Dritte erlitt nur leichtere Verletzungen. Der Materialschaden scheint nicht sehr bedeutend zu sein.
Herrenberg, 17. März. Vor kurzem ging die Nachricht durch die Blätter, daß das Reichsgericht in Leipzig das Urteil gegen den Getreidespekulanten Weick aufgehoben habe. Der Erfolg soll aber nebensächlich sein, denn Weick wird nochmals verhandelt und ist in Stuttgart wieder verhaftet worden. Das Konkursverfahren ist noch nicht zu Ende, weil noch verschiedene Prozesse wegen den Weick'schen Spekulationen zu entscheiden sind.
(LaudesstrodukteubSrfe Stuttgart). Bericht vom 17. März. Das Getreidegeschäst war auch in abgelaufener Woche recht schleppend bei unverändert festen Preisen für greifbare Ware und vollständigem Fehlen jeder Unternehmungslust für spätere Lieferung. Der schwache Mehlabsatz und insbesondere der teure Geldstand wirken hemmend auf den Markt und kaufen deshalb die Mühlen nur den dringendsten Bedarf. — Mehlpreise per IVO Kilogr. inkl. Sack Mehl Nr. 0: 34.- ^ bis 34.50 Nr. I: 33.— bis 33.50 Nr. 2: 32.— bis 32.50 Nr. 3: 30.50 btS 31.— Nr. 4: 27.50 bis 28.— Kleie S.50 bis 10.— (ohne Sack netto Kasse.)
Auf einem ländlichen Friedhof.
Man schreibt uns: Veranlaßt durch die zahlreichen Artikel über die Friedhoffrage, die die Stuttgarter Tageszeitungen in letzter Zeit veröffentlicht haben, lenkte ich auf meinem letzten sonntägigen Spaziergang meine Schritte auch einmal zu einem ländlichen Friedh of in der Umgebung der Hauptstadt, um aus unmittelbarer Anschauung zu lernen, was von ländlicher Kunst dort etwa zu treffen wäre. — Durch die stille Dorfstraße trat ich hinaus auf den Wiesenhang, an den in wunderbarem Sonnenfrieden der Gottesacker sich schmiegte. Drunten rauschte hörbar der Wiesenbach und drüben am Hang ! stand still und ernst ein Tannengehölz in feierlichem l Schweigen. Er sah sich von der Ferne ganz hübsch l an, dieser einzige Tvtengarten, halb von einer ? Weißdornhecke, halb von einem Naturzsun eingefaßt, - zwei wuchtige Steinpfeiler auf den Flanken der Ein« i fahrt und in der Ecke ein niedliches Gerätehäuschen ; von der schlichtesten Form. Wie schade, wenn man z näher trat! Ein Dutzend ganz gleicher Marmor- , kreuze schrillen aus der Landschaft, und sieht man : näher hin, so zeigt sich nicht viel Schöneres: ein ! riesiger, schwarzglänzender Gesell, wenige Sandsteine, f in die aber fast überall Marmortafeln oder geschmack- ^ lose Photographien eingelassen sind, dazu ganz merk- ; würdige Gebilde: Granitbrocken mit Zement zusammen- ! aeleimt, eine schwarze Glastafel umfassend, schwere ! Grabeinfassungen, einige aus Sandstein, viele aus ! Beton oder Kunststein, einige aus Hohlziegeln und ! eine aus Absallziegeln. Selbstverständlich bimmelt, auch auf einem Kindergrab eine mit Blechblumen , eingefaßte Emailtafel und auf einem anderen der > obligate Kranz aus Glasperlen. Jammernd hebt i sich mein Blick empor, um vielleicht an einer Tanne ! oder einer Trauerweide Trost zu finden, doch umsonst! Auf dem ganzen Kirchhof steht zwar ein Dutzend Zypressen, ihren widerlichen, typischen Kirchhofduft ausströmend, aber kein einziger einheimischer Baum
Roman von Moritz Lilie.
181 Machdruä verboten).
„Die Frau, welche sich für meine Mutier an-Sgiebt, behauptet dies allerdings", versetzte jene leise, um von der Alten nicht gehört zu werden. „Sie bar mir auch den Namen ihres erfreu Mannes, der ein geborener Ungar mar, beigelegt — ob mit Recht oder Unrecht, darüber bin ich mir nicht klar."
