Lage ist. ein umfangreiches Material zu Grunde zu legen.
Pforzheim, 10. Juli. Wie einem Blatt von hier mitgeteilt wird, hat der Generalpardon für Steuerhinterziehungen in hiesiger Stadt den Erfolg gehabt, daß bisher über 80 Millionen neue Steuerwerte an Betriebsvermögen und Rentenkapitalien angemeldet worden sind. Im übrigen Lande feien die Ergebnisse, wenn auch nicht in dem Maße wie in Pforzheim, ebenfalls günstig, so daß für die Jahre 1912/13 der Staatshaushalt nicht wieder mit einem Defizit abschließen dürfte und auch die staatlichen Betriebsumlaufsmittel zum Ausgleich nicht herangezogen zu werden brauchten.
Pforzheim. Von den Beamten der hiesigen Wach- und Schließgesellschaft wurden im Monat Juni vorgefunden: 128 offene Haustüren, 2 offene Lagerplätze, 15 offene Fabriktüren, 9 offene Kontor- türen, 82 offene Einfahrtstore, 1 offener Keller, 6 offene Fabrikfenster, 6 offene Parterrefenster, 3 offene Ladentüren, 1 offene Wirtschaft. 11 defekte Tore wurden vorgefunden und der Eigentümer in Kenntnis gesetzt. 6 steckengebliebene Schlüssel wurden wieder abgeliefert. Brennende Lichter wurden nach Mitternacht bemerkt und die Hausbesitzer in Kenntnis gesetzt: lOmal im Hausflur, 7mal im Fabrikgebäude und 6mal in Mansarden, 7 mal im Keller.
Ettlingen, 10. Juli. Am Neubau der Unteroffizierschule ist man auf zahlreiche Skelette gestoßen; es wurden etwa 30 Grabstätten bloßgelegt. Die Gebeine stammen von Kriegern aus den Freiheitskriegen. Im Jahre 1814 soll hier ein Lazarett gestanden haben, in welchem viele Krieger an Seuchen starben und dann in Einzelgräbern an jener Stelle beerdigt wurden. In manchem der Gräber befinden sich 2 oder 3 Leichen. Die Gräber enthalten ziemlich viel Kalk, das damals übliche Desinfektionsmittel.
Die neuen Kartoffeln sind für viele eine Delikatesse, aber für die Hausfrau nicht immer angenehm, weil sie zu manchen Speisen nicht zu gebrauchen sind. Vom gesundheitlichen Standpunkte aus erscheint übrigens der zu zeitige Gebrauch der Kartoffel bedenklich. Der Verständige und auch der Feinschmecker gibt der völlig ausgereiften mehlreichen Frucht den Vorzug. Besonders hüte man sich vor sofortigem Wassertrinken nach Genuß der Frühkartoffeln. Doch ist jetzt gerade für diese unentbehrliche Tffchfrucht eine üble Zeit, da auch die vorjährigen Kartoffeln nun nichts mehr taugen. Darum tut man gut, den zu zeitig von dem reifenden Stocke entfernten Knollen den fehlenden Mehlgehalt durch eine künstliche Schnellreife zu ersetzen, dadurch, daß man sie einige Tage in trockenen Sand legt, so daß sie vollständig bedeckt werden, und den Sand den Sonnenstrahlen ausfetzt, da diese Früchte deswegen schnell reifen, weil der Saftzufluß fehlt. Abends bringt man die so behandelten Erdäpfel an einem trockenen Raum unter Dach, damit ihnen der Tau nicht neue Feuchtigkeit zuführe.
Neuenbürg, 13. Juli. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 25 Stück Milchschweine zu» geführt, welche zum Preise von 36—48 ^ pro Paar verkauft wurden.
Anrecht Gut.
Kriminalroman von Reinhold Ortmann.
13s (Nachdruck verboten.)
»Es sind meines Wissens beinahe dreiviertel Stunden bis Schandau, und die Nacht ist stockfinster. Trauen Sie sich in Ihrem Alter wirklich die Kraft für ein solches Unternehmen zu?"
„Und wenn's zehn Meilen wären — und wenn ich nachher tot Umfallen müßte, das ist alles eins. Ich leide nicht, daß ein anderer geht wie ich."
„Lassen Sie ihr den Willen!" bat Margarete. „Ich wüßte mir auch nicht anders zu helfen, als daß ich selbst ginge. Das Küchenmädchen hat eine Verletzung am Fuße, und ehe ich drüben im Dorf jemanden willig fände, die Besorgung zu übernehmen, würde eine lange, eine vielleicht allzu lange Zeit vergehen."
„So machen Sie sich denn auf den Weg, wenn Sie sich der Anstrengung gewachsen glauben," sagte Dr. Runge, „und vergessen Sie nicht, daß vielleicht ein — daß sehr viel von der raschen Erledigung Ihres Auftrages abhängt."
Noch von der Treppe her und aus dem unteren Stockwerk herauf hörte man das laute Weinen und Klagen der Alten. Dann hatte sie das Haus verlassen, und die Stille des Krankenzimmers wurde nur noch durch die schrecklichen pfeifenden Atemzüge des armen Kindes unterbrochen.
