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Amts- «nd AnzeigeSkatt für den Wezirk Gatw.
78. Jahrgang
SrschetmmgSt-g-: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. JnsertionSprelt 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und SqirtSort,; außer Bezirk Iß Psg.
Donnerstag» den 31. Dezember 1903.
AbonnementSpr. in d. Stadt pr. Viertelj. Mk. 1.10 incl. Lriigerl. Bierteljiihrl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- ortSverlehr 1 Mi., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Psg.
Amtliche Aekavvtmach»ngerr.
Den Herrn Katastergeometern» Uerwaltungsaktuaren u. den Ortsbehörden
ist die Nummer 25 des Amtsblatts des K. Steuerkollegiums enthaltend den Erlaß des Steuerkollegiums, Abteilung für direkte Steuern vom 19. Dez. d. I., betr. de« Abschluß der Metzurkundenhefte zur «enntnisnahme und pünktlichste« Rachachtnng übersendet worden.
Die Ortsbehörden haben diese Nummer in der Sammlung im Geometerkasten aufzubewahren. Calw, 30. Dezember 1903.
K. Oberamt. Voelter.
Bekanntmachung
betreffend die Ausstellung von Gewerbe- legitinrationskarten für das Jahr 1904.
Nach § 42 der Vollzugsverfügung zur Gewerbeordnung vom 9. Nov. 1883, erfolgt die Ausstellung der Legitimationskarte nur auf Antrag des Inhabers des stehenden Gewerbebetriebs.
Für diejenigen, für welche die Karte ausgestellt werden soll, ist dem Oberamt ein Zeugnis des Ortsvorstehers des Wohnorts desselben darüber vorzulegen, ob ihm über denselben keine der in 8 57 Ztff. 1—4 und 8 57b Ziff. 2 der Gewerbeordnung bezeichneten Tatsachen zur Kenntnis gekommen find. In dem Zeugnis muß auch der Geburtsort des betreffenden Reisenden angegeben sein.
Calw, 29. Dezember 1903.
K. Oberamt.
Amtm. Ripp manu.
Sylveftrrgedanlen.
Von A. H.
Wenn der erwachsene Bursch' den lieben Heimatort verläßt, um in die Fremde zu ziehen, dann bleibt er wohl an der Grenze der heimatlichen Gemarkung eine kleine Weile stehen und wendet seinen Blick noch einmal zurück nach jenen Stätten, wo er manche freudige, aber auch manche traurige Stunde verlebte. Noch einmal zieht die ganze Vergangenheit an seinen geistigen Augen vorüber-,
dann noch ein letzter Abschiedsblick, und er schreitet rüstig nach der entgegengesetzten Seite davon, der — ach, so dunklen Zukunft entgegen. Was enthält sie in ihrem dunklen Schoße? Das erhoffte Glück? oder bittere Entäuschung? Wer kann es sagen!
Vielen Menschen bleibt der eben geschilderte Augenblick — dieses bittersüße Gemisch von Trcnn- ungsschmerz und Zukunftsofftmng — erspart, aber an einem Tage im Jahre befinden wir uns alle in ähnlicher Lage und Stimmung — am Sylvestertage.
Sylvester! Die Grenzscheide zweier Jahre! Wohl nur wenige unterlassen da den Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr, wohl nur wenige schauen dem neuen Jahre nicht zukunfts-, hoffnungsfreudig entgegen!
Was hat der sterbende Greis uns gebracht? Manches Leid, manchen Kummer, eS ist wohl wahr. Aber — wollen wir nicht ungerecht sein, so müssen wir es gestehen — auch manche glückliche Stunde, die uns für alle Sorgen und Mühen reichlich entschädigt. Zwar meint Justinus Kerner:
„Zählt man die Zeit im Jahr,
Drin freudvoll war ein Herz,
Sind's wen'ge Stunden nur,
Die andern trug cs Schmerz."
Aber — hatte der gemütliche und gastfreundliche Weinsberger Arzt zu diesen weltschmerzlichen Worten rechte Ursache? — Und dann: Blieb uns auch dieser oder jener Wunsch im alten Jahre unerfüllt, wir hoffen! Hoffen, daß das neue Jahr uns recht glücklich machen werde. Glücklich! Wer ist glücklich? Was ist es überhaupt um das viel- berusene „Glück"?
„Glücklich ist,
Wer vergißt,
Was nicht mehr zu ändern ist!" sagt das oft gebrauchte Wort, und — sicher enthält cs eine tiefe Lebensweisheit: Wieviel Menschen können nicht glücklich werden, weil es für sie unmöglich ist. zu vergessen, was sie doch vergessen müßten! Die sich durchaus nicht in das Unabänderliche fügen können! Daß aber das angeführte Wort eine restlose Lösung der aufgeworfenen Frage gibt, wird wohl niemand ernstlich behaupten wollen.
Wenn man die Unzufriedenen fragen würde, was denn das neue Jahr ihnen eigentlich bringen solle, wie viele könnten da keine rechte Antwort geben! Und: von denen, die überhaupt eine Antwort erteilten, würden wohl die meisten sagen: Geld, Reichtum! Wieviel Millionen werden zum Zwecke der mühelosen Erlangung des Reichtumes alljährlich in der Lotterie gesetzt?
Ob aber Reichtum allein glücklich macht?
Wie sagt doch Walth er von der Vogelweide?
„Nur selten weiß ich, daß es einem frommt.
