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^ 209.

Neuenbürg, Montag den 30. Dezember M2.

70. Jahrgang.

Rmr-sehau.

Berlin, 24. Dez. DieNordd. Allg. Zig." schreibt: Das Ersuchen des Reichsschatzamtes vom 7. Oktober 1912 an die Bundesregierungen und die einzelnen Zweige der Reichsverwaliung bei Gehalts­und Lohnzahlungen neben den Reichsbanknoten und Reichskassenscheinen im weiteren Umfange als bis­her Silber münz sn zu verwenden, begegnet in der Presse nach wie vor. einer völlig unrichtigen Auf­fassung. Man bringt dies Ersuchen mit einer finan­ziellen Mobilwachungsbereitschast in Zusammenhang und spricht sogar von Meinungsverschiedenheiten, welche zwischen dem Reichsschatzamte und der Mili­tärverwaltung hinsichtlich des Maßes der Siberpräg- ungen beständen. Tatsächlich handelt es sich bei der getroffenen Maßnahme, -wie der Schatzsekretär in seiner Etatsrede vom 4. Dez. aus führte nur darum, einerseits das Silbergeld der ihm im Zahlungsverkehr zukommenden Zwecksbestimmung voll zu erhalten, andererseits aber auch tunlichst genau das Bedürfnis nach Silbermünzen festzustellen, zumal diese Feststell­ung für die künftige Bemessung der Silberprägungen nicht entbehrt werden kann. Dabei ist die Heeres­verwaltung nur insoweit beteiligt, als auch die ihr unterstehenden Kassen zu einer stärkeren Verwendung von Silbermünzen bei Gehalts- und Lohnzahlungen mit herangezogen werden müssen. Die Wirkungen der Maßnahme sind übrigens bereits insofern bemerk­bar, als es zum Teil hierauf zurückzuführen ist. daß die Bestände der Reichsbank neuerdings eine fort­schreitende Verminderung aufwsisen. Sollte die Ver­minderung ««dauern, so werden die Silberprägungen dem anzupassen sein.

London, 28. Dezbr. Wie die Times erfährt, ist der Eindruck in denjenigen Kreisen Londons, die über die Friedenskonferenz unterrichtet sind, optimistisch bezüglich der.Friedensverhandlungen selbst, dagegen weniger optimistisch, was die zukünftigen Beziehungen der Verbündeten untereinander betrifft. Während der Weihnachtsfeiertage hat ein, eingehender Verkehr zwischen den bulgarischen und türkischen Vertretern stattgefunden und die Verhandlungen sollen viel weiter fortgeschritten sein, als der bisherige Ver­lauf der Konferenz vermuten läßt.

Paris, 28. Dez. In parlamentarischen Kreisen werden außer den schon genannten Präsidentschafts- kandidaten Poinearö, Ribot, Deschanel und Dubost auch noch andere Politiker, so insbesondere der Ackerbauminister Pams, der Minister für öffentliche Arbeiten, Jean Dupuy, ferner Clemen.ceau, Jonnart und Deleasss als etwaige Bewerber für die Präsidentschaft genannt.

Aus Paris wird gemeldet: Nach längeren Versuchen mit schwedischem Pulver hat der französische Kriegsminister größere Bestellungen an schwedische Pulverfabriken gelangen lassen. Das schwedische Pulver soll das französische L Pulver ersetzen, das bekanntlich schon so viele Unglücksfälle herbeigeführt hat.

Paris, 27. Dez. Der Disziplinarrat hat die Strafversetzung des Postdirektors in Aracourt ange­ordnet, dessen Nachlässigkeit die kürzliche Mobil­machung in mehreren Gemeinden an der Ostgrenze zur Folge hatte.

Mukden, 28. Dezbr. Es verlautet, daß sehr starke Bewegungen sich bemerkbar machen, das Mandschukaiserreich wieder einzuführen. Diese Bewegung wird nicht allein von den Mandschus unterstützt, sondern auch hauptsächlich von chinesischen Konservativen, sogar vom Militär und von chinesischen Beamten. Die Bevölkerung in Peking hat vom Generalgouverneur den Befehl erhallen, jeden Ver­such einer Revolution aufs strengste zu unterdrücken. Die Bewegung ist besonders stark in den Provinzen Mukden und Kirin. Die chinesische Presse ist der Meinung, daß die Bewegung heimlich von Japan begünstigt wird.