Dr. Runge hatte sich neben dem Bett niedergelassen und das matte, heiße Händchen des Knaben
Vermischtes.
Vorsicht beim Durstlöschen. Alljährlich treten in der warmen Jahreszeit auch bei den Erwachsenen heftige und bisweilen langwierige Magen- und Darmstörungen auf. Nach den Beobachtungen der Aerzte sind diese Störungen nicht selten auf den Genuß eiskalter Getränke, namentlich der auf den Straßen feilgehaltenen und eiskalt verabfolgten Mineralwasser, Sodawasser und dergl. zurückzuführen. Zur Vermeidung ernster Gesundheitsstörungen ist also hier Vorsicht geboten. Insbesondere sollen derartige kalte Flüssigkeiten niemals auf einmal, sondern nur langsam, schluckweise getrunken werden. Auf diese Weise wird auch der Zweck, den Durst zu löschen, besser und nachhaltiger erreicht.
Unterbrochene Hochzeitsreise. Kommt da ein junges Ehepaar zur deutschen Grenzstation Avricourt, um von da seine im Elsaß wohnenden Familienangehörigen zu besuchen, der kontrollierende Grenzgensdarm fand aber, daß der junge Ehemann als 13 jähriger Knabe nach Amerika ausgewandert war und damals unterlassen hatte, seine Militärverhältnisse zu ordnen, was einem 13 jährigen kaum zu verzeihen ist. Der Gendarm nahm den Gestellungspflichtigen fest; die tiefbetrübte Frau mußte vorerst allein nach dem Elsaß reisen.
Die belohnten Leidtragenden. Aus Greiz wird folgendes Geschichtchen erzählt: In dem Nachbardorfe Gommla war eine Witwe gestorben. Da ihr Mann auf dem Greizer Friedhof beerdigt ist, sollte auch sie dort begraben werden. Da die Frau aber wenig Anhang gehabt und auch sonst sehr einsam gelebt, hatte sie gefürchtet, daß bei dem mehr als einstündigen Wege nach Greiz niemand mit ihr zu Grabe gehen werde. Um sich nun aber ein ordentliches Grabgeleit zu sichern, hatte sie für jeden Teilnehmer an der Beerdigung testamentarisch einen Taler ausgesetzt und auch dafür gesorgt, daß dies entsprechend bekannt wurde. Obgleich es noch viele Mißtrauische gab, die einen pfiffigen Trick vermuteten, war das Leichenbegängnis doch sehr stattlich. An die 100 Gommlaer wollten sich ihren Taler verdienen. Und sie sind nicht enttäuscht worden. Als das Testament eröffnet wurde, erhielt jeder der Teilnehmer drei Mark aus dem Nachlaß. Da machten alle diejenigen, die nicht milgegangen waren und die Gutgläubigen ausgelacht hatten, lange Gesichter.
Trinkfreudige Geschworene. Vor dem Gericht in Charkow ist in diesen Tagen ein Prozeß beendet worden, den der Staatsanwalt gegen acht Geschworene eingeleitet hatte, die bei der letzten Schwurgerichtsperiode in Lubey, Gouvernement Pol- tawa, zwei des Mordes Angeklagte freigesprochen hatten. Nach der Verkündigung des Urteils wurde es dem Gericht bekannt, daß die Herren Geschworenen vor Beginn der Sitzung an einem glänzenden Bankett teilgenommen hatten, das von den Verwandten der Angeklagten veranstaltet worden war. Dabei hatten die Volksrichter dem Wein so ausgiebig zugesprochen, daß einige von ihnen bei der Formulierung des Urteilspruchs mehr oder weniger stark i
ergriffen, um die Pulsfrequenz zu verfolgen. Margarete Römhild stand ihm gegenüber, und plötzlich, von der Zärtlichkeit ihres angstgequälten Mutterherzens getrieben, beugte sie sich herab, um ihren gepeinigten Liebling zu küssen. Mit einer raschen und energischen Bewegung aber hinderte sie der Doktor, ihre Absicht auszuführen.
„Das dürfen Sie nicht, Frau Römhild! Sie würden sich zwecklos einer großen Gefahr aussetzen: denn die Krankheit Ihres Knaben ist in hohem Maße ansteckend.
Die heißen Tränen rannen ihr über die Wangen, aber sie wagte nicht, feinem Verbot ungehorsam zu sein. Und wieder herrschte für eine lange Zeit tiefes Schweigen zwischen ihnen. Der kleine Patient war zwar bei Bewußsein, aber völlig apathisch, und nur die krampfhaften Bewegungen des winzigen Brustkorbes verrieten, daß er litt. Dr. Runge verwandte den Blick nicht von seinem Gesicht, und die Augen der bedauernswerten Mutter spähten in seinen ernsten Mienen nach dem tröstenden Hoffnungsschimmer, der einen Lichtstrahl in die Nacht ihrer Verzweiflung werfen sollte. Aber sie sah, daß sich seine Züge statt dessen immer mehr umdüsterten, und jetzt — es mochte kaum mehr als eine halbe Stunde seit dem Aufbruch Babettes vergangen sein — jetzt konnte es ihr auch nicht entgehen, daß sich der Zustand des Kindes zusehends wieder verschlechterte.
