Aus SlaSt» Bezirk unS Umgebung.

Wildbad, 29. Oktbr. (Aus der Sitzung der bürgerlichen Kollegien am 25. Oktober.) Der Stadworftand teilt den Gemeindekollegien mit, daß auf seinen Antrag in der letzten Bezirksratssitzung beschlossen wurde, die erledigte Geometerstelle mit dem Sitz in Wildbad, nicht mehr in Höfen, aus­zuschreiben, wodurch einem hier vielfach geäußerten Wunsche entsprochen werde und die Vermessungs­kosten sich für die hiesigen Einwohner künftig wesent­lich billiger stellen werden. Die Lehrer an der Gewerbeschule werden für das Schuljahr 1912/13 in die durch frühere Beschlüsse festgesetzten Belohn­ungen im Betrag von 1420 Mk. eingewiesen. Es wird beschlossen, den K. Gewerbeoberschulrat um einen Staatsbeitrag in Höhe der Hälfte dieser Summe zu bitten. Gemeinderat Brachhold hat den Antrag gestellt, beim K. Oberamt Neuenbürg dahin vor­stellig zu werden, daß für die kommende Landtags- ' wähl und spätere Landtag- und Reichstagswahlen für die Parzellen Sprollenhaus, Christofshof, Grün- Hütte, Kälbermühle, Kohlhäusle, Nonnenmiß, Sprol- lenmühle ein besonderer Abstimmungsdistrikt gebildet werde. Das K. Obsramt hat erklärt, daß dieser > Antrag für die diesmalige Landtagswahl nicht mehr berücksichtigt werden könne, ihm aber für künftige Wahlen Rechnung getragen werde. In Gegen­wart des Wirtschaftsführers der Stadtwaldungen, ; Oberförster Finckh, wird hierauf die Beratung des Nutzungsplans des Stadtwaldes pro 1913/14 vor­genommen. Die Gemeindekollegien erklärten sich mit den Vorschlägen des Wirtschaftsführers einverstanden..

Neuenbürg, 24. Okt. Der hauptsächlichste! Grund der geistigen Minderwertigkeit bei Kindern ist Trunksucht der Eltern. So fand nach Nr. 12 derMünch, med. Wochenschrift" Prof. ! Schlesinger in Straßburg gelegentlich der ärztlichen ! Untersuchung von etwa 200 Hilfsschulkindern bei 30 v. H. Trunksucht der Eltern als Ursache schwacher Begabung der Kinder. Schon die körperliche Min­derwertigkeit, die sich ausdrückt in schlechter Entwick­lung, Ernährungsstörungen, häufigen katarrhalischen Erscheinungen, Schädelmißbildungen, muß als De- generationsmerkmal der Trinkerkinder bezeichnet wer­den. Besonders häufig leidet das Zentralnervensystem. Neben Krämpfen, Epilepsie in den Säuglingsjahren zeigen sich im schulpflichtigen Alter Jntelligenzdefekte wie Gedächtnisschwäche, geistige Trägheit, sogar voll­kommener Blödsinn, Störungen der Aufmerksamkeit. Gerade diese Erscheinungen, wie hochgradige Zer­streutheit, Gedankenflucht, sprunghaftes Denken, stum­pfes Träumen, gleichgültiges Hinbrüten sind die ärgsten Hemmschuhe für jede fruchtbringende Unter­richtstätigkeit. Dazu kommen noch Charakterfehler wie Faulheit, Eigensinn, Widersetzlichkeit, Schul­schwänzen. Lügen und Stehlen, die später meist zu Landstreicherei, Bettel und Prostitution führen. Stammt ja die Hälfte aller jugendlichen Zöglinge der Besserungsanstalten aus Trinkerfamilien. Hier kann nur eine frühzeitige Fürsorgeerziehung Vorbeugen. ,

