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Neuenbürg, Freitag den. Mai 1912. 70. Jahrgang.

RunSiehau.

Karlsruhe, 7. Mai. Der Kaiser wird Sams­tag Vormittag 10.30 hier eintreffen. Da der Be­such am hiesigen Hof privaten Charakter trägt, findet ein großer Empfang am Bahnhof nicht statt. Der aus 10 Wagen bestehende Sonderzug, mit dem der Kaiser nebst Gefolge aus dem Süden hierher fahren wird, ist heute Vormittag 1.17 Uhr nach Italien auf dem hiesigen Bahnhof durchgefahren. Der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg wird ver­mutlich mit dem Botschafter v. Marschall vor der Ankunft des Kaisers hier eintreffen.. Man vermutet, daß hier auch die Entscheidung über den Botschafter- weckiel fallen wird.

Berlin, 9. Mai. Nach derTägl. Rundschau" Hai Frhr. v. Mar sch all den Botschafterposten in London angenommen. Sein Nachfolger in Kon­stantinopel wird Frhr. v. Wangenheim.

Die Budgetkommission des Reichstags setzte ihre Beratung fort. Bei der Erörterung der Forder­ungen für die Verkehrstruppen, insbesondere für die Fliegerabteilungen, teilte ein Vertreter der Heeres­verwaltung mit, daß eine Novelle znm Pensions­gesetz geplant wird, wonach verunglückte Flieger be­ziehungsweise deren Angehörige und Hinterbliebenen ebenso behandelt werden sollen, als wären die Flieger im Kriege verwundet oder gefallen. Die Komission genehmigte sodann für die Feldartillerie 30 neue Batterien, Etatserhöhung an Mannschaften und Pferden bei 100 Batterien sowie die Umwandlung der reitenden Abteilungen von zwei Batterien zu 6 Geschützen in solche von 3 Batterien zu je 4 Ge­schützen. Bei den Verkehrstruppen ist neben einer Verstärkung des Radfahrerbataillons eine Flieger­truppe vorgesehen. Die derzeitige französische Ueber- legenheit im Fliegerwesen wurde anerkannt; aber die Militärverwaltung konnte mitteilen, daß die Fortschritte auch in Deutschland, besonders in der Qualität, erfreulich sind. Die Kommission stellt sich auf den Standpunkt, daß die nationale Flugspende nicht unter das Budgetrecht des Bundesrats und Reichstags falle.

Berlin, 8. Mai. Die Budgetkommission des Reichstags genehmigte heute die durch die Wehrvorlage nötige Ergänzung des Etats des preu­ßischen Reichsmilitärkontigents für 1912 und damit die Wehrvorlage für das Landheer selbst.

Berlin, 8. Mai. DerReichsanzeiger" ver­öffentlicht die Bestimmungen für den Wettbewerb um den vom Kaiser gestifteten Preis für den besten deutschen Flugzeugmotor.

Die elsaß-lothringische Zweite Kammer des Landtags beriet am Dienstag in einer äußerst stürmischen Sitzung die Interpellationen sämtlicher Fraktionen über das Verhalten der Regierung in der Angelegenheit der Elsaß-Lothringischen Maschinen­fabrik in Grafenstaden, der wegen deutschfeindlichen Verhaltens ihrer Leitung die Staatsaufträge entzogen worden sind. Es wurde eine Resolution einstimmig angenommen, wonach die Kammer das Verhalten der Regierung auf das schärfste mißbilligt und fordert, daß sie in Zukunft mit Nachdruck die elsaß-lothringischen Interessen vertrete, um damit ihr Verhalten wieder gut zu machen. Auch fand ein von der Sozial­demokratie beantragter Zusatz, daß die Regierung in Zukunft Gesinnungsschnüffeleien unterlasse, eine Mehr­heit. Unterftaatssekretär Mandel erklärte, der Bericht über das Verhalten des Direktors Heyler sei vom Bezirkspräsidenten und vom Kreisdirektor verfaßt, denen er von der Regierung noch einmal zur genauen Prüfung zurückgegeben worden sei. Direktor Heyler leite die beiden Vereine der Fabrik in völlig französisches Fahrwasser. Er habe die bis­herigen Leiter der Fabrikfortbildungsschule entlassen, um den deutschen Schulinspektor nicht zur Kontrolle zu haben. Unter den 2000 Arbeitern und Angestellten der Fabrik seien nur etwa vier altdeutsche Arbeiter

