Württemberg.

Stuttgart. 25. April. Die Zweite Kammer setzte in ihrer heutigen Sitzung, die sich bis '/s3 Uhr hinzog, die Beratung des Justizetals fort. Zu­nächst sprach der Abg. Andre (Ztr.), der gegen die Sozialdemokratie polemisierte und schärfere Urteile in Fällen von Terrorismus verlangte. Die Richter sollten mehr Verständnis für die Arbeiterbewegungen > haben. Abg. Fischer (Vp.) sprach sich für Auf­hebung des Z 153 der Gewerbeordnung aus, da dieser Paragraph nie auf Unternehmungsstreitigkeiten sondern nur auf Arbeiterstreitigkeiten angewendet werde. Vizepräsident Dr. v. Kiene brachte eine Reihe von Fragen der Rechtspflege zur Sprache. Er trat warm für den württ. Richtervsrein ein, der sich die Stellung des preußischen Richtervereins auf Ausschaltung der Laienwelt aus der Rechtsprechung nicht zu eigen gemacht hat. Eine Aenderung der Ausbildung junger Juristen sei notwendig Für die ländlichen Gemeindegerichte sollten populäre gedruckte Anleitungen zur Handhabung der Rechtsprechung ge­geben werden. Reichel (Soz) begründete die Ab­lehnung des Ausschußantrags durch seine Fraktion und nimmt die Gewerkschaften in Schutz. Mattutat (Soz.) suchte die vom Minister erwähnten Fälle von Terrorismus als Entgleisungen darzustellen. In längeren Ausführungen geht der Minister noch auf die Ausführungen der verschiedenen Vorredner ein. wobei er bemerkte, daß in der Bekämpfung der Schmutz- und Schundliteratur in neuerer Zeit eine ganz besonders lebhafte Bewegung von Staats wegen eingetreten sei. Der Minister verwahrte sich dagegen, daß den Staatsanwälten bei ihrem Vorgehen gegen Witzblätter irgendwie die Hände gebunden würden. Nach weiteren Ausführungen von Rem- bold-Aalen (Ztr.), der für den Anwaltsstand ein- tritt, und von Haußmann (Vp.), der sich gegen die Kiene'sche Anregung wegen ider Kunstsachverständigen wendet und mehr Rücksicht auf die Zeit der Zeugen verlangte, wird abgestimmt. Die Ausschußanträge werden sämtlich angenommen. Die Resolution Mat­tutat wegen Sammlung der württ. Gesetze und Ver­ordnungen wurde abgelehnt. Nächste Sitzung Samstag 9 Uhr.

Stuttgart, 26. April. Mit einer teilweise sehr erregten und stürmischen Geschäftsordnungs­debatte wurde in der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer die Beratung des Justizetats zu Ende geführt. Ohne wesentliche Erörterung war einer ' Reihe von Anträgen des Finanzausschusses die Zu­stimmung des Hauses erteilt wurden, so U. a. der Schaffung weiterer Gerichtssekretärstellen und der Schaffung von gehobenen Stellen, der Nichtbehand­lung einer Eingabe der Amtsgerichtsdiener um Er­höhung ihres Gehalts und der Ueberweisung einer Eingabe des Württ. Notariatsoereins um Erhöhung der Exigenz für Bezirksnotarstrllen zur Erwägung der Regierung. Auch das KapitelVerwaltung der Strafanstalten", bei dem einige Wünsche vorgebracht wurden, wurde noch ohne wesentliche Debatte ge­nehmigt. Dann hielt der Abg. Westmeyer (Soz) eine Rede, in der er unter der Unruhe des Hauses in teilweise sehr scharfen Redewendungen über die ungenügende Verpflegung der Gefangenen in den Strafanstalten sich beschwerte und den Verpflegungs­satz von 47^2 Pfg. pro Tag als nicht ausreichend für die Ernährung eines Gefangenen bezeichnete. Im Verlauf seiner Rede, während der er vom Präsidenten wiederholt ermahnt wurde, zur Sache zu sprechen, bemerkte Westmeyer, er spreche dem Abg. v. Gauß das Recht ab, über diese Dinge zu urteilen. Darauf erwiderte der Abg. v. Gauß, er glaube sich etwas zu vergeben, wenn er sich mit Westmeyer in persönliche Auseinandersetzungen ein­lasse. Gegenüber einer Bemerkung des Abgeordn. Westmeyer, er habe die beanstandete Aeußerung erst auf einen beleidigenden Zwischenruf des Abg. v. Gauß getan, stellte Abg. v. Gauß fest, daß er überhaupt keinen Zwischenruf getan habe. Damit war der unerquickliche Zwischenfall erledigt. Nächste Sitzung Dienstag ffr4Uhr: Aenderung des Gesetzes über einen Zuschlag zu den Gerichtskosten und Notariatsgebühren.