Altensteig, 1. Novbr. (Auch ein Schwarz­wälder Bote.) Am 31. Oktober ds. Js. wurde der Landpostbote Johannes Seeger von Lengenloch auf Ansuchen seines Dienstes enthoben. Die Kgl. Generaldirektion der Posten und Telegraphen hat ihm aus diesem Anlaß für seine langjährigen treuen Dienste ihre Anerkennung aussprechen lassen. Mit ihm scheidet ein Mann aus seinem Beruf, der wegen seiner guten Dienstbesorgung und seines gefälligen Wesens von allen Seiten wertgeschätzt worden ist. Vor 43 Jahren, im Juni 1869, wurde ihm der j Landpostbotendienft der Gemeinden Ueberberg, Berneck und Aliensteig Dorf übertragen. Im Jahre 1904 wurde ihm die Bedienung von Berneck ab­genommen. Nach einer ungefähren Berechnung seiner werktägig zurückgelegten Fußmärsche hat Seeger in den 43 Dienstjahren einen Gesamtweg von rund j 240 000 Kilometer zurückgelegt, was einer Strecke j gleich dem sechsfachen Aequatorumfang (etwa 40 000 Kilometer) gleichkäme. Im Jahre 1899 wurde Seeger die silberne Verdienstmedaille verliehen. Als Kriegsteilnehmer von 1866 und 1870 hat er die Schlachten bei Wörth, Sedan und vor Paris (Champigny) mitgemacht.

Neuenbürg, 2. November. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 7 Paar Milchschweine zu- i geführt, welche zum Preise von 2940 pro Paar j verkauft wurden.

vermischtes.

Der geheizte Kirchen st uh l. Nachdem vor einiger Zeit die große Renovierung der altehrwürd- igen Nürnberger Sebalduskirche, deren Wiederher­stellung eine Arbeit von 19 Jahren beanspruchte und weit über 1 Million Mark Kosten verursachte, glücklich zum Abschluß gelangt war, erwuchs der Nürnberger Kirchenbauverwaltung die schwierige Auf­gabe, dem prächtigen alten gotischen Gotteshaus eine Heizung zu verschaffen, ohne die alten Formen des Baues anzulasten oder durch Einfügung moderner Heizkörper zu gefährden. Die Anlage einer modernen Heizung hätte die Innenarchitektur gestört. Die Bauwelt" macht interessante Mitteilungen, auf wel­chem Wege die Kunst des modernen Ingenieurs diese schwierige Aufgabe gelöst hat. Man legte den Hauptwert auf die Beseitigung der Fußbodenkälte, von dem Grundsatz ausgehend, daß ein warmer Fuß den ganzen Körper warm erhält. Nach langen und eingehenden Experimenten ist man zu einer sehr sinn­reichen Methode gekommen, die alten Kirchenstühle elektrisch zu Heizen. Man legte starke, auf kleinen eisernen Böcken ruhende eiserne Röhren von ca 80 Millimeter Durchmesser in die Kirchenbänke, genauer unter die Fußbänke. Da die Heizungskörper bei voller Einschaltung des Stromes eine Temperatur von 72 Grad C. erreichen, wurden sie durch per­forierte Abdeckbleche verhüllt. Die Bleche entsprechen in der Tönung genau den hölzernen Bänken, heben sich für das Auge nicht ab, sind völlig unauffällig und bieten dabei den Füßen eine bessere Stütze. Die Heizung wurde zunächst probeweise auf 6 Bänke

beschränkt, dann aber, als das Experiment das volle Gelingen des Planes erwies, auf 1200 Sitzplätze ausgedehnt. Die Heizröhren haben eine Länge von insgesamt 600 in, die Kosten des Betriebs stellen sich pro Sitzplatz und Stunde Heizung einstweilen auf 0,04 werden sich aber noch verbilligen lassen. Die Anlage, die eine interessante neue Lös­ung des Kirchenheizungsproblems darstellt, findet bei den Kirchenbesuchern ungeteilte Anerkennung.

