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herigen anreihen und der Liederkranz Stamm­heim hat mit derselben wieder gezeigt, was sich auch bei bescheidenen Verhältnissen erreichen läßt, wenn Einigkeit stark macht.

-r. OstelSheim. Der zweite Weihnachts­feiertag dieses Jahres gestaltete sich für den hiesigen Kriegerverein durch die Uebergabe der ihm verliehenen Erinnerungsmedaille zu einem Festtage. Vollzählig hatte sich der Verein mit der Fahne um 4'/» Uhr nachmittags aufgestellt, um den neuen Bezirksobmann, Herrn Stadtschultheiß Conz von Calw, zu begrüßen. Nach der Vorstellung des Vereins begab man sich in das Gasthaus z.Rößle". Eingeleitet wurde die Feier durch einen Chor des Gesangvereins, der sich mit gewohnter Pünkt­lichkeit eingestellt hatte und den Abend durch seine trefflich vorgetragenen Weisen verschönte. Herr Bezirksobmann Conz übergab nach einer patriotischen Ansprache die Erinnerungsmedaille an den Krieger- verein, dem er auch zugleich die Glückwünsche des Präsidiums aussprach, die Mitglieder ermahnend, wie seither so auch ferner in Treue festzuhalten an König und Vaterland, Kaiser und Reich. Das von ihm ausgebrachte Hoch auf S. M. den König fand begeisterten Widerhall. Hierauf sprach der Vorstand des Kriegervereins, Johannes Haug, im Namen des Vereins seinen Dank aus, den der Verein dadurch betätigen wolle, daß er wie bisher den kameradschaftlichen Sinn und die Liebe zu König und Vaterland pflege. Zugleich gab er seiner Freude Ausdruck, daß der hiesige Kriegerverein der erste Verein sei, dem der Herr Bezirksobmann in dienstlicher Eigenschaft einen Besuch abstatte. Sein Hoch galt dem Herrn Bezirksobmann, dem Präsidium des Württembergischen Kriegerbundes und dessen hohen Protektor, S. M. des Königs Wilhelm. In weiterem Verlauf des Abends führten vier Mit­glieder des Gesangsvereins ein komisches Stück auf, betitelt: 'Kriegsgefangen", eine Episode aus dem letzten Krieg darstellend, dessen gelungene Wieder­gabe unter allen Anwesenden große Heiterkeit hervor­rief. Anknüpfend an das nun 25jährige Bestehen des Vereins hob der Herr Bezirksobmann in einer weiteren Ansprache hervor, welch' schönes Ding es in einem Verein, namentlich in einem Kriegerverein, um die Einigkeit und Kameradschaft, und wenn er den stattlichen Verein so in aller Harmonie und Eintracht beisammen sehe, möchte er den Wunsch aussprechen, daß dies auch in Zukunft immer so bleiben möge. Vorstand Haug gedachte der zehn verstorbenen Mitglieder des Vereins und forderte die Anwesenden auf, sich zu Ehren derselben von ihren Sitzen zu erheben. Auch die Begleiter des Herrn Stadtschultheißen trugen in ihrem Teil zu dem Gelingen des Abends bei. Herr Seeger, Vorstand deS Veteranenvereins Calw, betonte die Wichtigkeit des heutigen Abends und die Notwendig­keit, treu zusammen zu stehen. Herr Sattlermeister Wiedmann erfreute durch den gelungenen Vortrag des Nachtwächterliedes. Es ist deshalb nicht zu verwundern, daß der Kriegerverein wie ein Mann die Erklärung abgab, noch nie einen so heiteren, genußreichen Abend verlebt zu haben. Das Haupt- Verdienst daran aber gebührt unserem Herrn Bezirts- obmann, der durch sein liebenswürdiges, heiteres Wesen aller Herzen gewann. Man konnte es ihm so recht anmerken, daß die AnredeKameraden" bei ihm keine leere Formsache war, sondern so recht von Herzen ging. Und wenn der hiesige Krieger­verein ihm auf diesem Wege nochmals seinen herz­lichen Dank ausspricht, so geschieht es mit dem aufrichtigen Wunsche, es möchte dieser Besuch nicht sein letzter gewesen sein, sich derselbe vielmehr recht bald wiederholen.

