Bäcker versorgte alle Wirtschaften und alle Privathäuser mit Brezeln und machte dadurch ein- bis zweimal im Jahr ein größeres und gutes Geschäft. Da die meisten Bäcker früher zugleich eine Wirtschaft hatten, so dehnte sich der Backtag auch auf die Wirtschaft aus. In der Backtagwoche wurde nur Wein ausgeschenkl und jeder Bäcker erwartete zu seinem Backtag seine Kollegen, Nachbarn, Freunde und besonders sämtliche Geschäftsleute. Besuchte einer der letzteren den Backtag nicht, so wurde der Geschäftsverkehr mit ihm abgebrochen. Die Geschäftsleute, denen das persönliche Erscheinen nicht möglich war, mußten wenigstens ein paar Schoppen Wein und Dutzend Brezeln holen lassen, damit die Freundschaft kein Loch bekam. Jeder Gast mußte mindestens 1*/r bis 2 Schoppen Wein trinken. Die Backtage waren vom Sonntag an die ganze Woche hindurch sehr gut besucht und alle Stadtneuigkeiten wurden bei dieser Gelegenheit eifrigst erörtert. Auch die Beamten fanden sich bei den Backtagen ein und gesellten sich gerne zu den Bürgern. Die städtischen Einrichtungen und die Politik spielten bei den Backtagen eine große Rolle. Eine frühere hiesige Zeitung registrierte unter der Rubrik „Backtag'Geschwätz" die Probleme des städtischen Fortschritts. Geschlossen wurde der Backtag mit Zwiebelkuchen. Im allgemeinen setzten die Bäckermeister eine Ehre darein, nur gute, hauptsächlich überrheinische Weine den Gästen vorzusetzen. Der Wandel der Zeiten brachte auch hierin eine Aenderung. Manche konnten eine Mischung der Weine nicht unterdrücken und so kamen die Backtagsweine allmählich in einen nichts weniger als guten Ruf; selbstverständlich war dies nicht bei allen Wirten der Fall; im Gegenteil trank man bei vielen Bäckern einen sehr guten und dazu billigen Wein. Die alte Sitte des Backtags hat sich auch nach Auflösung der alten Zunft merkwürdiger Weise viele Jahrzehnte erhalten und erst die letzten Jahre haben der sehr populären und volkstümlichen Einrichtung übel mitgespielt. Die Gründe sind verschiedener Art. Es gründeten neue Meister ein Geschäft, die selbst in jeder Woche Laugenbrezeln backten und dadurch eine unliebsame Konkurrenz einleiteten; sodann geht die Zahl der Bäckerwirtschaften von Jahr zu Jahr zurück und schließlich wurde der alte Brauch von den Geschäftsleuten als lästiger Zwang empfunden, so daß die Backtage an Bedeutung immer mehr verloren. Im allgemeinen weint man ihnen keine Träne nach, da sie in unsere Zeit nicht mehr paßten, vielmehr manche unnötigen Ausgaben verursachten.
Li eben zell, 12. Okt. Um eine Anlage von seltenem Wert ist Liebenzell reicher geworden, es sind die originellen naturparkartigen Schloßberganlagen, die sich im vergangenen Sommer trefflich bewährt haben und nicht zum wenigsten dazu beigetragen haben, daß die Kurfremden nicht wie anderwärts, die Stätte der Erholung geflohen sind. Der ganze zwischen Städtchen und Burgruine gelegene, mehrere Morgen große Schloßberg, der aus schwer zugänglichen Einzelparzellen bestand, wurde von der Stadt angekauft und angelegt, wodurch ein Natur-
I park von nichtgeahnter Schönheit entstanden ist. Die ! größtenteils mit wildem Gesträuch und reichster Form bewachsenen Felsterrassen aus denen der Steilhang des Schloßberges besteht, sind durch bequeme Wege mit lauschigen Ruheplätzen erschlossen und sind ein Lieblingsaufenthalt der Fremden geworden und werden insbesondere es bei Frühjahrs- und Herbstkuren auch bleiben.
Pforzheim, 15. Okt. In Dietlingen hat es schon wieder gebrannt. Das große Gasthaus zum „Rößle" des Karl Rauch ist vollständig abgebrannt. Nur ein Teil der Fahrnis konnte gerettet werden.
Scheuern bei Gernsbach, 14. Oktober. Einen seltenen Besuch erhielt gestern nachmittag unser Ort. Kam da auf der Straße von Gernsbach her ein etwa dreijähriger Hirsch bis beinahe mitten in das Dorf herein. Da das Tier, welches wahrscheinlich im Walde einen Schrotschuß erhalten hatte, schon abgejagt und abgehetzt war, konnte es nicht mehr weit kommen, wurde in die Enge getrieben und von zwei Männern gefangen genommen. Gewiß ein seltener Fang!