„Ihre Mutter ist eine ehrliche, brave Frau: ich glaube nicht, daß Sie Ursache haben, an ihren Worten zu zweifeln. Sie hat, als ich noch ein kleiner Knabe war, für meine Mutter gearbeitet, und heute traf ich sie zufällig nach Jahren wieder, erzählte Ancelot.
Das Mädchen schaute sinnend vor sich hin.
«Ihre Mutter hat sich gewiß redlich geplagt, um sich und ihr Kind anständig zu ernähren", fuhr der Franzose fort. «Sie hat den guten Willen gehabt, Ihre Fähigkeiten ausbilden zu lassen, wenn sie auch dabei nicht den richtigen Weg eingeschlagen hat."
Seraphine schaute überrascht aus.
„Wie meinen Sie das?" fragte sie in herausforderndem Tone. «Sind Sie mit meinen Leistungen etwa nicht zufrieden?"
„Im Gegenteil, Sie besitzen Talent; aber gerade deshalb bedauere ich» daß Sie in einem solchen Lokal und vor diesem Publikum sich zn produzieren gezwungen sind. Ein junges, liebliches Mädchen gehört nicht an solchen Ort, sie bedarf einer stillen Häuslichkeit —"
„In welcher wir hätten verhungern müssen", unterbrach jene in energischem Tone.
ist anzutreffen, nicht einmal am Eingang, an den das Volk sonst so gerne zwei vertraute Wächter zu stellen pflegt. Doch halt, seien wir nicht ungerecht: hier ist doch wenigstens ein mitten im Winter sattgrün glänzender Buchs von wundervoller Rundung, und z hier — wie entzückend! ein Stock Christrosen mit einem ganzen Strauß der üppigsten Blüten, und dort — wie sinnig auf dem Kindergräbchen — ! Schneeglöckchen in weißester Unschuld! Und ganz ! dort hinten noch etwas Erfreuliches: im ältesten! Teil des Friedhofs stehen zwei Holzkreuze, das eine ! bemalt, das andere verwaschen, von der zierlichsten - Bildung die einzigen Zeugen der guten alten Kunst, - die wir so ganz verlernt haben. Und am anderen Ende, im neuesten Teil, hart an der Grenze der ! Wiese, erhebt sich ein Sandstein von einfachen, aber j höchst eigenartigen Formen, in schlichter Goldschrift l den Namen des Verstorbenen tragend, ein Vertreter i. der neuen Kunst, von der hier sonst nichts zu spüren ! ist. — So zeigt dieser kleine Dorfkirchhof die ganze ! Geschichte der Grabmalkunst im letzten Menschenalter ^ auf: vom guten Alten über Fabrikware und Kunst- stoffe zum schönen Neuen. Möge dieser letzte Schritt ; recht bald im ganzen Lande vollends gemacht werden! Möge das vorbildliche Vorgehen der Stadt Stutt- ; gart und das erfreuliche Eingreifen des Bundes für j Heimatschutz in dieser Sache schöne Früchte bringen! '
OermlschrcZo j
Die Diesellokomotive. Die neueste Wärme- ! kraflmaschine ist die von Or. inZ. Rud. Diesel ^ erfundene und nach seinem Namen benannte Diesel- ! lokomotioe, mit der bereits Versuche gemacht werden. , Es ist eine vollständig selbständige Maschine ohne i jeden Nebenapparat. Das Rohöl verbrennt restlos ! im Zylinder direkt, wobei die unsichtbaren und ge- ! ruchlosen Auspuffgase durch ein Rohr von geringer j Dimension, also ohne Schornstein, entweichen. Eine ! Dampfmaschine verbraucht zur gleichen Leistung das ! 2^/sfache an Brennmaterial und beansprucht zum Betrieb die umfangreiche Dampfkesselanlage mit Schornstein, ferner Brennstoffzufuhreinrichtung, Reinigungs- Vorrichtung für Speisewasser nebst Pumpe und ausgedehnte Dampfleitungen mit Kondensationsanlagen. Die Vorzüge der Dieselmaschine sind also: Sofortige Betriebsbereitschaft, Fortfall der Dampfkessel, höchste Wärmeausnützung und einfache Bedienung. Wenn sich die Lokomotive im Betriebe bewährt, so wird sie für unsere württ. Bahnen, die wegen der zahlreichen Kurven und Steigungen besonders hohe Maschinenleistung bei teuerstem Kohlenbezug erfordern, noch eine große Bedeutung erlangen,
Das Beinkleid. Eine lustige Geschichte ist vor kurzem einem braven Bürger in einem böhmischen Städtchen passiert. Herr T hatte sich, da er eine Reise unternehmen mußte, ein neues Beinkleid bestellt. Der Schneider brachte das Kleidungsstück noch am späten Abend vor der Abreise. Bei der Probe sah Herr X, daß die Hose um 5 Zentimeter zu lang sei. Es war bereits sehr spät, der Meister
„O, es verhungert sich nicht so leicht, Fräulein Naday, und wie herrlich muß es sein, eine traute, bürgerliche Häuslichkeit zu besitzen, an der Seite eines liebenden Gatten die Freuden des Daseins genießen und sich jeden Wunsch erfüllen zu können."
