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gegebenes Flugblatt:An das kämpfende Prole­tariat von Crimmitschau und Umgebung" wird den Arbeitern empfohlen, den Kampf zu beenden. Sie werden aufgefordert, morgen (Dienstag) bedingungslos die Arbeit wieder auf­zunehmen. Dieser Beschluß hängt jedenfalls mit der gestrigen Anwesenheit der Leiter der deut­schen Textilarbeiterorganisation zusammen.

Essen a. R., 17. Jan. Gestern morgen gegen 7 Uhr wurde auf der Strecke Saarn-Kettwig ein dem Arbeiterstand angehöriger Mann bei dem Versuch, den Zug durch Auflegen von Steinen auf das Geleise zum Entgleisen zu bringen, von der Lokomotive des heranfahrenden Zuges erfaßt. Der Mann wurde sofort getötet. Das Geleise war auf eine Länge von ungefähr 80 Metern mit Steinen bedeckt. Der Zug hat keinen Schaden erlitten.

Berlin, 18. Jan. Die vom Reichskanzler gestern angekündigte durch den Aufstand in Südwest afrika veranlaßten Nachtrags­etats find dem Reichstage zugegangen. Sie be­tragen für 1903 1 496 000 zur Verstärkung der Schutztruppe zur Niederwerfung des Herero- Aufstandes und für das Jahr 1904 zum gleichen Zwecke 1325 000

Berlin, 18. Jan. Seit einigen Monaten kursieren im Berliner Geschäftsverkehr falsche Fünfmark- und Talerstücke. Als der Tat verdächtig wurde der Maler Klauritz fest­genommen, der eine kleine Werkstatt besitzt. Gleich­zeitig wurde auch ein anderer bekannter Falschmünzer verhaftet.

B e r l i n, 19. Jan. Der Kaiser hat, wie das Berl. Tagebl. erfährt, den Prinzen Heinrich beauftragt, in seinem Namen, den nach Südafrika abgehenden Mannschaften Lebewohl zu sagen und sie des Kaisers Gedenkens zu versichern. Das ge­nannte Blatt meldet ferner, daß der in Swakopmund angelangte Habicht 75 Mann und einige Schnell­feuergeschütze landete, die in das Aufstandsgebiet nach Karibik abgingen. Die ursprünglich beabsich­tigt gewesene Mobilmachung eines Seebataillons ist als zwecklos aufgegeben worden, da das Bataillon sich für einen Feldzug in Südwestafrtka nicht eignen würde.

Berlin, 19. Jan. Der Korrespondent der Kolonial-Zeitschrift in Windhoek teilt seinem Blatte in einem dringenden Kabel-Telegramm mit: Buschleute Maltahöhe Farmer Jäger und Frau ermordet. Okahandja im Verteidigungszustand. 400 Herero mit Gewehren vor Okahandja. Wei­terer Zuzug Hereros aus östlichem Sandfelde ge­meldet. Ueber die Mobilisierung der nach Deutsch- Südwestafrika gehenden Truppen wird dem Lokal- Anzeiger aus Wilhelmshafen gemeldet: Beim Apell zur Mobilmachung der zweiten Matrosen-Diviston meldete sich auf das KommandoFreiwillige vor" die ganze Division, 1000 Mann. Weiter berichtet das Blatt aus Kiel: Zur Unterstützung des Ex­peditions-Korps nach Südwestafrika entsendet die Marine den großen Kreuzer Prinz Heinrich und den Kreuzer Medusa. Beide Schiffe stammen aus dem Jahre 1900 und gehören der aktiven Schlachtflotte

an. Der Marine-Infanterie wird sich das Sani­tätspersonal der 1. Matrosen-Diviston anschließen.

Berlin, 19. Jan. Ueber eine Wasser- Katastrophe in Blömfontein, die durch das Platzen eines Wasserrohres veranlaßt sein sollte, wird jetzt berichtet, daß das Unglück auf ein Natur­ereignis, nämlich das Herniedergehen einer Wasserhose auf die schöne Hauptstadt der Oranjekolonie, zurück­zuführen ist. Dem Lokalanzeiger wird über London aus Blömfontein telegraphiert: Eine Wasserhose richtete gestern nachmittag furchtbare Verheerungen in Blömfontein an. Sie ging über die Stadt nieder und legte den ganzen unteren Teil des Ortes in wenigen Augenblicken unter Wasser. Viele Häuser fielen in Trümmer, darunter drei Hotels. Zahlreiche Verluste an Menschenleben sind zu verzeichnen, doch ist die Anzahl der Opfer noch unbekannt. Hunderte von Personen sind obdachlos geworden. Die Szenen in dem überschwemmten Hafen spotten aller Beschrei­bung. Das Rettungscorps verrichtete Heldentaten bei Bergung der von den Fluten überraschten Be­wohner. Der legislative Rat der Transvaalkolonie in Pretoria übermittelte dem Gouverneur der Oranje­kolonie den Ausdruck seiner tiefsten Teilnahme bei der nationalen Katastrophe.