Wenn er zu übergroßem Reichtum kommt.
Der allzureich', der allzuarme Mann,
Sie schaun die Welt durch trübe Augen an.
Zu großer Reichtum macht hoffärtig Blut:
Zu große Armut raubt den Lebensmut.
Und wahrlich, keins von beiden dünkt mich gut."
Also: Uebergroßer Reichtum hat noch selten einem gefrommt, aber auch Armut taugt nichts, und — Walther konnte cs wissen, besonders das letztere!
Sollte also die goldene Mittelstraße die Glücksstraße sein? Nun, stellen wir darum keine übergroßen Ansprüche an das neue Jahr. Bescheidene dürften sich auch um so eher erfüllen! Wenn man dagegen von uns sagen muß. was Mephistopheles von Faust spricht:
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne Und von der Erde jede höchste Lust;"
dann dürften wir uns im neuen Jahre wohl nicht besonders glücklich fühlen! — Wenn wir am heutigen Tage den Blick rückwärts wenden, so werden wir vielleicht mit Erstaunen gewahr, daß das alte Jahr uns manche Glücksstunde gönnte, die wir damals nicht — wenigstens nicht zwingend — als solche erkannten. Martin Greif drückt diesen Gedanken in seinem sinnigen Gedichtchen „Glück" sehr schön aus:
„Glück ist wie ein Sonnenblick,
Niemand kann's erjagen,
Niemand von sich sagen,
Daß er heut' und eine Frist Ohne Wunsch und glücklich ist.
Glück ist wie ein Sonnenblick Erst wenn es vergangen,
Erst in Leid und Bangen Denkt ein Herz und fühlt es klar,
Daß eS einmal glücklich war."
Wenn uns also das neue Jahr das Glück
— d. h. natürlich: das echte, wahre — sendet, dann frisch zugegriffen, ohne „Wenn" und „Aber", und nicht gezaudert — es dürfte sonst zu spät werden.
Am besten ist es wohl, wenn wir denken: Was das Jahr uns auch bringt, ein gütiger Geber sendet es! und außerdem: Wir müssen es ja annehmen! Dann können wir mit dem leider allzu früh verstorbenen Julius Lohmeyer dem neuen Jahre folgenden Gruß widmen:
„Sei uns willkommen, neues Jahr!
Schau uns ins Auge licht und klar!
Sei uns gegrüßt im Friedensschein,
Blank ist die Schwelle — tritt herein!
Was du auch bringst, was du gewährst,
- Ob Leid du oder Glück bescherst.
Ob Weh, ob Freude unser Los,
Das ruht noch in der Zeiten Schoß.
Drum, was du bringst, tritt fröhlich ein! Willkommen sollst auch du uns sein.
Ein gütger Gott hat dick gesandt:
Wir stehn in seiner Vaterhand."
Wenn wir dann ernst Rückblick und Ausschau gehalten haben — Rückblick auf das sterbende, Ausblick aufs neue, erstehende Jahr, dann laßt uns fröhlich sein im Kreise froher Freunde. Geschart um die dampfende Bowle laßt uns mit Scherz und Kurzweil, und die gemütvollen deutschen Lieder singend, das neue Jahr erwartend. — Und wenn dann die Glocke mit ehernem Munde die zwölfte Stunde kündet, dann wollen wir das Glas erheben und anstoßen mit dem Rufe:
— „Prosit! Ein frohes neues Jahr!"
Tagesneuigkeiten.
Zave Ist ein, 28. Dez. Nach vorausgegangenem „stillem" Kampf, wobei es sich hauptsächlich um die Wiedererrichtung einer seit einigen Jahren cingegangenen Wirtschaft handelte, wurden bei der heutigen Gemeinderatswahl' die seitherigen Mitglieder Andr. B^uer und Adam Mast wiedergewählt.
-!. Stamm heim, 27. Dez. Gestern obend beging der hiesige Liederkranz im Gasthaus zum „Bären" seine Weihnachtsfeier, die, wie alljährlich, stark besucht war. Eingeleitet wurde dieselbe durch Begrüßung seitens des Vorstandes und den stimmungsvollen Weihnachtschor: „Heil'ge Nacht, auf leichten Schwingen bist du wieder uns genaht", welcher im Schlüße überlistet auf das alte schöne Weihnachtslied: „Stille Nacht, heilige Nacht". Den Kern und Mittelpunkt der Feier bildete das Melodrama von Wengert (Text von Else May): „Von Weihnacht zu Weihnacht" (mit lebenden Bildern). Diese textlich und melodisch wirklich edle, auf tief sittlich-religiösem Hintergrund aufgebaute Dichtung verfehlte, dank der verständnisvollen Aufführung, ihres Eindrucks auf die Zuhörer nicht. Auch die übrigen scenischen Darbietungen wurden wohlgelungen wiedergegeben und heben wir namenlich hervor: „Aus Frankreich zurück" und „Ein ländlicher Heiratsantrag", wo sie sich in beiden Fällen zum Schluffe „kriegten". Die Chöre und Quartette zeichneten sich durch richtige Auffassung und präzise Wiedergabe aus. Unbesttitten gebührt hier die Krone dem Wengert'schen Chor: „Ich kehre wieder". Alles in allem: diese Aufführung darf sich würdig den seit-
Unfere nächste Nummer erscheint nächste» Samstag Bormittag. Einsendnngen hiefür sollte« an diesem Lage spätestens morgens
»'/, Uhr erfolgt sei«.