Pforzheim, 15. Okt. Der Obst-und Honigmarkt der Badischen Landwirtschaftskammer findet am 18. und 19. Oktober in der hies. Turnhalle statt.
vermischtes«
Kaiser und Präsident. Wie Schweizer Blätter berichten, kam anläßlich des Kaiserbesuchs in Bern auch ein altes Mütterchen vom Land in die Bundesstadt, um den Kaiser zu sehen. In sein Dorf zurückgekehrt, wurde es gefragt, ob es den Kaiser gesehen habe. „Ja frili (freilich), dä Han i gseh!" — Auf weitere Frage, wie denn der Kaiser ausgesehen habe: „Er isch a große Ma mit eme wiße Bart und hät schwarze Chleider a gha und e schwarze Zylinderhut uf em Chopf. Nebe ihm isch Eine glaufe, in 'ere Uniform, säb isch jedefalls e Landjäger gsi, dä hät ufpasse müsse, daß em nüt passiert."
„Ohne Ansehen der Person!" Einen heiteren Zwischenfall hat nach Meldung St. Gallischer Blätter der König von Rumänien jüngst aus einem Bahnhof daselbst erlebt, wo er auf einen Zug warten mußte. Als dieser angekommen war, schritt er sofort mit seinem Bruder, dem Fürsten von Hohen- zollern - Sigmaringen, auf ein Coups erster Klasse zu, um einzusteigen. Der Kondukteur wehrte jedoch ab: „In der ersten Klasse ist kein Platz mehr, meine Herren, bitte steigen Sie zweiter ein! Auf der nächsten Station wird Platz werden." — „Gerne", erwiderte der König und folgte der höflichen Weisung. Entsetzt stürzte ein dienstbeflissener Lakai auf den Kondukteur los: „Wissen Sie denn nicht, das ist der König von Rumänien und der Fürst von Hohenzollern!" Doch der biedere Schweizer ließ sich zur großen Freude der Fürsten nicht aus der Ruhe bringen, denn er meinte: „Und wenn selbst unser Herrgott mitreisen wollte, so müßte er zweiter Klasse fahren. Wo soll ich denn Platz hernehmen?!,, — Damit setzte sich der Zug in Bewegung . . .
Blätter der benachbarten Bezirke weiterverbreitet worden ist, werden wir von Seiten der beteiligten Kraftwagen-Gesellschaft um Richtigstellung gebeten, wie folgt: „In der Nr. 163 Ihres gesch. Blattes wird Ihnen berichtet, daß unser Autoomnibus den Bauern zur Seite geschleudert habe. Das ist nach Meldung des Chauffeurs und den Aussagen einiger Fahrgäste unrichtig. Der Bauer hatte sich vor die Kühe gestellt und wurde von einer Kuh, die scheute, umgeworfen."
Wildbad, 15. Okt. Wieder ist einer der verdienten Männer, welche 1866 und 1870 für's Vaterland gekämpft haben, zur großen Armee eingerückt: Herr Privatier Jakob Bätzner ist gestern durch einen sanften Tod von längerem Leiden erlöst worden.
Zu den Landtagswahlen in Württemberg wird dem „Murgtäler" aus Loffenau geschrieben: Fast überall in Württemberg haben die Parteien ihre Kandidaten zur bevorstehenden Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer aufgestellt. Im Bezirk Neuenbürg ist Kandidat der Sozialdemokratie der bisherige Abgeordnete, Parteisekretär Wasner in Stuttgart, die nationalliberale Partei hat den Fabrikanten Commerell in Höfen, die konservative Partei Altschultheiß Häberlen in Calmbach aufgestellt. Da die Konservativen im Bezirk wenig Anhänger haben, wird sich der Kampf in der Hauptsache zwischen dem Kandidaten der vereinigten liberalen Parteien und dem der sozialdemokratischen Partei abspielen. Es besteht begründete Hoffnung, daß der Bezirk dem Kandidaten Commerell, einem Mann, dem sich allgemeines Vertrauen und große Wertschätzung zuwendet, der im Bezirk geboren und ausgewachsen und dadurch und noch vielerlei andere Beziehungen mit ihm verwachsen ist, welcher deshalb die Wünsche und Bedürfnisse der Bezirksangehörigen wie kaum ein anderer kennt und zu vertreten berufen ist, dem bezirksfremden und nach seiner Herkunft unserer engeren Heimat fernstehenden Kandidaten der Sozialdemokratie vorziehen wird.
Calw, 14. Oktbr. Der Kandidat des Bundes der Landwirte, Gutspächter Fahrion auf Hof Dicke, hatte seine Zusage zur Landtagskandidatur aus Gesundheitsrücksichten zurückgezogen. Auf dringendes Bitten seiner Parteifreunde aber ließ er sich unter der Bedingung, daß er von Wahlreisen befreit werde, bewegen, die Kandidatur aufrecht zu erhalten.
Calw, 12. Okt. Zur Angestelltenversicherungswahl hatten die Angestellten einen Wahlvorschlag eingereicht und die Vorgeschlagenen (sämtliche aus Calw) sind deshalb gewählt. Seitens der Arbeitgeber wurde kein Wahlvorschlag eingereicht, weshalb das Oberamt die Vertrauensmänner aus der Zahl der Wählbaren beruft.