Berlin, 19. Jan. (Deutscher Reichstag) Tagesordnung: Nachtragsetat für Südwestafrika. Kolonial-Direktor Dr. St übel begründet die Vorlage. Ausführliche Nachrichten seien infolge der gestörten Verbindungen nicht eingetroffen. Redner geht dann auf die kulturellen Verhältnisse der Kolonie ein. Seit einiger Zeit seien die Hereros durch die zunehmende Ansiedelung in ihrer Bewegungs-Frei­heit eingeschränkt worden. Dies und anderes zu­sammen habe vielleicht dazu beigetragen, daß der Aufstand ein so allgemeiner geworden ist. Die jetzt notwendige Verstärkung der Schutztruppe sei nur als eine vorübergehende gedacht. Abg. Spahn (Zentrum) weist darauf hin, daß im vorliegenden Falle die Aufruhr-Bewegung schon im November wahrzunehmen gewesen sei. Abg. Bebel (Soz.) drückt die Ansicht aus, daß voraussichtlich den jetz­igen Forderungen für die Kolonie noch weitere Nachfolgen würden. Da es sich offenbar bei dem gegenwärtigen Aufstande um einen Verzweiflungs­kampf der Eingeborenen handle, müsse doch wohl noch mehr mitgespielt haben. Die Abgeordneten Normann (kons.), Müller-Sagan (frs. Vg.), Sattler (natl.), Schräder (frs. Vg.), Tiedemann (Rp.), Storz (südd. Vp.) und Liebermann v. Sonnenberg sprechen namens ihrer Freunde ihre Zustimmung zu der Vorlage aus. Damit schließt die erste Lesung. Sodann wird der Nachtragsetat für 1903 debattelos in zwei­ter Lesung angenommen, desgleichen der Ergänzungs­etat für 1904. Es folgt die Interpellation Auer betr. Tätigkeit russ. Polizeiagenten auf deutschem Gebiet. Abg. Haase (Soz.) begründet die Interpellation ausführlich, indem er auf verschiedene bekannte Vor­gänge hinweist. Staatssekretär Richthofen stellt fest, daß dem Reichskanzler bekannt ist, daß russische Beamte in Deutschland das Treiben der Anarchisten überwachen. Nicht bekannt sei aber, daß die Tätig­keit dieser Beamten sich auch auf deutsche Reichs­angehörige erstrecke. Der Reichskanzler halte die

Beseitigung dieses Zustandes nicht für angezeigt. Als der Haftbefehl in der Königsberger Angelegen­heit erlassen war, ist durch das auswärtige Amt auf Ersuchen der preußischen Regierung die russi­sche Regierung in Kenntnis gesetzt worden. Alle Regierungen haben ein gemeinsames Interesse an der Bekämpfung des Anarchismus. Der Minister geht auf den Königsberger Prozeß näher ein und betont, daß die Anarchisten natürlich nur ausgewiesen werden über die Grenze des Staates, dem sie an­gehören. Auslieferung sei das schon deshalb nicht, weil kein Auslieferungsvertrag vorliege. Die Abgg. Bebel (Soz.) und Schräder (frs. Vg.) widersprechen lebhaft den Ausführungen des Ministers. Abg. Spahn (Zentr.) ist von der Regierungserklärung ebenfalls nicht befriedigt und verlangt, daß wenn man lästige Fremde ausweise, sie gehen lassen solle, wohin sie wollen, nicht aber nach bestimmten Staaten dirigieren. Abg. Normann (kons.) billigt den Standpunkt der Regierung. Nach weiterer kurzer Debatte vertagt sich das Haus. Morgen 1 Uhr Tagesordnung: Kaufmannsgerichte.

Paris, 19. Jan. Ein Eisenbahnunfall ereignete sich gestern auf der Station Belleville der Stadtbahn, indem zwei Züge zusammenstießen, wobei 12 Personen verletzt wurden, darunter eine schwer.

London, 19. Jan. Ueber die Katastrophe in Blömfontein wird noch berichtet: Der Schaden beläuft sich auf weit über eine Million Pfund Sterling. Die Anzahl der Toten ist auch heute noch nicht bekannt.

Vermischtes.

Calw. (Eingesandt.) Der Kaninchen­zucht v e r e i n für Calw und Umgebung hielt am letzten Sonntag seine Generalversammlung im Gast­hof zum Badischen Hof ab. Aus dem Rechenschafts­bericht ist zu entnehmen, daß der im vorigen Jahre mit 17 Mitgliedern gegründete Verein gegenwärtig 61 Mitgliedern zählt. DaS Vermögen des Vereins, das bei der Spar- und Vorschußbank zinstragend angelegt ist, beträgt 60 Durch das Anwachsen des Vereins war die Wahl von 2 weitereren Aus­schußmitgliedern nötig. Möge der junge Verein sich in diesem Jahre weiterentwickeln und auch seiner­seits dem Ziele:Kaninchenfleisch muß Volksnahrung werden!" immer näher kommen.