und Angestellte. Die Berichte seien im Original nach Berlin gegangen, worauf der preußische Eisenbahn­minister geantwortet habe, es seien aus Selbstachtung die Bestellungen ewzuhalten, bis Wandel in der Fabrik geschaffen sei. Er habe erwartet, daß der Aufsichtsrat der Fabrik zusammentreten werde, um über den Vorfall zu entscheiden, ob man die Auf­träge des Ministeriums weiter bekommen und den Direktor entlassen oder ob man auf die Aufträge verzichten wolle. Statt dessen sei die Entscheidung der Angelegenheit in der Ersten Kammer durch den Abg. Blumenthal kundgegeben worden, was als illoyales Verballen der Direktoren der in Mülhausen befindlichen Filiale bezeichnet werden müsse, da die Verhandlungen mit diesen Herren ganz geheim ge­führt werden sollten. Gegenüber dem Vorwurf, daß die dem Direktor zur Last gelegten Fehler sehr un­bedeutend seien, betonte Staatssekretär Frhr. Zorn v. Bulach, daß es sich teilweise wohl um Kindereien handle, daß aber eine Fabrik, die jährlich für 45 Millionen Mark Aufträge erhalte, darauf sehen müsse, daß ihr Direktor sich nicht in kindischen Demonstrationen und Taktlosigkeiten gefalle. Für all das hat die elsaß lothringische Kammer aber kein Verständnis. Was dort gestern vorgegangen ist, macht einen überaus unerfreulichen, ja peinlichen Eindruck.

Konstantinopel, 8. Mai. Die Arbeiten zur Entfernung der Minen aus den Dardanellen stoßen infolge des schlechten Meters auf Schwierigkeiten. Es heißt, daß der Kanal nicht vor einer Woche frei sein werde.

London, 4. Mai. Die verschiedenen Sub­skriptionen für die Hinterbliebenen der bei der Titanic" Katastrophe umgekommenen Personen, die in England und in den Vereinigten Staaten eröffnet worden sind, haben bisher die Summe von 7 800 000 Mark erreicht.

Trauer über dieTitanic"-Katastrophe in Jerusalem. Mehr als sechzigtausend Juden von Jerusalem trauerten, als die Nachricht von dem Unglück derTitanic" und dem Tod des Ehepaares Straus dort bekannt wurde. Kurz vor ihrer Abreise von Southampton verbrachten Herr und Frau Straus eine beträchtliche Zeit in Palästina. Straus fühlte sich damals nicht recht wohl und so besuchte seine Frau allein die ärmsten Viertel Jerusalems. Als sie das Unglück und das Elend unter ihren Glaubens­genossen sah, berichtete sie dies ihrem Manne und bat, etwas zur Abhilfe zu tun. Auf sein Betreiben wurde dann eine Suppenküche errichtet, für die er 70 000 Mark bewilligte. Bei seiner Ankunft in Newyork wollte er dann einen besonderen Fonds für diese Einrichtung aussetzen. Die Suppenküche wurde sofort eröffnet und mehr als 600 arme Juden werden dort täglich gespeist. Als der Tod von Herrn und Frau Straus in Jerusalem bekannt wurde, fasteten die armen Juden an dem Tage, und ein feierlicher Trauergottesdienst wurde abgehalten.

Württemberg.

Stuttgart, 8. Mai. Der König ist heute nachmittag zu kurzem Besuch des Freiherrn Heyl zu Herrnsheim nach Worms abgereist.

Ulm a. D.. 8. Mai. Der König besichtigte bei seinem gestrigen Besuch mit dem Herzog Albrecht im Kasino des Infanterie-Regiments Nr. 120 das dem Regiment vom Kaiser geschenkte Bild, das die Teilnahme des Regiments an der Schlacht bei Wörth darstellt.