-ii. Aichelberg b. Wildbad, 27. Dez. Am ersten Weihnachtsfeiertage beging der Krieger­verein Aichelberg im Gasthause zurSonne" seine Chrtstbaumfeier, verbunden mit Gaben­verlosung. Drei Aufführungen wurden mit unverkenn­barem Geschick von einigen Mitgliedern des Vereins zur allgemeinen Freude der Zuhörer zum Besten gegeben. In dem humvorvollen StückeDer dumme Peter" war sowohl Leutnant wie Bursche trefflich wiedergegeben. Der elftere, ein schmucker Kavalier in Schulden, der weder Miete noch Kost zu bestreiten wußte, wurde von seiner Hauswirtin hart ange­griffen. Der Leutnant scherte sich aber nicht darum und schickte seinen Burschen mit den letzten zwei Talern zum Blumenhändler, ein Bouquet zu erwerben.

das er seiner Geliebten, einem vornehmen, reichen Fräulein, überbringen sollte; zugleich trug er ihm auf, ein Mittageffe» aus dem nahen Gasthofe mit Garantie baldiger Zahlung zu beschaffen. Der Bursche übergibt dem gnäd. Fräulein das Bouquet mit der ehrlichen Bemerkung, es sei durch die letzten zwei Taler des Leutnants erworben; zugleich bittet er um ein Mittagessen für seinen armen, hungrigen Herrn. Dieser ist wie aus den Wolken gefallen, als ihm sein treuherziger Bursche die begangenen Dummheiten aufrichtig erzählt, bringt aber dennoch seine Sache ins richtige Geleise, verlobt sich an jenem Abend noch und macht damit auch seine Hauswirtin zufrieden. In der zweiten Aufführung, Der Kirchengemeinderat Stöffel und seine Kater", wurde der lappige Bauer in gebildeten Kreisen und die selbstbewußte Bäuerin am heimischen Herde gelungen dargestellt. Und im dritten Stücke,Die Fechtbrüder" erschienen trefflich nachgeahmt zwei Gauner wie sie im Buche stehen, die sich durch eine frühere, an dem Oberamtmann begangene Rettungs­tat, von diesem die Erlaubnis zum freien Bettel erwerben. Dererfochtene" Betrag wandert natür­lich in die VereinSkosse. Die Pausen wurden durch Gesangsvorträge des Kriegervereins ausgefüllt. Wenn auch seine Leistungen einem Anfangsstadium angehören, so mußte man sich doch davon überzeugen, daß der Dirigent sowohl als auch die Sänger sich eifrig bemühen, Fortschritte zu wachen und der Kunst das Schöne abzulauschen. Einen tiefen Eindruck machte vor allem der gemischte Chor, .in welchem die kindliche Unschuld, als Engel verkleidet, den ergreifenden GesangEhre sei Gott in der Höhe" u. s. w., anstimmte. Herr Schultheiß Frey war eifrig bestrebt, seinen Gästen aus Küche und Keller das Beste zu bieten. Man muß sich in seinen neuen, bequemen Räumlichkeiten Wohl fühlen. Fest- und Gastgebern besten Tank!

Zwieselberg, 29. Dez. Am Christfest stürzte der Waldhüter Hermann lt.Grenzer" in­folge eines Fehltritts über die vor seinem Hause angebrachte Treppe hinab und blieb die Nacht im Freien liegen. Morgens fand ihn sein Sohn tot auf.

Reutlingen. Im November und Dezember hat die Handwerkskammer die erste Meister­prüfung abgehalten, der sich 19 darunter 4 bereits selbständige junge Handwerker unter­zogen haben, nämlich 4 Schmiede, je 3 Maurer, Schuhmacher, 2 Schlosser, je 1 Bäcker, Buchbinder, Gipser, Kaminfeger, Sattler, Schreiner, Wagner. Die verhältnismäßig größte Zahl, 5, stellte Tübingen; je 2 kamen aus Freudenstadt, Rottweil, Schwen­ningen, Metzingen. Der Vorbereitungskurs in Buch­führung, welcher 6 Tage dauerte, zählte 9 Teil­nehmer. DaS Meisterstück durften die Prüflinge an ihrem Wohnort machen; die Prüfung in Reut­lingen nahm nur die Maurer länger als einen Tag in Anspruch. Deren Prüfung war überhaupt besonders zu ordnen. Da man sie in Reutlingen ebensowenig wie an ihrem Wohnorte Prüfungs­bauten ausführen lassen konnte, bestimmte die Prüfungskommission, daß sie beglaubigte Zeugnisse über selbständig ausgeführte Arbeiten beibringen; in der eigentlichen Prüfung (die im ganzen 3 Tage dauerte) hatten sie hauptsächlich Zeichnungen und Kostenberechnungen anzufertigen. Die Geprüften sind berechtigt, den Titel eines Meisters in ihrem Gewerbe zu führen, vorausgesetzt, daß sie auch die Befugnis, Lehrlinge zu halten und anzuleiten, be­sitzen. Diese Voraussetzung trifft bei zweien nicht zu, da sie das erforderliche Alter (24 Jahre) noch nicht erreicht haben.

Eßlingen, 28. Dez. Zwischen hier und Brühl wurde heute Vormittag die Leiche des 21 Jahre alten Dienstmädchens Anna Schnitzler aus Nür­tingen aus dem Neckar gezogen. Ob ein Unglücks­fall oder Selbstmord vorliegt, ist noch nicht bekannt. Das Mädchen war seit 3 Tagen hier aushilfsweise im Dienst.

