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^ 80.

Neuenbürg, Montag den 20. Mai 1912.

70. Jahrgang.

RunSichau.

Berlin, 18. Mai. DieNordd. AÜg. Ztg." schreibt: In der gestrigen Sitzung des Reichstags hat sich ein Vorfall abgespielt, der aus dem gewöhn­lichen parlamentarischen Rahmen herausfällt, und, wie sich aus mehreren Zeitungsberichten ergibt, nicht überall richtig dargestellt wird. Wir stellen daher den tatsächlichen Verlauf fest: Der Abg. Scheidemann als erster Redner zum Etat des Reichskanzlers kam in seinen Aeußerungen, die von Anfang an von un­gehörigen Wendungen strotzten und mehrfach vom Präsidenten gerügt wurden, auch auf dis Straß­burger Aeußerung des Kaisers zu sprechen, und ge­brauchte in diesem Zusammenhang Schmähungen gegen Preußen, die selbst aus dem Munde eines Sozialdemokraten im Reichstage bisher unerhört waren. Als statt des von einem großen Teil des Hauses erwarteten Ordnungsrufs des Präsidenten nur eine Mahnung zur Mäßigung erfolgte, sahen sich der Reichskanzler und die Vertreter der Bundes­staaten veranlaßt, den Saal zu verlassen. Nachdem Abg. Scheidemann seine Rede beendet hatte, erteilte ihm der Präsident für seine Beschimpfungen nicht einen Ordnungsruf, sondern beschränkte sich auf eine hypothetische Form der Zurechtweisung. Nach ge­nauer Durchsicht des Stenogramms überzeugte sich der Präsident später davon, daß diese Stelle der Scheidemannschen Rede Ausdrücke enthielt, die Preußen aufs schärfste beleidigten und sprach nun­mehr nachträglich einen Ordnungsruf gegen ihn aus. Hiernach kehrten die Mitglieder des Bundesrates und der Reichskanzler wieder in den Saal zurück. Das Verlassen des Saales war allgemein als eine scharfe Form des Protestes gegen eine unqualifizier­bare Ausschreitung aufgefaßt worden. Die bürger­lichen Parteien gaben ihre Ucbereinstimmung mit dem Reichskanzler durch einen starken Beifall kund, mit dem sie die Eingangsworte der Kanzlerrede unterstrichen.

Berlin, 18. Mai. Die gestrigen Vorgänge im Reichstag sind umgehend dem Kaiser gemeldet worden. Nach dem Verlassen des Sitzungssaales durch den Reichskanzler hatte dieser, wie dieTägl. Rundschau" meldet, mit dem Kaiser in Homburg ein telephonisches Gespräch. Den Inhalt des Gespräches bildeten die Vorgänge im Reichstage. Der Reichskanzler hat während des Auszugs der Regierungsvertreter den Präsidenten Kaempf wissen lassen, daß die Vertreter der verbündeten Regierungen nicht eher den Reichstag wieder betreten würden, als bis der Abg. Scheidemann wegen seiner Angriffe aus Preußen noch nachträglich zur Ordnung gerufen werde.

Berlin, 18. Mai. Im preußischen Ab­geordnetenhaus kam heute nachmittag bei der Beratung des Eisenbahnanleihegesetzes Abg. Stroßer auf die Grafenstadener Angelegenheit zu sprechen. Der Minister v. Breitenbach führte da­zu aus: Die Grafenstadener Angelegenheit ist in der elsaß-lothringischen Kammer behandelt worden, ohne daß die geringste Neigung vorhanden war, diese schwierige Frage objektiv und nach allen Richtungen hin prüfen zu wollen. Der größte Teil des dortigen Parlaments hat den nationalistischen Bestreb­ungen Vorschub geleistet. Ich habe aus diesen Verhandlungen meinerseits keinen Anlaß nehmen können, meine Haltung zu ändern. (Sehr richtig! rechts.) Im Gegenteil, ich habe die zuständige Eisenbahn-Generaldirektion beauftragt, dem Vorstand mitzuteilen, daß der leitende Direktor, den wir ver­antwortlich machen, innerhalb kurz bemessener Frist entlassen wird und keine Stellung erhalte, die ihm Einfluß auf das Unternehmen gestattet. Sollten die Erklärungen des Vorstands negativ ausfallen, so muß die Zurückhaltung der Aufträge erfolgen und diese müssen anderen Betrieben übergeben werden. (Lebhaftes Bravo! rechts.) Die Verantwortung trifft

allein die Fabrikleiiung. (Sehr richtig! rechts.) Von den 3000 Arbeitern der Fabrik sind ungefähr die Hälfte mit Lokomotiobau beschäftigt. Abg. Dr. Röchling (natl.) sagte: Wir billigen die Haltung der Regierung und bitten sie, fest zu bleiben, damit die Reichseisenbahnen ein Hort nationaler Gesinnung bleiben. (Lebhaftes Bravo!) Feinde des Deutschen Reiches zu bezahlen, haben wir keine Veranlassung. (Lebhafter Beifall.)

