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abend der Turnverein mit einem Kränzchen im überfüllten Saal des Schwarzwaldbräuhauses. Das reichhaltige Programm bot neben 2 Doppelquartetten eine ganze Reihe humoristischer Stücke, welche von den Mitwirkenden ohne Ausnahme in vortrefflicher Weise gegeben wurden, und es wäre wirklich schwer zu sagen, ob „der Bettelbua" oder „der geprellte Hirsch", der „Triumpf der Dummheit" oder der Dorfpolizist Krähahn" den Vorzug verdiente. Großen Beifall fanden auch die von 8 Turnern mit viel Ruhe und Eleganz gestellten Marmorgruppen.
Herrenberg, 15. Jan. Ein gebürtiger Oberjestnger, Johs. Nüßle, ist nach 21jährigem Aufenthalt in Amerika zurückgekehrt und hat eine „Geflügelbrut- und Mastanstalt" errichtet. Die 5 Brutmaschinen vermögen zusammen 1450 Hühner, Enten oder Gänse auszubrüten. Der Inhaber will die Eier größtenteils aus der Umgegend beziehen. Dem Unternehmen ist bester Erfolg zu wünschen. — Zimmermcister Walz in Affstätt stürzte gestern morgen von dem Fruchtboden seiner Scheune, wo er einen Ziegel „stoßen" wollte, so unglücklich in die Tiefe, daß er bald darauf seinen Geist aufgab. Der brave und fleißige Mann, der in den besten Mannesjahren weggerafft wurde, wird allgemein bedauert und seiner Familie wendet sich aufrichtige Teilnahme zu. (Ges.)
Korntal, 17. Jan. Gestern mittag kam in den Laden des Kaufmanns Keitel ein unbekannter, gutgekleideter Bursche, der sich für einen Neffen des Inspektors Dühren in Korntal ausgab, für welchen er einen Hundertmarkschein in Silber umwechseln lassen wollte. Trotz der Bemerkung, er habe den Schein vergessen, er wolle ihn sogleich bringen, gab ihm der Kaufmann Keitel das Silbergeld mit, erfuhr aber bald von Inspektor Dühren, daß er einen Neffen nicht kenne und er es mit einem Schwindler zu tun hatte. Den gleichen Versuch machte der Schwindler, von dem übrigens jede Spur fehlt, in der Gemeindehandlung, wo man ihm aber das Geld nicht auslieferte. Man vermutet, daß sich der Täter Dätzingen zu gewandt habe und mit dem wegen Betrugs vielfach vorbestraften 21 Jahre alten Schuhmacher Joh. Frank von Winterbach, OA. Schorndorf, identisch sei.
Stuttgart, 16. Jan. Heute früh 4 Uhr wurde auf dem alten Postplatz ein 23 Jahre alter Kaufmann nach dem Verlassen eines Cafös und vorangegangenem kurzem Wortwechsel von seinem Gegner durch 2 Revolverschüsse in den Unterleib schwer verletzt und ins Katharinenhospital überführt. Der Täter ist entwichen, wurde aber ermittelt und festgenommen.
Horb, 17. Jan. Der Neckar, welcher dieser Tage aus seinen Ufern getreten war, ist wieder bedeutend zurückgegangen. Infolge des Witterungswechsels hört man allenthalben Klagen über K i n d e r- krankheiten.
Eßlingen, 16. Jan. Gestern abend fand in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Kugel'schen Festsaale auf Veranlassung des evangelischen und des katholischen Arbeiter- sowie des Gesellenvereins eine öffentliche Versammlung statt, in der der Verbandsvorsitzende der evangelischen Arbeitervereine Württembergs, Herr Stadtpfarrer Weitbrecht-Heilbronn, über den Verlauf des deutschen Arbeiterkongresses in Frankfurt a. M. und die Bedeutung desselben für alle nichtsozialdemokratischen Arbeiter eingehend und klar referierte. Ihm folgte Redakteur Rott-Stuttgart mit einem Vortrag über die praktischen Ergebnisse des Kongresses und die Folgen desselben, und als dritter Referent sprach Redakteur S chrempf-Stuttgart über die Bedeutung der christlichen und nationalen Arbeiterbewegung für das gesamte deutsche Volk. Da freie Diskussion zugesichert war, so gestaltete sich dieselbe äußerst anregend. U. a. versicherte Prof. Schmid als Mitglied der deutschen Partei die Arbeiter, daß ihre berechtigten Wünsche und Forderungen in der deutschen Partei tatkräftige Unterstützung finden. Der sozialdemokratische Reichstagsabg. Schlegel suchte seine Partei gegen die Ausführungen der Referenten in Schutz zu nehmen, konnte aber gegenüber den Referenten nicht aufkommen. Nachdem noch Stadtpfarrer Weitbrecht eine versöhnliches Schlußwort gesprochen hatte, wurde die Versammlung nach 12 Uhr geschlossen.
