.
Ettlingen, 8. Juni. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag gegen 1 Uhr fing das Großh. Lehrerseminar an verschiedenen Stellen zu brennen an. Die Zöglinge retteten sich nur wenig bekleidet ins Freie. Im Zeichensaal, sowie in dem darunter liegenden Waschsaal waren verschiedene Brandherde mit Petroleum angelegt. Es gelang das Feuer zu dämpfen, bevor es eine größere Ausdehnung erlangt hatte. Während der Löscharbeiten wurden in einem Schlafsaal 2 Betten in Brand gesteckt. Die eingeleitete Untersuchung hat bis jetzt noch zu keinem Resultat geführt.
Gold- und Silberwaren und Taschenuhren sind durch 8 56 der Reichsgewerbeordnung von dem Hausierhandel ausgeschlossen. Die Ueber- tretung dieses Paragraphen wird mit Geldstrafe bis zu 150 und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu 4 Wochen bestraft. Sehr oft führen sich die Händler als Gäste in Restaurationen, Caf6s rc. ein und suchen hier Bekanntschaften. Zuweilen sind es auch Angestellte des Lokals, die obengenannte Gegenstände anpreisen. Es handelt sich meistens um minderwertige Waren, die unter allen möglichen Vorwänden zu enormen Preisen an den Mann gebracht werden. Es wird daher äußerste Vorsicht am Platze sein. Es sollte der Polizei unverzüglich Anzeige gemacht werden.
Feldrennach, 10. Juni. Der heutige Monats- Vieh markt war wegen der in vollem Gange befindlichen Heuernte nur schwach befahren mit 43 Kühen, 12 Ochsen, 37 Rindern, 11 Kälbern, zusammen 103 Stück. Handel nicht sehr lebhaft. Preise unverändert.
WornusstcHMcHe Witterung.
Eiu kräftiger Luftwirbel befindet sich im Westen von Norwegen. Das Hoch hat sich nach dem Südwestend des Kontinents zurückgezogen. Bei vorwiegend westlichen Luftströmungen steht zeitweise windiges, wolkiges und regnerisches Wetter, verbunden mit Abkühlung, bevor.
Auf de« Enftiiin
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Doktor StiUfried.
Humoristischer Roman von Dora Duncker.
11s (Nachdruck verboten.)
Radtke schüttelte nachdenklich den Kopf. Er wollte augenscheinlich etwas sagen, stand dann aber nach kurzer Entschließung davon ab. Nach einer kleinen Weile, während Mariechen still und traurig vor sich hingeblickt hatte, meinte er aufs neue, in tröstendem Ton:
„Er wird seinen Sinn ändern. Sie täuschen sich in ihm, Fräulein Mariechen, und unterschätzen die Sorgen, die auf ihm liegen. Nichts ist hier noch, wie es sein sollte. Der Besuch spärlich, die Patienten nicht zufrieden. Wenn Sie und Fräulein Amalie nicht so tüchtig Zugriffen, wenn Fräulein Kleemann nicht immer wieder helfend und vertröstend bei der Hand wäre, wer weiß, wie weit wir dann heute schon wären! Vergessen Sie auch nicht, Fräulein Mariechen, daß sich Vas Ende des Probejahrs nähert. Ist es da nicht begreiflich, daß Doktor Stillfried all seine Gedanken darauf konzentriert, alle Kräfte anspannt, um das Kuratorium zu befriedigen?"
„Durch Feste und andern albernen Krimskrams," warf Marie bitter ein.
..Auch das gehört dazu, Fräulein Mariechen. Ist Doktor Stillfried erst selbst aus dem Kopfzerbrechen heraus, wird er auch wieder ein Herz für Ihre Sorgen haben."
„Eiu Mann, der das Leben so leicht nimmt, kann ernste Sorgen ja gar nicht begreifen."
Wieder schüttelte Radtke den Kopf.
„Das scheint wohl nur so. So weit ich es beurteilen kann, ist Doktor Stillfried ein großer Optimist, ja. Aber hinter seinem leichten äußeren Wesen steckt, glaub' ich, doch mehr, als man vermutet. Ich habe ihn anfangs auch nicht besser beurteilt als Sie, Fräulein Mariechen, aber mit der Zeit Hab' ich mir doch gesagt: er ist gewiß leichtsinnig, aber es steckt ein guter Kern in ihm. Damals, als wir uns auf dem.Kaiser Wilhelm' kennen lernten, hätte ich auch keine Hand für ihn ins Feuer gelegt. Als er aber ein Jahr später nach Hamburg kan: und mich fragte, ob ich gewillt sei, in Wolkenstein sein Geschäftsführer —"
„Und Geldgeber
„Zu werden, bekam ich schon eine ganz andere Meinung von ihm. Diese bessere Meinung hat sich auch befestigt, und auch etwas anderes nach —" Radtke machte wiederum eine Pause, und schien, wie vor ein paar Minuten, mit einem Entschluß zu kämpfen. Diesmal aber gab er sich einen Ruck und sprach aus, was er zuvor unterdrückt hatte: „Ich habe das bestimmte Gefühl, daß irgend etwas in seinem Leben ist, das wir alle nicht kennen, das auf ihn drückt und alle die Zwiespältigkeiten verursacht, die ihm mit Recht zum Vorwurf gemacht werden."
Mariechen schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ihre Anhänglichkeit an den Onkel zeigt Ihnen alles in einem besonder«, in einem rosigen Licht, Herr Radtke; aber wir wollen nicht weiter davon sprechen, cs hat ja keinen Zweck."
Hinter dem Kirchturm war langsam der Mond ausgestiegen und sandte sein mildes Licht zu der Anhöhe hinüber, auf der die beiden jungen Menschen
saßen, lieber des Mädchens zarte Gestalt fiel es hin und über das leicht gekrauste Blondhaar, das ihr in dichten Zöpfen um den zierlichen Kopf lag.
Paul Radtke unterdrückte einen Seufzer. Er hätte sich um diese Stunde auch etwas Besseres gewußt, als den Doktor Fritz Stillfried zu verteidigen. Aber er fühlte mit unbeirrbarem Instinkt, daß das, wovon er am liebsten gesprochen hätte, an des Mädchens Ohr vorübergeglitten wäre, ohne eine Spur zu hinterlassen, so lange ihr Herz in so schwerer Sorge um den Vater bangte.-
Gleich nach dem Abendessen, bei dem zu Amaliens unermeßlichem Erstaunen der Bruder nicht erschienen war, trotzdem er sich kurz vor der Sprechstunde sein Lieblingsgericht, Kartoffelpuffer mit grünem Salat, bei ihr bestellt hatte, schlich Trude Klremann sich davon, um möglichst unbemerkt über die Terrasse nach dem Tanncnstand zu gelangen, in dem Stillfried ihr sein Geheimnis anvertrauen wollte.
Sie rechnete gar nicht mit der Möglichkeit, daß 'der Doktor das Stelldichein versäumen könne, wie er das Nachtmahl versäumt hatte.
Wollte er sie zur Mitwisserin eines Geheimnisses machen, an das ihre Gedanken nicht zu tasten wagten, so hing sich ihr Denken um so klarer und eindringlicher an ein Geständnis, das sie ihm schon lauge schuldig zu sein glaubte. Fast hörbar klopfte ihr Herz, als sie sich die so oft schon durchdachte Frage vorlegte, wie Stillfried dies Geständnis aufnehmen würde, wie ihre Beziehungen sich gestalten würden, wenn er erführe, was ihr Leben bisher ausgefüllt hatte, was die Zukunft von ihr forderte. (Fortsetzung folgt.)
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