Stuttgart. 25. April. Der Ausschuß der Ersten Kammer hat nunmehr den Bericht über seine Beratungen über das Lichtspielgesetz aus­gegeben. Berichterstatter ist Staatsrat v. Mosthaf. Der Bericht geht davon aus. daß der Einfluß der Kinematographen bis jetzt ein überwiegend unheil­voller gewesen ist; er sei ein Mittel der Verdumm­ung und Entsittlichung geworden, und die Hoffnung, daß die mit dem heutigen Betrieb verbundenen Miß­stände sich ohne staatliches Eingreifen durch den Einfluß der öffentlichen Meinung, der Presse und

Lehrerschaft in absehbarer Zeit verlieren werden, sei nicht begründet. Der Ausschuß stimmte den Vor­schlägen des Entwurfs im allgemeinen zu, regte je­doch verschiedene Aenderungen an. Er schlug vor, u»ter die absolut zu verbietenden Films auch die­jenigen aufzunehmen, die das religiöse Empfinden der Zuschauer verletzen.

Stuttgart, 24. April. Wie das Neue Tag- ^ blatt hört, sind die Verhandlungen zwischen der Stadt Stuttgart und dem Fürsten Henckel Donners- marck über die Bauplangestaltung auf dem alten Bahnhofgelände ihrem Abschluß nahe. Es scheint, daß sich der Besitzer des Geländes der Stadt gegenüber entgegenkommend bewiesen, und jetzt mit dem vorgeschlagenen Bauplan im großen Ganzen einverstanden erklärt hat. Nur soll die Kronenstraße bis zur Königstraße nicht als Passage, wie bisher geplant, sondern als Straße, wenn auch von bescheidener Breite, fortgesetzt werden.

Stuttgart, 26. April. Die erste Automobil- Centrifugalfeuerspritze, geliefert von Benz u. Co. in Gaggenau, wurde gestern der Beiufs- feuerwehr übergeben. Der Wagen, auf dem 13 Sitz­plätze angebracht sind, ist mit allen der Neuzeit ent­sprechenden Apparaten und Retlungsgeräten aus­gerüstet. Ein 75 pferdekräftiger Motor ist eingebaut, der am Brandplatz zur Zentrifugalpumpe umgeschaltet wird. Die Spritze saugt aus 10 bis 12 Meiern Höhe und wirft den Wasserstrahl 25 bis 30 Meter hoch. 6 Normalschlauchleitungen können angebracht werden. Die Spritze hat ferner einen Kessel mit 600 Litern Wasser, die am Brandplatz verwendet werden, bis ein Hydrant fertig gemacht ist, ferner 600 Meter Schlauch.

Stuttgart, 25. April. Wie die Blätter be­richten. sind in diesem Frühjahr aus der Gegend von Obertürkheim 700 Personen nach Kanada ausgewandert. Nach Angaben von Bekannten sind die Leute ausgewandert, weil ihnen die sich aus­dehnende Industrie ihre Grundstücke zu hohen Preisen abkaufte und es ihnen unmöglich wurde, anderen Ersatz zu annehmbaren Preisen zu erhalten. Bei verschiedenen der Auswanderungslustigen waren schon Verwandte oderBekannte nach Kanada vorausgegangen.