Eßlingen, 16. Jan. Unlauterer Wettbewerb. Vor dem hies. kgl. Schöffengericht kam vorgestern die Strafklage des Württ. Schutzvereins für Handel und Gewerbe in Stuttgart gegen die Kaufleute Emil Neef und Karl Bausch hier, Inhaber der beiden Firmen Fr. Weidelener, Manufakturwarengeschäft und C. u. A. Bausch, Herrenkleidergeschäft, zur Verhandlung. Nach umfangreicher B eweisaufnahme und nach Vernehmung vor 4 aus- wärtigen Sachverständigen wurden die Angeklagten Bausch und Neef der Uebertretung des 8 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb für schuldig erkannt und zur Zahlung von je 20 ^ Strafe, der beiderseitigen Auslagen und Kosten und zur einmaligen Veröffentlichung des Urteils in b eiden hiesigen Zeitungen verurteilt. In der gleichen Angelegenheit schwebt ein Zivilprozeß vor dem Landgericht, Kammer für Handelssachen in Stuttgart.
Besigheim, 16. Jan. Vermißt wird seit einigen Tagen der Buchhalter in einer hiesigen Oelfabrik, dem u. a. auch die Besorgung der Altersund Invalidenversicherung der Arbeiter oblag. Da hierin ein größerer Fehlbetrag entdeckt wurde, ist es wahrscheinlich, daß der junge Mann das Weite gesucht hat, um einer Revision aus dem Weg zu gehen.
Maulbronn, 16. Jan. Ein fürchterliches Schneegestöber schien gestern den halben Nachmittag in Dämmerung verwandeln zu wollen. ES
folgte ein Gewitter mit Blitz und Donnerschlägen, gewiß eine Seltenheit zu dieser Jahreszeit.
Jag st seid, 16. Jan. Am 18. Okt. v. I. entgleiste im Bahnhof Jagstfeld die Lokomotive des Berliner Schnellzugs, ohne daß ein größeres Unglück entstand. Der die Weichen bedienende Wärter Bendeich hat nämlich dem diensttuenden Beamten die Meldung von der richtigen Stellung der Weiche gemacht, ohne aber diese auch tatsächlich zu stellen. Für diese Nachlässigkeit wurde er von der Strafkammer in Heilbronn mit einer Geldstrafe von 50 Mark belegt.
Gmünd, 17. Jan. Hier scheint sich ein Schneider streik entwickeln zu wollen. Die Schneidergesellen beabsichtigten den Meistern ihre Forderungen zu unterbreiten, worauf diese, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, zur Gründung eines Arbeitgeberverbandes schritten.
Pforzheim, 16. Jan. Ein fürchterlicher Sturm, verbunden mit heftigem Donner, Blitz und Schneefall ging gestern über unsere Stadt.
Aus Baden, 16. Jan. Aus dem ganzen Land liegen Nachrichten vor über heftigen Sturm. Derselbe richtete bedeutenden Schaden an Dächern
u. s. w. an. So wurde in Mannheim eine 2,60 Meter hohe und 13'/, Meter lange Hofmauer umgeworfen. In Freiburg fiel dem Sturm ein 18 Meter hoher Schornstein der Chokoladefabrik „Ba- denia" zum Opfer. Der hiedurch verursachte Schaden wird auf 4—5000 ^ geschätzt. In Karlsruhe riß der Sturm einen 40 Meter langen Bauschuppen um. Verletzungen von Personen kamen glücklicherweise nirgends vor. In vielen Gegenden, so auch in Karlsruhe gingen Gewitter nieder, begleitet von Blitz, Donner und Hagel.
Hechingen, 15. Jan. „Früher Donner, spater Hunger", an dieses Sprichwort erinnerte uns ein heute früh zwischen 4 und 5 Uhr unter heftigem Schneetreiben niedergegangenes Gewitter. Es blitzte und donnerte in einer Weise, wie es einem Gewitter im Hochsommer „zur Ehre gereicht hätte." (!) (Schwäb. Merk.)
Vom Bodensee, 17. Jan. Ein in Ror- schach mit der Bahn von Konstanz angekommener Reisender aus Norddeutschland vermißte seine Brieftasche mit 2350 Inhalt in Noten und Wertpapieren. Wie ihm das Geld abhanden gekommen ist, konnte der Fremde nicht sagen.