Hamburg,- 18. Mai. Der Kaiser wird zum Stapellauf des DampfersImperator" am 23. Mai vormittags im Dammtorbahnhof eintreffen. Bürgermeister Burchard wird die Taufrede halten, der Kaiser die Taufe des Schiffes vollziehen. An dem Stapellauf und dem Frühstück bei Bürgermeister Burchard wird auch Herzog Albrecht von Würt­temberg teilnehmen.

In Marokko hat nach einer Meldung aus Melilla kürzlich einer der heißesten Kämpfe mit den Mauren stattgesunden, welche die spanischen Truppen im Rifgebiet je zu bestehen hatten. Nicht weniger als 4 Kolonnen, die aus 10 Bataillonen Infanterie und 6 Batterien Artillerie zusammenge­setzt waren, wurden ins Feld geschickt. Es kam zu einem außerordentlich heftigen Nahkampf zwischen der Reiterei, bei dem die spanische Kavallerie die Lanzen gebrauchen mußte. Der Leutnant Alcalaini und vier Soldaten wurden getötet. General Garcia, Navarro und Caramillo sind schwer verletzt worden. Nach den zuletzt eingegangenen amtlichen Depeschen haben die Spanier im ganzen 7 Tote und 38 Ver­wundete, darunter 3 Olfiziere, gehabt. Auch die Rifleute hatten sehr schwere Verluste zu verzeichnen.

Rom, 17. Mai. In der Kammer teilte heute der Ministerpräsident Gioletti unter größter Aufmerk­samkeit des Hauses fünf Depeschen über das mili­tärische Vorgehen der Italiener auf Rho­dos mit, das durch einen großen Erfolg glücklich beendet sei. Stürmischen, nicht enden wollenden Beifall rief die Depesche hervor, in der gemeldet wurde, daß die türkische Garnison sich mit denWafsen undunter militärischen Ehren ergeben habe. (Neuer begeisterter Beifall.)

Auf der Insel Rhodos kam es zu einem Ge­fecht zwischen Italienern und Türken. Das Gefecht dauerte den ganzen Tag und endete mit einem Sieg der Italiener. Sie erbeuteten 122 Ge­wehre sowie 200 Kisten Munition. Die Türken hatten 33 Tote und 26 Verwundete, die Italiener nur 4 Tote und 27 Verwundete. Am Abend schickte der türkische Kommandant einen Parlamentär. Nicht nur die bei Psythos stehenden Kräfte, sondern die gesamte türkische Streitmacht auf der Insel wurde vom türkischen Kommandanten übergeben, sodaß die Italiener unstreitbar Herren von Rhodos sind.

Stockholm, 18. Mai. Die Erste Kammer verwarf nach langer Debatte mit 86 gegen 58 Stimmen den Gesetzentwurf der Regierung über die Einführung des Frauenwahlrechtes zum Parla­ment. Die Zweite Kammer nahm dagegen nach längerer Debatte den Gesetzentwurf mit 144 gegen 66 Stimmen an. Der Gesetzentwurf ist damit für diesmal verworfen.

Paris, 18. Mai. Auf der Nordbahn hat sich bei Pont Marcadet ein folgenschwerer Zugzusam­menstoß ereignet. Drei Wagen des Zugs 631 wurden von der Lokomotive des Zugs 434 zermalmt. Von den Reisenden in diesen Wagen wurden 11. darunter drei Militärpersonen, getötet, und 39 verletzt.

Narrow, 18. Mai. Der japanische Kreuzer Kongo" .ist heute vormittag in Gegenwart des japanischen Botschafters von der Werft von Vickers, Maxim u. Sohn vom Stapel gelaufen. Der Kreuzer hat eine Wasserverdrängung von 27 500 Tonnen, die Länge ist 704 Fuß, die Schnelligkeit beträgt 28 Knoten. Er ist das schwerste je vom

Stapel gelassene Kriegsschiff, da sich alle Maschinen außer den Turbinen bereits an Bord befinden.