Stuttgart, 22. Apr. (Frühjahrsgartenbau­ausstellung.) Die Stiftung von Ehrenpreisen hat einen sehr erfreulichen Umfang angenommen. Eine s ganze Anzahl von hervorragend schönen Kunstgegen- j ständen ist bereits zur Verfügung des Preisgerichts gestellt. Geldpreise sind nicht nur von Württem- bergern, sondern auch von den bekanntesten Garten­freunden des weiteren Vaterlands und sogar aus Holland eingegangen, allen voran stehen die Ehren­preise des Königs und der Königin, welch letztere ihren Ehrenpreis für die schönsten Nelken bestimmt hat. Aus der großen Anzahl der Anmeldungen dürsten die Neuheiten oder Neueinführungen, die bis jetzt noch nicht im Handel befindlich sind, ein be­sonderes Interesse erregen. Es handelt sich hier hauptsächlich um Pelargonien (Geranien), Fuchsien, Büschelrosen, Hortensien und Nelken, also lauter altbeliebte Garten- und Zimmerpflanzen, die jetzt in neuen Färbungen. Füllungen, Wuchsformen usw. wieder zu Modepflanzen werden sollen; ferner um die schönen Gladiolen und Salvien, neben Gerber­ahybriden.

Stuttgart, 25. April. Bei der heute be­gonnenen Ziehung der Stuttgarter Geld- und Pferdelotterie fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 40 000 Mk. auf Nr. 13 079, 10 000M. auf Nr. 39 277, 2000 Mk. auf Nr. 60 055, zwei Gewinne von je 1000 Mk. auf Nr. 73 940 und 42 916, 6 Gewinne L 500 Mk. auf Nr. 45 542, 39 227, 112 293, 82 985, 40 371 und 35 041. (Ohne Gewähr).

Gemeindeschulden. Der Schuldenstand der 27 über 8000 Einwohner zählenden Stadtgemeinden des Landes, der 1903 noch 145 Millionen Mark betrug, ist auf 1. April 1912 als dem jüngsten Termin der statistischen Erhebungen auf 165 Millionen Mark angewachsen. Der Größe der Städte nach entfallen auf den Kopf der bei der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 ermittelten Bevölkerung in Stuttgart 280, Ulm 264, Heilbronn 232,30, Eßlingen 190, Reutlingen 207, Ludwigsburg 97,30, Göppingen 242, Gmünd 224,60, Tübingen 307, Heidenheim s 160, Feuerbach (1908) 269, Geislingen a. St. 107.30, l Zuffenhausen 179, Ebingen 157, Aalen 167, Schram­berg 172, Bückingen 36,40, Kirchheim u. T. (1908) ! 61, Rottweil 151,20, Biberach 61,50, Hall 88,20, Backnang 80, Freudenstadt 185, Weingarten 120 I städtische Schulden. An erster Stelle steht sonach Tübingen mit 307, an letzter Bückingen mit 36,40

Mark. Dafür hat letzteres die höchste Gemeinde­umlage unter den 27 Städten, nämlich 16°/.

Freudenstadt, 27. April. Herzog Albrecht und sein Bruder der Herzog Ulrich von Württem­berg sind vom Kniebis, wo sie der Auerhahn- jagd oblagen, wieder abgereist. Sie hatten reich­liches Waidmannsheil. Herzog Albrecht hat drei, Herzog Ulrich zwei Hähne zur Strecke gebracht.

Hohenheim, 26. April. Gegenwärtig und auch noch in den nächsten Wochen besucht die Tochter des Königs, Fürstin Pauline zu Wied, Vor­lesungen an unserer landwirtschaftlichen Hochschule.

Alpirsbach, 24. April. DerKaiser hat für die Orgel in der hiesigen Klosterkirche 2000 Mk. gestiftet. In der Kirche liegt bekannt­lich der Ahnherr unseres Kaisergeschlechts, Graf Adalbert von Zollern, gestorben ums Jahr 1100, einer der Stifter des Benediklinerklosters Alpirs­bach. begraben.