Petersburg, 27. Dez. Eine überaus häßliche Skandalaffäre ist hier aufgedeckt worden. Eine Reihe von Hausdurchsuchungen, die von der Peters­burger Geheimpolizei in sieben Knaben- und Mädchen-Gymnasien abgehalten wurden, haben zur Verhaftung von 60 Schülern und Schülerinnen geführt. Die Geheimpolizei beschlagnahmte unter den Schülern und Schülerinnen eine Proklamation für die freie Liebe und pornographische Schriften, die ein Bild vollster Sinnenverderbnis unter der lernenden Jugend enthüllen und an die Zustände iu den geheimen Schülerklubs wäbrend der Revo­lutionszeit erinnern. Die ganze Affäre hat überdies einen starken politischen Einschlag, weil die Geheim­polizei versichert, im Besitze von Beweisen für einen Attentatsanschlag gegen den Kultusminister Kasso zu sein, der von Schülern des 12. Gymnasiums aus- gegangen sein soll. Die ganze Angelegenheit bildet das Tagesgespräch in Petersburg und enthält noch viele ungeklärte Einzelheiten.

Frankfurt a. M-, 28. Dez. Das diesjährige Goldene Jubiläumsbundesschießsn wird voraussichtlich mit einem Ueberschuß von rund 100 000 Mark abschließen.

St. Pilt, 28. Dez. Das am Bahnhof gelegene Hotel zur Hohkönigsburg, das seinerzeit der Gast­wirt Nentz von der Eigentümerin Frl. Agathe Bleyer zu 36 000 ^ angekauft hatte, wurde bei der kürzlich erfolgten Zwangsversteigerung zu 10 000 losgeschlagen. Käuferin ist die frühere Eigentümerin. ^

Weisenbach i. M. Das i Vrjähngs Mädchen eines hiesigen Arbeiters geriet zu Hause in der Klicke mit den Armen in seinen Kübel mit heißem Wasser und verbrannte sich dabei so sehr, daß es am Sonntag starb.

Niederrimsingen i. B., 26. Dezbr. Ein Uhrmacher aus Uffhausen kam zu einem Knechte des Gemeinderechners Faller, um nach seiner Uhr zu sehen. Nach kurzem Wortwechsel zog der Uhr­macher aus seiner Tasche einen Revolver und feuerte auf den Knecht drei scharfe Schüsse, dis jedoch fehl­gingen. Der Uhrmacher wurde verhaftet.

Württemberg.

Stuttgart, 28. Dez. Wie die Blätter melden, soll der König sich in letzter Zeit des öfteren nicht recht wohl gefühlt haben und deshalb auch in diesem Winter während der rauhen Jahreszeit einen Aufent­halt im Süden nehmen, voraussichtlich wieder in Cap Martin.

Ludwigsburg, 28. Dezbr. Das Königs­paar traf gestern zur Teilnahme an den Weih­nachtsfeiern in der Wernerschen Kinderheilanstalt, im Wilhelmsstift und im Maria-Martha-Stift hier ein. Das Königspaar wurde von den Vorständen und Verwaltungsmitgliedern empfangen, nahm an den gottesdienstlichen Feiern und Bescherungen teil und unterhielt sich nachher mit den anwesenden Ausschußmitgliedern und Gästen.

Stuttgart, 28. Dez. Der neue Minister des Innern, vr. v. Fleischhauer, der erst am 23. ds. Mts. sein Amt übernommen hat, ist an einer Ripp­fellentzündung erkrankt.

Stuttgart, 28. Dezbr. Staatsminister Dr. v. Pischek hat auf ein Schreiben, das der Württ. Journalisten- und Schriftstellerverein aus Anlaß seines Rücktritts an ihn gerichtet hatte, eine Ant­wort gegeben, in der er über seine Stellung zur Presse u. a. sagt:Ich brauche kaum hervorzuheben, welch reichliche Gelegenheit ich während meiner Amts­tätigkeit gefunden habe, die gar nicht hoch genug einschätzbare Bedeutung der Presse für die Gestaltung und Entwicklung unseres öffentlichen Lebens auf allen seinen Gebieten kennen und insbesondere würdigen zu lernen, wie viel fruchtbare und dankenswerte An­regung und Förderung für die Regierung und wieviel Gutes für die Allgemeinheit eine von Sachkunde,