Die Heilkraft des Sellerie. Die beleb­ende Wirkung des Sellerie ist längst bekannt, wird aber noch lange nicht nach Gebühr gewürdigt. Ein Hygieniker der sich durch eingehende Versuche über Wesen und Heilwirkung des viel verwendeten Salat- und Suppenkrautes vergewisserte, schreibt: Ich habe eine ganze Anzahl von Personen beobachtet, denen die Nerven arg zu schaffen machten, daß sie zu einem jammervollen Dasein verurteilt waren und die dank dem Genuß von Selleriesalat in verhältnis­mäßig kurzer Zeit von dem quälenden Leiden völlig befreit wurden. Andere Personen meiner Bekannt­schaft. deren hochgradige Nervosität beim geringsten Anlaß schwere Erregungszustände auslöste, wurden durch den täglichen Genuß von Bleichsellerie in Salatform wieder hergestellt. Andere wieder sahen sich durch die Selleriekur von dem starken Herz­klopfen, an dem sie litten, befreit. Meiner Meinung nach empfiehlt sich für alle, der Genuß von Sellerie. Neben der einfachen Zubereitungsweise hat das Mittel auch noch den Vorteil der Billigkeit und vor allem der Natürlichkeit an sich. In Ermanglung von Bleichsellerie hat Knollensellerie dieselbe Wirkung.

Literarisches.

Das neue Bersicheruttgsgesetz für An­gestellte vom 20. Dezember 1911. Gesetzverlag L. Schwarz u. Comp., Berlin 8. 14. Dres- denerstr. 80. Taschenformat. Preis broschiert Mark 1,10. gebunden Mark 1,35.

In gleichem Verlage und zu gleichem Preise wie das bekannte Buch des Oberpostpraktikantcn TheelWas müsse« Aröeitgeker und Arbeitnehmer vo« der Aeichsverstcher- »ngsordnnng missen?" ist obiges Gesetz erschienen, das als Ergänzung zur Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung der K.V.O. gelten kann, und die Personen umsaßt, welche zum Teil schon unter die Invalidenversicherung sollen, aber im Einkommen höher als die eigentlichen Ai beiter stehen. Versicherungspflichtig sind hiernach vom vollendeten 16. Lebensjahr an alle Angestellten in leitender Stellung, Be­triebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähn­lich gehobener oder höherer Stellung, Handlungsgehilfen, Bureauangestellte rc., deren Jahresarbeitsverdienst 5000 (bei der Invalidenversicherung 2000 nicht übersteigt. Für die Angestellten, die bereits invalidenversicherungspflichtig sind, tritt also Doppelversicherung ein. Gegenstand der Ver­sicherung sind Ruhegeld und Hinterbliebenenrenten, bestehend in Witwenrenten oder Wilwerrenten sowie in Waisenrenten für die Kinder unter 18 Jahren. Das Gesetz zieht sowohl Prinzipal wie Arbeitnehmer zur Mitwirkung und Beitrags­leistung heran, daher sollte jeder Arbeitgeber und An- gestellie, der über seine Rechte und Pflichten im Klaren sein will, sich in»den Besitz dieses Buches setzen, denn Un­kenntnis des Gesetzes schützt nicht vor Strafen und Nach­teilen.

Bestellungen nimmt entgegen die

C. Meeh'sche Buchhandlung.

Roman von Wilma Mittelstaedt.

29^ «Nachdruck verbaten.)

Mein Mann war noch nicht gekommen und hatte auch keine Nachricht gesandt, ich mar somit ganz ini Unklaren über semen Aufenthalt. Ich übergab Maud der Aussicht Marys und schickte mich an, das Nötigste zu besorgen, nämlich ein kleines Zimmer für uns beide in einem entlegenen Stadtteil zu mieten.

Ich bestieg einen Wagen und gab dem Kutscher verschiedene Straßen an, in die er mich fahren sollte. Es war schwer, sehr schwer, etwas Passendes zu finden, aber ich hatte nicht viel Zeit und mußte eine Wahl treffen.