„Dazu bin ich viel zu arm: alles, was ich verdiene, ist meine Gage, und das ist wenig genug", sagte die Sängerin mit einem tiefen Seufzer.
„Giebt es nicht wohlhabende Männer genug, deren höchster Wunsch es ist, ein armes braves Mädchen glücklich zu machen?" warf Ancelot mit erheuchelter Wärme ein. „Glauben Sie mir, mein Fräulein, Reichtum allein macht nicht glücklich, dazu gehört ein treues, mitfühlendes Herz, das sich ganz an uns anschließt. das unentwegt zu uns steht, komme auch, was da wolle."
„Und ein solches Herz suchen Sie, Herr Ancelot?"
„Wenn ich dieses Ziel erreicht habe, ist mein heißester Wunsch erfüllt", versicherte jener mit Emphase indem er den Arm seiner Begleiterin leise drückte.
Er fühlte, wie dieser Druck erwidert ward. *
Sie waren an der Wohnung der beiden Frauen angelangt und mußten sich trennen.
„Darf ich Sie Wiedersehen, Fräulein Nadah?" flüsterte der junge Mann dem Mädchen zn.
„Das null ich hoffen!" fiel die Sängerin rasch ein. „Ich rechne mit aller Bestimmtheit auf Sie. Herr Ancelot."
„Mit Ihrer Erlaubnis hole ich Sie morgen wieder ans der Singspielhalle ab", meinte jener, während er ihr die .Hand zum Abschied reichte.
„Kommen Sie morgen, kommen Sie!" rief sie und schlüpfte ins Haus.
konnte den Fehler nicht mehr gutmachen. Da bat Herr X. seine Frau, sie möge die Hose um 5 Zenti- Meter abschneiden. Doch die Frau, die von des Tages Last und Mühen schon erschöpft war, sagte, sie wolle schlafen gehen, er solle die Hose hinauf- kcempeln. Ebenso erging es Herrn X, als er seine Tochter aufsuchte; auch sie weigerte sich unter Hinweis auf die späte Stunde. Hierauf brachte er bei seiner Schwiegermutter das Anliegen vor. Doch auch hier hatte er kein Glück, da sich die alte Frau bereits zur Ruhe begeben wollte. Alle gingen also schlafen. Während der Nacht bekam Frau K. Gewissensbisse, daß sie ihrem Mann die kleine Gefälligkeit abgeschlagen hatte. Gegen 3 Uhr morgens stieg sie langsam aus dem Bett, nahm die Hose, schnitt bei jedem Bein 5 Zentimeter ab, säumte sie ein und legte die Hose wieder an ihren früheren Platz. Um 4 Uhr stand die Tochter auf und verkürzte das Beinkleid ebenfalls um 5 Zentimeter, faßte es ein und legte es auf den Sessel. Um 5 Uhr morgens reute auch die Schwiegermutter ihr ungefälliges Benehmen; nach kurzem Entschluß stand sie auf, beraubte die Hose um weitere 5 Zentimeter ihrer Länge, säumte sie ein und legte sie wiederum dorthin, wo sie sie hergenomn en hatte. Als nun der gute Mann früh um 6 Uhr in die neuen Hosen schlüpfen wollte, glaubte er irrtümlich eine Badehose erwischt zu haben. Er tobte, so daß die 3 Frauen aufwachten. Die Aufklärung ließ nicht lange auf sich warten, aber die Hose wurde dadurch nicht mehr länger.