von ehrlicher Ueberzeugung und von patriotischer Gesinnung getragene Presse zu wirken vermag. Ich halte es daher für eine selbstverständliche, zugleich durch das eigenste Interesse gebotene Pflicht jeder Regierung, einer solchen Presse, unabhängig von ihrem sonstigen Parteistandpunkt, und ebenso den Standesinteressen und dem Ansehen ihrer Vertreter jede mögliche Förderung angedeihen zu lassen". Zum Schluffe heißt es:Insbesondere wird die vor­herrschende überaus günstige Beurteilung, die über alles Verdienst hinaus meine Amtstätigkeit bei meinem Scheiden aus dem aktiven Dienst gefunden hat, für den Abend meines Lebens eine innige, mit tiefer Dankbarkeit empfundene Freude und Ge­nugtuung sein".

Stuttgart, 28. Dez. (Zur Einberufung des Landtags.) Die Tagung des Landtags, deren Hauptgegenstand die Generaldebatte über den neuen Etat bilden wird, wird nur von kurzer Dauer sein. Ende Januar wird voraussichtlich eine Ver­tagung eintreten, damit die Finanzkommission die Einzelberatung des Etats vornehmen kann, die etwa Iffs Monate beanspruchen wird. Die Plenarsitzungen werden somit erst nach Ostern, also Ende März beginnen können. Zu der Zusammensetzung des neuen Landtages bemerkt heute derBeobachter": Die Stärkegleichheit der beiden Gruppen auf der Linken und der Rechten schafft eine gewisse politische Unsicherheit, die sich im Großen und Kleinen zeigen wird. Das Blatt schlägt vor, die Fraktionen sollten im Seniorenkonvent beschließen, daß vermutliche Ab­stimmungen regelmäßig erst am Beginn der nächsten Sitzung vorgenommen werden, um eine zu große Häufung von Zufallsabstimmungen zu vermeiden.

Stuttgart. 27. Dez. (Doppelnamen im neuen Landtag.) Eine solche Fülle von zwei und dreimal vorkommenden gleichlautenden Namen hat wohl noch keiner der württembergischen Landtage aufgewiesen, wie der neugewählte. Im Zentrum kehren die beiden Rembold-Aalen und Rembold Gmünd wieder, vom Bund der Landwirte die beiden Vogt-Weins- berg und Vogt-Mergentheim. Ferner sind drei Schmid zu verzeichnen, nämlich Schmid-Herrenberg vom Bund der Landwirte, Schmid-Neresheim vom Zentrum und Schmidt-Besigheim von den National­liberalen. Zu dem bisherigen Abgeordneten Roth- Leonberg (BK.) kommt Roth-Stuttgart von der Volkspartei. Auch die beiden Maier-Rottweil vom Zentrum und Maier Blaubeuren von den National­liberalen wurden wiedergewählt, sodaß die neue Kammer 11 Mann aufweist, die nur durch Bei­fügung des Wahlbezirks auseinanderzuhalten sind. Nahezu jeder 8. Abgeordnete besitzt in Zukunft im Halbmondsaal einen oder sogar zwei Namensvetter.

Stuttgart, 28. Dez. Die Fortschrittliche Volkspartei Württembergs hält ihre Landesver­sammlung am Erscheinungsfest, Montag, 6. Januar 1913, vormittags halb 11 Uhr im Konzertsaal der Liederhalle in Stuttgart. Den Geschäftsbericht wird der Vorsitzende der Landespartei, Chefredakteur Schmidt-Stuttgart, den Kassenbericht Paul Jlg- Stuttgart erstatten. Außerdem werden drei Referate gehalten werden: über den Ausbau der Organisation - von dem neugewählten Landtagsabg. Fischer- Heilbronn, über Reichspolitik vom Reichs- und Landtagsabg. Liesching-Tübingen und über den neuen Landtag und die Landespolitik vom Reichs» und Landtagsabg. Konrad Ha man «-Stuttgart.

Stuttgart, 28. Dez. Gegen den sozialdemo­kratischen Landtagsabgeordneten Berthold Hey mann hat der Genosse Fr. Heinzelmann eine Reihe von Vorwürfen gerichtet, darunter den, er habe sein Landtagsmandat im Jahre 1906 durch die Anwend­ung unerlaubter Mittel erschlichen. Der Abgeordnete Heymann antwortet nunmehr wie folgt:Ich habe bisher zu vielen ehrabschneiderischen und verleum­derischen Behauptungen, die im Verlaufe der in den letzten Jahren in Stuttgart planmäßig betriebenen