Friedrichshafen, 29. Dez. Die Weihnachtsfeiertage benutzten 2 arbeitsscheue Indi­viduum zu Ueberfällen au f Wegpassanten. Am Weihnachtsabend kehrte der Kunstmüller Doll- metsch in Trautenmühle mit seiner Familie (Frau und 6 Kinder) von Meckenbeuren durch den See­wald mit dem Fuhrwerk hierher zurück. In dem berichteten Seewald stieß er auf einen Handwerks­burschen, welcher sich unbemerkt auf den Wagen schwingen wollte. Trotz Abweisung seitens des

Dollmetsch ließ er nicht ab und trotz Drohung mit der Schußwaffe suchte er mit aller Gewalt auf den Bock zu springen, weshalb Dollmetsch kurz entschlossen einen Schuß auf ihn abgab, wodurch der Stromer seitwärts in den Graben fiel. Noch während der gleichen Nacht meldete sich auf der hiesigen Polizei ein Mann mit verletztem schmerzendem Arm und glaubt man in diesem des Täters habhaft zu sein. Am Sonntag wurde ein Knecht von Schnetzenhausen auf dem Heimweg überfallen und seines Geld­beutels beraubt. Der Täter ist unbekannt.

Berlin, 29. Dez. Die frühere Kron­prinzessin von Sachsen hat wie aus Dres­den gemeldet wird, zum Weihnachtsfest ein in herz­lichen Worten gehaltenes Glückwunschschreiben an den Kronprinzen gerichtet, welches von diesem so­fort erwidert wurde. Der König, der von dem Schreiben der Prinzessin angeblich sehr angenehm berührt wurde, soll dem Kaiser Franz Joseph und dem Großherzog von Toskana durch Handschreiben seine vollste Billigung über das jetzige Verhalten der Prinzessin ausgesprochen und weitgehende Zu­geständnisse in Aussicht gestellt haben.

Berlin, 28. Dez. Wie der Lokalanzeiger aus Petersburger Hofkreisen erfährt, sieht die Zarin im Laufe des Sommers einem freudigen Familien- Ereignis entgegen. Ihr schmerzhaftes Ohrenleiden ist durch eine Operation, die vor mehreren Wochen in Skiernewice vorgenommen wurde, fast vollstän­dig behoben. Auch das Agemeinbefinden und die Stimmung sollen vorzüglich sein.

Berlin, 29. Drz. Zur Lage in Crim­mitschau wird auS Dresden gemeldet, daß die sächsische Regierung amtlich den Ministerialdirektor Roscher nach Crimmitschau geschickt hat, um zwischen den Parteien zu verhandeln.

Berlin, 28. Dez. Wie die Morgenpost aus Peking meldet, haben der britische und japa­nische Gesandte die Ansicht ausgesprochen, daß ein Krieg zwischen Rußland und Japan unvermeidlich sei. Auch auf den anderen Gesandtschaften hegt man nur geringe Hoffnung auf eine friedliche Bei­legung der Schwierigkeiten zwischen Japan und Rußland.

Berlin, 28. Dez. Nach einer Pariser Meldung des Berliner Tageblattes hat die An­kündigung, daß die Revisionskommission einstimmig das Revistonsgesuch DreifuS für zulässig erklärt hat, im Publikum keinerlei Bewegung hervorgerufen. Auch der größte Teil der Presse behandelt die An­gelegenheit jetzt mit absichtlicher Zurückhaltung. Der Kassationshof wird jetzt einen Rapporteur ernennen und etwa im Monat März sein Urteil verkünden. Wahrscheinlich wird er nicht selbst das Urteil fällen, sondern Dreyfus nach der Kassierung des alten Urteils vor ein neues Kriegsgericht stellen.

Vermischtes.

Ueber die Erträge von Busch­obstbäumen berichtet derPraktische Ratgeber" auf Grund der diesjährigen Ernten in seinem Versuchsgarten Hedwigsberg. Danach brachten 99 Bäumchen der Winiergoldparmäne im Ganzen 2500 Pfund, somit der Baum, der nur etwa 8 qm Fläche einnimmt, reichlich 25 Pfund. Die Roh­einnahme eines Vtertelhektar Landes mit Buschobst würde nach den diesjährigen Ergebnissen 1485 betragen. Es ist dies noch ein weit höherer Ertrag, als Büttner in seinem Buche über Buschobst- kultur den Ertragsberechnungen zu Grunde legt. Ob es nicht angesichts solcher Ertragszahlen und bei dem fortgesetzten Mangel guten deutschen Obstes für manchen Landwirt recht gewinnbringend werden könnte, wenn er sich auf intensiven Obstbau ver­legen wollte? Die Nummer mit dem betreffenden Artikel wird kostenlos vom Geschäftsamt desPrak­tischen Ratgebers" in Frankfurt a. Oder auf Ver­langen zugesandt.

jMmrtMtl. ConsWmem Lat».

Anfangs Januar treffen 1s. Malzkeime ein und werden solche den Vereinsmitgliedern zur gefl. Abnahme bestens empfohlen.

Borstaad.

Fr. Gärtner.