Literarisches.
Nor hudnt Jahn«!
Gedenkwort auf jeden Deutschen ein! Die Welt in Waffen — Deutschlands tiefste Erniedrigung — Napoleons Zug nach Rußland — der Brand Moskaus — der Rückzug der Großen Armee über die Eisfelder Rußlands — der Ueber- gang über die Bercsina — und alle die weiteren furchtbaren Etappen des größten Totenzuges, den je die Weltgeschichte sah, — bis zur Erhebung Deutschlands im März 1813, die das von einem Erdbeben erschütterte Europa wieder aufbaute! Dieses beispiellose Panorama grandioser Ereignisse lebt in packender Realistik vor uns auf bei der Lektüre des historischen Romans „1812" von Ludwig Rellstab. Ein Roman, so reich an spannenden Erlebnissen und gewaltigen historischen Situationen, wie die deutsche Literatur deren wenige auswcist! Das tragische Schicksal eines jungen Deutschen verknüpft sich mit dem des französischen Wclteroberers, den auf den Eisfeldern Rußlands die Nemesis ereilt und von seinem nichts achtenden Siegeswagen sür immer herabschleuderr. Seit dieser Roman, dessen mächtige Schilderungskraft und ungewöhnliche Volkstümlichkeit erst jetzt von der deutschen Kritik voll gewürdigt wird, in seiner neue« illustrierte« Ausgabe (Leipzig, F. A. Blockhaus, geb. 5 Mark) vorliegt, also seit 8 Jahren, hat er 21 neue Auflagen erlebt; soeben erschien die 27. Auslage! Wenn jemals, so ist in diesem Gedenkjahr der machtvollen Erhebung Deutschlands Rellstabs „1812" das aktuellste aller Bücher, und diese, durch Reproduktionen berühmter zeitgenössischer Kunstwerke trefflich illustrierte Ausgabe in wirkungsvollem Einband wendet sich nicht nur an das literarische, sondern auch an das nationale Interesse aller deutschen Leser. Mit seinem Reichtum bunt wechselnder Bilder und seiner kunstvollen Steigerung spannender Erlebnisse kann Rellstabs „18t2" als ein Vorbild des Volksromans überhaupt bezeichnet und jedem' Leser, auch der reiferen Jugend, nicht dringend genug empfohlen werden.
Ancelot drückte der Frau eine Banknote in die Hand; die versprochene Belohnung für ihre Dienste.
Sie nickte ihm vertraulich lächelnd zn und betrat dann ebenfalls das Hane-, die Thür hinter sich schließend.
Anccloc schlug den Rückweg nach seiner Wohnung ein.
Er betrat das Zimmer und brannte Licht an: zu schlafen vermochte er nicht, unruhig ging er auf und ab.
Ta fiel sein Blick ans eine Photogravhie, die im Rahmen an der Wand hing. Unwillkürlich blieb er stehen.
EZ war sein leibhaftiges Ebenbild, nur der Blick war ein ganz anderer, als bei dem lebenden Beschauer der Photogravhie; er war nicht so heimtückisch rmd boshaft wie bei diesem, sondern gutmütig und sanft. Dennoch hätte selbst ein genauer Betrachter das Bild sür ein Porträt Ancelots halten ,'ömien.
„Es wäre mir lieb, wenn mein Bruder Franz noch am Leben wäre", sagte er halblaut. „Er habe sich wegen Wechielfälschnng in bedeutendem Umfange in der Nabe deZ Schlosses Falkenhof erschossen, stand in den Zeitungen. Du lieber Gott, einer von uns mußte die Folgen tragen. Ich latte ihm zwar versprochen, das Papier cinznlösen, aber meine Versuche, Geld aufzutreiben, scheiterten. In seinem lerten Briete, in welchem er mich an mein Bersvrechen erinnert, schwärmt er für ein Mädchen, das seiner Beschreibung nach ein Ausbund von Schönheit gewesen ist. Ich wäre doch begierig, das Mädchen kennen zn lernen. Ohne Zwrifel ist sie in der Nähe des Schlosses zn finden: wie wäre mein Bruder sonst in diese Gegend gekommen?"
(Fortsetzung folgte
Druck Mld Verlag der «. Meeh'sch-n B-rchdruckerei der EuztSleeS -Inhaber S. «onradi- in Neuenbürg.