Stuttgart, 8. Mai. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer besprach bei der fortgesetzten Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Dienst­verhältnisse der Oberamtsärzte der Kult­minister v. Fleischhauer die Einzelheiten des Ent­wurfs und ging dann auf die einzelnen Anträge des näheren ein. Dem in dem Antrag des Abg. Speth- Wangen (Z.) ausgesprochenen Wunsche bezüglich der

rcnieriucyung von Maocyen >ei in oer von oer Ne­gierung ausgegebenen Dienstanweisung bereits Rechnung getragen. Die sozialdemokratische Resolution (zwangs­weise Behandlung von Kindern) sei ein erheblicher Schritt auf dem Wege zum Zukunftsstaat. Die Konsequenzen einer solchen Beschlußfassung wären gar nicht abzusehen. Der Minister steht auf dem Standpunkt, daß den Gemeinden in der nächsten Zeit keine neuen Lasten aufgebürdet werden dürfen. In der Begründung des sozialdemokratischen Antrags bezüglich des Zwangsheilverfahrens weist Abg. Mattutat (Soz.) gegenüber dem Zentrumsantrag daraus hin, daß eine große Zahl von Frauenleiden nicht vorhanden wären, wenn nicht infolge eines falschen Schamgefühls die Frauen vielfach auf die Inanspruchnahme eines Arztes verzichteten. Minister Dr. v. Pischek wandte sich gegen die Anträge des Bauernbundes und der Sozialdemokratie, ebenso gegen den Antrag des Zentrums; auch den deutsch- parteilichen Antrag Kübel hielt der Minister für un­nötig. Der Abg. Schick (Z.) erklärte namens seiner Fraktion, daß durch den Antrag Ströbcl (nur fakultative Schularzttätigkeit) der Zweck der Förderung der Volks­gesundheit nicht erreicht werde, wenn man nicht das Mittel auch allgemein, d. h. gleichmäßig in Stadt und Land, anwende. Dem Antrag Maitutar könnten seine Freunde nicht zustimmen, noch viel weniger der Resolution betr. das Zwangsheilverfahren, das dev Anfang des reinsten Staatssozialismus sei. Der Redner stellte dann den Antrag, die Regierung möge Maßregeln m Erwägung ziehen, durch welche die Verwertung der Schüleruntersuchungen bei Musterungen gesichert ist. Bei den sodann vorgenommenen Ab­stimmungen über die verschiedenen Resolutionen und Anträge wurde der Antrag Schock angenommen, die Resolution Mattutat abgelehnt, der Antrag des Zentrums mit knapper Mehrheit 39 gegen 35 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen, der Antrag Ströbel mit erheblicher Majorität abgelehnt, ebenso die Resolution der Sozialdemokratie bezüglich des Zwangsheilverfahrens abgelehnt. Im übrigen wurden die Artikel 3 und 5 nach dem Entwurf mit einigen von den Abg v. Gauß und Mattutat beantragten Aenderungen angenommen.

Stuttgart, 9. Mai. Die Beratung des Ge­setzentwurfs über die Dienstverhältnisse der Ober­amtsärzte wurde in der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer nur um ein weniges gefördert. Bei Ar­tikel 4 wurde fortgefahren. Hier hatte die Komis­sion die Verpflichtung des Oberamtsarztes zur Ab­gabe von Zeugnissen und Gutachten beschränkt auf Versicherungsanstalten und Versicherungsbehörden im allgemeinen für den Fall, wenn eine Anordnung des Ministeriums des Innern bei den Berufsgenossen­schaften, vorliegt. Ein Antrag Mattutat (Soz.) wollte, daß das Wort Berufsgenossenschaften und der AbsatzAuf Anordnung des Ministeriums" ge­strichen werden. Nach längerer Debatte, bei der sich der Abg. v. Kiene für den Antrag Mattutat, die Abgg. Ströbel (BK.). Andre (Z.) und Mini­ster v. Pischek gegen den Antrag aussprachen, wurde der sozialdemokratische Antrag abgelehnt und der Ausschußantrag vom Hause angenommen. Bei Ar­tikel 7, der von den Gebühren der Oberamtsärzte handelt, gab es einen außerordentlich heftigen Zu­sammenstoß zwischen dem Abg. v. Gauß und dem Minister Dr. v. Pischek. Es wurde dann noch ein Antrag Häffner (Natl.) angenommen, wonach folgender Absatz nicht in das Gesetz ausgenommen, sondern nur als Resolution ausgesprochen werden soll:Spätestens nach Ablauf von 4 Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ist den Landsländen eine Neuregelung der Gehälter der Oberamtsärzte in Vorlage zu bringen, wobei der Wegfall des Be­zugs der dem Oberamtsarzt zustehenden Gebühren in Aussicht zu nehmen ist."

Stuttgart, 8. Mai. Die sozialdemokratische Fraktion der Zweiten Kammer hat folgenden