Ein im vierten Stock gelegenes, nicht zu großes Zimmer mit zwei Belten und dem notwendigsten Mobiliar erschien mir endlich passend, da auch der Preis ein nicht zu hoher war Eine kleine Küche, die daneben lag, gehörte mit dazu und ich bestimmte meinen Einzug noch für denselben Abend; die Miele für ein Vierteljahr hatte ich im voraus entrichtet. Dann fuhr ich wieder nach Hause.

Die kleine Maud hatte mich ichon mit großer Ungeduld erwartet, denn ich war mehrere Stunden von zu Hause abwesend gewesen und sie halte ihr Mittagsbrot ohne mich einnehmen müssen. Tas war ihr immer ein großer Schmerz, nun aber war sie froh, daß ich wieder da war.

»Armes, armes Kind", dachte ich unwillkürlich.

als ich sah, mit welchem Appetit sie ihre kleine aus- gewählte Abendmahlzeit verzehrte.

Ich nahm meinen Thee schweigend ein, dann sagte ich Maru. sie möge meinen Koster hinunter schassen lassen und eine Droschke bestellen, da ich auf ein Telegramm hin genötigt sei. eme kleine Reise zu unternehmen, Maud begleite mich.

Bei meiner Mitteilung machte Mary ein sehr verwundertes Gesicht, doch Verschnmegenheit war eine ihrer Haupttugenden und so that sie keine einzige neugierige Frage, sondern führte meine Be­fehle aus.

Maud war sehr erstaunt, daß sie mich am Abend begleiten durfte, aber nach Kinderart machte ihr das Neue, Ungewohnte Vergnügen.

Wir fuhren ohne Zwischenfall ab. Ich atmete auf, als ich unser Hans und unsere Straße hinter mir wußl*, ohne noch einmal Charles begegnet zu sein Gott sei Dank, nun waren wir geborgen.

Nach eineinhalb Stunden langten wir an unserer neuen Behausung an und stiegen die vier Trcvpcii empor. Der Kmicher folgte mit dem .Koffer; wir Wureu für dem Augenblick in Sicherheit.

Maud tonnte nicht begreifen, was das alles zu bedeuten habe und es war sür mich unendlich schwer, ihr eine Erklärung zu geben, ohne ihren Bauer bloßzustellen.

Endir.1i haue sie sich soweit beruhigt, daß ich ihr vorstcllte, wir seien gezwungen, einige Zeit hier zu leben und würden später wieder zurückkehren. Tie Vertröstung ans später schien Maud zu be­

ruhigen, so daß sie sich jetzt willig von mir zu Bett bringen ließ, was sie zuvor entschieden verweigert harte.

Sie war ermüdet und schlief sehr bald ein, während ich noch lange, ach, so lange, an ihrem Bett saß und uachdachte, was nun werden sollte.

Ich zahlte meine kleine Barschaft; sie betrug sechshundert Mark. Wie lange konnten wir davon leben)' Bei größter Sparsamkeit etwa ein halbes Jahr. In dieser Zeit mußte ich eine Beschäftigung gefunden haben; ich konnte ja nur eine verrichten, die zu Haute zu besorgen war, denn ich mochte mein Kind nicht fremden Leuten überlassen.

Als ich mich an diesem Abend zu Bett begab, war nur der Kops bleischwer vom vielen Denken, ich schlief den Schlaf tiefster Erschöpfung.

Wochen waren verronnen. Wir lebten unter oem Namen Pontifex. Ich hatte noch keine Arbeit gesunden, obwohl ich mir alle erdenkliche Mühe ge­geben hakte, alles war umsonst gewesen.

Noch halten wir ja sür einige Monate zu leben, allein metn kleines Kapital zerrann säst unter meinen F-nigcru, nutz größter Sparsamkeit.

Maud machte mir schwere Sorgen. Ihr be- hagte das kümmerliche Leben un einfachen Dach­stübchen nicht; sie sehnte sich unaufhörlich in die glänzenden Verhältnisse zurück, die sie von Jugend aus gewohnt war und die sie nur schwer entbehren konnte. (Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag der T. Meeb'schrn Buchdruckerei de« TnztälerS (Inhaber G. Louradi) in Neuenbürg.