Calw, 11. Oktbr. Eine alte Einrichtung der früheren Bäckerzunft ist, wie dem „Schwäb. Merk." von hier geschrieben wird, dem Aussterben verfallen. Es ist dies der sogen. Backlag, der von Woche zu Woche bei den einzelnen Bäckern abwechselte. Das Recht zum Backen von Laugenbrezeln hatte nur der Bäckermeister, der den Backtag hatte. Dieser ^
Eine Heirat.
Roman von Wilma Mittelstacdt.
151 (Nachdruck verboten.)
Ich wurde nach und nach ruhig, allein da ich meiner geröteten Augen wegen nicht gleich wieder zur Gesellschaft zurück konnte, so setzte ich mich aus Fenster und blickte zum flimmernden Sternenhimmel empor.
Der Mond warf seinen bleichen Schein auf die beschneiten Wege und Hauser und ries ein Funkeln und Glitzern auf den mit Schnee bedeckten Bäumen hervor, daß es einen Naturfreund mit wahrem Entzücken erfüllen mußte.
Ich sah wohl die Winterpracht da draußen, doch in meinem Herzen stürmte und tobte es, das paßte nicht zu dem starren Leben da draußen. Mir hatte mich das Weihnachtsfest keinen Frieden gebracht. Drinnen im Salon spielte man jetzt Klavier, jedenfalls war es Hertha.
Nun war das Stück zu Ende nnd drinnen ertönten laute, fröhliche Stimmen nnd Gläserkiiugeu.
An mich dachte niemand, ein tiefer Seufzer entrang sich meiner Brust.
Ta stand plötzlich doch jemand vor mir. Es war Heinrich Düring mit zwei Gläsern ln der Hand.
„Also hier finde ich Sie endlich, nachdem ich mir Ihre Abwesenheit nicht erklären konnte; lassen Sie uns auf eitle fröhliche Zukunft trinken, Fräulein
Emilie", sagte er, und reichte mir dabei em Glas Wein hin, das ich an das seine klingen ließ.
„Gestatten Sie mir wohl, daß ich Ihnen ein wenig Gesellschaft leiste", fragte er sodann freundlich und rückte sich, ohne meine Antwort abzuwartcn, einen Stuhl an den meinen.
Es wurde mir unbehaglich zu Mute, indes ich konnte doch nicht abermals fortlanfen, wie vorhin, als er mir die Nosen gab.
„Weshalb?" begann er, „sind Sie mir vorhin entflohen?"
Ich fand keine Antwort und sah schweigend zu Boden.
„Sie müssen wissen, Fräulein Emilie, was mich heute hierher führte, ich will nicht viele Worte machen; ich bin gekommen, um mir Antwort auf meinen Brief zu holen."
Ich sprang erregt auf. „Herr Doktor, hat Ihnen Mama nichts mitgeieilt?"
„Ich habe mit Ihrer Frau Mutter nicht weiter darüber gesprochen. Ich biere Ihnen alles, Fräulein Emilie, was Ihnen ein Mann nur bieten kann. Ein Herz, das ganz allein Ihnen gehört, eine gute und angesehene Stellung, ciucu Namen, auf dem kein Makel ruht. Sagen Sie mir, ob Sie mich auch nur ei» klein wenig lieb haben können und ob Sie mein Weib werden wollen?"
Er sah mir so treuherzig in die Augen, daß ich an seine Brust hätte stürzen mögen, um mein heißes Weh zu vergessen. Es durfte nicht sein. Aufs
neue traten mir die Thränen in die Augen, als ich ihm sagte:
„Ich wünschte, ich hätte Ihnen diese Stunde ersparen können, Herr Doktor, ich habe sicher ge- glaubt, Mama hätte Ihnen mitgelcilt, daß ich durch mein Wort bereits an eilten anderen Mann gebunden bin und daß ich von Herzen wünsche, daß auch Sie bald recht glücklich werden möchten."
Ich streckte ihm meine Hand entgegen, die er langsam ergriff und einen Augenblick in seinen Händen behielt. Nie werde ich den traurigen Blick vergessen, den er auf mich richtete und nie die Worte, die er sprach:
„So bin ich zu spät gekommen; mein Wunsch ist, daß Sie Ihre Wahl nie zu bereuen haben und daß Sie jener Mann so aufrichtig liebt, wie ich Sie liebe. Im Glück bedürfen Sie meiner nicht, kommen aber jemals schlimme Tage für Sie, dann erinnern Sie sich meiner als eines Irenen Freundes."
Er gab mir noch einmal die Hand, sah mir tief in die Augen und ging. Ich sah ihm nach, ich hatte ein treues Herz von mir gestoßen.
Noch ein paar Augenblicke wartete ich, dann betrat ich den Salon, um den Meinen „gute Nacht" zu sagen. Dr. Düring war nicht anwesend.
Der Weihnachtsmorgen versammelte uns am Frühstückstiscb. Außer Rechtsanwalt Düring waren alle da. Ich hätte so gerne gewußt, ob er sich beruhigt hatte, allein er erschien nicht.
(Fortsetzung folgt.)
Drnck und Beklag der <k. Meeh'scheu Buchdruckerei der Tnztälerr (Inhaber «. Sourabt) in Neuenbürg.