Röt O/A. Freudenstadt, 23. April. Die spa­nischen Schatzgräber scheinen es auf unsere Gegend besonders abgesehen zu haben. Auch an einen hie­sigen Arbeiter kam die bekannte Aufforderung, dies­mal in deutscher Sprache, nach Barzelona zu kommen, um dem Mann im Schuldgefängnis wieder zu seinem Gelde zu verhelfen, von dem er als Belohnung dann einen Teil erhalten soll. Vorher aber heißts noch tüchtig zahlen, ehe man den Schatz hebt, und so wird der anonyme Briefschreiber sich wohl anderswo Umsehen müssen nach einem, der auf den plumpen Schwindel hereinfällt.

Tübingen, 26. April. Das Schwurgericht hat den ledigen Goldarbeiter Theodor Fix aus Birkenfeld, der am 22. März abends in der Behausung seiner Mutter seinen Bruder Karl Fix durch einen wuchtigen Messerstich in die Lunge tötete, wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Leonberg, 25. April. Gestern fand vor dem Schöffengericht ein größerer Milchfälschungs­prozeß statt. Angeklagt waren 11 Frauen von Heimsheim und Hausen. Bis auf eine wurden alle verurteilt; eine der Angeklagten, bei der 40 bis 50 Prozent Wasser nachgewiesen wurden und bei der überdies noch Rückfall vorlag, wurde zu drei Wochen Gefängnis verurteilt, die andern erhielten Geldstrafen von 30 bis 80 Mk.

Besigheim, 25. April. Zur Erinnerung an ihren langjährigen Aufenthalt in Besigheim haben Fabrikant Max Lutz und seine Gattin dem Ge« meinderat eine Stiftung von 30 000 Mk. über­wiesen. Die Zinsen daraus sollen zum Besten der Kranken und notleidenden Einwohner Besigheims verwendet werden. Die hochherzige Schenkung ge­reicht den Stiftern zur Ehre und sichert ihnen den Dank der Gemeinde.

Friedrichshafen. 26. April. Die Ergebnisse der Beratungen, die am Dienstag von einer Kommission über die Fahrt desZ. 4" nach Lunöville gepflogen wurden, und an der nicht nur Graf Zeppelin und mehrere angesehene Piloten, sondern auch im Auftrag des Kriegsministeriums Hauptmann v. Jena teilnahmen, werden streng geheimgehalten. Kapitän G luud hatte selbst eine Untersuchung gegen sich beantragt, um zu prüfen, ob ihn ein Verschulden trifft.

Das Kartenwerk des Schwarzwald- Vereins. Mit dem Erscheinen des 9. Blattes RottweilSpaichingen (Tuttlingen) hat der württem- bergische Schwarzwaldverein sein großes Kartenwerk nunmehr beendet. Innerhalb 13 Jahren wurde es mit einem Aufwand von 40000 die den Mit­gliedern als Vereinsgabe zugefloffen sind, durch- geführt. Am 29. Juni 1897 war auf der Haupt­versammlung in Alpirsbach die Inangriffnahme be­schlossen worden. Die im Maßstabe 1: 50000 er­schienenen Karten erfreuen sich in Touristenkreisen großer Beliebtheit, weshalb einzelne Blätter bereits in 2. und 3. Auflage erschienen sind. Besondere Verdienste um das Werk erwarb sich der vor einiger Zeit verstorbene langjährige Schriftleiter des Vereins, Professor Fr. Dölker.

Kus StaSt, Bezirk unS Umgebung.

Neuenbürg. 28. April. Am kommenden Mittwoch (Vorabend des Himmelfahrtstages) ver­kehrt lt. Bekanntmachung der Bahnverwaltung ein Sonderzug von Pforzheim nach Neuenbürg, und zwar Zug 977, ab Pforzheim 5.00 Uhr, Neuenbürg an 5.27 Uhr abends, mit Halt auf allen Zwischen­stationen.

Neuenbürg, 27. April. Am heutigen Sonntag fand hier im Gasth. z. Sonne die jährliche Gauversammlung des Enzgausängerbundes statt.