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Die Mission in unser» Kolonien. Aus der dem Reichstag vorgelegten Denkschrift über die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee ist zu erfahren, daß die christliche Missionstätigkeit dort allenthalben Fortschritte ge­macht hat, sowohl mit der Errichtung neuer Stationen wie mit der Taufe von Eingeborenen und der Heranziehung der Jugend zum Schulunterricht. Es wird namentlich betont, daß die Pflege der deutschen Sprache in den Missionsschulen immer mehr gefördert werde, so daß die Regierung in Kamerun mit dem Gedanken umgeht, die Regierungsschule in Duala aufzuheben. Ueber den gegenwärtigen Umfang der Heidenmission in unseren Kolonien ist der amtlichen Darstellung zu entnehmen: Die evang. Mission hat in den 4 afrikanischen Gebieten 112

Nachdruck »erboten.

Hrcld öör!

Erzählung von C. von Dorn au.

(Schluß.)

Zu seiner Linken senkte sich eine dunkle, steile, kleine Schlucht zum Strande hinab und ganz, ganz tief da unten schimmerte weißes Felsgestein und bran­dende See. Wie ein Blitz durchfuhr's ihn, daß sie einmal geäußert: Die großen Felsblöcke am Ausgange der Teufelsschlucht seien ihr Lieblingsplatz. Und zugleich kam ihm die beseligende Gewißheit, daß sie dort unten sein müsse. Ohne Besinnen bog er vom Wege abwärts in die Schlucht hinein und begann in leidenschaftlicher Unruhe hinabzuklettern. Er sprang über Wurzeln und Gestein, er stolperte und glitt aus auf dem feuchten, sehr unebenen Boden, er richtete sich wieder auf und drang durch Brombeergebüsch und wüstes Gestrüpp weiter. Der Wind, der heftiger wurde, je mehr er sich dem Strands näherte, peitschte ihm ins Gesicht und be­nahm ihm den Atem. Der Gewitterregen drang durch das dichte Blätterdach und schlug auf sein unbedecktes Haupt den Hut hatte er längst verloren. Aber er jauchzte trotzdemGrad dör! Grad dör!" und lief unbeirrt weiter. Nun war er unten am Strande angelangt unter der knorrigen alten Buche, zwischen Fels­blöcken eingeklemmt, war die einfache Holzbank befestigt, die Käthe Rombergs Lieblingsplatz war. Dort kauerte sie im Schutz des alten Baumes und der über­hängenden Felsen und blickte mit großen angstvollen Augen in das tosende Un­

wetter. Sie sah die dunkle Männergestalt durch das Gestrüpp brechen und schrie unwillkürlich laut auf. Im nächsten Augenblick war Klaus neben ihr, ritz den leichten Mantel ab, richtete das Mädchen sanft auf und schlug das schützende Kleidungsstück um ihre ganze Gestalt. Ihr dünnes Sonnenschirmchen lag zer­brochen vor ihr auf der Erde; er zog sie ganz nahe an sich heran und bettete ihr Haupt an seine Brust.

Der Gewittersturm hatte die See wild aufgewühlt; die schweren Regen­wolken fegten über das dunkle Wasser und die schäumenden Wellen stürmten wild zum Strande, bäumten sich hoch, überschlugen sich, zerbarsten und rollten mit dumpfem Grollen in den Abgrund zurück. Und immer neue Wassermaffen stiegen aus dem schwarzen Schoße empor, sprangen an den Felsblöcken in die Höhe und zerschellten im ohnmächtigen Grimme. Die züngelnden Blitze erfüllten die Luft mit phosphoreszierendem Scheine, aus den Schluchten klang schauerlich der Wider­hall des Donners. Käthe fuhr zusammen und schloß geblendet die Augen, wenn ein besonders greller Blitz hcrniederfuhr, und dann drückte sie sich instinktiv fester in den Arm, der sie so liebreich schützte.

Sie saßen hier verhältnismäßig geborgen unter den starken Aesten des wetterfesten Baumgreises. Ganz still saßen sie, ein jedes im beglückenden Em­pfinden, daß das andere nahe war. Im Herzen des Mannes war ein ruhiges, festes Glücksgefühl. Nichts mehr von Uebermut und nichts von bangem Zweifel. Nur noch das klare, sichere Bewußtsein» daß das junge Weib in seinem Arme zu ihm gehörte, und nichts in der Welt sie mehr trennen konnte. Und vann