Konstanz, 15. Jan. Seit letzten Sonntag wird das 20jährige Fräulein Meta von Brand, Tochter des pensionierten preußischen Rittmeisters
v. Brand in Kreuzlingen vermißt. Das junge Mädchen soll ein Bild, auf dem ein Mädchen mit einem Revolver in einen Weiher versinkend gezeichnet war, hinterlafsen haben. Man befürchtet deshalb einen Selbstmord. Für Auffindung der Dame
Nachdruck »erboten.
Krad döv!
Erzählung von C. von Dornau.
(Fortsetzung statt Schluß.)
Das Bild war noch bunt und lustig genug, wenn auch der Sonnenschein dabei fehlte — den hatte die große, dunkle Wolke verschlungen, die dumpf murrend, den seltsam gezackten Rand fahlgelblich umsäumt, von der Küste WittowS drüben sich unheimlich schnell über die schweigende See gerollt hatte.
In der Tür des Speisesaals hinter den beiden jungen Herren lehnte mit unnachahmlicher Grazie der treffliche Oberkellner und beobachtete träumerisch, mit halbgeschloffenen Augen, die fröhlich durcheinander quirlenden Gruppen auf dem grünen Rasenplatze, während er dabei angestrengt dem Gespräche der beiden Referendare lauschte.
„Scheußliche Geschichte das mit unserem Regierungspräsidenten!" meinte Herr von Rock nachdenklich und schlug die Beine übereinander, wobei über dem kurzen gelben Halbschuh die elegante» rotseidenen Strümpfe sichtbar wurden.
„Wenn er wirklich unheilbar erkrankt ist, so wird doch jedenfalls bald Ersatz für ihn bestimmt werden," versetzte der Graf sinnend. „Ich bin fabelhaft gespannt, wer mit seiner Vertretung betraut werden wird!"
Der Oberkellner machte eine hastige Bewegung; es sah fast aus, als ob er sich ungefragt in das Gespräch der beiden Herren mischen wollte, aber er wurde durch Klaus Behrendt aufgehalten, der gerade die Stufen der Veranda heraufsprang und ihn nach Herrn und Frau Miller fragte; er habe sie auf dem Festplatze vergeblich gesucht.
„Das glaube ich wohl!" lächelte der Oberkellner selbstgefällig. „Die Herr
schaften sind heute früh alle Vier ganz plötzlich abgereist! Der Herr Geheime OberregierungSrat haben gestern abend noch ganz spät ein Telegramm erhalten, daß er zur Vertretung eines erkrankten Regierungspräsidenten berufen sei, und —"
Die treueste Stütze deS Strandhotels hielt beleidigt inne. Der junge Maler hatte sich, ohne den Schluß seiner wohlgesetzten Rede abzuwarten, umgewendet und war ohne weiteres die Stufen wieder hinabgeeilt — auf Fräulein Nebelklau zu, die gerade vor ihm da unten aufgetaucht war.
Wenn die Eröffnung des Oberkellners bei diesem Zuhörer keinen sichtbaren Eindruck hinterlafsen hatte, so wirkte sie um so intensiver auf die beiden Referendare ein.
Sie sahen sich zuerst erbleichend an, ohne ein Wort zu sprechen. Dann winkte Herr von Rock den Oberkellner mit einer herrischen Bewegung heran und fragte hastig: „Was erzählen Sie da eben von einem Geheimen Oberregierungs- rat, Mensch?"
Der Oberkellner war mit einer eleganten Bewegung nähergeglitten und bewegte anmutig das schönfrisierte Haupt.
„Das ist ja eben das Wunderbare!" flüsterte er. „Kein Mensch hat hier eine Ahnung davon gehabt — der Herr Geheime Oberregierungsrat hatte sich doch nur ganz einfach als „Beamter" ins Fremdenbuch eingetragen — und der Herr Graf meinten doch neulich noch, eS wäre empörend, daß jetzt jeder Postsekretär oder Rechnungsrat seinen Sohn Jura studieren ließe — das muß der Herr Student gehört haben, denn er erzählte es in meiner Gegenwart nachher dem Herrn Geheimrat —"
„Auch das noch!" stöhnte Graf Brausewetter. „Und woher wissen Sie, daß der Herr gerade die Vertretung unseres Präsidenten —"
Der Oberkellner war so in Eifer geraten, daß er sich erlaubte, dem Grafen in« Wort zu fallen.