Das Pfeifen in der kleinen Brust wurde zu einem beängstigenden Röcheln, die Hustenstöße hatten einen
betrunken waren. Vergebens versuchte der Verteidiger nachzuweisen, daß jenes Bankett auf den Freispruch der Angeklagten keinen Einfluß ausgeübt habe, das Gericht war gegenteiliger Ansicht und verurteilte die lebenslustigen Geschworenen zu der milden Strafe von je zwanzig Rubeln.
Vierundsiebzig Stunden am Klavier. Eine furchtbare Veranstaltung haben, den „Hamburger Nachrichten" zufolge, die Einwohner von Potchefstroom in Südafrika über sich ergehen lassen müssen. Der 23 jährige Pianist William Bendell halte es unternommen, den Weltrekord für Klavierspiel zu brechen. Dieses Vorhaben ist ihm in der Tat gelungen. Der Barbar hat es fertig gebracht, vierundsiebzig Stunden lang ununterbrochen am Klavier zu sitzen. Eine ungeheure Volksmenge füllte den Platz vor dem Saal und stimmte begeistert in das „Rule Britannia" ein, mit dem der Klavierrekord—Held seine Vorführung beendete.
Aus der guten alten Zeit. Ein probates Mittel, um zänkische Eheleute zum Frieden zu bringen, wurde früher vielfach in Orten des Oberamtes Balingen (besonders in Pfeffingen) geübt. Nach mehrmaligen fruchtlosen Mahnungen durch nächtliche Stockschläge an die Tür« und den Zuruf „Der Latte (d. h. der Vater) kommt" wurden die streitenden Eheleute nachts durch zwei oder drei verkleidete oder sonst unkenntlich gemachte Männer des Ortes so durchgebläut, daß in der Regel von da ab der Hausfrieden gesichert war.
Eine seltsame Grabinschrift. Die „Köln. Volksztg." veröffentlicht eine merkwürdige Grabinschrift, die ein Denkstein auf dem alten Kirchhof in Anklam trägt. Der grammatisch wie orthographisch nicht ganz einwandfreie Text lautet:
Gute Nacht! Du bist von mich geschieden, Kereft nie mehr liebend bei mich ein,
Ruhe sanft in Gottes stillen Frieden, Unvergeßlich wirst du stäts mich sein.
Dein Gedächtnis bleibt bei mich im Läben,
Du hast mich des guten viel getan.
Du wirst sein, mein Vorbild stets im Läben, Bis mich Gott einst ruft zum Himmel ahn.
(Fataler Druckfehler.) Eine Partie Prima Rauchfleisch ist billig abzugeben, soweit der Vorrat riecht.
(Nach dem Examen.) Nun, Heerr Professor, welchen Eindruck hat mein Sohn auf Sie gemacht?" — „O, er ist ein sehr stiller, junger Mann!"
Rätsel.
Was die drei ersten Silben nennen.
Es spricht; doch hörst es du allein.
Auch kann — wir wollen es bekennen —
Recht unbequem die Sprache sein.
Doch schlimmer ift's lädt sie zum Reden Die vierte erst, die düst're, ein;
Drum laßt uns — und dies gilt für jede»! — In allem stets das Ganze sein!
seltsamen, kraftlosen Klang, und das Gesicht nahm wieder eine bläuliche Färbung an.
Da — nachdem er einen einzigen raschen Blick auf die zitternde junge Frau geworfen — netzte Dr. Runge seine Lippen mit der desinfizierenden Lösung, die er vorhin zurechtgemacht hatte, und dann — Margarete Römhild sah es mit stockendem Herzschlag — dann preßte er sie fest auf den halb geöffneten Mund des Knaben. Sie begriff nicht, was sein Gebühren bedeuten solle; sie wollte ihm etwas zurufen, wollte eine Frage an ihn richten.
Aber sie war wie gelähmt, unfähig, nur ein einziges armseliges Wort hervorzubringen. Einzig in ihren Augen spiegelte sich, was in ihrer Seele vorging. Und erst, als Dr. Runge sich wieder aufgerichtet hatte, als er bei Seite getreten war, um seinen Mund zu reinigen, und als sie gewahrte, daß ihr Kind wieder freier zu atmen vermochte, kam ihr eine klarere Vorstellung von dem, was dieser Mann soeben getan hatte, um ein bedrohtes Leben zu retten.
Und da, wortlos aber mit lautem Aufschluchzen, warf sie sich vor ihm nieder und erfaßte seine Hände, um sie mit Küssen zu bedecken. Fast gewaltsam mußte er sie befreien.
„So stehen Sie doch auf, Frau Römhild," sagte er ruhig. „Wenn wir den Jungen durchbringen, wie ich es zuversichtlich hoffe, so haben Sie dafür einem andern zu danken als mir."
(Fortsetzung folgt.)
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