Newport-News (Virginia), 18. Mai. Der UeberdreadnoughtTexas" ist heute vom Stapel gelaufen. Es dürfte das größte und stärkste Kriegs­schiff der Welt sein. Seins Wasserverdrängung beträgt mit der gesamten Ausrüstung 28367 Tonnen, die Länge 573 Fuß und die Schnelligkeit 21 Knoten.

London. In Chorley (Lancashire) sind bei verschiedenen Aerzten über hundert geheimnis- volleVergiftungsfälle angezeigt worden. Weitere 80 kamen in benachbarten Ortschaften vor. Bis jetzt ist ein Todesfall gemeldet worden.

Bei Dockweiler in der Eifel verunglückte auf der Provinzialstraße ein Automobil; seine Insassen wurden schwer verletzt, das Automobil ging vollständig in Trümmer. Bei Britten in der Nähe von Merzig geriet ein Lastautomobil an einem Abhang ins Rutschen. Der Chauffeur sprang, um sich zu retten, ab, wurde aber von dem Automobil zu Tode gcquescht. Ein Benzwagen eines Erfurter Herrn fuhr in einen Chausseegraben bei Bielefeld. Während sich der Besitzer des Wagens mit einem vorüberfahrenden Fuhrmann um den Verletzten be­mühte, fuhr ein aus Bielefeld kommendes Automobil in die Gruppe und verletzte den Fuhrmann Werning so schwer, daß er bald darauf starb.

Horburg i. Elf., 16. Mai. Ein Weinstock, dessen Samen bereits in voller Blüte steht, ist hier im Garten des Landwirts Ittel zu sehen.

Obermodern i. Ms., 16. Mai. Ein Milch­krieg ist hier plötzlich ausgebrochen. Die hiesigen Milchhändler zahlen von heute ab 2 weniger für das Liter Milch wie bisher, statt 16 nur 14 Das wollen sich die Landwirte nicht gefallen lassen und streiken deshalb. Ein Milchhändler hat heute Morgen kein Tropfen Milch bekommen können, die anderen bedeutend weniger. Es verlautet, daß eine Milchgenossenschaft gegründet werden soll, wenn die Milch nicht zum alten Preise abgenommen wird.

Die Franzose« in Marokko.

Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß sich die Franzosen seit der Erklärung ihres Protektorats über Marokko in ein rechtes Wespennest im Scherifischen Reiche gesetzt haben. Denn seitdem die Kunde von der erfolgten französischen Protektoratserklärung zu den Stämmen im Innern des Landes gedrungen ist, sind unter ihnen die Flammen des Franzosenhasses wieder hell emporgeschlagen und alle Berichte über die Lage in Marokko lauten dahin, daß sie infolge des wiedererwachten Fanatismus der Stämme zu einer recht bedenklichen für die Franzosen geworden sei. Man muß nur bedenken, daß in einem großen Teile Marokkos die Autorität des Sultans kaum dem Namen nach besteht und daß die Stämme am Atlas wie auch am äußersten Süden des ausgedehnten Reiches sich immer unabhängig gegenüber dem Regime des gewaltigen Sultans fühlten, höchstens daß sie ihm zu Kriegszeiten freiwillig Folge gegen einen auswärtigen Feind leisteten. Dies war schon unter den früheren Sultanen so und ist es so auch unter Mulay Hafid geblieben; und nun kommen mit einem Male die Franzosen und verkünden, daß sie die Herren im Lande sind und daß das selbständige Reich Marokko definitiv aufgehört habe, zu existieren. Dies geht den freiheitsstolzen Stämmen Marokkos, soweit sie sich auch unter dem jetzigen Sultan im allgemeinen ihre Unabhängigkeit bewahrt haben, natür­lich durchaus gegen den Strich, und eine immer weiter greifende Gährung gegen die neue französische Herrschaft im Lande macht sich deshalb unter ihnen bemerklich. Ein Teil der franzosenfeindlichen Stämme hat sich bereits auf den Marsch nach Fez gemacht, um zunächst die Franzosen wieder aus der Haupt­stadt hinauszuwerfen. Auch in anderen Gegenden j Marokkos sieht es kritisch für die Franzosen aus, sie werden überall von den sich zusammenziehenden, von